Genuss, Hobby oder Sucht - was definiert süchtiges Verhalten?

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 Präsentation transkript:

Genuss, Hobby oder Sucht - was definiert süchtiges Verhalten? Universität zu Köln, JuniorUniversität Montag, 24.11.2008, 17:45 Genuss, Hobby oder Sucht - was definiert süchtiges Verhalten? Dr. Frauke Schultze-Lutter*, Matthias Tschesche° Uniklinik Köln, *Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, ° Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters

Was ist Sucht?

Ist das Sucht? Fallbericht 1: 42 Jahre alter Mann; 1,85m, 84kg Verheiratet, 3 Kinder Von Beruf Lehrer; Vollzeit berufstätig Jeden Abend 1/2l Rotwein zum Abendessen Gelegentliche Alkoholexzesse am Wochenende Keine körperlichen Beschwerden

Ist das Sucht? Fallbericht 2: 16 Jahre alter, männlicher Jugendlicher 10. Klasse, Realschule pro Tag durchschnittliche etwa 6 Stunden Spielen eines Onlinespiels Im vergangenen Jahr Abfall der schulischen Leistungen im Durchschnitt um etwa 1,2 Noten pro Fach Rückgang der Verabredungen, jedoch regelmäßiger Kontakt zu Freunden über Chat und Messenger

Ist das Sucht? Fallbericht 3: 22 Jahre alte Studentin regelmäßiger Cannabis-Konsum, etwa 3x pro Woche, v.a. zum Abbau von Anspannung in Stresssituationen sowie bei Feiern In den letzten Monaten zunehmende Konsumfrequenz Subjektiv keine Beeinträchtigung

Was ist Sucht? Abhängigkeit: verschiedene Formen des Angewiesenseins auf bestimmte Substanzen oder Verhaltensweisen Körperliche Abhängigkeit: Entwicklung einer Toleranz bezüglich der Substanz, Auftreten eines spezifischen Entzugssyndroms Seelische Abhängigkeit: starkes, gelegentlich übermächtiges oder zwanghaft auftretendes, i.d.R. nur schwer bezwingbares Verlangen, eine Substanz zu konsumieren (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, de Gruyter, 258. Auflage)

Was ist Sucht? Zur Diagnose des Abhängigkeitssyndroms müssen nach der ICD-10 mindestens drei der folgenden Kriterien während des letzten Jahres gemeinsam erfüllt gewesen sein: Zwanghaftes Verlangen nach Konsum Übermaß, Nicht-mehr-aufhören-können Körperliche Entzugssymptome Benötigen immer größerer Mengen, damit Wirkung eintritt Großer Zeitaufwand für Beschaffung, Konsumieren und dem Sich-davon-erholen Fortdauernder Gebrauch der Substanz(en) wider besseren Wissens und trotz eintretender schädlicher Folgen.

Was ist Sucht? "Ein sicheres Anzeichen von Sucht ist das unvermittelte Bedürfnis, uns selbst und andere zu täuschen - zu lügen, zu leugnen, zu vertuschen. Sucht ist alles, worüber wir versucht sind zu lügen. Sucht ist alles, was wir nicht bereit sind, aufzugeben." (Wilson Schaef, 1991, S. 25, Im Zeitalter der Sucht. München: dtv)

Substanzgebunden (Drogen) Nicht substanzgebunden (Verhalten) Suchtformen Sucht Substanzgebunden (Drogen) Nicht substanzgebunden (Verhalten) Essen Spielen Arbeiten Internet Kaufen Laufen, Joggen Legale Drogen Kaffee Alkohol Nikotin Medikamente Illegale Drogen Cannabis Haschisch Ecstasy LSD Opium Heroin

(Liste entnommen aus Wickipedia) Suchtformen Nicht-stoffgebundene Abhängigkeiten Arbeitssucht, Workaholic Beziehungssucht Bibliomanie Chatsucht Fernsehsucht Handy-Abhängigkeit Internetsucht Kaufsucht Mediensucht Sexsucht Spielsucht Sportsucht Magersucht Stoffgebundene Abhängigkeiten Alkoholabhängigkeit Amphetaminabhängigkeit Barbituratabhängigkeit Benzodiazepinabhängigkeit Cannabisabhängigkeit Codeinabhängigkeit Heroinabhängigkeit Kokainabhängigkeit Morphinabhängigkeit Nikotinabhängigkeit Koffeinabhängigkeit Polytoxikomanie Schokoladenabhängigkeit (Liste entnommen aus Wickipedia)

Nein, ich bin NICHT süchtig!!!

Suchtentstehung Stufen der Suchtentstehung: Konsum / Genuss / Spaß / Wohlbefinden Gewohnheit Missbrauch Sucht

Konsum / Genuss Genuss heißt, ein Mittel oder ein Verhalten mit Gespür für das richtige Maß zu konsumieren oder auszuführen. Regeln des Genießens: Freiwilligkeit gelegentliche Handlungen Qualität vor Quantität Zeit nehmen Konzentrieren angenehme Wirkung ist im Vordergrund

Gewohnheit Eine erlernte Verhaltensweisen, die durch häufige bewusste oder unbewusste Wiederholung zur Routine geworden sind und dann (zumindest unter bestimmten Bedingungen) ohne zusätzliche Entscheidungen ablaufen. Automatismus / Routine regelmäßige Handlungen Qualität noch wichtig Keine Konzentration nötig positive Wirkung steht im Vordergrund

Kriterien für Substanzmissbrauch (DSM IV) Wiederholter Substanzgebrauch führt zu Versagen bei wichtigen Verpflichtungen Wiederholter Substanzgebrauch in Gefährdungssituationen Wiederkehrende Gesetzesprobleme im Zusammenhang mit Drogen Fortgesetzter Konsum trotz ständiger sozialer und zwischenmenschlicher Probleme

Sucht Wenn der Missbrauch ein- und desselben Mittels oder Verhaltens regel-mäßig eingesetzt wird, kann es zur Sucht kommen. Sucht heißt, der krankhafte Endzustand der Abhängigkeit von Mitteln oder Verhaltensweisen Merkmale sind: Toleranzentwicklung (Verlangen nach Dosissteigerung; verminderte Wirkung bei derselben Dosis) Entzugssymptome (spezifisch je nach Substanz; Drogenkonsum zur Vermeidung von Entzugssymptomen) Dosissteigerung (häufiger Konsum in größeren Mengen und länger als beabsichtigt) Anhaltender Wunsch und erfolglose Versuche, Drogenkonsum zu verringern und zu kontrollieren Viel Zeit aufwenden für Beschaffung, Konsum und Erholung von den Wirkungen Einschränkung bis Aufgabe wichtiger sozialer, beruflicher und Freizeitaktivitäten Fortgesetzter Substanzgebrauch trotz Kenntnis der körperlichen und psychischen Probleme des Drogenkonsums

„Ich finde, Du verbringst entschieden zu viel Zeit im Internet!“

Kriterien für das Vorliegen einer Verhaltenssucht Kontrollverlust Abstinenzunfähigkeit und Wiederholungszwang Entzugserscheinungen (etwa Gefühl von Unwohlsein, Unruhe, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, ständige gedankliche Beschäftigung mit dem Verhalten) Dosissteigerung Interessensabsorption und -zentrierung Gesellschaftlicher Abstieg Psychischer und körperlicher Verfall

Suchtentstehung Oftmals sind nicht die Suchtmittel das Problem, sondern unser Umgang mit ihnen. Grundsätzlich gibt es kein Genuss- oder Heilmittel, das nicht auch missbraucht werden kann, und auch kein Verhalten, von dem wir nicht auch abhängig werden können. Eine Sucht entsteht nicht von heute auf morgen, sie ist das Resultat einer jahrelangen Entwicklung. Niemand wird von einem Tag auf den anderen süchtig, und man wird auch nicht süchtig geboren. Jede Sucht beginnt harmlos, wächst, hat also eine Geschichte.

Suchtentstehung positive Gefühle

Suchtfördernde Basisfaktoren Verdeckte Lernprozesse Suchtentstehung & -aufrechterhaltung Belohnender Reiz + Suchtfördernde Basisfaktoren Aktivierung des Belohnungssystems Folgeschäden Z.B.. Schulden, Ängste Verdeckte Lernprozesse Abwehrmechanismen Neurobiologische Veränderungen Psychische Abhängigkeit Suchtverhalten

Computerspielsucht

Computerspielsucht Nutzer von Online-Computerspielen zeigen teilweise exzessive Spielmuster Griffith et al. (2004): Befragung von 540 Nutzern des Online-Rollenspiels „Everquest“ wöchentliche Spielzeit von durchschnittlich 25 Std. 4% der Befragten gaben eine Spielzeit von 50 Std./Woche an.

Computerspielsucht Forschung zur Verbreitung von „Internetabhängigkeit“ in der Bevölkerung kommt zu Häufigkeitsraten von 6% (Greenfield et al; 1999) USA 13% (Scherer et al; 1996) USA 79,8% (Young et al; 1996) Korea unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Der Begriff der „Internetabhängigkeit“ ist jedoch unpräzise operationalisiert.

Computerspielsucht Exzessive User zeigen ein Muster, das anderen Verhaltenssüchten (Spielsucht, Kaufsucht etc.) ähnlich ist: Kontrollverlust Toleranzentwicklung Entzugserscheinungen negative soziale Konsequenzen negative Konsequenzen im Leistungsbereich Hahn & Jerusalem (2001)

Fallbeispiel 15 Jahre alter Junge 9. Klasse, Gymnasium Vorstellungsgrund: seit 4 Monaten Verweigerung des Schulbesuch Sozialer Rückzug Verschobener Schlaf-Wach-Rhythmus Tägliches Computerspieldauer von 10 – 14h massive Konflikte zwischen Eltern und Sohn

Fallbeispiel Psychopathologischer Befund / Symptome: Im Kontakt zum Untersucher unsicher Leicht gedrückte Grundstimmung bei erhaltener Schwingungsfähigkeit (d.h. reagiert auf emotionale Reize, z.B. lächelt oder lacht bei spaßigen Bemerkungen) Deutliche soziale Ängste, speziell in Bezug auf die Bewertung durch andere Jugendliche Negatives Selbstbild (d.h. denkt eher schlecht über sich und die eigenen Eigenschaften, Fertigkeiten)

Suchtfördernde Basisfaktoren Verdeckte Lernprozesse Suchtentstehung & -aufrechterhaltung Belohnender Reiz + Suchtfördernde Basisfaktoren Aktivierung des Belohnungssystems Folgeschäden Z.B.. Schulden, Ängste Verdeckte Lernprozesse Abwehrmechanismen Neurobiologische Veränderungen Psychische Abhängigkeit Suchtverhalten

Informations- und Beratungsangebote www.drugcom.de Suchtpräventionsprojekt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) inklusive E-Mail- oder Chat-Beratung www.kidkit.de Infoseite für Kinder von der Drogenhilfe Köln und dem KOALA e.V. www.partypack.de Infoseite zum Thema Partydrogen der Drogenhilfe Köln www.sucht.de, www.sucht.org Überregionale Informationsangebote www.ich-suche-hilfe.de, www.jupf.de Online-Beratung der Kirchen nicht nur für Suchtfragen www.sucht-und-drogen-hotline.de Online-Drogen-Beratung oder telefonisch bundesweit rund um die Uhr: 01805-313031 www.kisskoeln.de Verzeichnis Kölner Selbsthilfegruppen

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit! © Supro