Visualisierung von sozialen Strukturen/Prozessen mithilfe grafischer Modelle: sozial-konstruierte Wirklichkeitsabbildung oder Verzerrung? To Do: SeeMe auf Laptops 2-6 ist installiert Drucken/Kopien anfertigen: je 5 Isa Jahnke DGS 2008 in Jena 10.10.2008
Forschungsfragen Wie und unter welchen Bedingungen werden Visualisierungs-/Modellierungstechniken zur Erstellung von grafischen Modellen eingesetzt? Welche Vor- und Nachteile sind mit einer solchen Vorgehensweise zur Visualisierung von sozialen Strukturen und Prozessen verbunden? Mögliche Effekte und Verzerrungen?
Kontext: IT-Einführung in Unternehmen = Gestaltung Einführung neuer technischer Systeme = Gestaltung soziotechnischer Systeme Komplexe Abhängigkeiten zwischen technischem System und Anwendungskontext / sozialem System Einführung neuer/veränderter informationstechnischer Unterstützung (z.B. Wissensmanagementsysteme, Web 2.0 Applikationen) => Gestaltung von Arbeitsabläufen Grad des Nutzungserfolgs: Abhängigkeit von allen Beteiligten Komplexe Ausgangssituation ist zu Beginn des Designs zu analysieren In der (Wirtschafts-)Informatik wird u.a. „Modellierung“ eingesetzt Jede … hat zur Folge …. z.B. Coakes 2002; Herrmann, Loser, Jahnke 2007
Visualisierung: Modellierung in der (Wirtschafts-)Informatik Grundidee Erfassung des organisationalen Kontextes durch Modellierung von Unternehmensabläufen mit Hilfe grafischer Darstellungen, die auf eine systematische Modellierungsnotation aufbauen, => soziale Strukturen und Abläufe in den Unternehmen werden visuell-grafisch dokumentiert Einsatzgebiete allgemein: Anforderungsanalyse im Bereich Wissensmanagement oder Optimierung von (IT-)Prozessen …
Modellierung - gemeinsamer Nenner Gemeinsame Nenner aller Modellierungsansätze = Ist- bzw. Soll-Zustand und Kontext erfassen die jeweils sozial-konstruierte Wirklichkeit der Betroffenen in Unternehmen erheben soziale Strukturen, Handlungen, Ressourcen grafisch abbilden um auf dieser Daten-Basis Optimierungs-maßnahmen oder IT-Implementierungen durchführen zu können.
Modellierungsmethoden in der (Wirtschafts-)Informatik Beispiele M. zur Geschäftsprozessanalyse ARIS-Toolset, eEPK zur Abbildung von existierenden Wissensprozesse Business Process Modeling Notation (BPMN) zur Vorbereitung für die Software-Entwicklung und Programmierung, z.B. UML zur integrativen Gestaltung organisatorischer und technischer Abläufe - partizipativ Oestereich et al. 2003 Scheer et al. 2003 Gronau & Weber 2004 Stephen A. White (IBM), 2002 Balzert 1996 / Booch, Rumbaugh & Jacobson 1999 z.B. Herrmann, Hoffmann & Loser 1999 Kunau 2006 Herrmann, Loser, Jahnke, 2007 Jahnke, Herrmann, Prilla, 2008
Eine neue Form der ‚partizipativen‘ Modellierung Form der Datenerhebung Modellierung in Kombination mit fokussierten Gruppendiskussionen (fokussiertes Interviews + Gruppendiskussionen) partizipatives Erhebungsinstrument
Durchgeführte Fallstudien Entwicklung von Wissensmanagement-Lösungen (Verbraucherzentrale NRW …) Reorganisation eines Beschaffungsvorgangs in einer Bibliothek anlässlich der Einführung neuer Software Einführung mobiler Endgeräte für die Koordination zwischen LKW-Fahrern und Disponenten (SpiW, BMBF) Literaturauswahlprozess in wissenschaftlichen Teams Planung der Nutzung eines Wissensmanagementsystems als gemeinsame Lernplattform (WisPro, NRW gefördert) Prozessanalyse im Dienstleistungsmanagement (GeoContent, Facilitymanager, Twenty4Help) (MARIS, BMBF) Prozess der Erstellung, Weiterleitung und Nutzung von Röntgenaufnahmen für medizinische Praxen Prozessprozessanalyse bei einem Automobilzulieferer z.B. Herrmann, Jahnke, Loser, 2007
Visualisierungs-Setting Projektionsfläche Beamer Modell- zeichner Plakatwand
Visualisierung als kommunikativer Prozess Eine Reihe von Gruppendiskussionen Fokussiert: Kommunikative Vorwegnahme der technisch unterstützten, kooperativen Bearbeitung von Aufgaben Grafische Modellierung Nutzung grafischer Modelle als Orientierungs- und Dokumentationshilfe. Die graf. Modelle werden schrittweise gesichtet, besprochen weiterentwickelt und adaptiert Moderation / Interviewleitfaden unter Nutzung von Leitfragen
‚Während‘ den Gruppendiskussionen die richtige Leitfrage (Story Telling Method) Eine zentrale Ausgangsfrage muss immer wieder wiederholt werden: Denken Sie an einen Fall, den Sie gerade bearbeiteten! Passt der zu dem hier dargestellten Arbeitsablauf? Welche Informationen benötigen Sie für den hier dargestellten Arbeitsschritt? Welcher Output wird in diesem Arbeitsschritt erzeugt? Wer greift dann darauf zu und benötigt es für den nächsten Arbeitsschritt? Wie könnte die neue IT den hier gezeigten Arbeitsschritt verbessern? Gibt es Ereignisse, die an dieser Stelle noch berücksichtigt werden müssen? Story: Refocus : Drivers talking about getting trapped in dead ends… What needs to be fixed on the models? Ein gute Frage regt die Vorstellungskraft an beinhaltet die Aufforderung, an konkrete Situationen am eigenen Arbeitsplatz zu denken Ist keine Suggestivfrage
Grafische Modellierung Rolle Hauptsächlich erwartete Rechte und Pflichten von Personen, Teams und Organisationseinheiten soziale Aspekte ausführen Aktivität Verhalten, das zu Veränderungen führt Wird genutzt verändert Ressourcen und Objekte, die die Aktivitäten unterstützen Entität Weitere Informationen: SeeMe in a Nutshell
Beispiel – grafische Modellierung Rollen Aufgaben und Prozesse Ressourcen, Instrumente
Beispiel 2 – grafische Modellierung Aufgaben und Prozesse Instrumente Informationen zur Koordination
Kommentare Bedingungen … => „Vage Modellierung“, da wo notwendig aus Sicht der Befragten
InitialisiereProjekt Manager Projekt Assistent Rollen Prozess InitialisiereProjekt Mess-punkte nehmen GPS (goto: Screenshot) Mosaikierung Parameter (goto: example) „Laufzettel“ (goto: Screenshot) Objekte / Ressourcen
Vorteile des kommunikativen Visualisierungsprozesses Befragte konstruieren ihre wahrgenommenen Realitäten gemeinsam Reflektion im Kreis der Beteiligten Rückmeldung erfolgt unmittelbar (durch Visualisierung) „Was nicht sein kann – aber ist“ wird aufgedeckt Ausdrucksmittel: natürl. Sprache + Modellierung inkl. mögliche Darstellung vager Sachverhalte (Spezifikum von SeeMe) Mehrere Perspektiven in einem Frage-Antwort-Diskurs Dokumentation durch Modellierung und Transkription als nachträgliche Ergänzung
Welches Forscherverhalten kann zu unerwünschten Effekten / Verzerrungen führen? Auf einen Beitrag nicht eingehen („Gut, das berücksichtigen wir später“) Angemessenheit der Modellierung nicht durch Rückfrage überprüfen Zu früh abrechen: Nur eine Sichtweise zu einem Aspekt (etwa Werkzeugnutzung) erheben Modellierte Darstellung eines Beitrages löschen oder überschreiben Mehr modellieren als gesagt wurde Zu sehr ins Detail gehen – etwa logische Verknüpfungen am Anfang modellieren Moderator oder Modellierer modellieren die „Story“ selbst zu Ende … Anm. Einige Aspekte sind auch in anderen Methoden (z.B. Interviews) zu vermeiden (z.B. Suggestivfragen, …)
Offene Untersuchungsfragen Wie verhalten sich die kommunikativ-konstruierten Modelle der Beteiligten im Modellierungsprozess zu den Sichtweisen anderer Beteiligten? Gibt es eine kontextuierte Repräsentativität? Wie wirkt sich die Zeitgleichheit bzw. enge temporale Verzahnung von Erhebung und Auswertung aus? Welcher Art sind die "engen Loops", und was bewirken sie? Welche Rolle besitzt die grafische Modellierung als Endprodukt für den Gesamtforschungsprozess? Kann man dieses Endprodukt wiederum grafisch modellierend interpretieren kann oder welche Auswertungsmethoden sind hier angemessen? Vielen Dank an Dr. Bernd Kleimann (HIS) für spannende Anregungen und Diskussionen
Fazit Grafische Modellierung (GM) ist ein kommunikativer Visualisierungsprozess eine wichtige Ergänzung des Methodenrepertoires für Erhebungen im sozio-technischen Design => neue qualitative Datenerhebungsmethode ?! dient nicht nur der Designvorbereitung, sondern auch der Analyse macht durch Visualisierung die Meinungsvielfalt verschiedener Perspektiven dem Diskurs zugänglich Nicht das Ergebnis an sich (Modelle) sondern die „gemeinsame Herstellung der Modelle“ ist entscheidend GM erfasst kommunikativ-konstruierte Wirklichkeit
Veröffentlichungen zum Thema Weitere Downloads: http://www. hdz Isa Jahnke / Thomas Herrmann / Michael Prilla (2008): Modellierung statt Interviews?. Eine neue qualitative Forschungsmethode? In: M. Herczeg, M. C. Kindsmüller (Hrsg.): Mensch und Computer 2008. 8. fachübergreifende Konferenz für interaktive und kooperative Medien. Oldenbourg Verlag München. S. 377-386. Download: http://www.hdz.uni-dortmund.de/uploads/media/jahnke-herrmann-prilla2008.pdf Herrmann,Thomas / Loser, Kai-Uwe / Jahnke, Isa (2007): Socio-technical Walkthrough (STWT): a means for Knowledge Integration. In: The Learning Organization. The international journal of knowledge and organizational learning management. Special Issue: On sharing knowledge: sociotechnical approaches. Guest Editors: Alex Ramirez and Elyne Coakes. Vol. 14, Number 5, 2007. pp. 450-464. Download: http://www.hdz.uni-dortmund.de/uploads/media/herrmann-loser-jahnke2007.pdf
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Prof. Dr. Isa Jahnke Juniorprofessorin Technische Universität Dortmund Hochschuldidaktisches Zentrum (HDZ) Etage 1, Raum 104 Vogelpothsweg 78 44227 Dortmund Email: isa.jahnke@tu-dortmund.de Website: http://www.hdz.uni-dortmund.de/index.php?id=270