Italienische Lexikologie und Lexikographie Anne Sprißler

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 Präsentation transkript:

Italienische Lexikologie und Lexikographie Anne Sprißler 15.11.2010 Prototypensemantik Italienische Lexikologie und Lexikographie Anne Sprißler 15.11.2010

Prototypensemantik Hervorgegangen aus der Prototypentheorie (insbes. von Berlin und Kay, Labov, Lakoff sowie Rosch, um 1970) „Ursprung des kognitiven Paradigmenwechsels in der Linguistik“ Hauptforschungsgebiet: Kategorisierungsprozesse

1. Anfänge: Basic Colour Terms Die vier Erkenntnisse (Berlin und Kay): Es gibt zentrale & randständige Vertreter einer Farbe. → prototypische Farben (focal colors) Universalität der Prototypen (Korrelation mit menschlichen Wahrnehmungsprinzipien)

1. Anfänge: Basic Colour Terms Die vier Erkenntnisse (Berlin und Kay): 3. Alle Sprachen haben 2-11 Grundfarbwörter; basic color terms:  nicht Hyponyme eines anderen Farbwortes,  morphologisch einfach,  nicht kollokationsbeschränkt 4. Hierarchie der Grundfarbwörter

1. Anfänge: Basic Colour Terms Kritik an der Theorie von Berlin und Kay: maximale Anzahl der Grundfarbwörter Reihenfolge der Grundfarbwörter Bestand: These der Prototypikalität der Farben

2. Standardversion der Prototypentheorie 1. Typ der Prototypikalität Labovs Tassen-Experiment zur Kategorisierung von Gefäßen: Kategorisierung ist abhängig von: Weite –Tiefe, Form, Größe, Material und Inhalt

2. Standardversion der Prototypentheorie 1. Typ der Prototypikalität Prototypen… … stellen den besten Vertreter einer Kategorie dar. … sind kulturell gebunden. … dienen als Bezugspunkt für die Kategorisierung von nicht so eindeutigen Referenten Die Grenzen zwischen den Kategorien sind fließend.

2. Standardversion der Prototypentheorie 2. Typ der Prototypikalität am Beispiel VOGEL (von Rosch) gemeinsame Merkmale: [Federn], [Eier legen], [Schnabel] nicht gemeinsame Merkmale aller Vertreter: [flugfähig]

2. Standardversion der Prototypentheorie 2. Typ der Prototypikalität am Beispiel VOGEL (von Rosch) Prototyp ist hier nicht ein bestimmter Vertreter, sondern eine bestimmte Unterkategorie der Oberkategorie VOGEL in Bezug auf andere Unterkategorien schnelle Kategorisierung eines Referenten ist abhängig von dem Vorhandensein eines Merkmals mit hoher cue validity

2. Standardversion der Prototypentheorie 2. Typ der Prototypikalität Prototypische Struktur der Kategorie VOGEL zentrale Vertreter: besitzen hohen Grad an Familienähnlichkeit Zur Prägnanz eines Merkmals tragen: Intensität, Frequenz, Vertrautheit , gute Gestalt und Informationsgehalt bei.

2. Standardversion der Prototypentheorie Abhängigkeit der Prototypen von der Prägung durch die Außenwelt

2. Standardversion der Prototypentheorie Hedges: - die Grenzen von Kategorien sind nicht immer scharf umrissen und klar erkennbar („ Offenheit“ oder „fuzziness“ der kognitiven Kategorien) Probleme bei der Kategorisierung, wenn … 1. keine besonders typischen Merkmale, weder für die eine noch die andere Kategorie, vorliegen. 2. typische Merkmale mehrerer verschiedener Kategorien vorliegen.

2. Standardversion der Prototypentheorie Begriffe expert categories und folk categories (Taylor): Expertenkategorien: Kategorien besitzen klar erkennbare Grenzen, da sie durch Kriterien definiert werden, die jedes Mitglied dieser Kategorie aufweisen muss Laienkategorien: Kategorien, die im täglichen Leben verwendet werden; besitzen meist unscharfe Grenzen

2. Standardversion der Prototypentheorie Hedges am Beispiel Wal: Laienkategorien: Fisch Expertenkategorien: Meeressäuger → Kategorisierungskonflikt Formulierungen wie beispielsweise: streng genommen; im weitesten Sinne; insofern, daß ; eigentlich erlauben uns schwer einzuordnende Elemente an bestimmte kognitive Kategorien anzubinden. Randständige Zugehörigkeit / Unwohlsein bei der wissensbasierten Kategorisierung, kann so durch diese Ausdrücke markiert werden. Lakoff (1972) nannte diese Ausdrücke „hedges“.

2. Standardversion der Prototypentheorie Hedges & ihre Funktionen in der Kategorisierung: I. Starke Abgrenzung der Kategorie und Relativierung falscher Aussagen (1) Streng genommen ist der Wal ein Säugetier, auch wenn er im Meer lebt. (2) Im weitesten Sinne ist der Wal ein Fisch, weil er im Meer lebt.

2. Standardversion der Prototypentheorie Hedges & ihre Funktionen in der Kategorisierung: II. Ausschluss randständiger (nicht zentraler) Vertreter einer Kategorie: (3) Ein Rotkehlchen ist ein typischer Vogel. (4) ? Ein Truthahn ist ein typischer Vogel.

2. Standardversion der Prototypentheorie Hedges & ihre Funktionen in der Kategorisierung: III. Ausschluss zentraler, prototypischer Vertreter einer Kategorie: (5) *Im weitesten Sinne ist eine Figur, die sechs Seiten hat ein Sechseck. (6) Im weitesten Sinne hat Frankreich die Figur eines Sechsecks.

2. Standardversion der Prototypentheorie Hedges & ihre Funktionen in der Kategorisierung: IV. Flexiblere Gestaltung der Grenzen von Kategorien (7) Die Fledermaus ist ein Vogel. (8) Im weitesten Sinne ist die Fledermaus ein Vogel.

2. Standardversion der Prototypentheorie Basic level terms (Rosch): Basic level: höchste Prototypikalität Maximale extensionale Reichweite, hat maximale Ökonomie zur Folge

2. Standardversion der Prototypentheorie Basic level terms (Rosch): Basic level: VOGEL Ebene wie Menschen über Welt sprechen und Dinge benennen kein Expertenwissen erforderlich relativ genaues bezeichnen möglich, aber dennoch so allgemein, dass möglichst viele Referenten erfasst werden hohe Frequenz monomorphemisch Konzepte werden vor anderen Ebenen beim Sprachenerwerb erlernt

2. Standardversion der Prototypentheorie Basic level terms (Rosch): Superordinate level: TIER sehr allgemein weniger informativ Sprachenabhängige Merkmale (z.B. Genus) Subordinate level: SPATZ sehr konkret Komposita

3. Erweiterte Prototypensemantik Ausgangspunkt: entsprechende Wort in der Einzelsprache keine prototypische Strukturierung einer Kategorie gegeben Darstellung aller mit einem Wort verbundenen Konzepte und Verwendungen chiudere la porta Bsp.: it. chiudere chiudere un occhio chiudere occhio

3. Erweiterte Prototypensemantik mangiarsi un piatto di pasta Bsp.: it. mangiarsi mangiarsi le mani mangiarsi la foglia

3. Erweiterte Prototypensemantik Lakoff: Idealized Cognitive Models (ICMs)

3. Erweiterte Prototypensemantik Lakoff: Idealized Cognitive Models (ICMs) ICMs stellen keine Theorie der Kategoriestruktur dar, sondern eine Theorie der semantischen Struktur polysemer Lexeme, ohne die Existenz einer gemeinsamen Kategorie, die die verschiedenen Kategorien miteinschließt, zu postulieren.

Literatur Blank A. (2001): Einführung in die lexikalische Semantik für Romanisten. Tübingen: Max Niemeyer Verlag Taylor J. R. (2003): Linguistic Categorization (3rd ed.). Oxford / New York, NY.: Oxford University Press