Lautwandel, Perzeption, Kompensierung für Koartikulation.

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 Präsentation transkript:

Lautwandel, Perzeption, Kompensierung für Koartikulation. Jonathan Harrington Modell des Lautwandels - John Ohala, 1993 http://trill.berkeley.edu/users/ohala/index3.html Perzeptionsexperimente und die Wahrnehmung der Koartikulation – Mann & Repp (1980) Modul L, lautwandel.pdf

Ohala, 1993: the Phonetics of Sound Change 1. Die Wurzel des Lautwandels sind in der Variabilität der Sprachproduktion und –Perzeption. 2. Lautwandel findet statt, wenn diese Variabilität vom Hörer falsch ‚korrigiert‘ wird Die Koartikulation wird als phonologisch interpretiert (intendiert wahrgenommen) = die Hypokorrigiereung. Ein phonologisches Merkmal wird als Koartikulation interpretiert (nicht intendiert wahrgenommen) = die Hyperkorrigierung. 3. (2) oben setzt voraus, dass Hörer für die Koartikulation ‘kompensieren’ (Mann & Rapp, 1980).

1. Lautwandel und Variabilität in der Sprachproduktion In vielen südost asiatischen Sprachen ist der Stimmhaftigkeitskontrast durch einen tonalen Kontrast ersetzt worden: /ba pa/ /pa@ pa$/ (/b p/ werden durch steigende und fallende Töne ersetzt)

Synchronische Variabilität Mikroprosodische Variation: f0 ist nach einem stimmhaften Laut höher: [Bein]L-% [Pein]L-% H* H* Mögliche physiologische Grundlage: größere Betätigung einiger extrinsischen Kehlkopf-Muskeln in stimmlosen Lauten, wodurch die Stimmlippen gestreckt werden, und dadurch f0 erhöht wird.

/ba/ /pa/ Mit mikroprosodischer Variation /b a@ / /pa$/ Phonologisierung davon /b p/ Neutralisierung /p a@ /

Kompensierung für Koartikulation = Hörer sind imstande, die Koartikulationseffekte aus der Sprachproduktion zu ‘subtrahieren’. (a) Sprecher intendiert /tut/ erzeugt [t¬t] (/u/ wird wegen /t_t/ frontiert) (b) (c) Hörer kompensiert für die Koartikulation = ich weiß, dass /u/ in /t_t/ frontiert wird. Daher weiß ich auch, dass der Sprecher /tut/ intendierte, obwohl er tatsächlich [t¬t] sagte. Kompensierung: [t¬t] – Frontierung = /tut/ (d) Hörer nimmt /tut/ wahr.

Lautwandel und Hypokorrigierung Hypokorrigierung: Die Kompensierung für die Koartikulation wird vom Hörer nicht angewandt (c) Hörer kompensiert für die Koartikulation Sprecher intendiert /tut/ erzeugt [t¬t] (/u/ wird wegen /t_t/ frontiert) (a) (b) (d) Hörer nimmt /t¬t/ statt /tut/ wahr = der Hörer meint (fehlerhaft): der Sprecher hat / ¬/ intendiert (e) Phonologisierung /¬/ wird in Kontexten verwendet, die die Frontierung nicht verursachen können: /b¬b/ ® [b¬b]

Warum kommt Hypokorrigierung überhaupt vor? Vielleicht sind Kinder anders als Erwachsene nicht so sehr imstande, die Koartikulation wahrzunehmen. Der für die Koartikulation verursachende Kontext, verschwindet allmählich… /b a@ / /pa$/ wenn der /b p/ Kontrast nicht mehr verdeutlicht wird, dann haben Hörer keine Erklärung mehr für die mikroprosodische Variation. (Jedoch: wenn der segmentelle Kontrast nicht verdeutlicht wird, dann dürfte auch keine mikroprosodische Variation stattfinden!)

Lautwandel und Hyperkorrigierung Hyperkorrigierung: die Kompensierung für Koartikulation wird fehlerhaft angewandt. Beispiel: Latein /kwINkwe/ ® Italienisch / /kINkwe/ (Dann /tSINkwe/)

Lautwandel und Hyperkorrigierung Eine Sprache hat /tw t k kw/ (Lippenrundung ist phonemisch) Sprecher intendiert /twakw/ (a) erzeugt [twakw] (b) (c) Hörer kompensiert für die wahrgenommene Koartikulation - der Hörer meint (fehlerhaft), dass die Lippenrundung in [tw] wegen der antizipatorischen Koartikulation in [kw] zustande kommt [tw] – Lippenrundung = /t/ (d) Der Hörer meint, der Sprecher intendierte /takw/ (d) Hörer nimmt /twakw/ wahr.

Inwiefern wird von Hörern für die Koartikulation kompensiert? Mann & Repp (1980) Ein Kontinuum von /s/ bis /S/ wurde vor /a/ und /u/ synthetisiert (/sa/ bis /Sa/, /su/ bis /Su/ in 10 Stufen) durch Senkung der Frikativ-Energie. Hörer mussten pro Stimulus entscheiden, ob es ein /s/ oder /S/ war. Es gab mehr /s/-Antworten in /su-Su/ als in /sa-Sa/ (= die Wahrscheinlichkeit, dass derselbe Frikativ- Stimulus als /s/ gelabelt wird, ist höher in /su-Su/ als in /sa-Sa/). Warum?

1. Akustisches Merkmal für /s/ im Gegensatz zu /S/ m1-Senkung. m1 = der Gewichtsschwerpunkt der spektralen Energie im Frikativ. Wahrgenommen als: s Je höher m1, umso wahrscheinlicher ist es, dass /s/ wahrgenommen wird… Frequenz S Dauer

2. Die antizipatorische Lippenrundung führt zu einer Senkung von m1, wegen… Kompensierung = die Wirkungen der Koartikulation ‘entfernen’ der größeren Vokaltraktlänge synthetisiert Kompensierung sa su wahrgenommen sa swu Frequenz Dauer

/a/ Kontext /u/ Kontext Komp. s Frequenz S Dauer

Die Kompensierung für Koartikulation senkt die Umkipplinie: die Wahrscheinlichkeit, dass ein Geräusch zu einer gewissen Frequenz als /s/ wahrgenommen wird, ist vor /u/ größer, weil Hörer einen Teil der Frequenzsenkung dem koartikulatorischen Einfluss von /u/ zuschreiben. s s Frequenz S S Dauer

Bis zum nächsten Mal: Ohala, 1993 und Mann & Repp, 1980 lesen. Feststellen wie Mann & Repp (1980) die Kontinua synthetisisert haben. Im nächsten Seminar: Ein /s-S/ Kontinuum konstruieren und mit /a/ und /u/ kombinieren – ähnlich wie in Mann & Repp, 1980.