Theoretische Grundlagen zur Traumatologie

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 Präsentation transkript:

Theoretische Grundlagen zur Traumatologie Cathrin Bautz & Mareike Rimpl

Theoretische Grundlagen zur Traumatologie Klärung von Begrifflichkeiten Geschichte Beeinflussung kognitiver Schemata durch traumatische Ereignisse Klinisches Beispiel Anregungen und Fragen zur Diskussion

Klärung von Begrifflichkeiten Psychotraumatologie Trauma Sekundäre Traumatisierung Traumagedächtnis

Psychotraumatologie Traumatologie (gr. ~ Wundenkunde) Psychotraumatologie = menschliche Erlebnissphäre, psychosoziale und physische Wirklichkeit 1991 Gründung des „Institut für Psychotraumatologie“ Analogien zur Selbstheilungstendenz Trauervorgang als Eliminierungsprozeß?

Ereignis oder Erlebnis? Trauma Ereignis oder Erlebnis?

Ereignis oder Erlebnis? Ein Ereignis findet statt, wenn etwas passiert oder sich etwas verändert. Erlebnis ist ein Ereignis im individuellen Leben eines Menschen, das sich vom Alltag des Erlebenden so sehr unterscheidet, dass es ihm lange im Gedächtnis bleibt. Erlebnisse können befriedigender (z. B. Teilnahme an einer Feier, Sex), aufregender (z. B. ein Abenteuer oder eine Reise) oder traumatisierender (z. B. Opfer eines Verbrechens) Natur sein. Ein Erlebnis unterscheidet sich vom Ereignis dadurch, dass es vorrangig vom Erlebenden selbst als besonders empfunden wird. Entscheidend ist also die subjektive Einordnung und Bewertung eines Ereignisses.

Trauma Definition von Trauma nach Fischer und Riedesser: „Ein vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt.“ Posttraumatic stress disorder (PTSD) Trauma vs. Stress

Sekundäre Traumatisierung Traumatisierung ohne unmittelbare Konfrontation mit dem Ereignis Durch Kontakt mit Betroffenen Betrifft insb. Einsatzkräfte, Helfer und nahestehende Personen

Traumagedächtnis Speicherung des Ereignisses ins - implizite Gedächtnis gut: Sinnesmodalitäten, nur schlecht kontrollier- und veränderbar →Wiedererleben sensorischer Eindrücke, wie körperlicher Reaktionen und Gefühle, als fänden sie gerade statt, durch alle möglichen Reize ausgelöst - explizite Gedächtnis schlecht/mangelhaft: mit Bewusstsein, mit Aufmerksamkeit, mit willentlicher Kontrolle und Gefühl der Eigenbeteiligung → Abruf expliziter traumabezogener Inhalte erschwert, schlechtes Erinnerungsvermögen an Zeit, Raum, etc.

Naturgeschichte Rituale, Sitten und Bräuche Totenklage, Gedenkrituale Märchen und Mythen Kunst und Literatur Kafka, Ilias von Homer Holocaust, Vietnamkrieg, Naturkatastrophen, soziale Bewegungen wie Arbeiter- und Frauenbewegung, etc.

Wissenschaftsgeschichte Pierre Janet (1859-1947) Dissoziationen als Folge von Überforderung des Bewusstseins und unangemessener Verarbeitung von traumatischen Ereignissen Sigmund Freud (1856-1939) Konzept der Abwehr – Verdrängung Begriff der Nachträglichkeit Zeitliche Verlaufstruktur von drei Phasen

Wissenschaftsgeschichte Abraham Kardiner (1941) „the traumatic neuroses of war“ Syndrom von Folgeerscheinungen als Vorläufer des heutigen PTBS Selye (1936) Stress- und Copingforschung Modell zur Stressreaktion: 3 Phasen der Reaktion: Alarm, Widerstand und Erschöpfungsstadium

Beeinflussung kognitiver Schemata durch traumatische Ereignisse Schemabegriff Situationskreismodell von Uexküll und Wesiack Verlaufsmodell von Fischer und Riedesser

Der Schemabegriff Definition und Funktion Schemata sind aktive Strukturen, die auch als Prozesse gesehen werden können Kognitive Schemata spielen eine bedeutende Rolle als Kontroll - und Ordnungsmuster, sowie in der Vorhersage sozialer Ereignisse Unterscheidung nach Fischer und Riedesser Beziehungsschemata Gegenstandsschemata

Modell des Situationskreises

Verlaufsmodell der psychischen Traumatisierung Grundlegende Annahmen: 1. Traumatische Erfahrung als dynamischer Verlauf 2. Paradoxie des Traumas 3. Erfahrung innerhalb des sozialen Umfeldes

Verlaufsmodell der psychischen Traumatisierung Unterteilung in drei Phasen: 1. Traumatische Situation - Riss innerhalb bisheriger Erfahrungsbestände 2. Traumatische Reaktion - Fassen des Unfasslichen 3. Traumatischer Prozess - Schematische „Neubildungen“ und Strukturveränderungen

Klinisches Beispiel Herr R. berichtet den Unfallhergang: - plötzliches und unvorhersagbares Auftauchen des entgegenkommenden Wagens - Zeit stehen geblieben - Lebensfilm: Bombenangriff, Hochzeit, Schlägerei Folgeerscheinungen: - Unfallerleben in regelmäßigen Albträumen - sieht sich blutüberströmt, schwebt über Situation - depressive Selbstzweifel - entgegenkommende Lastwagen angstauslösend

Anregungen und Fragen zur Diskussion Seelische und körperliche Verletzungen: Gibt es psychische Entsprechungen zur Selbstheilungstendenz des Organismus? Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung: notwendige Entdeckung oder überflüssige Erfindung?