Frieden aus asiatischer Sicht

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Optionen für Konflikttransformation (Heinrich 2003 nach Ropers 1999)
Advertisements

Ökumenischer Gesprächskreis Gammertingen
Miteinander für Europa 2012
Intergenerationelle kulturelle Projekte –
Women in Europe for a Common Future WECF
EU-Bildungs- und Drittlandprogramme
Staatliche Aktivitäten in der Schweiz - Überblick -
Begleiter auf dem Weg nach Westen Deutsche und nordische Baltikumpolitik zwischen 1991 und 2004.
Die 8 Millennium - Entwicklungs – Ziele der Vereinten Nationen: Die Bedeutung der Zivilgesellschaft Universal Peace Federation.
Die asiatische Herausforderung:
Aktuelle Situation zunehmende Internationalisierung, da sich ökonomische und ökologische, politische und soziale Entwicklungen in hohem Maße in weltweiten.
Besonderheiten des 2. Vorschlags
IB mit t&t Wintersemester 2004/05 1 Tutorien Mo.12-14Zeljo BranovicIhne 22/E2 Mo.12-14Silke LodeIhne 22/UG2 Mo.12-14Simon SottsasOEI 301 Di.14-16Harald.
Einführung in die Internationalen Beziehungen
IB mit t&t Wintersemester 2004/05 1 Einführung in die Internationalen Beziehungen Internationale Beziehungen und Internationale Politik Internationale.
IB mit t&t Wintersemester 2004/05 1 Einführung in die Internationalen Beziehungen Internationale Umweltpolitik neues Thema der internationalen Politik.
ein historisch neues Phänomen?
Entwicklung der sowjetischen Außenpolitik während der Perestrojka
Landeskunde deutschsprachiger Länder 德语国家国情
Corporate Citizenship – Teil 1
IX. Christliche Sozialethik als Strukturenethik
WSIS und IFLA, UNESCO und GATS Netzwerke für Bibliotheken auf internationaler Ebene Präsentation zur 8. International Bielefeld Conference Session: Joint.
Die Gruppe der Acht (G8) Hintergründe Geschichte Strukturen
Den Armen Gerechtigkeit. © 2008 "Brot für die Welt" I.Die Aktion Brot für die Welt II.Die Ziele III.Maßnahmen und Instrumente.
Peter J. Croll Geschäftsführer, BICC
EuropaRAThaus Erklärung Für ein Europa der Bürgerinnen und Bürger „Wir einigen keine Staaten, wir verbinden Menschen“ (Jean Monnet) Anlässlich.
Akademie der bildenden Künste Wien
End of Millenium Kapitel 3 und 4 Manuel Castells
The Crisis of Democracy
Bilanz der Entwicklungspolitik
Übersicht: Individualisierung & Globalisierung
Weyregg – eine Pfarre zum Wohlfühlen
SOZIALWISSENSCHAFT FÜR DIE STADTENTWICKLUNG IN DER WISSENSGESELLSCHAFT Josef Hochgerner Zentrum für Soziale Innovation Beitrag zum Fachsymposium stadt:forschung:politik,
Wissen, Kreativität und Transformation von Gesellschaften INST–Konferenz Wien, Dezember 2007 Vortrag zum Schwerpunkt Divergierende Konzepte von.
Globale Institutionen und Vereinigungen
MUSEALISIERUNG VON MIGRATION Annäherung an eine Aushandlung gesellschaftlicher Praxis.
Sich eine Stimme geben- Die Landesarmutskonferenz Baden- Württemberg Selbstorganisation von Obdachlosen und Anderen (Beitrag von Roland Saurer, Okt. 2013)
Texte aus dem International Assembly 2006 Report Vereinigt (assoziiert) für die lasallianische Erziehungssendung Grundlegende Richtlinien und Bereiche.
(bitte als Bildschirmpräsentation starten)
Zagorski, Vertiefungsseminar: Europäische Sicherheit Der Wandel der sicherheitspolitischen Landschaft.
Förderungsmaßnahmen der Europäischen Union für die Stadtgebiete
Zagorski, Vertiefungsseminar: Europäische Sicherheit Russland im System Europäischer Sicherheit.
Regional Policy EUROPEAN COMMISSION 1 Was ist Interreg? Interreg I bis III. Basel, 1. Februar 2008 Laila Oestergren Europäische Kommission Generaldirektion.
Konfliktforschung II:
Kriegsursachen im historischen Kontext Prof. Dr. Lars-Erik Cederman
Globalisierung und Internationale Verantwortung
Von umfassender zu nachhaltiger Sicherheit?
1 Prof. Dr. Hans J. Lietzmann Jean-Monnet-Professor for European Politcs Europastudien 3. Theoretische Perspektiven Jawaharlal Nehru University / Neu-Delhi.
Sozialwissenschaften
WSIS – World Summit on the Information Society Weltgipfel zur Informationsgesellschaft Perspektiven für Bibliotheken Präsentation zur ASpB-Tagung 2005.
Wer wir sind und was wir machen:.
Regionale Identität durch internationale Veror/dn/t/ung?
Gemeinsam für ein menschenwürdiges Leben für alle Datum Name, Funktion.
Gewaltforschung und soziale Entwicklung
A Strong Voice for Global Sustainable Development How China can Play a Leading Role in the Post-2015 Agenda Jiang Ye / Thomas Fues Development Studies.
Gastprofessor Dr. Árpád v. Klimó Katholische Kirche und Katholiken: Österreich im europäischen Kontext (19. und 20. Jahrhundert)
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Grazer Erklärung der ARGE STEIRISCHE EB vom 8. Juli 1999 Bildungspolitische Enquete ORF-Landesstudio 21. September 1999.
Dr. Petra Bendel Vorlesung: Einführung in die Politische Wissenschaft Vorlesungsteil Internationale Politik II: Empirischer.
Grundlagen der Internationalen Beziehungen
„ S ü dasien zwischen punyabhoomi und dar al-islam. Religi ö s legitimierte Gewalt und Terrorismus in Indien, Pakistan und Bangladesch. “ Clemens Six.
SE: Sicherheitspolitik nach dem Ost-West-Konflikt
Berg-Schlosser : Entwicklungspolitik als Friedenspolitik
Landwirtschaftliche Grossbetriebe im globalen Handel
Konfliktforschung I: Kriegsursachen im historischen Kontext
Kriegsursachen im historischen Kontext Prof. Dr. Lars-Erik Cederman
Die Dekolonisation Asiens
NEZI-Tagung vom 5. – 7. November 2015 in Tirana Länderinput Schweiz Politische Bildung – Demokratieerziehung – Interkulturelle Pädagogik – Diversitätspädagogik.
Das Fach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde“ stellt sich vor
Fachtagung der Bundesvereinigung Lebenshilfe: Migration und Behinderung: Zugangsbarrieren erkennen – Teilhabe ermöglichen 29.–30. September 2015 in Berlin.
 Präsentation transkript:

Frieden aus asiatischer Sicht Konzepte, Möglichkeiten und Ansatzpunkte (Friedensmodelle-Seminar 18.-20. Juni 2004, Akademie Franz Hitze Haus, Münster)

Fragestellungen Gibt es überhaupt „ein“ asiatisches Friedensmodel? Wie können die kulturelle Vielfalt und die verschiedenen Erfahrungen Asiens zum Frieden beitragen? Inwiefern kann die europäische Integration als Referenz dienen für Gewaltprävention, friedliche Konfliktbearbeitung und Friedenssicherung in Asien? Welche Kooperationsforen gibt es auf asiatischer Ebene, welche zu Stabilität und Frieden der Region beitragen können?

Friedens-Konzepte in Indien, China und Japan Im indischen Sanskrit, shanti = Frieden = „self-reflexive consciousness” und “self-reflective intelligence” ↔ ein sublimer ontologischer Zustand inniger Ruhe. Im chinesischen I-Ging (das Buch der Wandlungen), Friede = die Vereinigung der Kräfte zwischen Himmel und Erde in inniger Harmonie; daher in den chinesischen traditionellen Philosophien, Friede = das Gesetz und die Logik des Universums. In der japanischen Kultur, Friede = Heilkraft für menschliches Leiden. Fazit: Friede = eine Zielvorstellung, welche jeder Mensch durch Prozesse der Selbst-Reflexion und Leidens-Transformation anstreben soll/kann.

Die Rolle der Kultur Asiens für den Frieden als Ordnungsvorstellung "Frieden als Form" → Umgang mit der Differenzen/Heterogenität der Kulturen, welche Friedenswirklichkeit durch diese konstruiert und projiziert wird. Gewaltprävention/Friedenssicherung = Teil der Ansatzpunkte des Modernisierungsprozesses, welcher Wohlfahrt, Sicherheit, Stabilität des menschlichen Zusammenlebens gewährleistet. Drei Issues: 1) Kultur im Friedensprozess, 2) die Relevanz der verschiedenen asiatischen Kulturen für die Selbst-Erkenntnisse des Westens, 3) Bedeutung des lokalen Wissens für eine dauerhafte Friedenssicherung. Im Blick auf Globalisierung/zunehmenden transnationalen Aktivismus, viel Konfusion und Ambiguitäten→ Bedarf an neuen Konzepten für die Einschätzung kultureller Vielfalt und die Bearbeitung struktureller Gewalt, Abbau der Dichotomien ( Tradition vs Modernität/ Der Westen vs Nicht-Westen/ Global vs. Lokal). Offene Möglichkeiten und Bedingungen für den Friedensprozess in Asien: Ostasien-Modell / Südasien-Model / Zentralasien-Modell od. pan-chinesischer Wirtschafts-Raum.

Möglichkeit I: Konfuzianisches Model Konfuzianismus als gemeinsamer kultureller Nenner im Wirtschafts-Wunderraum in Ost- und Süd-Ost-Asien; Fundamente des Konfuzianismus: 1) ausgewogener Humanismus in Einklang mit der Natur → Überwindung des Anthropozentrismus, 2) Charakter-Bildung (z. B. Entwicklung interkultureller Kompetenz), 3) Selbst-Kultivierung zum Wohl der Familie, zum guten Regieren des Staates und zur Friedenstiftung unter dem Himmel → Ethische Verantwortung gegenüber Mitmenschen und der Umwelt; Empirische Relevanz: eine wirtschaftliche und politische Großmacht China ohne diese konfuzianischen Elemente = aggressiver Hegemon = gefährlich für den Asien-Pazifik-Raum und für die Welt.

Möglichkeit II: Frieden durch wirtschaftliche Zusammenarbeit Wirtschaftliche Entwicklungserfahrungen in Ostasien = Region als “an enabling environment for catching up” (model and pressure); Verdichtete Interaktionen mit hohen Grad an Interdependenz Ziel: Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit der Region erhalten; Formen: Freihandel, verstärkter Handel und Investitionen, harmonisierte Entwicklungspolitik (z. B. Japan gegenüber Vietnam); Starting point: Idee eines pan-chinesischen Wirtschaftsraumes; Probleme: 1) Mangel an Transparenz, Verantwortlichkeit und Partizipation, 2) Frage des Territoriums und ungelöste Grenzkonflikte (China und Taiwan, China und Indien).

Möglichkeit III: Gerechter Friede als Leitperspektive Schatten der Vergangenheiten: Kriege, Hungernöte, Fremdherrschaft (China, Indien, Japan, Korea, Vietnam); Verarbeitung der schuldbehafteten Vergangenheit und Versöhnungsprozesse auf zwischenstaatlicher und gesellschaftlicher Ebene; Konzeptionelle und theoretische Grundlage: 1) Rekonstruktion des Konzeptes „Friede“ in Anlehnung an Galtungs „positiven Frieden“, aus einer geschlechtsspezifischen Perspektive, 2) Re-Interpretation der Begriffe und Ideologien (personale/direkte Gewalt, indirekte/strukturelle Gewalt, die Trennung öffentlicher und privater Sphäre). Merkmale: 1) transversale/transnationale Friedenspolitik mit aktiver Beteiligung der zivilen Gesellschaft; 2) Er bietet ein vereinheitlichtes Prinzip, die strukturelle Gewalt verschiedener sozialer Beziehungen (familiären, gesellschaftliche und zwischenstaatlichen) zu bearbeiten und zu bekämpfen. Bedeutung: 1) Vertrauensbildung; 2) Wiederherstellung der Gerechtigkeit; 3) Herausforderung für die Staatengemeinschaft mit den Prinzipien der „Souveränität“ und „Nicht-Intervention“ in die inneren Angelegenheiten.

Kriege und Frieden in Asien: Erfahrungen (1) Im Vergleich zu gemeinsamen europäischen Erfahrungen (Selbst-Zerfleischung WK I und II), viele Länder in Asien litten und leiden unterschiedlich unter japanischer Aggression, Folgen kolonialer Herrschaft und des Ost-West-Konflikts (z. B. Korea-Konflikt, Vietnam-Krieg, China zwischen 1840-1949); Die Rolle der Artikulation hegemonialen (amerikanischen) Interesses im Prozess der Konfliktbearbeitung; Europäische Integration als Referenz für den Friedensprozess in Asien; Die Rolle der NGOs bei der Schaffung der gesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Bedingungen für den Erhalt des Friedens; Beispiel A: Südasiatische Assoziation für regionale Zusammenarbeit (South Asian Association for Regional Cooperation) zwischen Pakistan und Indien.

Kriege und Frieden in Asien: Erfahrungen (2) Beispiel B: Aufbau eines multilateralen Sicherheits-Mechanismus für den Frieden in Nord-Ost Asien (zur Bearbeitung der Frage der Nuklear-Waffen in Korea und der Taiwan-Frage) mit der Beteiligung Sechs-Parteien (USA, China, Russland, Nord/Süd Korea und Japan) in 2003; Beispiel C: Der Erfolg des „Violence Against Women in War Network (VAWWNET) War Crimes Tribunal“ (in Dez. 2000, Tokyo) bei der Wiederherstellung der Gerechtigkeit für die „comfort women“ (sexuelle Sklaverei) während des Zweiten Weltkrieges in Folge japanischer Aggression in einigen asiatischen Ländern; Praxis einer juristischen Rekonstruktion = Grenzlose Gerechtigkeit (borderless justice).

Fazit Kein reduktives Model im Friedensprozess Asiens; Kulturelle Elemente, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Motive, Bearbeitung vergangener Erfahrungen können viele Möglichkeiten und kreative Räume anbieten; Mut zur weiteren Verarbeitung der schuldbehafteten Vergangenheit bei sensiblen Themen wie Nanking-Massaker von japanischer Militär an chinesischer ziviler Bevölkerung, Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber eigenes Volk (Tiananmen Massaker und die Kultur-Revolution in China); Die Notwendigkeit einer „gendered“ Perspektive in der gesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Friedenspolitik durch die aktive Zusammenarbeit zwischen den Staaten und der zivilen Gesellschaft.

Literaturhinweise Ito Ruri, „Engendering the Concept of Peace on Violence against Women,“ Heiwa Kenkyû (Peace Research), Vol. 26 November 2001. Wei-Ming Tu, „"Asian Values and the Asian Crisis: A Confucian Humanist Perspective,„ Talk Given at the James A. Baker III Institute for Public Policy, Rice University, Houston, Texas, Oct 17, 1998. Thomas Hoppe, „Gerechter Frieden als Leitperspektive“, Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 33-34, 11./18. Aug. 2000. Baidyanath Saraswati , „Culture of Peace – Diffusing Glory with Peace,“ Indira Gandhi National Centre for the Arts, 1999. Kenichi Ohno, “Pro-poor Growth and Aid Coordination from the Japanese Perspective,” National Graduate Institute for Policy Studies, Tokyo, 2004. Manoranjan Mohanty, „Colonialism and the Discourse in India and China,“  Indira Gandhi National Centre for the Arts, 1999. Special Issue: Gendering „the International,“ Millennium (Journal of International Studies), Vol. 27, No. 3, 2002.

Referentin Miao-ling Hasenkamp, M.A. Dissertation: Herrenstr. 11 48167 Münster, Germany Tel. 0 25 06/30 21 37 hasenka@uni-muenster.de / miaoling@web.de Dissertation: Universalization of Human Rights? The Effectiveness of Western Human Rights Policies toward Developing Countries. With Case Studies on China ( Peter Lang Verlag, Juli 2004 i.E.)