Ethische Aspekte und Konfliktfelder bei Organtransplantationen

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 Präsentation transkript:

Ethische Aspekte und Konfliktfelder bei Organtransplantationen Natascha Höhn

Definition Hirntod Zustand des irreversiblen Erloschenseins der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms bei einer durch kontrollierte Beatmung künstlich noch aufrechterhaltenen Herz-Kreislauffunktion (Definition des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer) Hirntod muss immer von 2 Ärzten festgestellt werden dabei ist Sorgfalt wichtig um Fehldiagnosen zu vermeiden Organspender und -empfänger dürfen nicht vom selben Arzt betreut werden dürfen nicht an der Entnahme/ Übertragung der Organe beteiligt sein

Theologische Perspektive zum Hirntod Stellungnahme der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg: Gefahr den Menschen als eine Art Puzzle zu sehen ,das aus Teilen zusammengesetzt wird damit verbindet sich die Gefahr, andere Menschen als Ersatzteillager anzusehen und die Maßstäbe, nach denen Organe entnommen werden, aufzuweichen, um die benötigten Organe zu erhalten. durch die Gleichsetzung menschlichen Daseins mit dem messbaren Funktionieren von Gehirnaktivitäten werden Gehirn und Körper des Menschen definitorisch voneinander getrennt und qualitativ voneinander unterschieden der Glaube aber hält an der leibseelischen Ganzheit des Menschen fest der Mensch hat nicht einen Leib und eine Seele und innerhalb des Leibes Organe, die sich vom Menschsein als nicht dazugehörig abtrennen ließen dennoch sprechen sie sich für Organtransplantationen aus, solange diese freiwillig und aus Liebe zu den Mitmenschen geschehen

Ethische Konfliktfelder

Ethische Konfliktfelder Anzeichen von Leben Viele Kritiker der Todesdefinition des Hirntodes glauben, dass menschliche Empfindungen mit dem Hirntod nicht erlöschen Organe funktionieren teilweise noch kein Herztod durch künstliche Beatmung atmen Hirntote noch Ethische Konfliktfelder

Ethische Konfliktfelder Zwiespalt zwischen Würde des Toten Familie des Hirntoten, die trauert und den Tod nicht wahrhaben will Retten von Leben durch Organspende Familie des Patienten der auf ein Spenderorgan wartet

Festlegung der Vergabekriterien moralisch kaum möglich, da über Leben und Tod eines anderen entschieden wird, aber in der Praxis notwendig (zu wenig Spender) Chancengleichheit bei der Verteilung der Organe auf Patienten sollte gewährleistet sein Festlegung besonders in Deutschland aufgrund der NS-Vergangenheit (Unterscheidung zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben) äußerst problematisch 12.000 Menschen warten auf eine Transplantation 1997 beschloss der Bundestag das Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen. In diesem Gesetz werden alle Vorgänge rund um die Organtransplantation geregelt es wird versucht möglichst objektive Kriterien zu finden Koordinierungsstelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) Vermittlungsstelle: Eurotransplant

Vergabekriterien Erfolgsaussicht Dringlichkeit der Patient wird nach einer erfolgreichen Transplantation mit hoher Wahrscheinlichkeit länger und besser leben als ohne diesen Eingriff eine längerfristig gesicherte Funktion des neuen Organs kann gewährleistet werden es liegen keine schwerwiegenden, nicht behandelbaren Krankheiten (z.B. HIV) vor kein schwerer Nikotin-, Alkohol- oder sonstiger Drogenmissbrauch des Patienten ist bekannt Dringlichkeit eine andere Therapie verspricht keinen Erfolg mehr für ältere Patienten gibt es eine deutlich kürzere Warteliste (etwa zwei Jahre) vorgegangen wird bevorzugt nach dem Schema ältere Organe für ältere Empfänger Kinder und Heranwachsende sowie Eltern mit Kindern werden bevorzugt behandelt (soziale Dringlichkeit)

Ethische Konfliktfelder

Problem die Anzahl der Patienten, die auf ein Organ warten ist größer als die Anzahl der gespendeten Organe

Christentum die (katholische) Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland haben im Jahr 1990 eine gemeinsame Erklärung zur Organtransplantation herausgegeben seitdem haben in beiden Kirchen auf allen Ebenen Auseinandersetzungen über diese Thematik stattgefunden, besonders zur Frage des Todes beide Kirchen haben die Verabschiedung des Transplantationsgesetzes 1997 begrüßt Bereitschaft zur Organspende nach dem Tod ein Zeichen der Nächstenliebe und Solidarisierung mit Kranken und Behinderten

Die beiden großen deutschen Kirchen sind sich einig :

Standpunkt anderer Religionen zur Organtransplantation

Ein ungelöstes Problem bei der Verteilung von Spenderorganen Wilhelm Vossenkuhl Professor für Philosophie an der Universität in München

Probleme Knappheitsproblem: es gibt mehr Patienten, die auf eine Organtransplantation warten, als tatsächlich vorhandene Spenderorgane Lösung: Knappheitsproblem könnte wahrscheinlich gelöst werden, wenn in Dtl. jede erwachsene Person als Spenderin oder Spender gelten würde, die sich nicht dagegen ausgesprochen hat (sog. Widerspruchslösung). Verteilungsproblem: Wer von den Patienten soll ein Spenderorgan erhalten ? Lösung: mit ethischen Kriterien allein nicht lösbar Ethisches Dilemma: die Ansprüche aller Patienten auf den Schutz ihres Lebens sind gleich und können unter Knappheitsbedingungen nicht ungleich werden

Wann dürfen gleiche Ansprüche ungleich behandelt werden ? Beispiel: Jede Person hat den gleichen Anspruch, das öffentliche Straßennetz zu nutzen, aber nur wer einen Führerschein besitzt, darf Auto fahren. Gerechtfertigt ist diese Ungleichheit, weil der Führerschein als Nachweis der Befähigung gedacht ist, so zu fahren, dass niemand Anderes gefährdet wird. Die Gleichheit allgemeiner Ansprüche kann also eine Ungleichheit bestimmter Ansprüche ohne weiteres mit einschließen, wenn damit ein höherer normativer Anspruch, in diesem Fall die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer erfüllt wird. Organverteilung = gerechtfertigte Ungleichbehandlung Einzelner ? Nein ! es gibt keinen Anspruch, der höher gewichtet werden kann als das Recht auf Leben

Gleichheit und Ungleichheit Ethische Gleichheit Medizinische Ungleichheit Kriterien: Alter, Gesundheitszustand, Blutgruppe, genetische Disposition, Lebensführung, Lebensqualität, Lebensaussichten etc. des Patienten

Abhängigkeit ethischer von faktischen/medizinischen Kriterien Generell: wenn minimale medizinische Unterschiede zwischen Patienten zur Grundlage der Organverteilung gemacht werden, dann werden die ethischen Ansprüche, die bei allen Patienten gleich sind, ignoriert. Das Recht aller Patienten auf Lebensschutz kann mit einer medizinisch oder sozial beschriebenen Ungleichheit der Patienten nicht aufgehoben werden ! Aber: Faktische Voraussetzungen können auch entscheiden, ob normative Ansprüche relevant sind oder nicht es wäre lebensgefährlich, eine Gleichheit der Ansprüche von Patienten zu vertreten, die die medizinischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Transplantation nicht erfüllen (z.B. Blutgruppe, Gewebeverträglichkeit etc.) die Gruppe der Patienten, die auf ein Spenderorgan hoffen, verkleinert sich so

Ein Lösungsvorschlag WAS TUN ? Annahme: die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Transplantation sind bei einer Gruppe von Patienten erfolgt. Aber: die ethische Gleichheit der Ansprüche bleibt dennoch bei allen Patienten gleich ! WAS TUN ? Lotterie, die die Gleichheit der normativen Ansprüche simuliert Die Patienten und Patientinnen einer kleinen Gruppe sind durch Kugeln in jeweils unterschiedlichen Farben vertreten Aus der Punktezahl (z.B. Praxis bei Eurotransplant) des jeweiligen Patienten ergibt sich die Menge seiner Kugeln Nach Duchmischung der Kugeln könnten ebenso viele Kugeln gezogen werden wie Patienten an der Lotterie teilnehmen Die- oder derjenige mit den meisten Kugeln würde das Organ erhalten