Pathologisches PC-/Internet-Spielen: Störungsmodell und Behandlungsstrategien Dr. Jörg Petry AHG-Projektleiter pathologisches Glücksspielen und PC-/Internet-Spielen.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Dr. Peter Dobmeier Lech-Mangfall-Kliniken gGmbH
Advertisements

Ablauf und Scheinmodalitäten Einführung in die Thematik Seminarplan
Sebastian, 16 J. - Vorgeschichte
Die selbstunsichere Persönlichkeit
Geldmanagement Therapeutische Techniken zum
Erfahrungen mit der stationären Behandlung pathologischer Glücksspieler nach Indikation Psychosomatik oder Sucht Dirk Strauch.
1 JIM-Studie 2010 Jugend, Information, (Multi-)Media Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Landeszentrale für Medien und Kommunikation.
Peter Rossmann Institut für Erziehungswissenschaft
ADHS und Mediensucht Beelitz,
Referentinnen: Julia Michalewski, Birte Stapperfend, Elisa Remde
109. Deutscher Ärztetag, Magdeburg
Förderung emotionale und sozialer Kompetenzen
Medizinische Psychologie
Alkoholabhängigkeit und Alkoholmissbrauch nach ICD-10 und DSM-IV
Ziele der Follow Up Studie 1.Einschätzen der Stabilität des Therapieerfolges über den langen Zeitraum und Vergleich mit der Kontrollgruppe 2.Beschreibung.
Pädagogische Beobachtung und diagnostische Gesprächsführung
Entstehung von Süchten und Drogenmissbrauch durch Modell-Lernen
Definition: Anlage - Umwelt
Professor Dr. Dr. Wolfgang Schneider
Parasoziale Interaktionen und Beziehungen
Condrobs-Leitungsveranstaltung
Persönlichkeits-entwicklung
Lebensqualität erhalten Wissenswertes zum Thema Alkohol
2. Methoden 3.1 Behavioral 1. Hintergrund 3. Ergebnisse Die Ergebnisse der behavioralen und psychophysiologischen Daten weisen in unterschiedliche Richtungen.
Aus dem Blickwinkel niederschwelliger Suchthilfe
Wenn ich in eine Psychiatrie komme. 1. Keine Antworten auf Fragen 2
Ucht / bhängigkeit lkohol, asch & o..
Dissoziation: Definition
Psychoedukation Dr. Katja Salkow Bipolar-Tagesklinik am Vivantes Humboldt-Klinikum, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (Leiter:
Ergebnisse der totalen Aponeurektomie bei 61 Patienten mit Morbus Dupuytren: eine retrospektive klinische Studie. Astrid Högemann 1; Ulrich Wolfhard 2;
Medizinische Universität Wien, Abteilung für Rheumatologie
G. Gatterer Geriatriezentrum am Wienerwald
Psychosomatik & Arbeitswelt
Persönlichkeitsstörungen
Das menschliche Gehirn - eine Einführung in die Neuropsychologie
Computerspielsucht.
Pädagogischer Tag Dr. med. Ute Tolks-Brandau
Kinderferien / Kinderferien für Kinder im Vorschulalter
Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen als Chance für die ganze Familie Bundesverband e.V, Mai 2007 Anna Hoffmann-Krupatz An der stationären Vorsorge-
Ethische Aspekte der Diagnostik und Therapie depressiver Störungen
Indikativgruppe Cannabis
Wie häufig ist ADHS?.
Prüfungskonsultation
Die Professionalität maximieren Modul 6. Inhalt Die Aufgaben Die Rollen Die Kollaboration zwischen Mitarbeitern Die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern.
Vienna Conference on Consciousness Teil I "Was ist die neuronale Grundlage des Bewußtseins? Wo ist es im Gehirn?" Beitrag von Michael L. Berger (Center.
Was ist Gesundheit? Soziologie in den Gesundheitswissenschaften Vorbesprechung, VO SS 2009, Di – 20.00, Hs 50 Institut für Soziologie,
Innovationsforum Magdeburg
Situation älterer Menschen in unserer Gesellschaft
Kommunikation mit psychisch kranken Menschen
Glücksspielsucht Jean-Christoph Schwager Sozialtherapeut
ÖFS-Tagung 2014: Familienunternehmen – Unternehmen Familie.
Problematische Mediennutzung und Internetsucht
Borderline –Persönlichkeitsstörung
Systemische Verhaltenstherapie in der Tagklinik Westend / München
Systemische Verhaltenstherapie in der Tagklinik Westend / München
„Hängen Gesundheit und Leistungs-fähigkeit unweigerlich zusammen?“
1 Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest KIM-Studie 2014 Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Landeszentrale für Medien und Kommunikation.
Die Rolle der Eltern im Berufswahlprozess ihrer Kinder
„Frauen fragen Frauen“ Präsentation zum Forschungsprojekt
Theoretischen und Empirischen Vertiefung im Fach Sozialpsychologie!
Papilio Primärprävention von Verhaltensproblemen und Förderung sozial-emotionaler Kompetenz im Kindergarten.
18. Mai 2015 Dr. med. Cyrill Jeger-Liu, Olten
Die Angebote der Fachstelle XX
Pathologischer PC/Internetgebrauch: Störungsbild und Interventionsformen. Dr. Jörg Petry AHG-Projektleiter pathologisches Glücksspielen und PC/Internetspielen.
Schule „Komplex „Harmonie“ DSD-1 Der Einfluss von Computerspielen auf Jugendliche Vorgelegt von: Klasse: 10“A“ Betreuer: Frau Grebneva, Deutschlehrerin.
„Leben eines Jugendlichen im Internet“ Sarah Hatton Dipl. Sozialpädagogin (FH)
ALBERT-LUDWIGS- UNIVERSITÄT FREIBURG Einführung „Klinische Psychologie“ Tobias Stächele - Vertiefendes Seminar zur Vorlesung Klinische Psychologie - Institut.
Psychologische und psychotherapeutische Behandlung bei Krebs Birgit Hladschik-Kermer Univ. Ass.,Mag.phil., Dr.rer.nat. Klinische und Gesundheitspsychologin/
01 Grundlagen der Psychiatrie
Symptomwandel der ADHS im Jugendalter Konsequenzen für Forschung und klinische Praxis nun Lars Tischler, Sören Schmidt, Franz Petermann und Ute Koglin.
 Präsentation transkript:

Pathologisches PC-/Internet-Spielen: Störungsmodell und Behandlungsstrategien Dr. Jörg Petry AHG-Projektleiter pathologisches Glücksspielen und PC-/Internet-Spielen BARSOTTI » Ich kann’s nicht genau erklären – ich habe nur so ein Gefühl, dass ich gerade gegoogelt werde.« AHG Adaptionshaus TPR Duisburg, 19. November 2009

Übersicht Einleitung 2. Ressourcenorientiertes dynamisches Modell 3. Klinisch-Heuristisches Störungsmodell 4. Rahmenbedingungen 5. Behandlung

Übersicht Einleitung 2. Ressourcenorientiertes dynamisches Modell 3. Klinisch-Heuristisches Störungsmodell 4. Rahmenbedingungen 5. Behandlung

Medienwelten Es lassen sich drei größere Umbrüche in der Geschichte der Medien feststellen, die unsere Realitätswahrnehmung (Medienwelten) mitbestimmen: Der Gebrauch der Sprache (Oralität), die Entstehung der Schrift (Literalität) und die Entwicklung elektrischer/elektronischer Medien mit dem PC/Internet als Höhepunkt (Virtualität). Die universelle Durchdringung des Alltages durch die Literalität als Folge des mechanischen Druckverfahrens (Gutenberg-Galaxie) wird aktuell durch die digitale Technik des Computers (Turing-Maschine) in Verbindung mit dem Internet zurück gedrängt. Damit entbrennt erneut der Streit zwischen befürwortenden Utopisten und kritischen Kulturpessimisten.

PowerPoint als Werkzeug Die kritische Betrachtung des Computers wird aktuell gern am Beispiel des Programms PowerPoint geführt. Es wird die Gefahr thematisiert, dass die inhärenten Effekte der Software den inhaltlichen Gehalt dominieren. In der Nacht vor dem großen Meeting bekam Frank Besuch von der PowerPoint-Elfe Quelle: Freitag, 23, 2004:16

PowerPoint als Werkzeug Natürlich kann die Form den Inhalt dominieren Muss sie aber nicht!

Von der Gutenberg-Galaxie zu den Neuen Medien Medienwelten Von der Gutenberg-Galaxie zu den Neuen Medien

Ästhetik des Computerzeitalters Es muss noch offen bleiben, welche Weltsicht eine Generation entwickeln wird, die einen frühen und häufigen Umgang mit den neuen Medien und deren Leitbilder hat…

Das Medium PC/Internet Multimedialität Vernetztheit Instantität Interaktiviät Omnipräsenz

Übersicht Einleitung 2. Ressourcenorientiertes dynamisches Modell 3. Klinisch-Heuristisches Störungsmodell 4. Rahmenbedingungen 5. Behandlung

Ressourcenorientiertes dynamisches Modell (Annahmen) Kontinuum vom funktionalen über exzessiv-dysfunktionalen bis pathologisch-süchtigen PC/Internet-Gebrauch Wechselwirkung zwischen medienbezogenen Merkmalen und personalen und sozialen Ressourcen der Nutzerpersönlichkeit Teufelskreisartige Einschränkung der Selbstregulation mit verminderter Medienkompetenz Six, U., Gleich, U. & Schröder, A. (2005). Determinanten funktionalen bis dysfunktionalen-süchtigen Internetgebrauchs. In K.-H. Renner, A. Schütz & F. Machilek (Hrsg.): Internet und Persönlichkeit (S. 223 – 237). Göttingen: Hogrefe.

Ressourcenorientiertes dynamisches Modell (Bewertung) Vorteil: Integration medien-, allgemein- und gesundheitspsychologischer Aspekte Nachteil: Keine entwicklungspsychopathologische Erklärung des pathologischen PC-/Internet-Gebrauchs

Übersicht Einleitung 2. Ressourcenorientiertes dynamisches Modell 3. Klinisch-Heuristisches Störungsmodell 4. Rahmenbedingungen 5. Behandlung

Klinisch-heuristisches Störungsmodell (Ausgangspunkte) Biopsychosoziales Bedingungs- und Veränderungsmodell Allgemeinpsychologisches Handlungsmodell Medienpsychologische und entwicklungspsychopathologische Erklärungsansätze Klinische Kasuistik und klinische Pilotstudien

Deskriptive Psychopathologie Pathologisches PC-/Internet-Spielen (ICD-10: F68.8) Entwicklungspsychopathologische Störung des Beziehungsverhaltens Exzessive Online-Aktivität, speziell vom Gaming-, Chatting- und Surfing-Typ Überwertiges Immersionserleben mit Wunsch nach sozialer Anerkennung durch virtuelle Partner Erhöhte neuropsychologische „Inkonsistenz“ mit ausgeprägter Selbstwertstörung Sozialer Rückzug und Abbruch naher Beziehungen mit sozial-phobischen Vermeidungstendenzen Reduzierte Handlungskontrolle mit eingeschränkter Medienkompetenz Typische Konstellation negativer körperlicher, psychischer und sozialer Folgen Hohe Komorbiditätsrate, insbesondere depressive Störungen, Persönlichkeitsstörungen, Angststörungen und Suchtverhalten

Ätiologische Grundannahmen Unsichere Bindungsorganisation im Sinne Bowlbys (1993) Störung der sozialen Identitätsentwicklung durch umweltbedingte Deprivationen (Pfeiffer et al., 2007) Bowlby, J. (19934) A secure base: Clinical applications of attachement theorie. London: Routledge. Pfeiffer, C. et al. (2007). Die Pisa-Verlierer – Opfer ihres Medienkomsums. Hannover: Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen.

Pathogenetischer Prozess Passgenaue Verbindung frustrierter Grundbedürfnisse und medialer Angebote Regressiver Rückzug in die kindliche Phantasiewelt des Spielens zur Kompensation im Sinne Adlers (1974) Das Arbeitsmittel PC/Internet wird zum Lieblingsspielzeug mit hoher subjektiver Valenz (Oerter, 1993) Adler, A. (1974). Praxis und Theorie der Individualpsychologie. Frankfurt/M.: Fischer. Oerter, R. (1993). Psychologie des Spiels. München: Quintessenz

Chronifizierung Zunehmende Einschränkung von Handlungsoptionen auf die Online-Aktiviät unter Vernachlässigung alternativer Ressourcen Gewohnheitsbildung zu einem weniger bewussten, impulsiveren und reizgesteuertem Handlungsmodus Teufelskreisartige Verstärkung durch negative Konsequenzen, insbesondere den sozialen Rückzug Six, U., Gleich, U. & Schröder, A. (2005). Determinanten funktionalen bis dysfunktionalen-süchtigen Internetgebrauchs. In K.-H. Renner, A. Schütz & F. Machilek (Hrsg.): Internet und Persönlichkeit (S. 223 – 237). Göttingen: Hogrefe.

Nosologie Nosologisch handelt es sich um eine entwicklungspsychopathologische Störung des zwischenmenschlichen Beziehungsverhaltens. Dies entspricht einer „anderen näher bezeichneten Persönlichkeits- und Verhaltensstörung“ (ICD 10: F68.8). Es handelt sich nicht um eine spezifische Persönlichkeitsstörungen im klassischen Sinne sondern ein früh entstandenes und dauerhaftes Persönlichkeits- und Verhaltensmuster. Differentialdiagnostisch ist das Störungsbild vom pathologischen Internet-Glückspielen (F63.0) und der pathologischen Hypersexualität (F52.7) abzugrenzen, bei denen das Medium PC/Internet nur Mittel zum Zweck ist. Dilling, H. et al. (Hrsg.). (1991). Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD 10, Kapitel V (F). Bern: Hans Huber.

Das häufigste Erscheinungsbild ist das männliche Gamen. Typologie Das häufigste Erscheinungsbild ist das männliche Gamen. Quelle des Fotos: „Sogar der Müll wird besser.“ Interview mit Steven Johnson mit Bildern von Phil Toledano, NEON, April 2006, S. 154-158.

Typologie Das zweithäufigste Erscheinungsbild ist das weibliche Chatten. „Im Internet weiß niemand, dass Du ein Hund bist!“

Pathoplastische Veränderungen Augrund der noch nicht abgeschlossenen Entwicklung und Verbreitung der Neuen Medien ist mit einem historischen Wandel des Störungsbildes im Sinne pathoplastischer Veränderungen des Erscheinungbildes zu rechnen. Die JIM-Studie 08 bestätigt zwar die anhaltende Dominanz von Games bei Jungen und dem Chatten bei Mädchen. Aufgrund des früheren Einstiegs in die Nutzung der Neuen Medien werden die Identitätsentwicklung und die soziale Beziehungsbildung jedoch viel stärker von der virtuellen Erlebnisweise bestimmt. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.). (2008). JIM-Studie 08: Jugend, Information, (Multi-)Media. Stuttgart: LA für Kommunikation Baden-Württemberg.

Erste empirische Befunde*) Vorwiegend Männer (85,7 %) mit hoher Arbeitslosigkeit (45,2 %) u. Partnerlosigkeit (73,8 %) Häufige depressive Störung (61,9 %), Persönlichkeitsstörung (33,3 %) und Angststörung (14,3 %) sowie Tabak- (40,5%), Alkohol- (21,4%) und Drogenabhängigkeit (19,0%) Die Patienten weisen durchgehend eine oder mehrere psychische Störungen auf. Bei einem Teil bestehen zusätzliche stoffgebundene Süchte. * Konsekutiv stationär behandelte Patienten (N = 42) Petry, J. (im Druck). Dysfunktionaler und pathologischer PC-/Internet-Gebrauch. Göttingen: Hogrefe.

Erste empirische Befunde*) Extrem eingeschränkte Seelische Gesundheit (T = 27) bei normaler Verhaltenskontrolle (T = 49) im TPF Deutlich eingeschränkter Selbstwert (T-Werte zwischen 32 und 36) in der MSWS Verstärkte Furcht vor sozialer Zurückweisung ( T = 62,6) im MMG Es besteht ein schwere Selbstwertstörung verbunden mit sozialen Rückzugstendenzen. *Konsekutiv stationär behandelte Patienten (N = 29) Trierer Persönlichkeitsfragebogen (TPF) Multidimensionale Selbstwertskala (MSWS) Multi-Motiv-Gitter (MMG)

Übersicht Einleitung 2. Ressourcenorientiertes dynamisches Modell 3. Klinisch-Heuristisches Störungsmodell 4. Rahmenbedingungen 5. Behandlung

Problemverhalten im Jugendalter Das Jugendalter hat Entwicklungsaufgaben, die mit Chancen und Risiken verbunden sind. Bei ungünstigen sozialen und personalen Bedingungen entstehen Überforderungen, auf die typischerweise mit „Problemverhalten“ reagiert wird. Allgemein ist vielfältiges Risikoverhalten (Drogenkonsum, Verkehrsunfälle, Delinquenz etc.) für diesen Lebensabschnitt charakteristisch. Bei der großen Mehrheit der Heranwachsenden nehmen diese Verhaltensmuster im jungen Erwachsenenalter wieder ab. Hurrelmann, K. (1994). Lebensphase Jugend. Weinheim: Juventa. Pinquart, M. & Silbereisen, K. (2004). Prävention und Gesundheitsverhalten im Jugendalter In K. Hurrelmann, K. et al. (2007). Lehrbuch Prävention und Gesundheitsförderung (S. 63-71). Bern: Huber.

Prävalenz exzessiven PC-/Internet-Gebrauchs Geschlecht Alter Weiblich Männlich 12 - 14 5,0% 4,5% 15 -17 2,8% 5,8% 18 -20 1,9% 3,8% 21 - 24 0,0% 1,5% Meixner, S. (2008, November). Personale und soziale Risikofaktoren exzessiever Internetnutzung in der Adoleszenz und im frühen Erwachsenenalter. Vortrag auf der Fachkonferenz der DHS in Bielefeld.

Aktuelle Versorgungssituation Selbsthilfeangebote für Betroffene und Angehörige (www.onlinesucht.de; www.rollenspielsucht.de) Erziehungs- und Familienberatungsstellen Psychologische Dienste an Schulen/Universitäten (Jugend-)Psychotherapeuten bzw. Psychiater Suchtberatungsstellen Universitäre Institutsambulanzen Rehabilitationskliniken

Sozialmedizinische Überlegungen Es handelt sich um ein eigenständiges psychisches Störungsbild, bei dem die Erwerbfähigkeit erheblich vermindert ist Es besteht primär die Indikation für eine psychosomatische Rehabilitation, bei komorbider Abhängigkeitserkrankung im Rahmen einer Entwöhnung Die Behandlung erfordert ein umfassendes störungsspezifisches Angebot Die „Empfehlungen zur medizinischen Rehabilitation bei pathologischem Glücksspielen“ können Vorbild für die Festlegung ähnlicher Rahmenbedingungen sein.

Übersicht Einleitung 2. Ressourcenorientiertes dynamisches Modell 3. Klinisch-Heuristisches Störungsmodell 4. Rahmenbedingungen 5. Behandlung

Arbeitsgruppe der AHG AHG Klinik Schweriner See AHG Klinik Münchwies AHG Klinik Hardberg, ab 16. Jahren

Veränderungsprozesse in der therapeutischen Beziehung Problemerkennung und -differenzierung Implizites Störungsverständnis mit Eigen- und Fremdanteilen Veränderung dysfunktionaler Kognitionen und emotionaler Schemata Virtueller vs. realer Erlebnismodus Kompetenzerweiterung Selbstregulation u. Kommunikative Kompetenz Selbstakzeptanz Selbstwahrnehmung als handelnde Person Bastine, R. (1992). Klinische Psychologie, Bd. 2. Stuttgart: Kohlhammer.

Symptomatische Behandlung Entwicklung und Aufrechterhaltung von Medienkompetenz Motivational-volitive (Sucht-)therapie: Es besteht eine „Ambivalenz“ bzgl. der Aufrechterhaltung oder Aufgabe des Problemverhaltens (Miller & Rollnick, 20042), wobei inadäquate Lösungsstrategien bei der Verfolgung „aktueller Anliegen“ (Cox & Klinger, 2004) eine Veränderung verhindern. (Sucht-)therapeutische Rückfallpräventionsmodelle: Dysfunktionale Kognitionen und Verhaltensmuster in Hoch- Risikosituationen (Marlatt & Gordon, 1985) führen zu einer Rückfallgefährdung, wobei eine dynamische Interaktion mit distalen (Komorbidität, soziale Unterstützung u. a.) und weiteren proximalen (Affekte, Bewältigungskompetenzen u. a.) Faktoren (Marlatt & Witkiewitz, 2004) besteht. Cox, W.M. & Klinger, E. (Eds.). (2004). Motivational Counseling. Chichester (UK): Wiley Marlatt, G.A. & Gordon, J.R. (Eds.) (1985). Relapse Prevention. New York: Guilford Marlatt, G. A. (Eds.). (2005). Relapse Prevention. New York: Guilford. Miller, W.R. & Rollnick, S. (2004). Motivierende Gesprächsführung. Freiburg: Lambertus.

Ursachenbezogene Behandlung Biopsychosoziale Stabilität und Kompetenzen Psychosomatische Regulationsstörungen Störungen der Affektregulation, des Körper-Selbst und der Objektbeziehungen (Paar et al.,1999) aufgrund einer Bindungsstörung Vulnerabilitäts-Stress-Modell der gestörten Persönlichkeit Ungünstige biopsychosoziale Lernbedingungen führen zu persönlichkeitsbedingten Beeinträchtigungen des Beziehungsverhaltens (Fiedler, 1999). Risiko- und Schutzfaktoren Beide Ansätze betonen das Zusammenspiel deprivierender und protektiver Faktoren und Prozesse. Fiedler,H. (1999). Salutogenese und Pathogenese der Persönlichkeitsentwicklung. In R. Oerter et al. (Hrsg.). Klinische Entwicklungspsychologie (S. 314-334). Weinheim: Beltz. Paar et al. (1999). Genese und Prognose psychosomatischer Störungen. In R. Oerter et al. (Hrsg.). Klinische Entwicklungspsychologie (S. 299-313). Weinheim: Beltz.

Diagnostik Screening (Kurzfragebogen zum Computergebrauch / KPC) Anamnese (Interview zur speziellen Anamnese) Klinisches Bindungsinterview (von Schuhler, 2008) Dissoziationserleben (DSS nach Jacobs, 1989) Virtuelle Bindung (Realitäts-Virtualitäts-Test) Motivationale Grundbedürfnisse (MMG von Schmalt et al., 2000) Aspekte des Selbstwerts (MSWS von Schütz & Sellin, 2006) Seelische Gesundheit und Verhaltenskontrolle (TPF von Becker, 1989) Ggf. Intelligenz- und Konzentrationsdiagnostik

Behandlungsmethoden und -strategien Multiprofessionelle Behandlung Einzel- und gruppentherapeutisches Setting Symptom- und ursachenorientierte Verfahren Zielsetzungen: Medienkompetenz Biopsychosoziales Störungsverständnis Emotionsregulierung Identitätsentwicklung Kommunikative Kompetenzen Schuhler,P.; Vogelgesang, M.; Petry, J. & Feindel, H. (in Vorbereitung). Psychotherapie des pathologischen PC-/Internet-Gebrauchs. Göttingen: Hogrefe.

Entwicklung von Medienkompetenz Das Ampelmodell TABU (dysfunktional) Spezielle Aktivitäten wie Computerspiele, spezielle Chat-Rooms oder berufsfremde Websites… OKAY (funktional) Beruflich notwendige PC-Nutzung wie definierte eMail-Korrespondenz, Buchungen und Überweisungen… VORSICHT (gefährlich) Online-Aktivitäten zuhause, Internetgebrauch allein, längere zeitliche Benutzung des Computers …

Zusatzhausordnung Ich verpflichte mich, während der Behandlungsdauer auf jegliche Online-Aktivitäten zu verzichten. Dies gilt auch während der Heimfahrten. Sollte es während meiner Behandlungszeit erforderlich sein, einen PC zu benutzen, werde ich Zweck und Art vorher mit meinem Bezugstherapeuten besprechen und ein Protokoll darüber führen.

Therapeutische Verfahren Das Grundprinzip besteht in der Konfrontation mit der Widerständigkeit der realen Welt, um die ursächlichen/resultierenden körperlichen, psychischen und sozialen Defizite abzubauen. So kann das Körpergefühl durch Krafttraining oder Steinbildhauerei, die Emotionsregulierung durch körperorientierte Selbsterfahrung und die soziale Ängstlichkeit/Isolation durch Gruppenspiele (Kegeln, Boule) und Übernahme von sozialer Verantwortung (Gruppenfunktionen) gefördert werden. Durch elebnisaktivierende Methoden (z.B. Hochseilgarten) können intensive emotional Erfahrungen etabliert werden. Ergänzend werden lebenspraktische (Kochen) und berufsbezogene (Dienstleistungstraining) Fertigkeiten trainiert.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!