Kontaktarbeit: Streetwork

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 Präsentation transkript:

Kontaktarbeit: Streetwork Besonderheiten von Streetwork einbettet niedrigschwellige akzeptierende Drogenarbeit = Brücken-, aber nicht Schlepperfunktion (!) es gibt keine deutliche "Hilfefrage", im Mittelpunkt steht "nur" Kontakt Ausstieg aus klassischen Komm- u. Beratungsstrukturen mit ihren klar definierten Rollenmustern, Hierarchien u. Rückzugs-/Schutzmöglichkeiten für Profis Sozialarbeit bewegt sich in der Lebenswelt der KlientInnen, ist dort "Gast" u. nicht "GastgeberIn" = entbehrt jegliche Definitionsmacht Sozialarbeit muß sich entsprechend den Regeln u. Normen der Szene verbindlich verhalten, Rahmenbedingungen, Möglichkeiten u. Erfordernisse werden immer von der Szene bestimmt leistet Arbeit zwischen nicht-hierarchisch agierenden Personen in einem ständig wechselnden u. durch neue Situationen geprägten Umfeld keine feste Tagesordnung o. klar definierte Strukturen im Arbeitsfeld = auf zufällige Kontakte angewiesen, Termine nur schwer vereinbar Verbindlichkeit u. Kontinuität liegen im Ermessen der Betroffenen, Tempo der Entwicklung bestimmt die KlientIn geprägt durch Grenzgang zwischen Gesellschaft u. ausgegrenzten Gruppen

Kontaktarbeit: Streetwork Ziele von Streetwork Kontakte legen/aufrechterhalten Informationen sammeln (Trends, Problemlagen, Bedarf) Prävention u. Vermeiden von Infektionen (Gesundheit, Safer-use, Safer-sex, Safer work etc.) Hilfe u. Unterstützung bei Problemen, psychosoziale Begleitung bis hin zur Knast- u. Sterbebegleitung Beratung u. kurze Information (Botschaften, Hinweise auf Angebote) Unterstützung bei der Entwicklung von Perspektiven zur Überwindung bestimmter Problemlagen/Ausstieg aus Sucht Informieren über/Vermitteln in Hilfeangebote, Überlebenshilfe Vertretung der Interessen der Zielgruppe (gegenüber anderen Institutionen, Bevölkerung) bis hin zum Erhalt der Szenen Arbeitsebenen: individuell = Verhalten des einzelnen Gruppenebene = soziokulturelle Veränderungen im Milieu

Kontaktarbeit: Streetwork Zielgruppe von Streetwork: "Unerreichbare" = DrogenkonsumentInnen, die: noch nie Kontakt zum Hilfesystem hatten keine Kontakte mehr haben zwar Kontakte haben, aber von den Präventionsbotschaften nicht erreicht werden von Präventionsangeboten nicht erfolgreich erreicht werden, infolge: unvollständiger/mangelhafter Informationen falschen Vorgehens Faktoren auf seiten der KlientInnen (Motivation, soziale Normen, fehlende Mittel) beachten: fehlende Homogenität der Drogenszene, Szenen differenziert nach Präsenz in der Öffentlichkeit, bevorzugten Drogen, Art des Konsums, ethnischer Hintergrund, sexuelle Präferenzen etc.

Streetwork: Arbeit in soziokulturellen Milieus Drogenszenen: verelendete Straßenszene öffentliche Szene private Szene selbstorganisierter isolierter Drogenkonsum "Drogenkultur" - enger Begriff komplexes Netzwerk unterschiedlicher sozialer Charaktere, die in der Institutionalisierung des Drogenkonsums eine Art gemeinsamen Nenner finden, ansonsten aber z. T. unterschiedliche Lebensstile u. biographische Hintergründe aufweisen der symptomatische Lebensvollzug innerhalb einer Drogenkultur kann wesentlich aus dem Gebrauch bestimmter Drogen ihrer Mitglieder verstanden/erklärt werden Droge spielt zentrale Rolle in Unterhaltungen, Aktivitäten u. Kooperationen der Mitglieder wird zur wichtigsten Initiationsinstanz eines Lebens mit Drogen

Streetwork: Arbeit in soziokulturellen Milieus Kriterien von Near-Groups: Unbeständigkeit, wechselnde Mitgliedschaften individualisierte, diffuse Rollendefinitionen gemäß augenblicklicher Bedürfnisse diffuse u. unterschiedliche Mitgliedschaftskriterien begrenzte Definition von Erwartungen gegenüber den Mitgliedern gegrenzte Verantwortlichkeit u. Soziabilität als Erfordernis der Mitgliedschaft (nehmen auf begrenzte Fähigkeiten der einzelnen Bezug) selbsternannte, häufig wechselnde u. ungeklärte Führung begrenzte Kohäsion begrenzter Konsens über Funktionen, Ziele u. Normen Unklarheit über Mitgliedszahlen emotional motiviertes Verhalten Differenzierung zu "echten" Gruppen, deshalb Motivation zum Gruppenaufbau: um sich gegenseitig zu unterstützen um Konkurrenz u. Isolation abzubauen

Kontaktarbeit: Offene Drogenszenen Bedeutung für die KonsumentInnen: Entfaltungsmilieu f. Drogenschwarzmarkt u. Möglichkeit zur Beschaffung illegalisierter Drogen Impulsgeber für Entwicklung devianter Verhaltensweisen: Durch-setzungsfähigkeiten gegenüber Verfolgung, Gewalt (Ware-Geld-Be-ziehung z.T. mit Gewalt durchgesetzt), Beschaffungsdruck, Diskriminierung letztes soziales Netz mit gewissem Unterstützungspotential (Notschlafstelle, Versorgung, gewisse Solidaritätsleistungen) soziale Bezugsgruppe, in der soziale Kontakte, Status u. Bestätigung erworben werden können soziales Milieu, in dem Wissen zu Überlebensstrategien u. -hilfen für ein Leben auf der Straße u. mit Drogen entwickelt u. gelernt wird Instanz, durch die Techniken u. Applikationsrisiken, Informationen zur Qualität v. Drogen, gebotenen Vorsichtsmaßnahmen u.ä. weitergegeben werden

Zugehörigkeit zu Szenen/Banden/Gangs Effekte von "Szene" für den einzelnen: bieten dem einzelnen Teilnahmemöglichkeiten an kollektiven Aktionen, neue Erfahrungen, Spannung, Genuß u. Romantik = Ersatzbefriedigung für nicht vorhandene Bedürfnisbefriedigung, ein Angebot stabiler Integration für gleichartig Betroffene = mindert Angst-, Versagens- u. Schuldgefühle, Realitätslinderung, oft einzige Möglichkeit für Statuserwerb = Kriterien sind einlösbar aus Erfahrungen entstandene Gruppenidentität bringt eine Gemeinsamkeit von Gewohnheiten, Gefühlen, Einstellungen u. Symbolen hervor rechtfertigt Feindseligkeit u. Aggression gegenüber denjenigen, derentwegen die Selbstachtung leidet große soziale Kontrolle, bei Verstoß gegen Gruppennorm folgen Sanktionen unterschiedlicher Härte Sozialisation in Szene leistet jedoch nur bedingt einen Beitrag, um sich außerhalb zurechtzufinden Anpassung an u. Mobilität in mittelschichtsgeprägten Kulturen nicht geübt, sondern offen diskreditiert u. bekämpft Gefahr sozialer Isolation, allgemeiner Interaktionsunfähigkeit u. Gruppenabhängigkeit

Streetwork: Arbeit in soziokulturellen Milieus Drogenkultur = Regeln beziehen sich auf: soziale Umstände/Situationen, unter denen konsumiert werden darf u. unter denen auf Konsum zu verzichten ist physische/psychische Befindlichkeit für Konsum u. Abstinenz Beschaffung, Herstellung, Lagerung die zu konsumierende Wirkstoffmenge, Darreichungsform, Frequenz die Kombination mit anderen Drogen o. Lebensmitteln Arten der Einnahme = Ritual des Konsumierens Streetwork: Präventionsarbeit = Information, Aufklärung zur Erweiterung von Kenntnissen zu Infektions- u. Erkrankungsrisiken Arbeit mit Gruppen in Richtung Änderung von Einstellungen, Normen u. Haltungen für ein allgemeines Gesundheitsbewußtsein Bereitstellen von Kondomen, Spritzen u.a. materieller Grundlagen Erweiterung der Handlungskompetenzen für Risikomanagement

Streetwork: Arbeiten vor Kontaktaufnahme globale Vorstellungen klären zu: Zielgruppe = wer soll erreicht werden Ziele = was soll mit der Arbeit erreicht werden in welche Situation begebe ich mich wo trifft sich die Zielgruppe wann welche Drogen werden genommen wie werden sie konsumiert wo werden die Drogen genommen welche Probleme gibt es - z.B. Gewalt, Prostitution? zu bestimmten Zeitpunkten (Tageszeiten, Wochentagen, Jahreszeiten) unterschiedlich Empfehlung: für Sammlung von Daten eine grobe Planung aufstellen "Drehbuch" erarbeiten, um Arbeit minimal zu strukturieren = welche Personen, Gruppen u. Themen genießen Priorität

Streetwork: Arbeiten vor Kontaktaufnahme Sammeln von Informationen: welche Daten sind relevant z.B. wieviele User, wieviele Neueinsteiger, Geschlechterverhältnis, Altersverteilung, Konsumformen, Anteil Wohnungsloser, Infektionsraten, ethnischer Hintergrund, Adressen u. Sprechzeiten von relevanten Hilfeangeboten vor Ort wo sind die Daten zu bekommen z.B. Studien zu Lebensumständen, Berichte von Hilfseinrichtungen, Statistiken wer sammelt welche Informationen Achtung: alle Quellen sind mit Vorurteilen u. Beschränkungen behaftet, deshalb alle Informationen prüfen u. vergleichen

Streetwork: Arbeiten vor Kontaktaufnahme Aufbau u. Pflege eines institutionellen Netzes: Kenntnisnahme der gesamten örtlichen Infrastruktur von Hilfeangeboten, die für die Zielgruppe relevant sind: Drogenhilfeeinrichtungen, AIDS-Beratung, medizinische Einrichtungen, Krisenübernachtung, Wohnungsvermittlung, Sozialämter, Schuldner- u. Rechtsberatung, Frauenhäuser, Selbsthilfegruppen etc. mit AnsprechpartnerInnen u. Öffnungszeiten) persönliche Vorstellung in sozialen Einrichtungen, Werben um Zusammenarbeit u. fachliche Akzeptanz sowie Treffen von Absprachen Bekanntmachen bei Ermittlungsbehörden, um Behinderungen in der Arbeit auszuschließen; aber keine enge Kooperation mit Polizei, da Vertrauensverhältnis zur Klientel gefährdet u. Arbeit parteiisch für Betroffenen zu leisten ist (!) Bekanntwerden in der Kommune/AnwohnerInnen/Geschäftsleuten u. gewinnen von KooperationspartnerInnen, um ein Minimum an Infrastruktur für Betroffene zu erhalten

Streetwork: Kontaktaufnahme Arbeitsmethoden der Erstkontaktphase (I): Beobachtung defensive = abwartende Kontaktaufnahme offensive = zugehende Kontaktaufnahme Vertrauen der Gruppe gewinnen durch: immer ehrlich sein (wer man ist, was man kann) nur die Unterstützung bei Problemen anbieten, die man wirklich leisten kann Beobachtung Feldanalyse = Beobachten der Interaktion, die wichtigsten Abläufe kennenlernen, Aufnahme der Stimmungslage Ermitteln der Leitfiguren der Zielgruppe Kommunikation über Geschehen bietet erste Anknüpfungspunkte für Kontakte defensive Kontaktaufnahme Vorstellung durch andere (Schneeballprinzip) o. sich zu einer Gruppe gesellen, in der es schon Bekannte gibt Verteilen von Präventionsmaterialien u. Rundbriefen/Infolettern, Umfrage mit Hilfe eines Fragebogens

Streetwork: Kontaktaufnahme Arbeitsmethoden der Erstkontaktphase (II): offensive Kontaktaufnahme Gespräche anknüpfen, oft über beiläufige Unterhaltung sich vorstellen u. erklären welche Aufgaben man hat für welche Institution/Organisation man arbeitet (Visitenkarte) wofür man sich einsetzt was man für die Zielgruppe machen kann Grundregel: KlientIn bestimmt Zeitpunkt, Inhalt, Dauer u. Häufigkeit des Kontakts

Streetwork: Kontaktaufnahme Arbeitsmethoden der Erstkontaktphase: zumindest beim Erstkontakt sollte der Kontakt von den Betroffenen ausgehen Verhalten so, daß man als ansprechbar wahrgenommen werden kann (langsam gehen, stehenbleiben, beobachten, sich hinsetzen/hinhocken, Blickkontakt, unverbindliches Zunicken) Überprüfen der nonverbalen Kommunikation/Körperhaltung auf seiten der SozialarbeiterIn unterscheiden, ob "KlientIn" ansprechbar oder aber auf der Szene "arbeitet" (dealt, Stoff organisiert, Sexarbeit) unverbindlicher Gesprächseinstieg = KlientIn bestimmt, ob Gespräch vertieft, abgebrochen o. auf Small-talk gehalten wird KlientIn immer die Möglichkeit geben, Kontakt zu vermeiden/zu beenden

Streetwork: Kontaktaufnahme Reflexion der Arbeit in der Erstkontaktphase: Wo halte ich mich auf? (an welchem Ort, in einiger Entfernung o. in unmittelbarer Nähe zu den Leuten etc.) Wann suche ich den Ort auf? Was ist der geeignete Zeitpunkt, um auf Leute zuzugehen? Mit welchen Leuten spreche ich zuerst? Wie gehe ich auf Leute zu? (direkt, indirekt) Was kann ich anbieten? Wann muß ich - vorübergehend - aufhören/eine Pause machen/weggehen? regelmäßige feste Zeiten der Präsenz (Tag, Ort, Zeit) besonders zu Beginn sinnvoll

Streetwork: Kontakthalten Ziel der Phase "Kontakthalten" : angefangenen Kontakt locker halten, um KlientIn zu ermöglichen, im Bedarfsfall den Kontakt zu intensivieren Arbeitsmethoden der Phase "Kontakthalten" : Pflege der Folgekontakte Informationssammlung Beratung u. Information Hilfe u. Unterstützung im Einzelfall Krisenintervention

Streetwork: Kontakthalten Pflege der Folgekontakte: meist beschränkt auf Begrüßungsfloskeln u. oberflächliche Gesprächsinhalte Ziel: Kontakt aufrecht erhalten anonyme, informelle Beratung Krisenintervention in Form von Kurzzeitberatung zu lebensbedrohlichen Ereignissen Abbau von Interaktionshemmnissen (Phase der Vertrauensbildung) zielgruppenspezifisch informieren zu Krankheits- u. Infektionsvermeidung medizinische u. allgemein gesundheitsbezogene Fragen (Ernährung, Hygiene) klären Information zu Anlaufstellen des sozialen Hilfesystems Information zu Ansprüchen gegenüber Behörden Gespräch zu gesellschaftlichem Leben u. Szeneklatsch

Streetwork: Kontakthalten Informationssammlung: aktuelle Strukturen, Zusammensetzung u. Konsumgewohnheiten in der Szene o. beim einzelnen Registrieren u. Kontaktvorbereitung zu NeueinsteigerInnen KlientInnen ausfindig machen, zu denen Kontakt abgebrochen ist Methode: nicht bohrendes, Mißtrauen erregendes Nachfragen, sondern zusammen-setzen der benötigten Infos aus vielen bruchstückhaften Gesprächen Beratung u. Information: Setting auf der Straße läßt nur bedingt umfangreiche Beratung u. Information zu Infos möglichst in schriftlicher Form weitergeben - Flyer, Visitenkarten mit Telefonnummern für Folgekontakte übergeben ideal wäre ein kleiner Raum fußläufig in Szenenähe als Rückzugsmöglichkeit für intensivere Gespräche

Streetwork: Informationen sammeln Standardisierter Beobachtungsbogen: welche Drogen werden konsumiert wie werden die Drogen genommen wer nimmt Drogen (Alter, Geschlecht, ethnische Gruppe) wo wohnen die User was machen sie tagsüber wie kommen sie an ihr Geld wo konsumieren sie mit wem konsumieren sie welche Beziehungen bestehen untereinander gibt es eine soziale Hierarchie in der Szene welche Normen u. Werte gelten für riskantes Verhalten besondere Vorkommnisse z.B. Polizeieinsatz, Unfälle, Tod u.ä. Methode: Bogen möglichst einfach strukturieren, so daß für Festhalten der Infos nicht mehr als fünf Minuten nötig

Streetwork: Kontakthalten Themen der Beratung: HIV/AIDS/Hepatitiden: alltagsnahe Begleitung bei Versuchen der Verhaltensänderung, Bewältigung von Lebensängsten, beim Umgang mit Diskriminierung, bei der Auseinandersetzung mit Sterben u. Tod Drogenabhängigkeit: Aufgreifen der Ambivalenz zwischen Aufhören u. Weitermachen, Stärkung des Überlebenswillens, Entwicklung von Alternativen zum Drogenalltag, berufliche Perspektiven psychische Stabilisierung: Vorbereitung auf Gerichtsprozesse, Therapie u.ä. soziale Beziehungen: Partner- u. Familienkonflikte, Gewaltprobleme, Heimunterbringung usw. Soziales: Ämterangelegenheiten, Schuldnerberatung, Arbeits- u. Wohnungslosigkeit Methode: StreetworkerIn = "HausärztIn" unter den SozialarbeiterInnen, die bei speziellen Problemen weiter verweist

Streetwork: Kontakthalten Hilfe u. Unterstützung: beschränkt auf kurzfristige Krisenintervention klassische Einzelfallarbeit u. umfangreiche Hilfestellungen gehen zu Lasten der Anwesenheit in der Szene = in der Streetwork nicht möglich Methode: primär Arbeit mit Gruppen; intensive, langfristige Einzelfallarbeit muß Ausnahme bleiben Krisenintervention: psychisch instabile Phasen glaubhafte Suizidabsichten Gewalt in der Szene Drogennotfall

Streetwork: Kontakthalten Gespräche als Methode: Teilnahme der StreetworkerIn am Alltagsgeschehen der KlientInnen Motivation, Erzeugen von Problembewußtsein, Übernahme von Eigenverantwortung in der Lebensführung Vergangenheitsbewältigung Stärkung des Selbsthilfepotentials Anzeichen für fehlende Gesprächsbereitschaft: das Gespräch verflacht, z.B. werden keine Fragen mehr gestellt, nicht mehr von sich geredet, Fragen nur noch kurz angebunden beantwortet GesprächspartnerIn wird unruhig Aufmerksamkeit läßt nach, fängt mit anderen Personen Gespräche an, springt in dem Themen Leute beginnen sich umzuschauen

Streetwork: Kontakthalten Gespräche als Methode: Frage nicht nach dem "Warum": Ursachen nicht begriffen u. Werturteile gefällt Vermeide Bevormundung: nicht Ratschläge, sondern relevante Informationen anbieten u. Alternativen diskutieren Übernimm nicht die Verantwortung: zur selbständigen Lösung motivieren u. unterstützen Höre gut zu: nicht interpretieren u. selbst reden, sondern Infos zusammenfassen u. über Richtigkeit des Verstehens rückversichern Halte dich vor allem ans Jetzt u. Hier: Gespräche über Vergangenheit erbringen keine relevante Infos zu gegenwärtigem Risikoverhalten Achte auf Gefühle der KlientIn: diese erklären, warum sich Leute so verhalten Zeige Verständnis, Besorgnis u. Interesse: nach Befinden erkundigen Behandle Menschen mit Respekt: Bedanken für Infos, entschuldigen für Störung Spiele nicht die TherapeutIn: nicht Phrasen als Gegenantwort auf Bitte um Rat o. Unterstützung, Abwehr wegen negativer Therapieerfahrung

Streetwork: Kontakthalten Persönliche Konflikte bei Streetwork: Laß Dich nicht auf Deals o. Hehlerei ein. Drogenkonsum während der Arbeitszeit ist tabu. Solltest Du selbst illegalisierte Drogen konsumieren, regel dies nicht in der Dir als Profi anvertrauten Szene. Trage immer einen Ausweis o. eine Visitenkarte bei Dir, um Dich der Polizei o. anderen mißtrauischen Mitmenschen gegenüber zu legitimieren. Sei Dir bewußt, daß intime Freundschaften mit Mitgliedern der Zielgruppe Probleme entstehen lassen, wenn sich die Rollen vermischen u./o. kollidieren. Frag Dich bei jeder Konfrontation mit Problemen der Szene immer, wann ein Verweisen auf andere Hilfeangebote notwendig ist u. welche Möglichkeiten es dafür gibt. Kläre für Dich bei der Bearbeitung persönlicher Probleme von KlientInnen, wieweit diese wirklich unterstützt werden können, ohne daß die Arbeit für die Szene leidet. Konfliktpunkte bei Streetwork:

Kontaktarbeit: Arbeit mit soziokulturellen Milieus Gesellschaftliche Reaktion auf Subkulturzugehörigkeit: Mißtrauen gegenüber der Entwicklung eigener Lebensformen u. adaptiver Ansätze für das Lösen von Problemen Isolation = Schwierigkeiten o. Ausschluß aus gesellschaftlicher Kommunikation, z.T. bis zur Aussperrung (Platzverweise) Verlust der Gesellschaftsfähigkeit Ausweitung repressiver Kontrollen = Ausweitung polizeilicher Willkür, Aggressionen der AnwohnerInnen, Gewalttätigkeit der DealerInnen, Freier, in der Szene untereinander Marginalität wird zugewiesen = von außen bewirkte Chancenbeeintächtigung Darf nicht auf Verarmung verkürzt werden !

Drogenszenen Nachbarschaft KonsumentInnen Offene Drogenszenen = öffentliche Präsenz von Drogenkonsum Nachbarschaft KonsumentInnen Belästigung/Bedrohung Unruhe, Lärm Kleinkriminalität Verschmutzung letztes soziales Netz mit gewissem Unterstützungspotential (Notschlafstelle, Versorgung, gewisse Solidaritätsleistungen) soziales Milieu, in dem Wissen über Techniken u. Applikationsrisiken, Qualität v. Drogen u.ä. weitergegeben werden Beschaffungsort Streetwork in diesem Konflikt = Versuche eines Interessenausgleichs Hinwirken auf Reduktion von Problemen (Spritzenentsorgung, Verschmutzung) Veranstaltung von Workshops u. Schwerpunktveranstaltungen mit Öffentlichkeit Gespräche mit PolitikerInnen u. Entscheidungsträgern für Lebensbedingungen

Kontaktarbeit: Erforderliche Kompetenzen von StreetworkerInnen Persönliche Fähigkeiten u. Haltungen: nicht fordernde Haltung, sondern Sympathie u. Anerkennung = "Liebe zum Milieu" Bereitschaft zu unkonventionellen Arbeitsformen u. Verzicht auf "übliche" Arbeitszeiten, Bereitschaft, sich auf Szenegewohnheiten einzustellen persönliche Auseinandersetzung mit Szenethemen (Drogenkonsum, Sexualität) Konfliktfreudigkeit Spontaneität, Flexibilität u. Mobilität, Bereitschaft, gewohnte Verhaltens- u. Wertmaßstäbe in Frage zu stellen Zuverlässigkeit: selbst in chaotischen Szenen müssen Versprechen u. Abmachungen gehalten werden Fähigkeit zur Selbstreflexion: Motivation u. Arbeitspraxis hinterfragen können Kontaktfähigkeit: Rolle als "Sozialprofi" aufgeben u. am Szenealltag teilnehmen Sensibilität: auch Nicht-verbalisiertes erkennen können hohe Frustrationstoleranz: Elend, Gewalt, persönliche Beanspruchung, Konflikte Fähigkeit zur Abgrenzung: Balance von Nähe u. Distanz, keine Überidentifikation

Kontaktarbeit: Erforderliche Kompetenzen von StreetworkerInnen Querschnittsqualifikationen notwendig: Kenntnisse der Lebenswelt der Szene, Strukturen u. Schwierigkeiten der Zielgruppe sowie Mechanismen gesellschaftlicher Diskriminierung u. Stigmatisierung Methoden der Sozialarbeit (Gruppendynamik, Krisenintervention, Einzelfallhilfe, Gemeinwesenarbeit) Kenntnisse zu Erkrankungen durch Verelendung, Drogenkonsum u. Folgekrankheiten sowie Fähigkeit, den angemessenen Zeitpunkt der Intervention u. deren Dringlichkeit bestimmen sowie Maßnahmen zur ersten Hilfe einleiten zu können Kenntnisse zum Übertragungsgeschehen von HIV, Hepatitiden u. a. übertragbaren Erkrankungen sowie zu entsprechenden Möglichkeiten des Risikomanagements (Safer use, Safer sex, Safer work) juristische Kenntnisse: BGB, BSHG, BTMG, StGB, StPO, KJHG, Überblick über die Infrastruktur vor Ort, incl. der medizinischen u sozialen Institutionen

Kontaktarbeit: Erforderliche Kompetenzen von StreetworkerInnen Die "Fettnäpfe" von Streetwork: den Strukturen chaotischer Szenen erliegen, weil keine Strukturierung der eigenen Arbeit vorgenommen wird (Arbeitsplan kurzfristig pro Woche u. langfristig über mehrere Monate) Vorwurf, nicht "wirklich zu arbeiten, sondern nur rumzuhängen" = Dokumentation/ Auswertung der Arbeitsleistung u. deren Ergebnisse (aus wurde gemacht, mit welchem Resultat) Überidentifikation u. Glorifizierung der Szene mit der Folge, daß professionelles Wissen u. die Rollenstruktur als Professioneller ausgeblendet wird sich das Verhältnis von Distanz u. Nähe allein durch KlientInnen diktieren zu lassen, statt es auch mit eigenen Ansprüchen auszuhandeln Distanz zu Drogen wird überschritten mit Risiko von Einbußen im persönlichen Wohlergehen durch tiefe Einbindung in Szene u. direkte u. konfrontative Kontakte keine Abschirmung gegenüber Enttäuschung u. Gewalt, gegenüber der eigenen Angst, Ohnmacht u. Hilflosigkeit - Teambesprechung, Supervision, ausgewogene private Beziehungen u. ein von eigenen Interessen geleitetes Freizeitverhalten als Schutz gekünstelte Konversation durch Anlehnung an Gesprächsführungstechniken

Streetwork: Ausstattung Personelle Ausstattung: Diskussion ob zu zwei o. allein als StreetworkerIn arbeiten zu zwei: Schutz u. Reflexionsmöglichkeiten gemischtes Team (Geschlecht, Ethnographisch etc.) erleichtert Kontakt allein: stärkere Konzentration u. Kommunikation mit Betroffenen Zeitliche Ausstattung: Angebot möglichst jeden Tag jede StreetworkerIn mindestens zweimal in der Woche in der Szene (ca. drei Stunden) regelmäßige Supervision u. wöchentliche Teamsitzung pro Woche 3-4 Stunden für Einzelfallarbeit u. Dokumentation

Streetwork: Ausstattung Inhalt eines Streetworker-Rucksacks: Spritzen u. Nadeln: auf Nachfrage vergeben Behälter für eingetauschte gebrauchte Spritzen abgepackte Ascorbinsäure Kondome Adress- u. Telefonbuch Flyer zu den verschiedensten Themen Telefonkarte Stadtplan Papier u. Kugelschreiber Pflaster u. Verbandmaterial; nur für Ausnahmefall u. mit Verweis auf Kontaktladen Einweghandschuhe Beatmungsbeutel o. Maske Mundkeil Handgeld zur klientenbezogenen Verwendung Dienstausweis

Kontaktarbeit: Streetwork Dokumentation: Erstellen einer Statistik: Arbeitszeit Fallstatistik, Erstkontakte, Krisenintervention, Betreuungsfälle Sachmittelstatistik persönliche Dokumentation: welche Szenetreffpunkte sollten zu welchen Zeiten besucht werden u. welche Szenebedingungen werden dann vorgefunden auf welche Weise können welche KlientInnen am besten erreicht werden wie ist der Gesundheitszustand welche Präventionsbotschaften sind sinnvoll regelmäßige Bedarfsanalysen welche ergänzenden Angebote sollten geschaffen werden regelmäßige Konzeptanalysen wer wird nicht erreicht, warum u. wie könnte diese Gruppe erreicht werden

Streetwork u. Kontaktladenarbeit Vorbehalte gegen Einbindung: bei Engpässen wird eher auf Streetwork verzichtet = Kontinuität der Arbeit tendenziell gefährdet Produktivität einer Einbindung Möglichkeiten zu kollegialer Beratung u. Austausch höhere Bekanntheitsgrad der MitarbeiterInnen u. bessere Milieukenntnisse Möglichkeiten eines geschützten Raumes für Einzelfallarbeit durch Job-rotation besserer Schutz vor bourn-out es muß klar u. transparent sein: wann u. wo sich StreetworkerInnen aufhalten u. ansprechbar sind wann jemand im Kontaktladen erreichbar ist wann Zeit für Einzelfallarbeit ist

Pro u. Kontra zu Streetwork Vorbehalte gegen Streetwork steht dem ordnungspolitischen Ziel "saubere Innenstädte" kontraproduktiv gegenüber wirkt durch zugehende Überlebenshilfe "suchtverlängernd" mindert "Leidensdruck" u. fördert Konsummentalität Produktivität von Streetwork Informationen aus erster Hand über Entwicklung u. Zusammensetzung der Szene, Veränderung der Konsumgewohnheiten, Problemlagen etc. gibt Impulse für institutionelle Innovation durch institutionelle Anpassung in Konzept u. Atmosphäre an (sich verändernde) Szenebedürfnisse initiert weitere notwendige Hilfeeinrichtungen Aufsuchen der Lebenswelt der Klienten verbessert das Verständnis für ihre Situation

Kontaktarbeit: Streetwork Voraussetzungen für effektive Streetwork: Voraussetzung ist regelmäßige Präsenz in den Szenen u. an den Treffpunkten sowie Mobilität im Hinblick auf wechselnde Szenetreffpunkte Arbeitszeiten müssen sich nach den Szenegewohnheiten richten Basis = Vertraulichkeit, Diskretion, Freiwilligkeit des Kontakts u. Respekt der vom Klientel gesteckten Grenzen (mitunter ist der Aufenthalt unerwünscht)