Florian Seitz, Stephanie Kirschner

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 Präsentation transkript:

Florian Seitz, Stephanie Kirschner Erdrotationsparameter als Randbedingungen für globale dynamische Modelle Florian Seitz, Stephanie Kirschner Earth Oriented Space Science and Technology (ESPACE) IAPG, TUM Bad Kötzting, 25.6.2010

Beobachtung der Erdrotation und ihre Bedeutung Die Geodäsie beobachtet die Rotation der Erde seit vielen Jahrzehnten mit hoher Genauigkeit Aus den Beobachtungen der Orientierung der Erdachse und der Rotations-winkelgeschwindigkeit werden Zeitreihen der Erdrotationsparameter abgeleitet Die Kenntnis zeitlicher Variationen der Erdrotation ist fundamental, u.a. - für die Realisierung von Zeitsystemen - für die hochgenaue Berechnung von Referenzsystemen - um die Beziehung zwischen erdfestem und raumfestem Koordinatensystem herzustellen - für die Navigation interessant für viele Geowissenschaften, da sich dynamische Prozesse im Erdsystem in den Erdrotationsparametern abbilden F Die Analyse der Zeitreihen der Erdrotationsparameter erlaubt Rückschlüsse auf Vorgänge und Veränderungen im Erdsystem Bad Kötzting, 25.6.2010

Erdrotationsparameter - integrale Größen des Erdsystems Erdrotationsparameter sind integrale Größen: - Ihre Variationen spiegeln eine Vielzahl unterschiedlicher einander überlagerter Prozesse im Erdsystem wider - Zeitreihen der Parameter erlauben i.A. keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die Beiträge einzelner Systemkomponenten bzw. einzelner Prozesse F Erklärung einzelner Effekte / charakteristischer Signalanteile über theoretische und numerische Modelle F Bilanzierung von Einzeleffekten und Vergleich mit dem gemessenen Signal F Entwicklung eines physikalisch konsistenten und möglichst vollständigen Erdsystemmodells zur Simulation der Rotation der Erde Bad Kötzting, 25.6.2010

Modellkonzepte (1) Vorwärtsmodell: Simulation der Effekte geophysikalischer Prozesse und extraterrestrischer gravitativer Kräfte auf Erdrotationsparameter - Modell beinhaltet die Transferfunktionen Erdsystemprozesse  Erdrotationsschwankung - Validierung der Modellergebnisse durch Vergleich mit Beobachtungen - Empirische Anpassung von Modellparametern - Vorwärtsmodell erlaubt Prädiktion Bad Kötzting, 25.6.2010

Modellkonzepte (2) Inverses Modell: Zeitreihen geodätischer Parameter als Eingangsdaten für ein theoretisches Modell - Schätzung unbekannter Modellparameter (Ausgleichung) - Modellverbesserung im Sinne einer optimalen Nachbildung der geodätischen Beobachtungen Voraussetzung: Genauigkeit von Antrieben und Beobachtungen Bad Kötzting, 25.6.2010

Drehimpulsbilanzierung im Erdsystem Modellansätze zur Erdrotation beruhen auf der Drehimpulsbilanz im rotierenden Bezugssystem der Erde (Euler-Liouville-Gleichung): mit dem Drehimpuls I(t): Trägheitstensor der Erde (Anordnung der Massenelemente im System) h(t): Drehimpulse aufgrund der Bewegung der Massenelemente im System w(t): Erdrotationsvektor L(t): externe Drehmomente F Lösung nach w(t) liefert Variationen der Erdrotation (Vorwärtsmodell) F Einführung von w(t) ermöglicht die Schätzung von Prozessen / Parametern Bad Kötzting, 25.6.2010

Dynamisches Erdsystemmodell Bad Kötzting, 25.6.2010

Beispiel: Vorwärts modellierte Polbewegung Simulation Beobachtung x-Komponente: Korr.: 0,98; RMS: 29,5 mas y-Komponente: Korr.: 0,99; RMS: 23,3 mas Bad Kötzting, 25.6.2010

Prädiktion: Szenarienläufe über 200 Jahre DI(t) und h(t) aus dem vollständig gekoppelten Atmosphären-Hydrosphärenmodell (ECOCTH) des MPI für Meteorologie in Hamburg Simulationen der atmosphärisch-hydrosphärischen Drehimpulsvariabilität über einen Zeitraum von 200 Jahren (1860-2059) • ECOCTH wurde auch für Simulationen des 4. IPCC AR verwendet (Antrieb mit A1B Szenario) • vollkommen freies Modell • absolute Konsistenz: Erhaltung von Masse, Energie und Impuls F Wertvolle Erkenntnisse über die Interaktion von angeregter und freier Polbewegung (Chandlerschwingung) F Studien zum Anregungsmechanismus der Chandlerschwingung: Identifikation des atmosphärischen Hintergrundrauschens in der Bewegungskomponente h(t) (Wind) als dominierender Anteil Bad Kötzting, 25.6.2010 [Hense et al., 2009; Seitz & Drewes, 2009; Winkelnkemper et al., 2008]

Rot: Türkis: Gelb: Inverse Modellierung Aktuelle Forschungsarbeiten im Rahmen der DFG-Forschergruppe Erdrotation und globale dynamische Prozesse (FOR584) Teilprojekt P9: Rot: Türkis: Gelb: Bad Kötzting, 25.6.2010

Rot: Türkis: Gelb: Inverse Modellierung Siehe Poster: Aktuelle Forschungsarbeiten im Rahmen der DFG-Forschergruppe Erdrotation und globale dynamische Prozesse (FOR584) Siehe Poster: Kutterer et al.: Combined analysis of Earth rotation models and observations Göttl & Schmidt: Earth rotation mechanisms derived from geodetic space observations Kirschner & Seitz: Estimation of sensitive Earth parameters from an inverse dynamic model Teilprojekt P9: Rot: Türkis: Gelb: Bad Kötzting, 25.6.2010

Beispiel: Schätzung physikalischer Erdparameter aus Beobachtungen der Polbewegung - Modelle basieren auf einen Vielzahl von physikalischen Parametern - Die Parameter sind teilweise nur sehr ungenau bestimmbar oder werden (z.T. mit unbekannter Genauigkeit) aus anderen Modellen abgeleitet - Fehlerhafte Parameter können einen starken Einfluss auf Modellergebnisse haben (Sensitivitätsanalyse) Kritischer Parameter für die Modellierung der Erdrotation: Lovezahl k2 F beschreibt die Deformation des Erdkörpers aufgrund von Rotationsvariationen F Unmittelbarer Einfluss auf die Chandlerschwingung Bad Kötzting, 25.6.2010

Beispiel: Schätzung physikalischer Erdparameter aus Beobachtungen der Polbewegung Rückkopplungseffekt der Polbewegung auf die Deformation des Erdkörpers: Ansatz: - Schätzung der Lovezahl k2 aus Beobachtungen der Polbewegung - Methoden: Gauss-Helmert-Modell, Kalmanfilter,… Weitergehende Untersuchungen zur Sensitivität der Modellergebnisse auf andere Parameter, deren Schätzbarkeit und Trennbarkeit. Da die Beobachtungen der Polbewegung hochgenau sind, ist eine signifikante Verbesserung der Modellparameter zu erwarten Bad Kötzting, 25.6.2010

Zusammenfassung und Ausblick Erdrotationsparameter enthalten wichtige Informationen über dynamische Prozesse im Erdsystem Sie dienen als „rechte Seite“ der Drehimpulsbilanz im Erdsystem Erdrotationsparametern erlauben die Bestimmung/Verbesserung physikalischer Erdparameter Forschungsthemen für künftige Arbeiten: - Berücksichtigung weiterer Systemkomponenten und ihrer Wechselwirkungen (z.B. Kern-Mantel-Kopplung) Unabhängige Bestimmung von Massenverlagerungen/-bewegungen aus komplementären Missionen/Datenquellen (GRACE, SLR, Altimetrie) F Schließung von Lücken in der Drehimpulsbilanz? Inverse Modellierung: Erweiterte Schätzung von unbekannten Modellparametern aus geodätischen Beobachtungen Bad Kötzting, 25.6.2010

Simulationen über 200 Jahre (1860-2059) F Signalcharakteristik (Schwebung) ähnelt der Beobachtung

Simulationen über 200 Jahre (1860-2059) Chandlersignal Jahressignal F Ähnliche Jahressignale - leider doppelt so hoch wie beobachtet F Chandlerschwingungen sehr unterschiedlich

Simulationen über 200 Jahre (1860-2059) Chandlersignal +26 a Korr.: 0.92 Korr.: 0.74 +54 a

Anregungsmechanismus der Chandler-Schwingung? F Atmosphäre etwas stärker als Ozean F Wind dominiert F Motion deutlich stärker als Mass

Wavelet-Analyse der Polbewegung (prograd) F Die freie Kreiselbewegung der Erde (Chandler-Schwingung) wird durch Atmosphäre und Ozeane nahezu vollständig erklärt F Das beobachtete Jahressignal kann durch die verwendeten Antriebe nur teilweise nachgebildet werden

Atmosphärischer und ozeanischer Antrieb Konsistente Kombination aus • atmosphärischen Reanalysen NCEP • ozeanisches Zirkulationsmodell ECCO (Simulation) - NCEP assimiliert atmosphärische Beobachtungen freies Modell ECCO wird durch NCEP-Felder angetrieben (berücksichtigt windgetriebene und thermohaline Zirkulation) - 1980 ... 2002 (23 Jahre) Auflösung der Daten: täglich, 2° x 2°-Gitter Antriebe für DyMEG: Variationen des Trägheitstensors Drehimpulsvariationen aufgrund von Winden und Strömungen Oberflächenluftdruck, ozeanischer Bodendruck