Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
5. 3 Keynes: Die IS-Kurve J. R. Hicks: „Mr
Advertisements

5. 3 Keynes: Die IS-Kurve J. R. Hicks: „Mr
Konjunkturschwankungen
F FnFn z Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau SS Zur Bildung von Zyklen.
Einleitung Makroökonomie Beispiel Arbeitsteilung
3.3 Neoklassische Synthese
Mittelwert, Median, Quantil
Rückblick und Klausurvorbereitung Makroökonomie I


F FnFn z 9. Operational Targets Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau SS 2012.
2. Außenbeitrag bei konstantem Wechselkurs
267 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2010/11 f(k) k y, s. y s. f(k) (n+ )k s. y* c* k* y* 8. Das makroökonomische Konsensmodell.
i IS LM + Z - Y Monetäre Außenwirtschaft

F FnFn z Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau SS Zur Bildung von Zyklen.
i IS LM + Z - Y Monetäre Außenwirtschaft
F FnFn z Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau SS Spekulationskasse und Portfolio-Theorie.
238 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2010/11 f(k) k y, s. y s. f(k) (n+ )k s. y* c* k* y* 7. Zinssatz und Gütermarkt bei konstanter.
1 r Y r0r0 P0P0 IS 0 MP PmPm Z + – r' PxPx Y Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau SS Direktinvestitionen.
VII. Zinssatz und Gütermarkt bei konstanter Inflation

VII. Zinssatz und Gütermarkt bei konstanter Inflation
1 i Y IS LM Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2006/07 Z + - Monetäre Außenwirtschaft 9. Zur Gültigkeit der Zinsparität.
1 r Y r0r0 P0P0 IS 0 MP PmPm Z + – r' PxPx Y Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau SS Direktinvestitionen.
12. Zur Bildung von Zyklen Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
208 r Y r0r0 P0P0 IS 0 MP PmPm Z + – r' PxPx Y Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau SS Direktinvestitionen.
i IS LM + Z - Y Monetäre Außenwirtschaft
8. Finanzmarktmodell Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
F FnFn z Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau SS a. Anhang zur Bestimmung der optimalen Taylor-Regel.
Dipl. Volksw., Dipl. Jurist Felix Probst, Universität Passau,



Makroökonomik WS 2011/2012, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 337 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2011/12 f(k) k y, s. y s. f(k)
Makroökonomik WS 2011/2012, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 1 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2011/12 f(k) k y, s. y s.f(k)s.f(k)

Angebot und Nachfrage und ihr Zusammenspiel auf Märkten
Volkswirtschaftliche Bewertung der EnEV 2009 Berlin, 30. August 2011.

Der Gütermarkt in einer offenen Volkswirtschaft


Kap. 9. Die Analyse von Märkten

Krisen mit Keynes erklärt
KOOTHS | BiTS: Makroökonomik WS 2013/2014, Teil 5 1 Makroökonomik Teil 5 Dr. Stefan Kooths BiTS Berlin Wintersemester 2013/2014
Kapitel 17 Erwartungen, Wirtschaftsaktivität und Politik
Information und Kommunikation Hartmut Klauck Universität Frankfurt SS

Die Monetäre Theorie der Produktion von Keynes
Die Volkswirtschaft bei langfristiger Betrachtung
Die makroökonomische Kontroverse: NCM vs. NKM
Intermediate Macroeconomics: Übungsveranstaltung 1


Tutorium Makro- und Mikroökonomik
Der Wirtschaftskreislauf nach Keynes
Wird die Schuldenbremse eine Konjunkturbremse?
European Conference EUROPE: 20 Years in Transition Univ.-Prof. Dr Ewald Nowotny Gouverneur Oesterreichische Nationalbank.


Tutorium Makroökonomik

Die makroökonomische Kontroverse: NCM vs. NKM
Kap. 9: Wirtschaftliche Schwankungen
Kapitel 1 Einführung Kapitel 3 Spezifische Faktoren (Forsetzung)

© RAINER MAURER, Pforzheim Prof. Dr. Rainer Maure Die Schuldenkrise der EWU 2010.
5. Übung Makroökonomische Theorie. Staatsausgaben Staatsausgaben umfassen im weiteren Sinn alle Ausgaben, die von der öffentlichen Hand getätigt werden.
 Präsentation transkript:

4. Kurzfristige Schwankungen Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2011/12 y, s.y 4. Kurzfristige Schwankungen f(k) y* c* (n+d)k s.f(k) s.y* k* k

Pflichtlektüre: Keynes, J.M. (2008), On Air – Der Weltökonom am Mikrofon der BBC. S. 61-69. Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 257-262. McDowell, M. et al. (2006), Principles of Economics, S. 703-716. Taylor, J.B. und A. Weerapana (2009), Economics, 6. Aufl., S. 640-670.

Bei der Betrachtung längerer Zeiträume ist, insbesondere bei konstantem technischen Fortschritt, mit einem stetigen Wachstum des BIP zu rechnen. In manchen Jahren fällt dieses Wachstum aber aus. Eine Rezession ist eine Periode unterdurchschnittlichen Wachstums; evtl. stellt sich sogar ein fallendes Inlandsprodukt und ein sinkendes Einkommen ein. Dies geht zumeist einher mit einer erhöhten Unterbeschäftigung. Eine Depression ist eine besonders schwerwiegende Rezession. Diese periodischen Entwicklungen werden Konjunkturzyklus genannt.

Bruttoinlandsprodukt Deutschland Niveau, Quartalszahlen, indexiert (2005=100), Wachstum gegenüber Vorjahresquartal 1960-1990: Früheres Bundesgebiet; ab 1991: Gesamtes Bundesgebiet. Datenquelle: International Financial Statistics, IWF

Wie unterscheiden sich kurzfristige von langfristigen Entwicklungen der Produktion? Langfristig wird die Produktion durch das Wachstum der Einsatzfaktoren und den technischen Fortschritt bestimmt, also durch die Angebotsseite einer Volkswirtschaft determiniert. Dieses Niveau der Produktion nennen wir auch das „potentielle Inlandsprodukt“ oder die „Vollbeschäftigungsproduktion“.

Kurzfristig kann aber die tatsächliche Produktion von ihrem potentiellen Niveau abweichen. Wie ist das zu erklären? Kurzfristig wird die Produktion entscheidend durch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage beeinflusst. Während eines Booms erhöhen Firmen die Produktion, um die zusätzliche Nachfrage zu befriedigen. In einer Rezession wird die Produktion dagegen reduziert um eine hohe Lagerhaltung zu vermeiden. Wodurch wird aber die gesamtwirtschaftliche Nachfrage bestimmt?

Im Wachstumsmodell waren Produktion und gesamtwirtschaftliche Nachfrage identisch. Alles Produzierte wurde für Konsum- oder Investitionszwecke verwendet. In der Realität können Wirtschaftssubjekte aber auch sparen ohne zu investieren. Andere Wirtschaftssubjekte investieren, obwohl sie keine Ersparnisse gebildet haben. Sie verschulden sich dann bei anderen Wirtschaftssubjekten, die überschüssige Ersparnisse gebildet haben. Wir müssen uns überlegen, wie diese Entscheidungen auf Produktion und gesamtwirtschaftliche Nachfrage wirken.

Kein einzelner Sektor ist alleine verantwortlich für die Bestimmung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Vielmehr beeinflussen die Aktionen eines jeden Sektors die Nachfrage der anderen Sektoren. Hiermit ergibt sich das Problem der Zirkularität: Wie ein System von Zahnrädern hängen die Entscheidungen einzelner Wirtschaftssysteme von einander ab. In der Folge lässt sich beobachten, dass im Rahmen eines Konjunkturzyklus die meisten makroökonomischen Variablen im Gleichlauf reagieren.

Eine steigende Produktion geht mit steigenden Einkommen der Haushalte und mit erhöhter Beschäftigung einher. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage steigt. Investoren sind zuversichtlich bezüglich zukünftiger Erträge und steigern ihre Investitionen. Eine fallende Produktion geht mit sinkenden Einkommen der Haushalte einher sowie erhöhter Arbeitslosigkeit. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt. Investoren befürchten Überkapazitäten und werden keine zusätzlichen Investitionen durchführen.

Diese Zirkularität lässt sich formal veranschaulichen. Für die Konsumentscheidung können viele Einflussgrößen relevant sein (Vermögen, Steuerzahlungen, das zu erwartende Lebenseinkommen …). Im Rahmen der absoluten Einkommenshypothese von Keynes (1936) wird dem laufenden Einkommen eine zentrale Rolle zugewiesen: C = C(Y) Hierbei wird argumentiert, dass ein Anstieg des Einkommens zu einem Anstieg des Konsums als auch einem Anstieg der Ersparnis führt.

In linearisierter Form gilt: C = a + cY, mit. a>0, autonomer Konsum In linearisierter Form gilt: C = a + cY, mit a>0, autonomer Konsum c, marginale Konsumquote, mit 0<c<1. Die private Ersparnis, S, ist die Differenz zwischen Einkommen und privatem Konsum: S = Y – C. Es folgt in linearisierter Form: S = Y – a – cY = –a + sY; s=1-c Hierbei ist s die marginale Sparquote (0 < s < 1). Für den einzelnen Haushalt ist die Ersparnis nun nicht mehr identisch zur Investition, im Gegensatz zum Wachstumsmodell.

C,S C = a+cY a 45° Y1 S>0 -a S = -a+(1-c)Y Y0 Y

Die Produzenten planen dabei die Produktion, Y, kurzfristig in Höhe der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, Y=YD. Im Gegensatz zu obigem Cartoon unterstellen wir unterausgelastete Produktionskapazitäten. Diese bewirken, dass Unternehmen eine zusätzliche Nachfrage befriedigen können.

Kurzfristig werden Überstunden oder höhere Maschinenlaufzeiten hingenommen, um die Produktion zu erhöhen. Bei fehlender Nachfrage ergibt sich hingegen Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit sowie eine Unterauslastung der Kapazitäten. Wir unterstellen dabei, dass eine zusätzliche Nachfrage nicht die Inflation erhöht. Solche Rückwirkungen werden wir erst später betrachten. Die Inflation und das Preisniveau sind daher im Rahmen der Modellierung konstant (z.B. aufgrund von Menukosten).

Alle Umsätze aus dem Produktionsprozess werden als Einkommen an die Haushalte wieder ausgeschüttet. Von einbehaltenen Gewinnen sehen wir hierbei ab. Alle Größen wie Konsum und Produktion werden hierbei real geplant. Der Konsumplan bezieht sich also nicht auf eine nominale €-Größe, sondern auf (gewichtete) Mengen an Konsumgütern. Eine Verdoppelung des Preisniveaus würde diesen Konsumplan nicht ändern. Die Investoren werden in einem vorgegebenen Ausmaß Investitionsgüter (netto) nachfragen, I=I. Damit lautet die gesamtwirtschaftliche Nachfrage YD=C+I.

Das Gütermarktmodell Y=YD I=I C=a+cY YD=C+I

Zusammengefasstes Modell: Multiplikator autonome Komponenten

Es existieren Verhaltenshypothesen über geplante Größen Es existieren Verhaltenshypothesen über geplante Größen. Diese sind die Produktion, die Nettoinvestition und der geplante Konsum (Y, I, C). Bei diesen Größen werden die Pläne auch realisiert. Es gibt aber außerhalb des Gleichgewichts ungeplante Investitionen (Lagerinvestitionen). Bei Ungleichgewichten, Y > YD oder Y < YD, erfolgen Planrevisionen in Form ungeplanter Lagerbestandsänderungen. Bei dieser Größe können Plan und Realisierung also voneinander abweichen.

Einkommens-Nachfrage-Diagramm (Keynessches-Kreuz) 45° Y,YD C, I S(Y1) I Y1 YD=C+I a+I IU P ^ Y C=a+cY a I=I Y

Dieses Gütermarktgleichgewicht lässt sich auch dadurch abtragen, dass die gesamtwirtschaftliche Ersparnis der Nettoinvestition gegenüber gestellt wird. Es gilt die Definitionsgleichung S=Y-C. Unter Verwendung der Gleichungen (1), (2) und (4) wird hieraus die (alternative) Gleichgewichtsbedingung: S=I

S, I S=-a+sY -a P ^ Y I Y

In einer Volkswirtschaft können nun Störungen auftreten In einer Volkswirtschaft können nun Störungen auftreten. Wie verändert sich hierbei das Gleichgewicht? Diese Frage wird im Rahmen einer so genannten komparativ-statischen Analyse beantwortet. Hierzu leiten wir den Investitionsmultiplikator (dY/dI) her:

Die Gleichung wird total differenziert: Sofern sich der autonome Konsum nicht ändert, gilt da=0. Eine solche Konstanz nicht näher betrachteter Variablen wird als „ceteris paribus“-Annahme bezeichnet. Es folgt dann:

Y,YD, C, I YD=a+cY+I1 dI P1 ^ Y1 dY (>dI) YD=a+cY+I0 P0 ^ Y0 I=I1 45° YD=a+cY+I1 dI P1 ^ Y1 dY (>dI) YD=a+cY+I0 P0 ^ Y0 I=I1 dI I=I0 Y

I  Y C S (Sickerverlust) Der Multiplikatorprozess kann mit Hilfe einer quasi-dynamischen Analyse beschrieben werden. Hierfür wird die Anpassung in einzelne Multiplikatorrunden zerlegt für die angenommen wird, dass die Anpassung nicht sofort erfolgt, sondern eine gewisse Zeit benötigt. Es ergibt sich dann folgende Wirkungskette: I  Y C S (Sickerverlust)

Im Kontenrahmen lässt sich dies folgendermaßen darstellen:

Eine andere Störung ergibt sich bei einer Variation des autonomen Konsums. Haushalte könnten die Ersparnis erhöhen durch eine Absenkung von a. Der Multiplikator hierzu lautet: Dies entspricht einer Verschiebung der Nachfragekurve im Einkommens-Nachfrage-Diagramm nach unten. Alternativ kann eine Darstellung im S/Y-Diagramm vorgenommen werden.

S, I S=-a1+sY -da da < 0 S=-a0+sY P1 ^ Y1 ^ Y0 P0 I=I Y

Hierbei lässt sich das sogenannte „Sparparadoxon“ beobachten: Der einzelwirtschaftliche Versuch, die Ersparnis zu erhöhen, scheitert im gesamtwirtschaftlichen Kontext. Einzelwirtschaftlich halten wir einen Menschen, der hinreichend spart, für weise und vorausschauend. In einer Krise wünschen sich viele eine Rückkehr zu solchen Tugenden. Aber dieses Kalkül verschlimmert die Krise, die Produktion bricht weiter ein und nicht einmal die Ersparnis nimmt gesamtwirtschaftlich zu. Seit Keynes (1936) wird dieser Zusammenhang auch fallacy of composition genannt, also der Irrtum, aus der Summe einzelwirtschaftlicher Kalküle auf makroökonomische Zusammenhänge zu schließen.

Bestimmungsgröße für die gesamtwirtschaftliche Ersparnis ist allein die Investition. Das erstaunliche Ergebnis ist, dass nicht etwa das Zinsniveau zu einem Gleichgewicht zwischen Investitionen und Ersparnis beiträgt. Eine jede Investition verschafft sich durch die Multiplikatorrunden die zu ihrer Durchführung notwendige Ersparnis. Das Inlandsprodukt treibt die Ersparnis auf die Höhe der durchgeführten Investitionen. Bereits in der ersten Multiplikatorrunde wird dies erreicht. Alle durch den Multiplikator induzierten Konsumgüterkäufe übertragen die Ersparnistätigkeit nur auf andere Schultern.

Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Ersparnisse keine Restriktion für die Durchführung von Investitionen darstellen. Wir können also nicht vermuten, dass „zu geringe“ Ersparnisse die Durchführung einer Investition behindern. Investitionen benötigen keine „vorhandenen“ Ersparnisse, die sich z.B. in Form von Sparguthaben bei Banken angesammelt haben. Es reicht vielmehr aus, dass eine Bank eine Bürgschaft für die Durchführung einer Investition ausstellt. Die Finanzierungsmittel entstehen dann automatisch mit der Durchführung der Investition.

Eine zum Sparparadoxon ähnliche Logik ergibt sich in einer Finanzkrise für den Bankensektor. Einzelne Banken halten wir für solide, wenn sie relativ zu ihren teilweise riskanten Anlagen hinreichend Reinvermögen besitzen. Gehen die Kurse ihrer Anlagen herunter, so vermindert sich ihr Reinvermögen. Daher sollten sie durch Verkäufe ihre Bilanz verkürzen. Diese Maßnahme hilft aber nur der einzelnen Bank. Alle anderen Banken werden durch die Verkäufe und dadurch sinkenden Vermögenspreise noch stärker in die Krise gestürzt. Der Versuch einzelner Banken, die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit durch Verkäufe von Finanzvermögen zu verringern, scheitert im gesamtwirtschaftlichen Kontext.