Stress als soziales Phänomen: Ein identitätsbasierter Zugang

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 Präsentation transkript:

Stress als soziales Phänomen: Ein identitätsbasierter Zugang Rolf van Dick Goethe Universität, Frankfurt Expra Sozialpsychologie 16. April 2013 in Zusammenarbeit mit Jürgen Wegge, Alex Haslam, Andreas Mojzisch, Jan Häusser, Ullrich Baumann, Oliver Christ, Jolanda Jetten, Tom Postmes, Anne O’Brien, Steve Reicher, Sebastian Schuh, Sonja Rohrmann, Mona Wolf, Johannes Ullrich, Ulrich Wagner…

Übersicht Der Social Identity Approach Soziale Identität, Stress und Wohlbefinden: Hypothesen Vorläufige Evidenz : Befragungen Weitere Evidenz Experimentelle Daten Längsschnittdaten Fallstudie Ausblick

Der Social Identity Approach Es existiert ein qualitativer Unterschied zwischen Verhalten, das auf der personalen Identität (‘Ich’) beruht und Verhalten, das auf unserer sozialen Identität (‘Wir’) aufbaut.

Soziale Identität Akademiker Der Social Identity Approach Soziale Identität Akademiker Sobald die soziale Identität (z.B. “Wir Opelaner”, “Wir Psychologen”, “Wir Deutsche”) salient wird, wirkt sich diese Identität auf eine Reihe sozialer und vor allem organisationaler Einstellungen und Verhaltensweisen aus (Haslam, 2004; van Dick, 2004). Wenn Menschen eine gemeinsame Identität teilen und diese salient ist Sehen sie sich als relativ austauschbare Mitglieder der Kategorie an Haben sie eine gemeinsame Perspektive und Überzeugungen Koordinieren sie ihr Verhalten so, dass es im Einklang mit den Gruppennormen steht Arbeiten sie gemeinsam im Hinblick auf die Ziele und Interessen der Gruppe

Soziale Identität, Stress und Wohlbefinden Messung/Erfassung I Organisationale Identifikation: „Ich bin stolz, meiner Organisation anzugehören“ „Erfolge meiner Organisation betrachte ich als persönliche Erfolge“ „Wenn meine Organisation kritisiert wird, betrachte ich das als persönliche Beleidigung“ Wenn ich über meine Organisation rede, sage ich normalerweise eher „wir“ als „sie“. (z.B. van Dick et al., 2004; Doosje et al., 2005; Mael & Ashforth, 1992)

Der Social Identity Approach Diese Konzepte haben Implikationen für eine Reihe organisationaler Themen (z.B. Haslam, 2004; Haslam et al., 2003; van Dick, 2001, 2004; Riketta & van Dick, 2005), z.B. Führung, Motivation, Kündigung, Produktivität (z.B. van Dick et al., 2004a, 2004b, 2007; Ullrich, Christ & van Dick, 2009; Wieseke, Ahearne, Lam, & van Dick, 2009) Z.B. Citizenship Behavior: Je mehr sich Individuen als Mitglieder sozialer Kategorien definieren, umso mehr sind sie bereit, sich für diese Kategorie einzusetzen und besonders zu engagieren (z.B. Christ, van Dick, Wagner, & Stellmacher, 2003; van Dick et al., 2006) Team vs. Organisation (z.B. Riketta & van Dick, 2005) Führung (van Dick et al., 2007; van Dick & Schuh, 2010; Wieseke et al., 2009; Schuh et al., in press)

Der Social Identity Approach Aber: Gibt es auch Implikationen für Wohlbefinden und psychische Gesundheit?

Soziale Identität, Stress und Wohlbefinden Hypothesen Soziale Identität, Stress und Wohlbefinden Hypothesen (Haslam, 2004; Haslam & van Dick, 2011; van Dick & Haslam, 2012) Wenn eine geteilte soziale Identität salient ist, wirkt sich die Bewertung von Stressoren aus, das sog. primary und secondary appraisal: Primary appraisal: Ist die Situation belastend/ bedrohlich? Wenn die soziale Identität salient ist, wird die Antwort auf die Frage bestimmt durch die Bedrohlichkeit des Stressors nicht nur für das Individuum sondern für die Gruppe. Belastend für mich? Belastend für uns? Saliente personale Identiät Saliente soziale Identität primary

Soziale Identität, Stress und Wohlbefinden Hypothesen Soziale Identität, Stress und Wohlbefinden Hypothesen (Haslam, 2004; Haslam & van Dick, 2011; van Dick & Haslam, 2012) Wenn eine geteilte soziale Identität salient ist, wirkt sich die Bewertung von Stressoren aus, das sog. primary und secondary appraisal: Secondary appraisal: Kann die Situation bewältigt werden? Wenn die soziale Identität salient ist, wird die Antwort abhängen von Zustand und Resourcen der Gruppe und der sozialen Unterstützung die ausgetauscht wird. Belastend für mich? Belastend für uns? Saliente personale Identät Saliente soziale Identität primary Können wir bewältigen? Kann ich bewältigen? secondary soziale Unterstützung

Soziale Identität, Stress und Wohlbefinden Hypothesen Soziale Identität, Stress und Wohlbefinden Hypothesen (Haslam, 2004; Haslam & van Dick, 2011; van Dick & Haslam, 2012) Je mehr sich Individuen als Gruppenmitglieder definieren, umso mehr sollten sie soziale Unterstützung geben, nehmen und von ihr profitieren. Dies sollte deshalb so sein, weil die geteilte Identität einen Rahmen bildet, innerhalb dessen Unterstützung und Hilfe so interpretiert wird, wie sie gemeint ist (und Misstrauen etc. reduziert).

Soziale Identität, Stress und Wohlbefinden Messung/Erfassung II Organisationale Identifikation: „Ich bin stolz, meiner Organisation anzugehören“ usw. Auszählen von „Ich“ (mein, mir…) versus „Wir“ (uns, unsere….) Burnout „Am Ende eines Arbeitstages fühle ich mich ausgelaugt und erschöpft“ Körperliche Beschwerden: Wie häufig leiden Sie unter … ….Nackenschmerzen, Rückenbeschwerden, Magenproblemen….

Soziale Identität, Stress und Wohlbefinden Erste Befunde Gibt es Zusammenhänge zwischen Identifikation und Wohlbefinden? Van Dick et al. (2004 , EJWOP): N=459 Beschäftigte nach einer Fusion zeigten die meisten negativen Emotionen, wenn ihre Identifikation vor der Fusion hoch, nachher niedrig, war Wegge, van Dick et al. (2006, W&S), N=161 Callcentermitarbeiter Je mehr sie sich mit ihrer Organisation identifizieren, umso weniger Burnout leiden sie. (EE: r = -.28; PA: r = .48; DP: r = -.40)

Soziale Identität, Stress und Wohlbefinden Erste Befunde Gibt es Zusammenhänge zwischen Identifikation und Wohlbefinden? Van Dick & Wagner (2002, EJWOP), 2 Studien mit Lehrerinnen und Lehrern Studie 1 (N=201): Organisationale Identifikation – körperliche Beschwerden: r = -.30 Studie 2 (N=283): Berufliche Identifikation – körperliche Beschwerden: r = -.41; Teamidentifikation – körperliche Beschwerden: r = -.28

Beurteilung von Stress und Wohlbefinden (Haslam et al., BJSP, 2005) Korreliert Identifikation mit sozialer Unterstützung und hilft diese im Umgang mit Stress? Befragung von Restaurantbedienungen und Bombenentschärfern (N = 40) Selbsteinschätzungen zu Identifikation mit dem Team Soziale Unterstützung Stress bei der Arbeit Wahrgenommene Belastung durch Bombenentschärfung Wahrgenommene Belastung durch Arbeit im Restaurant

Beurteilung von Stress und Wohlbefinden (Haslam et al., BJSP, 2005) Restaurantbedienungen beurteilen Bombenentschärfung als belastender als Arbeit im Restaurant, Bombenentschärfer berichten das umgekehrte Muster Gruppenmitgliedschaft bildet eine Basis für die Interpretation und “Normalisierung” von Stress Wahrgenommene Belastung durch die Tätigkeit

Beurteilung von Stress und Wohlbefinden (Haslam et al., BJSP, 2005) In der Gesamtstichprobe geht Identifikation einher mit (a) mehr sozialer Unterstützung (b) weniger Stress Identifikation Stress -.47** soziale Unterstützung .55** -.56** -.33* Die Beziehung zwischen Identifikation und Stress wird mediiert durch soziale Unterstützung

Beurteilung von Stress und Wohlbefinden nach Herz-OPs (Haslam et al Beurteilung von Stress und Wohlbefinden nach Herz-OPs (Haslam et al., BJSP, 2005) Soziale Identifikation (mit der Familie) geht einher mit (a) Mehr sozialer Unterstützung (b) Weniger Stress soziale Identifikation Stress -.33** Unterstützung .61** -.51** -.04 Die Beziehung zwischen Identifikation und Stress wird mediiert durch soziale Unterstützung

Gesundheit und Krankheit bei Kindern mit Leberinsuffizienz Befragung von 45 Angehörigen (meist den Eltern) als Leber-Lebendspendern und ihren lebertransplantierten Kindern (Baumann, van Dick et al., in Vorb.) Soziale Identifikation (mit der Familie) der Angehörigen geht einher mit Mehr sozialer Unterstützung (unter den Angehörigen) (b) Bessere Gesundheitswerte der Kinder 1. bessere Nierenfunktion (Kreatinin, r=-.34*) 2. weniger Leberzellschädigung (GPT, r=-.32*) 3. bessere Syntheseleistung der Leber (Quick, r=-.36*)

Zusammenfassung der Befragungsstudien Die Studien sind konsistent mit den Vorhersagen des Social Identity Approach. Sie unterliegen aber den typischen Problemen vieler Feldstudien, d.h. die Daten sind (a) querschnittlich erhoben (b) basieren auf Selbstberichten Das bedeutet, die Studien ermöglichen keine kausalen Ableitungen und sie können nicht zeigen, wie Stress, Unterstützung und Wohlbefinden sich im Zusammenhang mit verändernden Identitäten entwickeln.

Experimentelle Befunde 1 Beurteilung von Stress und Wohlbefinden (Haslam et al., S&H, 2004) Beeinflusst Identität das appraisal? Studierenden wurde suggeriert, dass die zu bearbeitenden Aufgaben (Matheaufgaben) entweder herausfordernd oder belastend wäre. Die Botschaft kam entweder von einem Mitglied der eigenen Gruppe (eine Studierende) oder einer anderen Gruppe Abhängige Variable: Selbstberichteter Stress während der Aufgabendurchführung

Experimentelle Befunde 1 Beurteilung von Stress und Wohlbefinden (Haslam et al., S&H, 2004) Beeinflusst Identität das appraisal? Ja! Das appraisal (und die damit assoziierte Stressreaktion) wird nur beeinflusst wenn die Information von einem Mitglied der eigenen Gruppe stammt. Stress

Experimentelle Befunde 2 Call Center Simulationsstudie (Wegge, Schuh & van Dick, S&H, 2012) Wirkt Identifikation als Puffer bei Belastungen? N=96 trainierte Call Center Angestellte wurden im Labor telefonisch mit freundlichen versus unfreundlichen “Kunden” (Konföderierte) konfrontiert, gemessen wurde Identifikation und Stress mittels IGA im Speichel

Experimentelle Befunde 3 Identität als Stresspuffer (Häuser, Kattenstroth, van Dick & Mojzisch, JESP, 2012) Beeinflusst Identität körperliche Reaktionen auf Stress? Studierende wurden erst eingeteilt in eine Gruppe mit hoher und niedriger Identität, dann sollten sie belastende Aufgaben (Trier Social Stress Test) bearbeiten: Eine Rede für eine Bewerbung vorbereiten und dann vor einer Jury halten Laut rückwärts zählen in 17er Schritten von der Zahl 1043 ausgehend Abhängige Variable: Anstieg im Cortisol vor und nach den Aufgaben

Experimentelle Befunde 3 Identität als Stresspuffer (Häuser, Kattenstroth, van Dick & Mojzisch, JESP, 2012) Beeinflusst Identität körperliche Reaktionen auf Stress? persönliche Identität soziale Identität salivary cortisol (nmol/l) -15 min + 5 min + 20 min + 30 min + 40 min

Längsschnittliche Befunde: Stress während einer Theaterproduktion (Haslam et al., S&H, 2009) Geht stärkere Identifikation mit geringerem Burnout einher und trägt längerfristig zu mehr Engagement trotz Belastungen bei? Studie eines Theaterteams während der Produktion über fünf Phasen Selbstberichte zu: Identifikation mit dem Team Burnout OCB / Engagement

Längsschnittliche Befunde: Stress während einer Theaterproduktion (Haslam et al., S&H, 2009) Daten wurden in zwei Gruppen von Identifikation (niedrig, hoch) analysiert über die fünf Phasen: (1) nach dem Vorsprechen (2) in der Mitte der Proben (3) direkt nach der Kostümprobe (4) direkt nach der Erstaufführung (5) zwei Wochen nach der Erstaufführung

Längsschnittliche Befunde: Stress während einer Theaterproduktion (Haslam et al., S&H, 2009) Soziale Identifikation ist relativ stabil

Längsschnittliche Befunde: Stress während einer Theaterproduktion (Haslam et al., S&H, 2009) Niedrig Identifizierte zeigen deutlich mehr Burnout in den kritischen Phasen (Kostümprobe, Erstaufführung).

Längsschnittliche Befunde: Stress während einer Theaterproduktion (Haslam et al., S&H, 2009) Soziale Identifikation geht mit dauerhaftem OCB einher.

Längsschnittliche Befunde: Stress während einer Theaterproduktion (Haslam et al., S&H, 2009) Das längsschnittliche Design erlaubt die Analyse der Zusammenhänge zwischen Identifikation, Burnout und OCB im Prozess. Burnout (T3,4) –.39** –.40* .24 soziale Identifikation (T1) OCB (T5) .39** Identifikation hat damit nachhaltigen Einfluss auf Wohlbefinden und OCB, weil es die Belastungen während kritischer Phasen abpuffert.

Eine Fallstudie: Wohlbefinden in der „BBC Prison Study“ (Haslam & Reicher, JAP, 2006) Die Studie wurde 2001 durchgeführt mit dem Ziel die Dynamiken in Gruppen zu untersuchen. Dabei wurden, “normale”, gesunde junge Männer zufällig aufgeteilt in die Gruppe der Gefangen bzw. der Wärter in einem simulierten Gefängnis. Die Studie erlaubt eine Reihe von Analysen aus sozialpsychologischer, organisationspsychologischer und klinisch-psychologischer Sicht (Haslam & Reicher, SciAmMind, 2005, BJSP, 2006, JAP, 2006; Reicher & Haslam, Psychologist, 2006a, BJSP, 2006b; Reicher, Haslam, Hopkins, LQ, 2005).

Eine Fallstudie: Wohlbefinden in der „BBC Prison Study“ (Haslam & Reicher, JAP, 2006) Mit der Studie sollten Vorhersagen getestet werden über (a) die Bedingungen unter denen sich Individuen über ihre sozialen Identitäten definieren (b) die Konsequenzen sozialer Identitfikation für soziale, klinische und organisationale Phänomene Die Studie dauerte 8 Tage. Während dieser Zeit wurden mehr als 800 Stunden Videoaufzeichnungen gemacht, physiologische Daten (z.B. Cortisol) gesammelt und psychologische Daten zu mehr als 60 Konstrukten erfasst.

Eine Fallstudie: Wohlbefinden in der „BBC Prison Study“ (Haslam & Reicher, JAP, 2006) Während der Studie manipulierten Haslam et al. die sogenannten soziostrukturellen Variablen, die nach Vorhersagen der SIT die Angehörigen von Gruppen mit niedrigem Status (Gefangene) zu Verhalten im Sinne der bedrohten Identität und Widerstand gegen Ungleichheit motivieren sollte 1 Tag 1 — Gruppengrenzen waren permeabel (es war möglich vom Gefangen zum Wärter „befördert“ zu werden). Die Gefangenen sollten deshalb als Individuen agieren und den status quo nicht in Frage stellen. Tag 3 — Gruppengrenzen waren impermeabel (weitere Beförderung war nicht mehr möglich). Die Gefangenen sollten stärker als Gruppe agieren. 2 3 Tag 5 — Einführung kognitiver Alternativen (ein neuer Gefangener, ein Gewerkschaftsaktivist wurde „eingeschleust“). Die Gefangenen sollten stärker als Gruppe agieren und gegen den status quo angehen.

Eine Fallstudie: Wohlbefinden in der „BBC Prison Study“ (Haslam & Reicher, JAP, 2006) Wie erwartet, führen die Manipulationen zu erhöhter Identifikation bei den Gefangenen. Identifikation

Eine Fallstudie: Wohlbefinden in der „BBC Prison Study“ (Haslam & Reicher, JAP, 2006) Gleichzeitig mit der Entwicklung geteilter Identität, begannen die Gefangenen die Autorität der Wärter in Frage zu stellen. Ihr Widerstand führte zu einer Revolte und letztlich zum Zusammenbruch des Systems.

Eine Fallstudie: Wohlbefinden in der „BBC Prison Study“ (Haslam & Reicher, JAP, 2006) Angesichts der wachsenden Macht der Gefangenen, wurden die Wärter zunehmend unsicherer in Bezug auf ihre eigene Macht und Autorität. Dies, zusammen mit der Revolte der Gefangenen, führte zu einer stetigen Abnahme der geteilten Identität bei den Wärtern. Identifikation

Eine Fallstudie: Wohlbefinden in der „BBC Prison Study“ (Haslam & Reicher, JAP, 2006) Was waren die Konsequenzen dieser Identitätsveränderungen für Gesundheit und Wohlbefinden? Depression der Gefangenen nahm ab in dem Maß in dem Identifikation anstieg Depression der Wärter stieg an, umso mehr ihre Identifikation abnahm Depression

Cortisol in saliva (√g/10ml) Eine Fallstudie: Wohlbefinden in der „BBC Prison Study“ (Haslam & Reicher, JAP, 2006) Stress der Wärter stieg mit abehmender Identifikation an Cortisol in saliva (√g/10ml)

Laufende Evaluationsstudie (Wolf, Rohrmann, van Dick et al., in Vorb.) Gefangene der JVA Frankfurt am Main IV bauen zusammen mit Studierenden ein Schiff zur Bühne um, üben Musik und Gesang ein und führen im Dezember die Oper Carmen auf, angeleitet von Architekten der TU Darmstadt und Musikpädagogen und Sozialarbeitern der FH Frankfurt Wir evaluieren das Resozialisierungs-Projekt durch eine prozessbegleitende Untersuchung vor, während und nach dem Umbau bzw. den Proben/ Aufführungen

Zusammenfassung und Ausblick Zusammengenommen zeigen die Studien, dass soziale Identität zentral für das Wohlbefinden von Menschen in sozialen und organisationalen Kontexten ist. Eine geteilte soziale Identität bietet die Grundlage für das Geben und Nehmen sozialer Unterstützung. Dadurch werden Stressoren als weniger belastend angesehen und mit einem gesteigerten Gefühl kollektiver Selbstwirksamkeit bewältigt (OCB). Umgekehrt führen das Fehlen oder ein Rückgang sozialer Identität zu erhöhtem Misstrauen (geringere Unterstützung), negativem Verhalten (Bullying), erhöhtem Stress, Burnout und Depression.

Zusammenfassung und Ausblick Dies bedeutet praktisch, dass ein Schlüssel zu mehr Wohlbefinden und Gesundheit in der Förderung von Gruppen liegt, die geteilte Identitäten entwickeln und sich gegenseitig unterstützen (Haslam, 2001) Dies steht in gewissem Widerspruch zu dominierenden Lösungsansätzen, die überwiegend individualistisch sind. Zum Beispiel sehen viele Ansätze Stress als individuelle Reaktionen auf bestimmte Stimuli, und deshalb werden sie Am besten vorhergesagt durch Persönlichkeitsunterschiede (Typ A; Hardiness, Copingstile usw.) und Sie werden am besten behandelt durch individuelle Veränderung (z.B. kognitives Umstrukturieren, Entspannungstechniken, Rückenschulen……)

Mögliche negative Aspekte Wenn die soziale Identität salient ist, könnte die Motivation der Individuen sich für die Gruppe zu engagieren, zu Aufopferung auf Kosten der eigenen Gesundheit führen (Avanzi, van Dick et al., 2012) Auch könnte das Wohlbefinden derjenigen leiden, die nicht der eigenen Gruppe angehören oder den Gruppennormen nicht folgen (Mobbing, Ausgrenzung) (Ullrich, Escartin, Zapf, & van Dick, in press). Schließlich leiden besonders die hoch-identifizierten Gruppenmitglieder darunter, wenn die Gruppe ihre Ziele nicht erreicht.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!