Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte

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 Präsentation transkript:

Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte 25.01.2010

Hinweise für die Abschlussklausur Hinweise auf den prüfungsrelevanten Lernstoff

Relevante Punkte für die Abschlussklausur Was MUSS ich wissen? ALLGEMEIN THEORETISCH Was versteht man unter HISTORIOLINGUISTIK?

Relevante Punkte für die Abschlussklausur Was MUSS ich wissen? ALLGEMEIN THEORETISCH Was versteht man unter INTERNER SPRACHGESCHICHTE? Was versteht man unter EXTERNER SPRACHGESCHICHTE? Welche Formen des HISTORISCHEN SPRACHKONTAKTES gibt es? Der SUBSTRAT-Begriff anhand von Beispielen Der SUPERSTRAT-Begriff anhand von Beispielen Der ADSTRAT-Begriff anhand von Beispielen Theorien des Sprachwandels DANTE (menschliche Unbeständigkeit) HERMANN PAUL (Sprach-Usus) RUDI KELLER („Unsichtbare Hand“)

Relevante Punkte für die Abschlussklausur KONKRET IN BEZUG AUF DIE ROMANISCHEN SPRACHEN Vom Lateinischen zum Romanischen Formen der lateinischen Sprache ARCHAISCHES LATEIN KLASSISCHES LATEIN VULGÄRLATEIN MITTELLATEIN Ausbau der romanischen Sprachen Theoretische Begriffe AUSBAUSPRACHE DACHSPRACHE ABSTANDSPRACHE

Die Historiolinguistik Grundfragen

Relevante Punkte für die Abschlussklausur Historiolinguistik Sie beschäftigt sich als Teilbereich der Sprachwissenschaft mit allen Fragen der Veränderung von Sprache. Dabei nicht nur die fernabliegenden Vorstufen unserer heutigen Sprachen im Blickpunkt, sondern auch der Sprachwandel der jüngeren und jüngsten Zeit, sogar der Gegenwart. Sie untersucht sie nicht nur den Wandel von Lauten, Formen, Strukturen und Bedeutungen, sondern auch die vergangene Wirklichkeit des Sprachgebrauchs. Relevante Punkte für die Abschlussklausur Grundbegriffe

Allgemeine Wiederholung und Ergänzungen Grundfragen der Historiolinguistik Was wandelt sich in einer Sprache? Mit welcher Geschwindigkeit und innerhalb welcher Grenzen wandeln sich Sprachen? Wie beschreibt man Sprachwandel? Warum wandeln sich Sprachen? Wie wird Sprachwandel von den Sprechern wahrgenommen? Haben Sprachen einen Ursprung? Allgemeine Wiederholung und Ergänzungen

Sprachwandel Theorie und Praxis

Sprachwandel Faktoren des Sprachwandels (Peter von Polenz ): Ökonomie: Veränderungen, die entstehen, weil Sprecher oder Schreiber aus Gründen der Zeitersparnis und Bequemlichkeit eine reduzierte Sprache verwenden. Innovation: Veränderungen, die entstehen, weil das gewohnte Inventar der Sprache für kreative und nonkonformistische Tätigkeiten nicht hinreichend geeignet ist und entwicklungsbedürftig zu sein scheint. Wichtige Kräfte bei der Entstehung und Ausbreitung von Innovationen sind also die Maximen „Rede nicht so wie die anderen, damit du herausstichst“ und „Rede so wie die anderen, damit du dazugehörst“. Variation: Die Sprachbenutzer sind flexibel in Bezug auf die Wahl sprachlicher Mittel, je nach kommunikativen Bedingungen und Zwecken. Evolution: Sprachgebrauch und die Beeinflussung des Sprachgebrauchs durch gesellschaftliche Kräfte bewirken Sprachwandel

Sprachwandel Grundsätzlich gilt: Sprachwandel kann jede der linguistischen Beschreibungsebenen, von der Phonetik bis zur Pragmatik, betreffen. Manche Sprachveränderungen bleiben auf eine Ebene beschränkt (z.B. Lautverschiebung, Veränderung der Lautform); andere wiederum haben Konsequenzen für mehrere sprachliche Ebenen (z. B. Umlaut). Manche Sprachveränderungen betreffen nur wenige Bereiche (des Sprachsystems; der regionalen Ausbreitung), andere haben generelle Geltung.

Modelle des Sprachwandels Die Unsichtbare Hand (Rudi Keller) Der Sprachwandel wird hier weder als Naturphänomen noch als Artefakt verstanden, sondern entsteht aus den Einzelhandlungen der Individuen als ungewollte und ungeplante Struktur. Unkoordiniertes Verhalten führt zu einer koordinierten Struktur als eine quasi-Koordination. Sprache als spontane Ordnung ist dabei ein Effekt des Wirkens der unsichtbaren Hand. Sprache und Sprachwandel ist nach Keller ein Phänomen der 3. Art, also weder vom Menschen gemacht (Artefakt) noch ein Naturphänomen, dagegen die kausale Konsequenz (Makroebene) einer Vielzahl individueller, intentionaler Handlungen (Mikroebene). Sprachwandel vollzieht sich im Einzelnen durch den Gebrauch der Sprache selbst.

Modelle des Sprachwandels Vgl. zur Kritik am Modell der „unsichtbaren Hand“ http://www.linguistik-online.de/18_04/ladstaetter.html

Sprachwandel Der Sprachwandel wird begründet: aus Bedingungen des Sprachsystems Einflüsse des Flexionsparadigmas aus Kommunikationsbedingungen Prinzip der Ökonomie Prinzip der Differenziertheit Lautkontexteinflüsse für Sprecher/Hörer Sprecheridentifikation aus externen Bedingungen sozio-ökonomische Veränderungen (z. B. Migration: Stadtsprachen und Industrialisierung, Pidgin- und Kreolsprachen, Aussterben von Sprachen) politische Veränderungen

Sprachwandel Ebenen des Wandels Syntax Morphologie Wortschatz Wortbildung Entlehnung Semantik Graphematik Textematik Pragmatik

Sprachwandel Sprachevolution Sprachen und Arten sind Systeme, die durch Dauer und Wandel existieren; durch Strukturen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Voneinander getrennte Varietäten entwickeln sich anders aus zufälligen Varianten entstehen in kommunizierenden Gruppen: Varietäten und Sprachen.

Sprachwandel Sprachtod Von Sprachtod spricht man, wenn eine Sprache keine Muttersprachler mehr hat. Ab diesem Moment unterliegt die nun tote Sprache nicht mehr den normalen Entwicklungen und Veränderungen, die im Laufe der Zeit innerhalb einer Sprache stattfinden; sie wird unveränderlich und starr.

Sprachwandel Sprachtod Wenn eine Sprache als tote Sprache angesehen wird, dann bedeutet das nicht unbedingt, dass es niemanden mehr gibt, der imstande wäre, die Sprache zu verstehen. Eine tote Sprache kann gut dokumentiert sein, als Fremdsprache gelehrt und eventuell sogar noch in bestimmten Zusammenhängen mündlich oder schriftlich gebraucht werden.

Sprachtod Sprachwandel So ist Latein z. B. eine tote Sprache, weil es niemanden gibt, der es als Muttersprache hat. Dennoch gibt es aber viele Menschen, die Latein verstehen, weil sie die Sprache als Fremdsprache gelernt haben.

Allgemeine Wiederholung und Ergänzungen Sprachtod Eine Sprache ist vom Aussterben bedroht, wenn sie nicht mehr von Kindern als Muttersprache gelernt wird. Sprachen können auch durch Sprachdrift zu toten Sprachen werden. Langsame Veränderungen einer Sprache sorgen dafür, dass eine oder mehrere neue Sprachen entstehen und die ursprüngliche Sprache zu einer toten Sprache wird. Allgemeine Wiederholung und Ergänzungen Drift langsame Änderung einer Sprache beziehungsweise eines Dialektes, die bis zur Herausbildung einer eigenständigen Sprache führen kann.

Sprachwandel Zwei Arten des Sprachtodes Das Verschwinden einer gesprochenen Sprache, wobei die aus ihr entstandenen Sprachformen weiter leben, zum Beispiel das Lateinische, das ja in den romanischen Sprachen weiterlebt. Das Verschwinden einer gesprochenen Sprache, ohne dass aus ihr entstandene Sprachformen weiter leben, zum Beispiel das Koptische (in Ägypten).

Relevante Punkte für die Modulabschlussklausur Externe Sprachgeschichte Interne Sprachgeschichte Sprachkontakt Sprachmischung Entstehung von Pidgin- und Kreolsprachen Lehnbeziehungen Sprachnormierung Wertung und Auswahl sprachstruktureller Möglichkeiten, die von einer sozial bestimmten Norminstanz vorgenommen wird Ökonomieprinzip Vereinfachung Regularisierung Phonemsystem mit maximaler Differenzierungsleistung bei minimalem Merkmalsinventar

Das Zusammenspiel von interner und externer Sprachgeschichte 50 v. Chr. EGO ERAM… 6. Jh. n. Chr. *EO ERA… Lautwandel Interne Sprachgeschichte

Das Zusammenspiel von interner und externer Sprachgeschichte IO ERO… A.D. 1300 IO ERA… A.D. 1400 WANDEL DURCH ANALOGIEBILDUNG Orientierung am Paradigma des Indikativ Präsens Interne Sprachgeschichte

Das Zusammenspiel von interner und externer Sprachgeschichte IO ERA… PRÄSKRIPTIVE GRAMMATIK ORIENTIERUNG AN DEN AUTOREN DES TRECENTO DIGLOSSIE Ital. Schriftsprache vs. Florentiner Dialekt Stigmatisierung von „IO ERO“ als falsch EXTERNE SPRACHGESCHICHTE

Das Zusammenspiel von interner und externer Sprachgeschichte IO ERO… VORSCHLAG  OFFIZIELLE POLITIK ORIENTIERUNG AM FLORENTINER SPRACHGEBRAUCH Stigmatisierung von „IO ERA“ als archaisch EXTERNE SPRACHGESCHICHTE

Das Zusammenspiel von interner und externer Sprachgeschichte Verschwindet allmählich aus dem Schriftgebrauch IO ERA (bis ca. 1920) Konkurrenz IO ERO

Externe Sprachgeschichte Sprachkontakt

Sprachkontakt Diastratisch Interlingual

Deshalb ist ein wichtiger Aspekt von Sprachkontakt der Bilingualismus. Sprachkontakt findet bereits statt, sobald eine Person zwei oder mehr Sprachen abwechselnd verwendet. Dies ist häufig durch geographische Nähe zu einer anderen Sprache bedingt. Deshalb ist ein wichtiger Aspekt von Sprachkontakt der Bilingualismus. Sprachkontakt Definition

Kommunikation zwischen den sozialen Schichten Sprachkontakt

Kommunikation zwischen den sozialen Schichten Sprachkontakt

Sozialer Sprachkontakt High Variety Low Variety

Sprach- kontakt  Sprach- wechsel Zu allen Zeiten und in allen geographischen Räumen fand und findet Sprachkontakt statt. Wenn dabei eine der beteiligten Sprachen ein höheres „Prestige“ hat als die andere, kann Sprachkontakt zum Sprachwechsel führen. In diesem Fall wird die ursprüngliche Sprache zugunsten der zweiten aufgegeben. Sprachkontakt Sprach- kontakt  Sprach- wechsel

Sprachwandel durch Sprachnormierung Vom einheitsstaat zur einheitssprache

Sprachwandel durch das Engagement von Einzelpersonen Idee von der Sprache Sprachliche Realität Die sprachliche Realität soll verändert werden Die Masse der Sprecher (Sprachgemeinschaft) muss erreicht, d.h. vom Wandel überzeugt werden Sender Masse der Sprecher Empfänger Ideenlieferant

Sprachwandel durch das Engagement von Einzelpersonen Kann ein einzelner Vordenker die Sprachgemeinschaft zum Sprachwandel bewegen?

Sprachwandel durch das Engagement von Einzelpersonen Prinzip der Imitatio = Orientierung an einem Musterkanon Pietro Bembo Florentiner Trecento-Modell Verbreitung Asolani (1505) Prose della volgar lingua (1525) Theoretische Reflexion Literarische Anwendung Rezeption und überregionale Akzeptanz in ganz Italien

Sprachwandel durch das Engagement von Einzelpersonen Soziokulturelle Bedingungen für den Erfolg von Bembos Sprachmodell Erfindung des Buchdrucks Expansion des Buchdrucks Popularität der Trecentisten in ganz Italien Die Reputation des Autors Fehlende nationale Einheit Mangel an effizienten Alternativen Akzeptanz des Modells in ganz Italien (zunächst mit Ausnahme der Toskana) Institutionalisierung des Modells in Florenz (Accademia della Crusca)

Sprachwandel durch das Engagement von Einzelpersonen Grenzen des Erfolges Weitgehende Beschränkung auf die geschriebene Sprache Voraussetzung: ein hohes Maß an Bildung Fehlende Infrastruktur (öffentliches Schulwesen) Dominanz der dialektalen Kommunikation im Alltag Dialektale Zersplitterung Italiens Fehlende nationale Einheit

Sprachwandel durch das Engagement von Einzelpersonen Alessandro Manzoni als Visionär der politischen und sprachlichen Einheit Italiens

Sprachwandel durch das Engagement von Einzelpersonen Alessandro Manzoni „Update“ Moderne Sprache der gebildeten Florentiner Modernisierung der bereits existierenden trecentobasierten Norm (BEMBO-Modell) Ziel: eine gemeinsame italienische Sprech- und Schriftsprache im (bald) geeinten Italien Verbreitung des Sprachmodells Promessi Sposi (1840) Sprachtheoretische Schriften Kommissionsarbeit in staatlichen Institutionen

Alessando Manzoni – literarisches Werk 1809 Urania 1812 La Resurrezione 1813 Il Nome di Maria 1813 Il Natale 1815 La Passione 1819 Osservazioni sulla morale cattolica 1820 Il Conte di Carmagnola 1822 La Pentecoste 1822 L`Adelchi 1822 Il Cinque Maggio (zum Tode Napoleons) 1827 I Promessi Sposi (ursprüngliche Version) 1840 I Promessi Sposi (neutoskanische Version) 1840 Storia della Colonna infame 1845 Dell` Invenzione Alessando Manzoni – literarisches Werk

Triebkräfte des Sprachwandels Alessandro Manzoni (1785- 1873) und das moderne Florentinische 1827-42: Überarbeitung der Promessi Sposi Commissione per l'unificazione della lingua Dell'unità della lingua italiana e dei mezzi per diffonderla (1868)

Triebkräfte des Sprachwandels

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? Manzoni diskutierte mit seinem Freund, dem Dichter und Romancier Tommaso Grossi (1790-1853) über sein neues Sprachmodell. Nach Manzonis Vorstellung sollte sich die künftige italienische Literatur- und Standardsprache nicht mehr an den Florentiner Autoren des Trecento orientieren, sondern an den gebildeten Sprechern des modernen Florenz. Seine Sprachprogrammatik setzte er bei der Überarbeitung der Promessi sposi in die Praxis um. Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? Tommaso Grossi

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? Auch nach seinem Florentiner Aufenthalt führte Manzoni eine umfassende Korrespondenz mit toskanischen Freunden und Bekannten, um sich weiter über das zeitgenössische Florentinische zu informieren. In einem an Giuseppe Borghi in Florenz adressierten Brief vom 25. Februar 1829 erkundigte er sich beispielsweise über den Gebrauch des Ausdrucks orda. Am 3. Mai desselben Jahres schrieb er diesbezüglich an Gaetano Cioni in Florenz. An der Überarbeitung der Promessi sposi war zeitweise auch die Florentinerin Emilia Luti beteiligt, die seinerzeit im Hause D’Azeglio als Hauslehrerin angestellt war. Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache?

Die Triebkräfte des Sprachwandels

Triebkräfte des Sprachwandels Manzonis Überarbeitung seines Romans

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? Nach der Publikation der 1827er Ausgabe (Ventisettana) machte sich Manzoni an die Überarbeitung seines Werkes. Die endgültige Fassung erschien zwischen 1840 und 1842. Im Jahr der Erstveröffentlichung begab sich Manzoni mit seiner Familie nach Florenz, um seine italienischen Sprachkenntnisse zu verbessern.

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? Auszug aus Kap. III Ma io facevo per bene, ed ero stata consigliata, e tenevo per certo... e questa mattina, ero tanto lontana da pensare... - Qui le parole furon troncate da un violento scoppio di pianto. … e lui m'ha confessato che gli era stato proibito, pena la vita, di far questo matrimonio. Quel prepotente di don Rodrigo... Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? Ausgabe von 1840

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? Eine kleine Kulturrevolution Ma io facevo per bene, ed ero stata consigliata … e lui m'ha confessato Diese Formen wurden zur selben Zeit in den Schulgrammatiken als FALSCH bezeichnet. Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache?

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? Nach der Veröffentlichung der Neufassung seines Romans hat Manzoni seine Vorstellungen von einer modernisierten Nationalsprache in zahlreichen Schriften zum Ausdruck gebracht, so beispielsweise 1845 in dem Brief Sulla lingua italiana, der an den Philologen und Lexikographen Giacinto Carena (1778-1859) gerichtet war. An seiner unvollendet gebliebenen Schrift Della lingua italiana arbeitete Manzoni zwischen 1830 und 1859. Er konstatierte das Fehlen einer wirklichen lingua italiana. Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache?

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? Lettera al Sig. Cavaliere Consigliere Giacinto Carena, membro dell'Accademia delle scienze di Torino, corrispondente dell'Accademia della Crusca, ecc. Sulla lingua italiana Im Zusammenhang mit Carenas Vocabolario domestico Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache?

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? Essa [= l’osservazione] cade su quelle locuzioni dell'utilissimo suo Vocabolario domestico, che non sono dell'uso vivente di Firenze. E con questo le ho implicitamente confessato ch'io sono in quella scomunicata, derisa, compatita opinione, che la lingua italiana è in Firenze, come la lingua latina era in Roma, come la francese è in Parigi; Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache?

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? Er attestierte zwar grundsätzlich allen Dialekten die potentielle Fähigkeit eines Ausbaus zur Nationalsprache, entschied sich aufgrund des Genius Loci jedoch für das Florentinische als gesamtitalienisches Vorbild. Die nunmehr antiquierte Literatursprache sollte durch die gehobene Sprechsprache gewissermaßen ein „Update“ erhalten, um als lebendiges Kommunikationsmittel aller Italiener fungieren zu können. Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache?

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? Künftige Italienischlehrer sollten ihre Sprachausbildung in Florenz erhalten und besonders begabten Schülern sollten Stipendien für einen Florentiner Studienaufenthalt gewährt werden. Zum ersten Mal seit dem Cinquecento wurde das Neuflorentinische wieder ernsthaft als gesamtitalienisches Sprachmodell diskutiert. Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache?

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? Nur wenige Jahre nach der Ausrufung des Königreichs Italien wurde Manzoni unter Bildungsminister Emilio Broglio im Jahre 1867 zum Vorsitzenden einer Kommission berufen, die mit der sprachlichen Einigung Italiens beauftragt wurde.

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? In dieser Zeit verfasste er den programmatischen Aufsatz Dell’unità della lingua italiana e dei mezzi di diffonderla (1868) einschließlich einer Appendice (1869), eine Lettera intorno al libro “De vulgari eloquio” di Dante Alighieri (1868) sowie eine Lettera intorno al vocabolario (1868).

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? In Dell’unità della lingua italiana e dei mezzi di diffonderla argumentiert Manzoni jedoch historisch. Er verweist auf die Geschichte des Lateinischen sowie des Französischen und vergleicht sie mit der Situation in Italien. Eine zentrale Rolle in der Sprachplanung Manzonis spielt ein auf dem modernen Sprachgebrauch basierendes Wörterbuch. Die Ideen Manzonis zur Modernisierung der italienischen Sprache wurden offizielle Regierungspolitik, die bis ins 20. Jahrhundert hineinreichte.

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? Das von Manzoni immer wieder postulierte Wörterbuch des lebendigen Sprachgebrauchs wurde unter der Schirmherrschaft von Emilio Broglio zwischen 1877 und 1897 realisiert. Es erschien unter dem Titel Novo vocabolario della lingua italiana secondo l'uso di Firenze / ordinato dal Ministero della pubblica istruzione in Florenz.

Sprachwandel durch das Engagement von Einzelpersonen Soziokulturelle Bedingungen für den Erfolg von Manzonis Sprachmodell Nationale Einheit (1861-1870) Entstehung einer gesamtitalienischen Verwaltung 1865-1870: Florenz Hauptstadt des Königreichs Italien Unterstützung durch die nationale Politik Unterstützung durch die kulturelle Elite Italiens Zunehmende Mobilität (z.B. durch die Eisenbahn) Verbreitung des Modells durch Bildungseinrichtungen Verbreitung des Sprachmodells durch literarisches und nicht literarisches Schrifttum (Presse etc.) Akzeptanz durch das italienische Volk

Sprachwandel durch das Engagement von Einzelpersonen Grenzen des Erfolges Hohe Analphabetenrate in Italien Fehlende Infrastruktur (öffentliches Schulwesen) Zuwenig geeignete Lehrer Dominanz der dialektalen Kommunikation im Alltag Dialektale Zersplitterung Italiens Widerstand durch die Sprecherschaft

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? Ab ca. 1870 Es kommt zur Herausbildung einer sogenannten prosa borghese. Manzonis Sprachmodell findet Anhänger bei Schriftstellern, Lexikographen, Grammatikographen sowie bei literarischen Übersetzern.

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache? 1870-1897 Nach den Vorgaben Manzonis geben Giorgini und Broglio ein vierbändiges Novo vocabolario della lingua italiana secondo l’uso di Firenze heraus. 1871 Giuseppe Pucciantis in Florenz erschienene Antologia della prosa italiana moderna bietet den Schulen einen Kanon, der sich nicht nur am traditionell-puristischen Sprachmodell orientiert. 1875 Rigutini und Fanfani veröffentlichen in Florenz ihr Vocabolario italiano della lingua parlata, das sich am Sprachmodell Manzonis orientiert.

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache?

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache?

Die gehobene Mundart von Florenz als künftige Nationalsprache?

Die gesprochene Sprache in der Lexikographie Giuseppe Rigutini & Pietro Fanfani Vocabolario italiano della lingua parlata (1875) Die gesprochene Sprache in der Lexikographie

Giuseppe Rigutini & Pietro Fanfani Notwendigkeit eines Wörterbuchs des gesprochenen Italienischen

Giuseppe Rigutini & Pietro Fanfani Vocabolario italiano della lingua parlata (1875) Keine Existenz von zwei Sprachen in Italien Trotz gewisser Differenzen ein hohes Maß an Gemeinsamkeit zwischen geschriebener und gesprochener Sprache

Giuseppe Rigutini Vocabolario italiano della lingua parlata (1875)

Giuseppe Rigutini & Pietro Fanfani Vocabolario italiano della lingua parlata (1875)

Manzonis Einfluss auf die Didaktik Die Betonung des Florentiner Usus in den Schul- grammatiken und Wörterbüchern Manzonis Einfluss auf die Didaktik

Schulgrammatiken - Sekundarbereich LEOPOLDO RODINÒ Grammatica novissima della lingua italiana

Schulgrammatiken - Sekundarbereich LEOPOLDO RODINÒ Grammatica novissima della lingua italiana

LEOPOLDO RODINÒ Grammatica novissima della lingua italiana

Raffaello Fornaciari Grammatica italiana dell’uso moderno (1879) Sintassi italiana dell'uso moderno (1881) Policarpo Petrocchi Grammatica della Lingua italiana per le scuole elementari superiori (1887) Das Modell des modernen Florentinischen im schulischen Italienischunterricht

Raffaello Fornaciari (1837 – 1917) Ausgaben 1879 1881 1882 1897 Raffaello Fornaciari (1837 – 1917)

Raffaello Fornaciari Auszug aus dem Vorwort Hinweis auf Manzoni

Raffaello Fornaciari Warnung vor einer übertriebenen Anwendung von Manzonis Theorie

Raffaello Fornaciari Aufnahme moderner florentinischer Elemente in die italienischen Grammatiken

Raffaello Fornaciari

Raffaello Fornaciari Schulgrammatik

Raffaello Fornaciari Auszug aus dem Vorwort Bedeutung der gesprochenen Sprache

Raffaello Fornaciari Schulausgabe

Theoretische Einleitung Raffaello Fornaciari Theoretische Einleitung

R. Fornaciari

R. Fornaciari

1868: Redakteur des Novo vocabolario della lingua italiana secondo l'uso di Firenze 1877-1890: Giannettino 1881/83: Le avventure di Pinocchio Carlo Collodi (1826 - 1890)

Carlo Collodi (1826 - 1890)

Carlo Collodi (1826 - 1890) Sprachmodell Fiorentino vivo io ero io avevo Io cantavo Io vedevo Io sentivo Trecento-Modell io era io aveva Io cantava Io vedeva Io sentiva

Policarpo Petrocchi (1852-1902) Pistoia Novo dizionario universale della lingua italiana

Policarpo Petrocchi Grammatica della lingua italiana: per le scuole elementari inferiori (1887) Sprachmodell Gebrauch des toscano vivo lui / lei im Nominativ

Die Questione della lingua Zu den prominentesten Gegnern der Ideen Manzonis gehörte der Dialektologe Graziadio Isaia Ascoli (1829-1907). Er lehnte die von Alessandro Manzoni favorisierte neuflorentinisch geprägte italienische Nationalsprache ab und sprach sich für einen Ausgleich der Dialekte aus. Die Questione della lingua

Kritik an Manzonis Position durch G.I. Ascoli Im Proemio zum ersten Faszikel der sprachwissenschaftlichen Zeitschrift Archivio glottologico italiano nimmt Ascoli Stellung zur Sprachproblematik. Er stimmt mit Manzoni und seinen Anhängern dahingehend überein, dass eine zu schaffende italienische Standardsprache nicht auf den Texten des Mittelalters basieren könne, sondern auf lebendigen Sprachgebrauch zurückgreifen müsse. Kritik an Manzonis Position durch G.I. Ascoli

Kritik an Manzonis Position durch G.I. Ascoli Die Erhebung des modernen Florentinischen zur italienischen Nationalsprache wird aufgrund fehlender Grundvoraussetzungen (kulturelle Ausstrahlungskraft etc.) aber abgelehnt. Die phonographematische (z.B. nòvo statt nuovo im Titel des Wörterbuchs) und lexikalische Modernisierung mit Hilfe des zeitgenössischen Florentinischen wird ebenfalls heftig kritisiert.

Sprachwandel durch Sprachwechsel Vom dialekt zur standardsprache

Sprachwandel durch Sprachwechsel Der Sprachwechsel tritt besonders dann auf, wenn eine der Sprachgruppen politisch oder wirtschaftlich dominant ist. Die dominante Sprache wird dann meist auch von den Sprechern der nichtdominanten Sprachgruppe als Verwaltungs- oder Wirtschaftssprache benutzt und dringt später immer weiter in den alltäglichen Sprachgebrauch vor.

Die Italianisierung der Sachprosa seit dem 16. Jahrhundert 15. bis 18. Jahrhundert (am Beispiel staatlicher Dekrete zur Unterbindung der Prostitution in Palermo)

Die Italianisierung der Sachprosa “Bando et commandamento di lo Illustre et potentj signurj vicere lo signurj Ioannis lanuzza chi tuttj quellj persunj chi tinissiro fimmini In partito tanto In lupanarj publico comu in cantunera seu in altro loco a guadagnarj Incontinenti digiano lassarj loro fimminj et li dittj fimminj digiano lassarj loro ruffianj et stari ognuno appartamenti per si lassando in totum tali affittu tanto pessimo et di malo esemplo et quillj signurj prosumissiro fari lo contrario tam publice quam occulte di continente siano In pena di la frusta così la fimina comu lu ruffiano chi contravinissj et quisto per la prima fiata et quando altra volta contravenissero seriano interum frustatj et lu ruffiano saria cachato di lo regno et quisto sua Illustre signoria volj ordina et comanda per servizio di lo onnipotenti dio et la Maestà del Re nostro Signori et beneficio et honurj di quista felichi citatj.” [Palermo, 28. Mai 1497 ]

Die Italianisierung der Sachprosa Überregionale Züge Dialektale Züge Überwiegen der Endung -o gegenüber -u: lo, loro, tanto, ruffiano, quando etc. vs. comu, lu. weibliche Pluralendung auf -i (fimmina - fimmini vs. it. femmina – femmine) Männl.Singularendung -urj (honurj vs. it. onore) adjektivischer Singular auf -i (felichi vs. it. felice). Infinitiv -ari (-arj) (guadagnarj, farj, lassarj vs. it. guadagnare, fare, lasciare). cantunera ‘Ecke’.

Die Italianisierung der Sachprosa “Displicenter havimu intisu per exposicione di Petru di Randazu chi li jorni passati standu ipsu cum una sua fimina nomine Tuzza in loro stali in Palermo sub Dei et Regia Protecioni securi, Ioanni lu Comuni, Petru Bellachera Amuri, Ioanni Scardinu quodam ducti temeritate, non timendo la justicia, noctis tempore scassaru lu dictu hostali et per forza prisiru la ditta Tuzza et raperu certa quantitati di dinari et roba di lu dittu Petru lu quali si portaru ad Termini et quod peuis est illa hanno pustu in burdellu la ditta Tucza [...]” (Palermo, Dezember 1445)

Die Italianisierung der Sachprosa “Bando et comandamento da parti di lo spettabili et magnificj signurj officiali preturj et juratj di la felichj chitatj di Palermo chi non sia nexuna persuna chi digia allugarj casi a donnj di mala fama in lj lochi undi stanno bonj fimmini sutta pena li luheri quando serranno per li vichinj espulsj et quilli donnj di mala fama chi dormiranno in tali lochi honesti serranno cachatj di talj convichinio pero omnj uno chj intendi di operarj benj a boni convichini sive vero malj una tornarj a lj locki undi stanno et solino starj donnj di mala fama et cui contravenissi a lo bando predicto serra in pena di onzi V di applicarsi alli marammj di la chitatj.” [Palermo, 22. Mai 1509]

Die Italianisierung der Dialekte Erst am Ende des 16. Jahrhunderts überwiegen in den Erlassen und Verordnungen die italienischen Merkmale gegenüber den sizilianischen…

Die Italianisierung der Sachprosa „Havendo sempre parso cosa conveniente et necessaria al publico vivere che si facesse differenza tra le donne honeste et dishoneste maximamente nelli habiti, vestiti et appartamenti, si hanno perciò sopra questo fatto diversi pragmatici et ordinationi, et fattasi prohibittione alli donni dishonesti di portare manti né vestiti di seta, o di oro, né nissuna spetie di oro, né argento, né seta, né gioie, né di potere andare accompagnate con homini, né con più di due femine sotto li peni contenti in essi pragmatici, si come per quelli si contieni [...].“ [Palermo, 20. Dezember 1588]

Die Italianisierung der Sachprosa Auch hier fehlt es zwar nicht an sizilianischen Interferenzen (alli donni dishonesti statt it. alle donne disoneste; li peni statt le pene etc.), dennoch ist der Italianisierungsprozess gegenüber dem Beginn des Jahrhunderts unübersehbar.

Die allgemeine Schulpflicht und der Umgang mit der dialektalen Realität Italiens Von der Legge Coppini bis zur Sprach-, Kultur- und Schulpolitik des Faschismus

Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten Ein wichtiges Instrument zur Verbreitung des Italienischen in einer weitgehend dialektal geprägten Gesellschaft war die Einführung der allgemeinen Schulpflicht. Die italienische Schulgesetzgebung nahm ihren Anfang mit der Legge Casati am 13 November 1859 (im Königreich Sardinien-Piemont). Die Verantwortung für die Grundschulausbildung wurde erstmals dem Staat zugesprochen, wobei die Einführung der Schulpflicht noch fast zwei Jahrzehnte auf sich warten lassen sollte.

Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten Dennoch setzte sich die Legge Casati zum erstenmal mit dem Analphabetentum in Italien auseinander, von der seinerzeit 78% der Bevölkerung betroffen waren. Im Jahre 1877 wurde unter dem damaligen Bildungsminister Michele Coppino die allgemeine Schulpflicht für Kinder von sechs bis neuen Jahren eingeführt. Im Rahmen der Legge Orlando von 1904 wurde die Schulpflicht bis zum 12. Lebensjahr ausgedehnt. Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten M. Coppino

Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten Da kaum Maßnahmen zur Überwachung und Durchsetzung der Schulpflicht existierten, blieb die Zahl der Analphabeten und damit der Anteil der reinen Dialektsprecher zunächst unverändert hoch. In der Schulpolitik des Einheitsstaates überwog eine gewisse Dialektfeindlichkeit, insbesondere in der Grundschule. (Schule um 1870)

Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten Der Dialekt wurde als Hauptursache für das weit verbreitete Analphabetentum betrachtet und sollte den Kindern daher ausgetrieben werden. Lediglich Ascoli betrachtete die „Zweisprachigkeit“ als einen kulturellen Wert an sich. (Schule im Jahre 1875) http://cronologia.leonardo.it/storia/tabello/tabe1530.htm

Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten Zur Verbreitung der italienischen Sprache sollten auch Dialektwörterbücher beitragen. Antonino Traina z.B. schreibt im Vorwort zu seinem Vocabolario siciliano-italiano (1868): „Desiderando io pure [...] concorrere al diffondimento della lingua italiana, mi sono studiato compilare questo Vocabolario...“

Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten Eine positive Einstellung gegenüber der dialektalen Wirklichkeit gab es ausgerechnet zu Beginn der faschistischen Herrschaft (1922). Erster Bildungsminister (Ministro di pubblica istruzione) unter der Regierung Mussolinis wurde der Philosoph Giovanni Gentile (1875-1944). Seine Amtszeit dauerte allerdings nur von 1922 bis 1924. Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

Der Dialekt im Schulunterricht Die Riforma Gentile

Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten Gentile führte eine allgemeine Schulreform durch. Der Dialekt wurde fester Bestandteil des Grundschulunterrichts. Es wurden Übersetzungsübungen aus dem Dialekt mit Hilfe von Dialektwörterbüchern gemacht. Die Behandlung von regionaler Tradition und Folklore spielte eine wichtige Rolle im Schulunterricht. Die Lehrer sollten davon überzeugt werden, das Italienische mithilfe des Dialekts zu vermitteln. Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten Der Pädagoge, der am stärksten in dieser Richtung wirkte, war Giuseppe Lombardo Radice (1879-1938), der 1923 im Rahmen der Riforma Gentile, die Lehrpläne für die Grundschule entwarf. Seine Entwürfe enthielten genaue Angaben in Bezug auf den Gebrauch des Dialektes beim Erlernen der italienischen Sprache. Er empfahl im Rahmen seines Programms Dal dialetto alla lingua Übersetzungsübungen aus der Mundart ins Italienische auf der Grundlage von Gedichten, Erzählungen und Volksliedern. Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten http://www.dubladidattica.it/lomradice.html

Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten Zum ersten Mal seit der Schaffung des Einheitsstaates waren sie nicht nur Gegenstand einfacher Verurteilung, sondern Studienobjekt für die Schüler. Der aus Catania stammende Radice unterrichtete Pädagogik an der Universität seiner Heimatstadt, bevor er von Giovanni Gentile zum Leiter für Grundschulangelegenheiten ernannt wurde. Giuseppe Lombardo Radice, der vom Neoidealismus Gentiles beeinflusst war, sympathisierte allerdings nicht mit dem Faschismus, sondern mit dem Sozialismus und zog sich 1924 aus der Politik zurück.

Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten In den 30er Jahren jedoch vollzog die faschistische Regierung eine radikale Kehrtwende gegenüber den Dialekten. Im Jahre 1935 wurden die Experimente mit den Mundarten im Grundschulunterricht unter dem Bildungsminister Cesare Maria De Vecchi (1884-1959) beendet. Man setzte fortan auf eine radikale Italianisierung Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten