Bildungsstandards: Ihr Potenzial für die Qualitätssicherung und Entwicklung im Bildungssystem Olaf Köller Humboldt-Universität zu Berlin Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen iqboffice@iqb.hu-berlin.de www.iqb.hu-berlin.de
Überblick Die traditionelle Perspektive: Input-Steuerung im allgemein bildenden Schulsystem Grenzen der Input-Steuerung: TIMSS und PISA Maßnahmen zur Qualitätssicherung nach TIMSS und PISA 2000 Bildungsstandards als eine Antwort auf PISA Das IQB: Von den Standards zu Aufgaben Das IQB: Anstöße zur Qualitätsentwicklung auf der Basis von Bildungsstandards Resümee
Die traditionale Perspektive: Input-Steuerung Intendiertes und potenzielles Curriculum Implementiertes Curriculum Realisiertes Curriculum Lehrpläne Lehrbücher Schüler- leistungen Unterricht Input Prozess Produkt/ Outcome
Das Scheitern der Input- Steuerung: TIMSS Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Leistungen in Deutschland lagen unter den durchschnittlichen Leistungen der meisten Nachbarstaaten. Insbesondere bei der Anwendung mathematisch-naturwissenschaftlicher Kenntnisse auf alltagsnahe Probleme waren deutliche Defizite erkennbar. Ein erheblicher Prozentsatz der Schüler erreichte nicht das für einen erfolgreichen Übergang in die berufliche Erstausbildung notwendige Niveau mathematisch-naturwissenschaftlicher Grundbildung. Etwa 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler am Ende der Sekundarstufe II verblieben auf einem einfachen Niveau des mathematisch-naturwissenschaftlichen Denkens und verfehlen damit ein niedrig definiertes Sockelniveau.
Das Scheitern der Input-Steuerung: Befunde aus PISA-E 2000 (Lesen)
Maßnahmen zur Qualitätssicherung nach PISA Maßnahmen der externen Evaluation und Vergleichsarbeiten Schulinspektionen Vergleichsarbeiten in der Grundschule Vergleichsarbeiten in der Sekundarstufe I Beteiligung an internationalen Schulleistungsstudien (PISA, PIRLS, TIMSS) Entwicklung von Bildungsstandards und Einrichtung eines wissenschaftlichen Instituts der Länder, das die Standards weiterentwickeln, normieren und überprüfen soll
Bildungsstandards als Steuerungsinstrument sind primär Leistungsstandards beschreiben die fachbezogenen Kompe-tenzen, die Schülerinnen und Schüler bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Bildungsganges erreicht haben sollen sind Output-orientiert stellen verbindliche Kriterien für alle 16 Länder dar können mit Hilfe von Testaufgaben operationalisiert und überprüft werden können als Grundlage für einen kompetenzorientierten Unterricht dienen
Bildungstheoretische Verortung Modi der Welterfahrung und Basiskompetenzen Basale Sprach - und Selbstregulationskompetenzen (Kulturwerkzeuge) Modi der Welterfahrung (Kanonisches Orientierungswissen) Beherrschung der Verkehrssprache Mathematisie rungskompetenz Fremdsprachl. Kompetenz IT Kompe tenz Selbstregula tion des Wis senser werbs Kognitiv instrumentelle Modellierung der Welt Mathematik Naturwissenschaften Aesthetisch - expressive Begegnung und Gestaltung Sprache/Literatur Musik/Malerei/Bildende Kunst Physische Expression Normativ evaluative Auseinandersetzung mit Wirtschaft und Gesellschaft Geschichte Ökonomie Politik/Gesellschaft Recht Propleme konstitutiver Rationalität Religion Philosophie
Bildungstheoretische Verortung innerhalb des jeweiligen Faches: Beispiel Mathematik Bezug: mathematische Grunderfahrungen (nach H. Winter), die jeder Schüler erwerben soll: Erscheinungen der Welt mithilfe von Mathematik in spezifischer Weise wahrnehmen und verstehen Mathematische Gegenstände als Welt eigener Art begreifen In der Auseinandersetzung mit Mathematik heuristische Fähigkeiten erwerben Breiter Begriff von mathematischer Allgemeinbildung (über „Mathematical Literacy“ im PISA-Sinne hinausgehend) auf dezidiert fachdidaktischer Basis → „Bildungsstandards“
Anforde-rungs-bereiche Bildungstheoretische Verortung innerhalb des jeweiligen Faches: Beispiel Mathematik Anforde-rungs-bereiche Inhalte (Leitideen) curricular valide Kompetenzen Pragmatische Differenzierung: 6 Kompetenzen (KOM, PISA) 5 Leitideen (NCTM) 3 Anforderungsbereiche (PISA, COACTIV)
Bildungstheoretische Verortung innerhalb des jeweiligen Faches: Beispiel Mathematik Kompetenzen: Mathematisch argumentieren Probleme mathematisch lösen Mathematisch modellieren Mathematische Darstellungen verwenden Mit Mathematik symbolisch/technisch umgehen Mathematisch kommunizieren Leitideen: Zahl Messen Raum und Form Funktionaler Zusammenhang Daten und Zufall Anforderungsbereiche modellieren kognitiven Anspruch von Tätigkeiten auf theoretischer Ebene: direkt/Standard mehrschrittig/Verknüpfung komplex/Reflexion/Verallgemeinerung
Hauptschul-abschluss Stand der Standardentwicklung in Deutschland Grundschule Sekundarstufe I 4. Jahrgangsstufe Mittlerer Abschluss Hauptschul-abschluss Deutsch n Mathematik 1. Fremdspra-che (Englisch/ Französisch Naturwissen-schaften
Das IQB: Kernaufgaben Bildungsstandards inhaltlich weiter entwickeln, methodisch präzisieren und ihre Erreichung durch Schülerinnen und Schüler in Deutschland überprüfen Erstellen großer Aufgabensammlungen Durchführung empirischer Studien zur Normierung und Überprüfung der Bildungsstandards Bereitstellung von Aufgaben für die Länderprogramme der flächendeckenden Vergleichsarbeiten Bereitstellung von Aufgaben für Schulen zum Zwecke der internen Evaluation Bereitstellung von Unterrichtsmaterial zum kompetenzorientierten Unterricht
Das IQB Institutionelle Verankerung Wissenschaftliche, unabhängige Einrichtung der Länder in der Bundesrepublik Deutschland Vollständige Finanzierung durch die Länder Institut an der Humboldt-Universität zu Berlin Erste Arbeitsphase: Dezember 2004 – September 2009 Evaluation voraussichtlich 2007, evtl. 2008
Ausstattung des IQB 50 % Personal- und Sachmittel ca. 10 Wissenschaftlerstellen, davon 4 abgeordnete Lehrkräfte 5 nicht-wissenschaftliche Stellen plus Doktoranden und stud. Hilfskraftstellen Politische Koordination mit den Ländern durch das Sekretariat der KMK 50 % Programmmittel Aufträge für externe Institutionen und Expertengruppen Einkaufen von Testaufgaben Unterstützung bei der Entwicklung technologiebasierter Testsysteme Empirische Untersuchungen zur Standardnormierung
Anforde-rungs-bereiche Die Arbeit des IQB am Beispiel der Standards Mathematik in der Grundschule Anforde-rungs-bereiche Inhalte (Leitideen) curricular valide Kompetenzen
Organisation des Prozesses in Mathematik Steuerungsgruppe zur Entwicklung von Aufgaben MDgt. Karpen, Vorsitzender Schulausschuss der Länder OStR Dr. Kaufmann, Vertreter des KMK-Sekretariats Prof. Dr. G. Walther, Kiel Prof. Dr. O. Köller, Berlin Dr. D. Granzer, Berlin Aufgabenbewertungsgruppe Prof. Dr. G. Walther, Kiel (Vorsitz) Jun. Prof. I. Hosenfeld, Koblenz-Landau Dr. M. Kunter, Berlin Prof. Dr. E.-M. Lankes, Lüneburg Prof. Dr. J.-H. Lorenz, Heidelberg Dr. Johanna Neubrand, Kiel Prof. Dr. A. Peter-Koop, Oldenburg Prof. Dr. K. Reiss, München Dr. Olbrich, Dillingen wiss. Beratung: Dr. M. van den Heuvel-Panhuizen Arbeitsgruppe 1 (Nord) Federführung: H. Schlöder (HH). Fr. Dr. Haubold (MV) Fr. Dr. Hoffmann (NI) Fr. Stöver-Duwe (HH) Fr. Frommeyer (BR) Fr. Dedekind (SH) Fr. Räthling (HH) wiss. Beratung: Prof. Dr. K. Hasemann, Hannover Arbeitsgruppe 2 (West) Federführung: Fr. Dr. Sänger-Feindt (NW) Fr. Eckhardt (HE) Fr. Meyer-Wirth (SL) H. Schuster (RP) Hr. Bongartz (HE ) Fr. Schorr-Brill (SL) Prof. Dr. Ch. Selter, Dortmund Arbeitsgruppe 4 (Ost) Federführung: Fr. Matz (SN) Fr. Gebert (B) Fr. Schmidt (ST) Fr. Alsdorf (TH) Fr. Baumann (BB) Prof. Dr. P Bardy, Halle Arbeitsgruppe 3 (Süd) Federführung: H. Kriegelstein (BY) Fr. Rechtsteiner-Merz (BW) Fr. Gasteiger (BY) Fr. Dürr (BW) Prof. Dr. A.-S. Steinweg, Bamberg
Aufgabenentwicklung, Normierung und Ländervergleich auf der Basis der Bildungsstandards: Grundschule April bis Juni 2006 Pilotierung der Aufgaben im Rahmen von PIRLS/IGLU Frühjahr 2011 Ländervergleich auf der Basis der Standards Juli 2005 bis Januar 2006 Entwicklung von ca. 900 Deutsch- und 900 Mathematik- aufgaben Frühjahr 2007 Normierung der Aufgaben; Bereit- stellung nationaler Skalen
Arbeitsstand und Planung für die Sekundarstufe I Jahr Fach 2006 2007 2008 Deutsch Aufgaben-entwicklung Pilotierung Normie-rung Mathematik Normierung 9. Jg. (PISA-Konsortium) Nachnor-mierung 8. und 10. Jg. 1. Fremdsprache Aufgabenent-wicklung Naturwissen-schaften Aufgaben-entwicklung? Pilotie-rung?
Standardnormierung durch das IQB: Flexibler Einsatz von Aufgaben Aufgaben, die im Internet eingesehen und heruntergeladen werden können und welche die Standards illustrieren bzw. konkretisieren Aufgaben, die das IQB auch zukünftig für die Standardüberprüfung zurückhalten wird Aufgaben, die den Ländern für deren Programme zur Qualitätssicherung zur Verfügung gestellt werden und mit deren Hilfe sich die Länder auf den Standards verorten können Aufgaben, die von Schulen für interne Evaluationszwecke verwendet werden können
Standards und Bildungsmonitoring in Deutschland: Die Plöner Beschlüsse der KMK vom Juni 2006 Beteiligung an internationalen Studien auf Stichprobenbasis (internationales Benchmarking) PISA in der Sekundarstufe I PIRLS und TIMSS in der Grundschule Nationaler Vergleich (Ländervergleich) durch das IQB auf der Basis der länderübergreifenden Bildungsstandards 8. Jahrgangsstufe für den Hauptschulabschluss 9. Jahrgangsstufe für den Mittleren Abschluss Flächendeckende Vergleichsarbeiten zum Zwecke der intermediären Feststellung von Leistungsständen; Anbindung an die Bildungsstandards
Warum Ländervergleiche auf der Basis der Bildungsstandards? Bildungsstandards stellen in allen Ländern verbindliche Leistungserwartungen im Primar- und Sekundarschulsystem dar Bildungsstandards gehen hinsichtlich der berücksichtigten Fächer und Skills über die internationalen Programme hinaus Für die Überprüfung der Bildungsstandards werden große Mengen testtheoretisch hochwertiger Aufgaben entwickelt, die einen Referenzrahmen darstellen
Erhebungen und Berichterstattungen von 2006 bis 2019 Fünfjahresrhythmus in der Grundschule, Sechsjahresrhythmus in der Sekundarstufe I
Kopplung von Assessment und Unterrichtsentwicklung auf der Basis der Bildungsstandards Ziel: Unterricht im Sinne der Bildungsstandards zu realisieren Statt bloßer Aufgabensammlungen Beschreibung von Modulen zur Implementation Aufgaben sollen sich von Testaufgaben unterscheiden um teaching to the test zu vermeiden
Qualitätssteigerung in der Sekundarstufe I durch die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien auf der Basis von Bildungsstandards
Qualitätssteigerung durch die Entwicklung von Unterrichts- Materialien: Der Fall Mathematik Das Handbuch zum kompetenzbasierten Unterricht illustriert nicht nur die Bildungsstandards, sondern vermittelt auch den „Geist“ der Bildungsstandards Das unterrichtliche Potenzial der Aufgaben wird betrachtet Als Folge werden Aufgaben im Sinne der Standards vor dem Hintergrund des täglichen Unterrichts beschrieben
Lehrerprofessionalisierung auf der Basis des Readers Enge Kooperation mit LISUM Berlin/Brandenburg sowie den Berliner Universitäten Auswahl von 8 Modell- und 8 Kontrollschulen in BE und BB Module des Readers werden in den Modellschulen umgesetzt; dabei Vorgehen wie in SINUS Input in den Fachkonferenzen Förderung der Kooperation zwischen den Lehrkräften Reflexion eigenen Handelns im Unterricht Setkoordinator betreut die Schulen Qualitativ- und quantitativ-empirische Begleitforschung
Resümee In Deutschland hat im allgemein bildenden Schulsystem ein Paradigmenwechsel von der Input- zur Output-Steuerung stattgefunden Mit diesem Wechsel ist ein stärkere Gewichtung von Kompetenzen anstelle von Inhalten verbunden Aus der Philosophie der Bildungsstandards ergibt sich automatisch die Forderung nach Qualitätssicherung und –entwicklung Die aktuellen Entwicklungen bieten Schulen die Chance, Rechenschaft über erreichte Leistungen abzulegen und gleichzeitig Unterricht zu verbessern
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Direktor Telefon +49[30]2093-5335 Telefax +49[30]2093-5336 IQBoffice@IQB.hu-berlin.de www.IQB.hu-berlin.de Postadresse Humboldt-Universität zu Berlin Unter den Linden 6 10099 Berlin Sitz Jägerstraße 10- 11 10117 Berlin Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Ansprechpartner -> Prof. Dr. Olaf Köller Direktor