Prof. Dr. Stefan Sell FH Koblenz ▪ Institut für Bildungs- und Sozialpolitik (ibus) Inklusion – Gesellschaftliche Perspektiven und zu erwartende Veränderungen.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Individuelle Problemlagen haben einen strukturellen Hintergrund.
Advertisements

Vorlesung Querschnittsbereich Rehabilitation I
Herausforderungen und Perspektiven in der ambulanten pflegerischen
INKLUSION eine Herausforderung an Schule, Behinderten- und Jugendhilfe
Der LVR auf dem Weg zur Etablierung inklusiver Bildungsstrukturen
EQUAL Entwicklungspartnerschaft "Berufsbilder und Ausbildungen in den Gesundheits- und Sozialen Diensten"
Jugendhilfeplanung Planungsaufgabe eines Jugendamtes
Teilhabeplanung für Menschen mit Behinderungen
Das Schröder-Blair Papier
R. Burtscher, SoSe 2008 Ausgewählte Aspekte beruflicher Integration SoSe 2008 Prof. Dr. R. Burtscher.
Vorlesung Rehabilitation
Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche
Dr. Valentin Aichele, LL.M.
Vorlesung Querschnittsbereich Rehabilitation I
Akzeptierende Jugendarbeit mit rechtsextremen Jugendlichen
Aufbruch zu neuen Ufern? Wie sieht die Zukunft der Frauenhausarbeit aus? 7. Fachforum Frauenhausarbeit vom Dezember 2008 in Erker / Berlin.
6.Juli 2010 Aufwachsen offensiv mitgestalten Auftaktveranstaltung zum kommunalen Kinder- und Jugendförderplan im Rhein- Sieg-Kreis Referentin: Martina.
Hamburg Club Ortsgespräch 16. April 2009 Hotel Ambassador Senator Dietrich Wersich stellt die Arbeit der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und.
Einkommenspolarisierung und Armut in Bremen
Betriebliche Suchtprävention und Gesundheitsförderung an Hochschulen und Universitätskliniken Die Gütekriterien für gesundheitsförderliche Hochschulen.
Selbst bestimmt Wohnen mit Versorgungssicherheit
von Michael Büge Staatssekretär für Soziales
"Künstler helfen Obdachlosen" - SKM Augsburg
Arbeitsgruppe 6: Tagesbetreuung für Kinder C. Katharina Spieß DIW Berlin und FU Berlin Professur für Familien- und Bildungsökonomie 22. Februar 2013.
Offenes Bildungsangebot als Schlüssel für erfolgreiche Integration in den regionalen Arbeitsmarkt Die Bildungsstrategie der Stadt Graz Herbert.
Modul 2 – Wohnen im Alter –kommunale Herausforderungen
Verein rund um´s erkrankte Kind KiB children care Verein rund um´s erkrankte Kind.
Prof. Dr. Ada Sasse Humboldt-Universität zu Berlin
Sektionschef Mag. Manfred PallingerWien, am 22. Oktober FSW-ExpertInnen-Forum WER RASTET, DER ROSTET – Autonomie durch Mobilität Altern und Zukunft.
eine vielfältige und starke Lebensform
Sozialgespräche 2010 Impulse von Prof. G. Tappeiner Meran,
Generation 50plus - „Frisch, Fröhlich, Alt“
Dr. Remi Stork Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V.
Quelle: „Wege aus dem Labyrinth der Demenz“
Jugend- und Sozialamt Angebote für Familien.
Perspektive Gemeinwesen? Prof. Dr. Albrecht Rohrmann
Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen als Chance für die ganze Familie Bundesverband e.V, Mai 2007 Anna Hoffmann-Krupatz An der stationären Vorsorge-
Die Zuständigkeiten des LWV Hessen Integrationsvereinbarung
Öffentlich – private Partnerschaften in Europa PPP
Finanzierungsmöglichkeiten der kommunalen Jugendhilfe aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) in der EU - Förderperiode Eva-Maria.
Fachtagung Demenz- Nur in gemeinsamer Verantwortung - am im Rathaus Magdeburg Christian Petzold Aktion Demenz e.V. - Gemeinsam für ein besseres.
Konzepte von Interkultureller Pädagogik
Fachforum auf dem 7. Berlin-Brandenburger Pflegetag
Die ambulanten Hilfen zur Erziehung (HzE)
Prof. Dr. Stefan Sell Fachhochschule Koblenz Institut für Bildungs- und Sozialpolitik ( ibus) Gute Arbeit kostet.
Bildungsfinanzierung 2004 Flemming. Schlussfolgerungen: -Deutschland gibt wenig Geld für die Bildung aus -der Anteil der bildungsrelevanten.
UN Behindertenrechtkonvention
Fachkräftemangel Was bietet der Öffentliche Dienst?
Schadensminderung im Justizvollzug Zusatzmodul: Gefangene aus ethnischen Minderheiten Training Criminal Justice Professionals in Harm Reduction Services.
Abschließende Statements und Schlusswort 1 Öffentlich geförderter Beschäftigungssektor - Programm der Linken in Halle bearbeitet durch den.
Dieses Vorhaben wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und aus dem Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union gefördert.
Zusammengestellt im Rahmen des Erfa-Treffens vom 27. Juni 2013 in Olten. Autorin: Corinne Caspar, RADIX Leiterin des Nationalen Programms «Die Gemeinden.
Generationenfreundliches Schleswig-Holstein
Schule in Asyl- und Flüchtlingsunterkünften TISG
Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie
Strukturen und Arbeitsweisen des Amtes für Jugend und Familie des Landkreises Würzburg H. Gabel, Sozialamtsrat Leiter 10/08 1.
Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie „Umbrüche in der regionalen Bevölkerungsstruktur – Möglichkeiten und Grenzen der Landesarbeitsmarktpolitik“
Workshop an Schulen: Nahrung für die Haut.
Familiengesundheitspflege aus Sicht der Caritas – Chancen und Herausforderungen Vortrag anlässlich des Absolvent/innentreffens Familiengesundheitspflege.
Drei Teilnehmer der Konferenz „Entwicklungschancen für Entwicklungsländer“ treffen sich … Rombach, angenehm Guten Tag, ich heiße Sommer! Mein Name ist.
Die Zukunft der Kinder- und Jugendeinrichtungen Zusammengestellt im Anschluss an eine Fachtagung unter dem Patronat der SUbB.
Jugendhilfe – Schule - Psychiatrie
Disability Mainstreaming Impuls auf der 4. Sitzung der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Leitlinien der Berliner Seniorenpolitik am Christine.
Die Initiative der Caritas für selbstbestimmte Teilhabe 1 Die Initiative der Caritas für selbstbestimmte Teilhabe 2009–2011.
Landeshauptstadt München Sozialreferat Amt für Soziale Sicherung Hilfen im Alter, bei Pflege und Betreuung Dipl. Soz.Gerontologe David Stoll Seite.
Soziale Arbeit in Polen – Organisation und Finanzierung, Chancen und Herausforderungen Prof. Dr. Piotr Błędowski Warsaw School of Economics (SGH) Institute.
Kreisseniorenrat Lörrach Bernhard Späth, Vorsitzender 18. Dezember 2014 MITGLIEDERVERSAMMLUNG.
LWL-Landesjugendamt Westfalen / LVR-Landesjugendamt Rheinland HzE Bericht 2016 Erste Ergebnisse - Datenbasis 2014 Entwicklungen bei der Inanspruchnahme.
We are Family! Geschwister von Kindern mit Behinderung.
 Präsentation transkript:

Prof. Dr. Stefan Sell FH Koblenz ▪ Institut für Bildungs- und Sozialpolitik (ibus) Inklusion – Gesellschaftliche Perspektiven und zu erwartende Veränderungen im Sozialen System Vortrag auf der Jahrestagung „Inklusion – und nun?“ des 27 ff Evangelischer Fachverband für Erzieherischen Hilfen Rheinland-Westfalen-Lippe 22.11.2011 Dortmund

Ein möglicher Blick auf „Inklusion“ Exklusion Integration Separierung Inklusion

„Inklusion“ – mehr als nur ein Modebegriff?  Von besonderer Bedeutung ist die Inklusionsdebatte seit längerem im Bereich der Behindertenhilfe – hier in Verbindung mit einer generell wirksamen, allerdings höchst ambivalent angelegten vorlaufenden Ambulantisierungsdiskussion ( Problematik einer „halbierten Ambulantisierung“)  Hinsichtlich der wachsenden Gruppe der psychisch kranken Menschen kommt hinzu, dass sie sich in einer überaus komplexen und daher mit zahlreichen Schnittstellen versehenen sozialrechtlichen Gemengelage bewegen müssen bzw. müssten (SGB II, SGB XII, SGB IX, SGB V), die durch eine fatale Gleichzeitigkeit einer Überkomplexität des strukturell nicht Möglichen und einer Unterkomplexität der personenbezogenen Hilfe über die Systemgrenzen hinweg gekennzeichnet ist

„Inklusion“ – mehr als nur ein Modebegriff? Aktuell entfaltet sich die Inklusionsdebatte vor allem im Bereich der Bildungspolitik, speziell im Umfeld der Diskussion über die Separierung der mit „Förderungsbedarf“ belegten Schüler/innen in spezielle Förderschulen; insgesamt ist eine erhebliche „Schullastigkeit“ der deutschen Inklusionsdebatte am aktuellen Rand zu beobachten  allerdings: Vermischung mit einer (aufkommensneutralen?) Integrationsdebatte In der Arbeitsmarktpolitik gibt es widersprüchliche Ausformungen: Zum einen wird auch hier ein inkludierender Ansatz vertreten bzw. gefordert, gerade mit Blick auf die Menschen mit Behinderungen, zum anderen aber kann man durchaus begründet Forderungen nach einer (temporären?) Separierung dieser Menschen aus den Normalitätsanforderungen der standardisierten Arbeitsmarktpolitik vertreten, da diese Menschen ansonsten unter die „Dampfwalze“ für sie nicht geeigneter Maßnahmen geraten oder aber schlichtweg „vergessen“ bzw. exkludiert werden

Zum Begriff der „Ambulantisierung“: Zwei Seiten einer (?) Medaille Ambulantisierung ist kein neues Phänomen, sondern steht seit mehr als drei Jahrzehnten auf der Agenda der Gesundheits- und Sozialpolitik. Beispiel „ambulant vor stationär“ im Gesundheitswesen: Wandel der gesundheitlichen Problemlagen der Bevölkerung durch die demografische Alterung und die Zunahme chronischer Erkrankungen Bewältigung vorrangig durch ambulante Versorgungskonzepte, die dort ansetzen, wo der Haupt- ort der Krankheitsbewältigung ist: im direkten Lebensumfeld der betroffenen Menschen Zugleich aber war mit der Ambulantisierung intendiert, die Nutzung kostenintensiver stationärer Versorgungsangebote einzuschränken, den stationären Sektor zu entlasten und den Ausgabenanstieg im Gesundheits- wesen zu bremsen. Ökonomische Aspekte spielten bei der Ambulantisierung immer schon eine Rolle, haben aber zu- nehmend andere Motive in den Hintergrund gedrängt

Die „zwei Welten“ der „Ambulantisierung“ Die „ideelle“ Seite der Ambulantisierung Die „halbierte“ Ambulantisierung Paradigmenwechsel bei der Ausgestaltung der sozialen Hilfen Vision einer „heimlosen Gesellschaft“; radikale Deinstitutionalisierung; neuer „Bürger-Profi-Mix“ im „dritten Sozialraum“ primär bzw. ausschließlich ökonomisch-funktionaler Zugriff auf Ambulantisierung mit Blick auf ihre (faktische oder angenommene Instrumentalfunktion für mehr vertikalen und horizontalen Wettbewerb und darüber die Realisierung von geringeren Ausgaben

Paradigma mit der imperativen Die „ideelle Seite“ der „Ambulantisierung“: Ein Paradigemenwechsel hin zu radikaler Selbstbestimmung und Entinstitutionalisierung personenbezogener Hilfen Vision und auch Forderung nach einer „heimlosen Gesellschaft“ (Dörner): Paradigma des Hilfesystems mit der imperativen Priorität von Institutionen Paradigma mit der imperativen Priorität ambulant-kommunaler Problemlösungen (community care) entweder - oder Problem der bisherigen schrittweisen Entwicklung mit einer teilweisen Ambulantisierung für viele Heime  „Konzentration der Unerträglichkeit“ und daraus resultierend eine Stabilisierung der Fehlplatzierungen im stationären System ( Aufrechterhaltung einer „gesunden Mischung“) Konsequenz: Wenn, dann alle in die Gemeinde ambulantisieren („skandinavischer Weg“); ansonsten Problem des „Gefangenseins im abgestuften Konzept“ „Heim in die Wohnung holen“; Konzepte wie das des „supported living“  Trennung von Wohnraum und Unterstützung sowie person-zentrierte Planung

Das (doppelte) Machtungleichgewicht für behinderte Menschen Quelle der Abbildungen: Niehoff 2007

Regelschule Zurück zur aktuellen Inklusionsdebatte – oder ist es nicht eher eine (partielle) Integrationsdebatte? Jugendhilfeträger FS Regelschule ? Ganztagsbereich ? Behindertenhilfe

Behinderten-Fahrten vor dem Aus Gut gemeint – und schlecht gelandet angesichts der Rahmenbedingungen? Behinderten-Fahrten vor dem Aus Behinderte Schüler dürfen wegen des Haushaltslochs nicht mehr mit dem Schultaxi befördert werden. Die Stadt spart so bis zu 60.000 Euro pro Monat. Experten rechnen damit, dass Behinderte jetzt auf reguläre Schulen wechseln. Die Stadt Krefeld muss die Finanzierung des "Schülerspezialverkehrs" für Behinderte erheblich einschränken. Dies hat Schulamtsleiter Rainer Hendrichs jetzt bestätigt. Wegen der angespannten Haushaltslage müssen die behinderten Schüler künftig mit normalen Bussen statt mit Spezialtaxis fahren, sofern die Eltern die Finanzierung nicht übernehmen. "Da kommt ein großes Problem auf uns zu", sagte ein Vertreter des Schulamtes. Viele der Schüler seien verhaltensauffällig und litten unter emotionalen Störungen. Weil sie häufig aus sozial schwachen Familien kämen und die Eltern die Fahrten nicht selbst finanzieren können, würden diese Schüler wahrscheinlich künftig auf normale Schulen wechseln; möglich macht dies das "Inklusionsgesetz"; es sieht vor, dass behinderte Schüler an Regelschulen unterrichtet werden. (Quelle: RP Online, 20.05.2011)

bei den Sozialleistungen der Kommunen Wofür die meisten Sozialausgaben bei den Kommunen anfallen Kosten der Unterkunft für SGB II-Empfänger Die größten Posten bei den Sozialleistungen der Kommunen Grund-sicherung für Erwerbs-unfähige und Ältere Eingliederungs- leistungen für Behinderte Kinder- und Jugendhilfe In Zukunft wieder ansteigend die Hilfe zur Pflege (SGB XII)