Theologische Fundamentalethik I

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 Präsentation transkript:

Theologische Fundamentalethik I Vorlesung Wintersemester 2009/2010 Theologische Fundamentalethik I

Aufgabe und Vorgehen der theologischen Fundamentalethik Einleitung: Aufgabe und Vorgehen der theologischen Fundamentalethik 1. Was ist Ethik 2. Was ist Fundamentalethik 3. Was ist theologische Fundamentalethik

1. Was ist Ethik?

Ausgangspunkt: Moralische Überzeugungen und Normen Wir Menschen handeln, wissen um unser Handeln und bewerten es - clever / naiv - nützlich / schädlich - gut / böse - verantwortlich / unverantwortlich Im Hintergrund stehen Wertvorstellungen und moralische Überzeugungen, Ideale und Intuitionen Vermittelt durch Tradition, Erziehung, Vorbilder, Konventionen

Ethos (gr. éthos bzw. äthos) Moral (lat. mos) Faktische Überzeugungen und Wertvorstellungen des einzelnen, einer Gruppe oder einer Gesellschaft Artikuliert sich in Regeln bzw. Normen (präskriptive Sätze) - Gebote / Verbote - Gesetze / Weisungen - Ratschläge / Empfehlungen - Klugheitsregeln - Konventionen - Selbstverpflichtungen

Bedeutung moralischer Normen - Stabilisieren die Gesellschaft - entlasten den Einzelnen - Fördern seine Identität Immer wieder kommt es dazu, dass solche Normen in Frage gestellt werden. - durch gesellschaftlichen Wandel - durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse - durch Globalisierung und Pluralisierung In solchen Situationen wird nach Ethik gefragt.

Ethik soll klären, welche Handlungsmöglichkeit zu Recht und Begründet und in Wahrheit gut, richtig und verantwortlich ist. Dadurch unterscheidet sie sich von Sittengeschichte, Soziologie und auch vom Recht. Ethik ist nicht selbst die Quelle ethischer Normen, sondern - sichtet die faktischen Überzeugungen - erhebt ihre Begründungen - prüft sie auf ihre Stichhaltigkeit und Tragfähigkeit. Ethik ist Reflexion bzw. Theorie der Moral. Ethik ist Wissenschaft vom guten und richtigen Handeln.

2. Was ist Fundamentalethik?

Auch in der Frage, wie in der Ethik Normen angemessen begründet werden, gibt es Dissens. Frage: Wie kann man Handlungsnormen überhaupt als gültig und richtig erweisen? - von den Folgen her - feste Prinzipien - Gefühl Lassen sich ethische Normen überhaupt begründen? Diese Fragen zu klären, ist Aufgabe der Fundamentalethik.

Allgemeine Ethik Fundamentalethik Begründung des Begründungsverfahrens Spezielle normative Ethik Angewandte Ethik Begründung moralischer Normen moralische Normen

Frage der Fundamentalethik: Lassen sich moralische Urteile überhaupt begründen? Non-Kognitivismus Ethische Normen lassen sich nicht erkennen, sondern sind - pragmatische Konventionen (Kontraktualismus) - bloße Entscheidungen (Dezisionismus) - subjektives Gefühl (Emotivismus) Kognitivismus Ethische Normen lassen sich erkennen - Wille Gottes (Theonomie) - unmittelbare Einsicht (Intuitionismus) - Natur (Naturrecht) - Vernunft (Kategorischer Imperativ) - Nützlichkeit (Utilitarismus)

Weitere Fragen der Fundamentalethik: - Ist der Mensch überhaupt frei? - Gibt es Schuld? - Was macht gutes Handeln möglich?

3. Was ist theologische Fundamentalethik?

Theologische Fundamentalethik Unterscheidung: Moraltehologie / Theologische Ethik Erarbeitet als spezielle Ethik normative Aussagen, aber auch dem Hintergrund des Glaubens - Heilige Schrift - Tradition: Lehramt - Theologische Ethik Frage: Gibt es ein spezifisch christliches Ethos mit spezifisch christlichen Normen? Ein Proprium christlicher Ethik?

Dafür spricht: Der Glaube umfasst immer auch eine mitmenschliche Praxis und bestimmt sie. Es hat von Anfang an eine christliche Morallehre gegeben. Dagegen spricht: Verhältnis zur säkularen Ethik. Ist das christliche Ethos ein Sonderethos. Von Anfang an Bemühen um Allgemeingültigkeit. Aufgreifen philosophischer Ethik. Frage: Wo bleibt das spezifisch christliche Profil? Die Beantwortung ist Aufgabe der theologischen Fundamentalethik

Modelle theologischer Fundamentalethik: - Autonome Moral (Alfons Auer, Franz Böckle) - Glaubensethik (Bernhard Stöckle) Wie lässt sich angesichts dieser Differenzen eine theologische Fundamentalethik konzipieren?

Ansatz unserer theologischen Fundamentalethik Offenbarungsverständnis des Zweiten Vatikanums „Gott hat in seiner Güte und Weisheit beschlossen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens kundzutun (vgl. Eph 1,9): daß die Menschen durch Christus, das fleischgewordene Wort, im Heiligen Geist Zugang zum Vater haben und teilhaftig werden der göttlichen Natur (vgl. Eph 2,18; 2 Petr 1,4). In dieser Offenbarung redet der unsichtbare Gott (vgl. Kol 1,15; 1 Tim 1,17) aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex 33,11; Joh 15,14-15) und verkehrt mit ihnen (vgl. Bar 3,38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen.“ Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei verbum“, Nr. 2.

Offenbarungsverständnis des Zweiten Vatikanums - Offenbarung als Selbstoffenbarung bzw. Selbstmitteilung Gottes - nicht als Mitteilung vieler einzelner Sätze Gott eröffnet dem Menschen Gemeinschaft mit sich Der Mensch ist hineingenommen in die Liebe zwischen Vater und Sohne im Heiligen Geist Diese bereits immer schon bestehende Gemeinschaft ist an der Welt verborgen und erst im Glauben als Vertrauen auf Gottes Wort und Zusage offenbar

Konsequenzen: - In der Offenbarung geht es nicht um Mitteilung von ethischen Einzelnormen - Diese zu ermitteln und zu begründen ist allein Sache der Vernunft - Durch die Offenbarung wird auch der ethische Anspruch nicht verschärft. Er ist von vornherein unbedingt. - Offenbarung und Glaube machen aber ein neues Selbstverständnis des Menschen möglich, in dem er seine Angst überwinden und sich dem Anspruch der Vernunft und der Wirklichkeit stellen kann.

- Offenbarung begründet nicht den ethischen Anspruch, sondern setzt ihn bereits voraus. - Aber sie eröffnet die Möglichkeit, diesen Anspruch erfüllen zu können. - Ohne den bereits bestehenden Anspruch würde die Offenbarung und der Glaube ihren Bezugspunkt im Menschen verlieren. - Als Bezugspunkt des Glaubens und seines universalen Anspruchs muss die theologische Ethik den ethischen Anspruch als universal und objektiv gültigen Anspruch aufweisen.

Zu den Einwänden der Glaubensethik: - Ausgangspunkt: Wechselseitige Beeinflussung von Erkennen und Wollen. - Die mangelnde ethische Erkenntnisfähigkeit des Menschen ist nicht prinzipiell, sondern faktisch gegeben. - Menschen wollen nicht der Autonomie ihrer Vernunft folgen, sondern ihre Vernunft autonom gebrauchen. - Hilfe des Glaubens: sich der eigenen Vernunft und der Wirklichkeit stellen können

Enzyklika DEUS CARITAS EST (2005), n. 28a: „Der Glaube hat gewiss sein eigenes Wesen als Begegnung mit dem lebendigen Gott – eine Begegnung, die uns neue Horizonte weit über den eigenen Bereich der Vernunft hinaus öffnet. Aber er ist zugleich auch eine reinigende Kraft für die Vernunft selbst. Er befreit sie von der Perspektive Gottes her von ihren Verblendungen und hilft ihr deshalb, besser sie selbst zu sein. Er ermöglicht der Vernunft, ihr eigenes Werk besser zu tun und das Eigene besser zu sehen.“

Unterscheidungen - Prinzipielle Erkennbarkeit ethischer Normen – faktische Unzulänglichkeit der Erkenntnis - Geschichtlicher Prozess der Erkenntnis – Grund der Gültigkeit Christologische Struktur der theologischen Ethik

Aufbau unserer theologischen Fundamentalethik Zwei Grundfragen: ● Wie kann man erkennen und begründen, worin das ethisch richtige und verantwortliche Handeln konkret besteht? ● Wie kann man das ethisch richtige und verantwortliche Handeln auch wollen? Entsprechend hat die theologische Fundamentalethik zwei Teile

Erster Teil - Im Blick auf die Theologie: Aufweis, dass ethische Normen nicht durch Offenbarung, sondern durch Vernunft begründet sind. - Im Blick auf die Philosophie: Aufweis, dass der ethische Anspruch universal und objektiv gilt 1. Wille Gottes 2. Bibel 3. Gewissen 4. Natur 5. Autonomie der Vernunft 6. Verhältnismäßigkeit der Handlung

Zweiter Teil Aufweis, dass wir dem ethischen Anspruch gerecht werden können 7. Ist der Mensch überhaupt frei? 8. Schuld als Unfreiheit des Menschen 9. Glaube als Befreiung zum guten Handeln 10. Spiritualität als Vermittlungsformen

Erster Teil: Wie sich ethisch gutes und schlechtes Handeln erkennen lässt

Kapitel Orientierung am Willen Gottes

● Jesus selbst verweist auf den Willen Gottes vgl. etwa Mt 7,21; Mt 6,10; Joh 5,30; 6,38; Mk 14,36 ● Paulus beschreibt den Willen Gottes konkret (1 Thes 4,3-6) Mahnt, den Willen Gottes genau zu prüfen (Röm 12,2) ● Traditionelle Moraltheologie ● Ignatius von Loyola, Geistliche Übungen ● Enzyklika „Humanae vitae“ Wie tragfähig ist die Berufung auf den Willen Gottes?

1. Beispiele für eine Orientierung am Willen Gottes – Einwände der säkularen Vernunft Frage: Woher weiß man, was der Wille Gottes ist? Verweis auf die Hl. Schrift reicht nicht. Denn: Woher wussten die biblischen Schriftsteller um den Willen Gottes?

● Erstes Modell Unmittelbare Inspiration Aber: Wodurch unterscheidet sich dies von spontaner Intuition und Zufall? Man muss ein Kriterium dafür angeben können, dass die Entscheidung verantwortlich ist. Dann folgt die Entscheidung aber der eigenen Vernunft und nicht dem Willen Gottes. Weiteres Problem: Menschen berufen sich für Widersprüchliches oder für Krieg auf den Willen Gottes.

● Zweites Modell Ordnung der Natur Z.B. gentechnische Eingriffe sind gegen den Willen Gottes Aber: Andere Eingriffe in die Natur werden nicht abgelehnt. Unterscheidung zwischen Fakten der Natur, die verändert werden dürfen, und solchen, die nicht verändert werden dürfen. Frage nach dem Kriterium.

● Drittes Modell Verhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpf Gott ist allein Herr über das menschliche Leben. Daher ist aktive Sterbehilfe oder Suizid verboten. Aber: Gott hat dem Menschen nicht nur das Leben, sondern auch Vernunft und Verantwortung gegeben. Diese Verantwortung bezieht sich auch auf das Ende des Lebens.

● Grundsätzliche Einwände säkularer Vernunft 1. Diese Form der Begründung wird nur von denen akzeptiert, die an Gott als personales und moralisch gutes Wesen glauben. 2. Zirkelschluss: - Wenn man sich in seinem Handeln auf den Willen Gottes verlässt, muss man voraussetzen, dass Gott gut ist. - Dann muss man aber schon eine Vorstellung von dem haben, was moralisch gut ist.

2. Theologische Einwände gegen eine Argumentation mit dem Willen Gottes 1) Ausgangspunkt: Gott ist unbegreiflich und unaussprechlich Was mit dem Wort „Gott“ gemeint ist, fällt nicht unter den Gesamtzusammenhang der weltlichen Wirklichkeit und der Vernunft. Gott ist kein Teil der Welt, er ist nicht mit ihr identisch noch außerhalb der Welt. Welt ist keine Grenze für Gott.

2) Die Welt ist als geschaffene Welt im Ganzen restlos von Gott abhängig und ohne ihn nicht. Dies ist Inhalt der theologische Schöpfungslehre - creatio ex nihilo / creatio continua - causa prima / causae secundae Begriffliche Fassung: Einseitige reale Relation der Welt auf Gott „Daher gibt es in Gott keine reale Relation auf die Geschöpfe. Aber in den Geschöpfen ist eine reale Relation auf Gott.“ (Thomas von Aquin, STh I, q. 28, a. 1, ad 3)

Gott W E L T

3) Alles, was in der Welt geschieht, ist unterschiedslos auf den Willen Gottes zurückzuführen. Dann kann nicht ein besonderes Ereignis oder Faktum noch einmal in besonderer Weise mit dem Willen Gottes identifiziert werden. Widerspricht dies nicht der Allmacht Gottes? Aber: Allmacht besteht nicht darin, Beliebiges tun zu können, sondern: dass Gott in allem mächtig ist und nichts ohne ihn. Wenn Gott punktuell eingreifen kann: Theodizee-Problem

3. Bedingungen einer angemessenen Rede vom Willen Gottes In der Heiligen Schrift ist aber an vielen Stellen vom Willen und Plan Gottes und von Gottes Eingreifen die Rede. Gott kann – in der Darstellung der Bibel – seinen Willen ändern. Wie lässt sich dies angemessen verstehen, ohne die vorhergehenden Aussagen aufzuheben?

1) Weiterführender Gedanke: Welt und Menschen sind immer schon hineingenommen in die innertrinitarische Beziehung der Liebe Gottes zwischen Vater und Sohn, die der Hl. Geist ist. Vgl. dazu Kol 1,15-16 und Eph 1,3-6 Welt und Menschen sind in Christus geschaffen und mit ihm von Gott in Liebe angenommen. Gott kann sich auf die Welt und die Menschen beziehen, weil und insofern sie immer schon zu Christus gehören. Im Glauben bricht Gottes Liebe in der Welt auf.

Vater W E L T Heiliger Geist Sohn

2) Konsequenzen für das Verständnis des Willens Gottes: Der Wille Gottes besteht in der unwandelbaren und verlässlichen Liebe Gottes zur Welt und zum Menschen. Der besondere Wille Gottes, sein Heilsplan, besteht darin, dass diese Liebe des Vaters zum Sohn in der Welt offenbar wird: beim Menschen ankommt und weitergegeben wird. Eingreifen Gottes in die Geschichte geschieht: Wo Menschen aus diese Liebe und nicht mehr aus der Sorge um sich selbst zu leben beginnen. Diese Praxis verändert die Welt und ihre Geschichte.

4. Konsequenzen für die Begründung ethischer Normen Wenn ohnehin alles, was es gibt und geschieht, auf Gottes Willen zurückgeführt werden muss, können einzelne Fakten oder Ereignisse nicht noch einmal Ausdruck eines besonderen Willens Gottes sein. Der ethische Anspruch kann zwar auf Gottes Willen zurückgeführt werden, aber er wird nicht aus Gottes Willen abgeleitet und erst dadurch als gültig erwiesen. Ethische Gebote werden zuerst mit der Vernunft und Erfahrung als gültig erkannt und können dann – im Glauben – auch auf Gottes Willen zurückgeführt werden.