Aspekte der internen und externen Geschichte des Italienischen

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Aspekte der internen und externen Geschichte des Italienischen 21.12.2009

Auf der Suche nach der geeigneten Norm vom metasprachliche Diskurs in der frühen Neuzeitzur standardsprache

Auf der Suche nach der Norm Der erste Schritt: Nachdenken über die Muttersprache DANTE ALIGHIERI Metasprachliche Reflexion Vita nuova (1294) – partiell Convivio (1304-07) – partiell De vulgari eloquentia (1303-04) Suche nach dem Volgare illustre Muttersprache = natürlich Latein = künstlich Natürlichkeit wiegt mehr Auf der Suche nach der Norm

Auf der Suche nach der Norm Der metasprachliche Diskurs auf theoretischer Ebene blieb allerdings aus Aber mit seinem Hauptwerk Divina Commedia legte Dante den Grundstein für den Modellcharakter des Florentinischen Petrarca und Boccaccio schufen in der Nachfolge Dantes wichtige literarische Werke auf Florentinisch und unterstützten diesen Prozess, wobei die beiden Dichter ihre lateinischen Werke höher einschätzten Auf der Suche nach der Norm

Auf der Suche nach der Norm Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Werke NICHT geschrieben wurden, um eine STANDARDSPRACHE zu schaffen, Sondern LITERARISCHE KUNSTWERKE Dass die drei Dichter mit der Divina Commedia, dem Decamerone sowie mit dem Canzoniere den Grundstein für die künftige Standardsprache legten, hängt mit der komplexen soziokulturellen Situation in Italien zusammen Auf der Suche nach der Norm

Auf der Suche nach der Norm Die Popularität der Werke bis in die ungebildeten Volksmassen hinein sowie die Rezeption innerhalb und außerhalb Italiens führten zu einer gewissen Eigendynamik Es entstand eine besondere DISKURSTRADITION… Auf der Suche nach der Norm

Auf der Suche nach der Norm Die Werke von DANTE, PETRARCA und BOCCACCIO überdauerten die Zeit ihrer Entstehung Die Werke der nach 1375 tätigen Dichter wurden von der Nachwelt (und vielleicht von den Zeitgenossen selbst) als weniger bedeutsam empfunden Auf der Suche nach der Norm

Auf der Suche nach der Norm Der außerliterarische Ausbau des Volgare ging weiter voran Die intellektuelle Elite befasste sich allerdings vorwiegend mit dem Lateinischen Wir befinden uns im Zeitalter des sogenannten LATEINISCHEN HUMANISMUS, der im übrigen von BOCCACCIO und PETRARCA im Rahmen ihrer wissenschaftlichen und philosophischen Tätigkeit vorbereitet wurde Auf der Suche nach der Norm

Auf der Suche nach der Norm Das Zeitalter des Humanismus Hinwendung zur Antike Intensives Studium antiker Quellen Rekonstruktion der klassischen lateinischen Sprache Frage nach der Beschaffenheit des Lateinischen in der Antike Frage nach der Dekadenz des Lateinischen während der Völkerwanderung Auf der Suche nach der Norm

Auf der Suche nach der Norm Das Zeitalter des Humanismus Das Hauptziel des frühen Humanismus war – wie bereits erwähnt – eine Wiederbelebung der geistigen Errungenschaften der klassischen Antike. Das philologische Interesse der Humanisten des späten 14. sowie des frühen 15. Jahrhunderts beschränkte sich auf die Suche nach verschollenen lateinischen Schriften in den europäischen Bibliotheken. Auf der Suche nach der Norm

Auf der Suche nach der Norm Sprachlicher Ausbau Im Mittelpunkt sprachplanerischer Bemühungen stand die Wiederherstellung des klassischen Lateins. In diesem geistigen Klima sind Werke wie Lorenzo Vallas Elegantiarum Latinae Lingue libri sex (1435-1444) entstanden. Nicht wenige Gelehrte jener Zeit nahmen die Volkssprache überhaupt nicht zur Kenntnis Auf der Suche nach der Norm

Der metasprachliche Diskurs im 15. Jahrhundert Das verhältnis von latein und volgare

Flavio Biondo vs. Leonardo Bruni Welche Sprache benutzten die alten Römer? ?

Welche Sprache benutzten die alten Römer? Flavio Biondo Leonardo Bruno Im alten Rom sprachen alle Menschen LATEIN Durch den Kontakt mit dem GERMANISCHEN während der Völkerwanderung entstand das VOLGARE als minderwertige Mischsprache Im alten Rom wurden LATEIN (gebildete Schicht) und VOLGARE (ungebildete Schicht gesprochen) Das VOLGARE ist genauso alt wie das LATEINISCHE und somit nicht minderwertig

Die Zwei-Sprachen-These Brunis Argumentation Das Volgare ist ebenfalls antiken Ursprungs und hat daher das Recht, mit dem Lateinischen zu konkurrieren Leonardo Bruni

Die Korruptions-These (oder auch Barbaren-These) Biondos Argumentation Das Volgare ist das Produkt einer SPRACHMISCHUNG und ist daher dem Lateinischen unterlegen und insgesamt minderwertig Flavio Biondo

Auf der Suche nach der Norm Sowohl Flavio Biondo als auch Leonardo Bruni standen im Dienste von Papst Eugen IV., ebenso wie LEON BATTISTA ALBERTI, der Zeuge des Disputes wurde und in seinen eigenen Werken indirekt darauf eingeht Er ließ sich durch die Diskussion außerdem zu seiner Grammatichetta toscana inspirieren Sie stellt die erste Grammatik in einer romanischen Sprache dar, blieb aber seinerzeit ohne Resonanz und wurde erst 1850 wiederentdeckt Auf der Suche nach der Norm

Auf der Suche nach der Norm Die Auffassung Albertis Er teilt zwar BIONDOS Korruptionsthese als historische Tatsache, zieht aber andere Schlussfolgerungen Auch wenn das VOLGARE aus KORRUMPIERTEM LATEIN hervorgegangen ist, so kann es dennoch durch Schriftsteller und deren bedeutende Werke veredelt werden und mit dem Lateinischen konkurrieren Mit BRUNI teilte er wiederum die WERTSCHÄTZUNG DES VOLGARE Auf der Suche nach der Norm

LEONARDO Brunis Verhältnis zum Volgare In seinem (in lateinischer Sprache verfassten) Dialog Ad Petrum Paulum Histrum setzt sich Bruni u.a. für die literarische Verwendung der (florentinisch geprägten) Volkssprache ein Er richtet sich an den Humanisten Pier Paolo Vergerio di Capodistria Leonardo Bruni

LEONARDO Brunis Verhältnis zum Volgare Um 1436: Biographien von Dante Alighieri und Francesco Petrarca in toskanischer Sprache, die nach der Erfindung des Buchdrucks publiziert wurden Die Auseinandersetzung mit den TRECENTISTEN durch einen angesehenen HUMANISTEN markiert dennoch einen Wendepunkt Brunis Interesse konzentriert sich auf die Sprache der Vergangenheit Leonardo Bruni Druckausgabe aus dem 16. Jahrhundert

Auf der Suche nach der Norm LEON BATTISTA ALBERTIS Verhältnis zum Volgare Sein historisches Interesse beschränkt sich auf die klassische Antike In Bezug auf das VOLGARE möchte er unter Umgehung der literarischen Tradition etwas Neues aus dem sprachlichen Material seiner Zeit erschaffen Dazu organisiert er u.a. einen Dichterwettbewerb, den CERTAME CORONARIO Die TRE CORONE interessieren ihn kaum Auch die GRAMMATICHETTA repräsentiert das Florentinische seiner Zeit Auf der Suche nach der Norm

Auf der Suche nach der Norm BRUNI und ALBERTI antizipieren zwei wichtige Positionen der Questione della lingua des 16. Jahrhunderts Im 15. Jahrhundert bestand die Dichotomie zwischen fiorentino trecentesco und fiorentino contemporaneo noch nicht im Rahmen eines öffentlichen Diskurses

Auf der Suche nach der Norm Die WIEDERAUFWERTUNG des Volgare seit ca. 1435 war die Voraussetzung für die Sprachdiskussion im 16. Jahrhundert und diese wiederum lieferte die Grundlage für die spätere Standardisierung Die kommunikativen Domänen des Volgare nahmen zu…

Neue kommunikative Domänen des Volgare Die Medizin

Mondino dei Liuzzi - Anothomia Die Medizin - klassische Domäne des Lateinischen

Mittelalterliche und frühneuzeitliche Rezepte aus Viterbo Historische Quellen Mittelalterliche und frühneuzeitliche Rezepte aus Viterbo http://www.bibliotecaviterbo.it/rivista/2006_1-2/Berneschi.pdf

Das Volgare in der Medizin - Mittelalterliche und frühneuzeitliche Rezepte aus Viterbo (Latium)

Das Volgare in der Medizin - Mittelalterliche und frühneuzeitliche Rezepte aus Viterbo (Latium)

Das Volgare in der Medizin - Mittelalterliche und frühneuzeitliche Rezepte aus Viterbo (Latium) Ad doglia de denti - Rezept gegen Zahnschmerzen

Das Volgare in der Medizin - Mittelalterliche und frühneuzeitliche Rezepte aus Viterbo (Latium)

Das Italienische als Sprache der Wissenschaft 16. Jahrhundert

Das Italienische in der Wissenschaft

Das Italienische in der Wissenschaft

Das Italienische in der Wissenschaft

Das Italienische in der Wissenschaft

Das Italienische in der Wissenschaft

Das Italienische in der Wissenschaft

Der metasprachliche Diskurs im 16. Jahrhundert Von der sprachdiskussion zur sprachlichen Norm

Die Positionen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts DAS LATEINISCHE (Blütezeit bereits im 15. Jahrhundert, befand sich auf einem Rückzugsgefecht) Gegen den Ausbau der Volkssprachen Rekonstruiertes klassisches Latein vs. eklektisches Latein DAS FLORENTINISCHE / TOSKANISCHE Literatursprache des Trecento vs. Modernes Florentinisch Eklektisches Modell: Kombination aus alter und moderner Sprache DIE HÖFISCHE KOINE Gegen das Monopol einer Sprachregion (Florenz/Toskana) Gegen eine archaische Literatursprache Gegen puristische Modelle Orientierung an der gesprochenen Sprache SONSTIGE

Das Lateinische Das Modell der Imitation der klassischen Autoren hatte sich durchgesetzt Konsequenzen Man war zwar wieder in der Lage so zu schreiben wie CICERO und VIRGIL aber das puristische Modell war unflexiblel Das Lateinische in seiner reinen Form war kommunikativ stark eingeschränkt, da es aufgrund seiner strengen klassischen Kodifizierung keine lexikalischen, semantischen oder morphosyntaktischen Innovationen zuließ (Abschluss des Ausbau- und Normierungsprozesses Das noch nicht kodifizierte Volgare gewann zunehmend an Attraktivität

Das Volgare Das Volgare existierte nicht als Einheit, sondern stand als Oberbegriff für alle italienischen Dialekte Der Dialekt von Florenz war bereits literarisch voll ausgebaut und gewann auch in Politik und Verwaltung gegenüber dem Lateinischen zunehmend an Bedeutung Bereits vor dem Buchdruck war das Florentinische auch außerhalb der Toskana bekannt Nach der Einführung des Buchdrucks wurde diese Entwicklung noch beschleunigt

Das Volgare Das TRECENTO-Modell Es hatte von Anbeginn der Sprachdiskussion bessere Ausgangsbedingungen als die konkurrierenden Sprachmodelle Die großen Trecentisten waren bereits in ganz Italien bekannt und beliebt Es war losgelöst von der Florentiner Sprechsprache der Gegenwart und konnte daher außerhalb einer diastratisch und diatopisch beeinflussten Sprachgemeinschaft und konnte auf der Grundlage von gedruckten Büchern kodifiziert werden Das Vorbild lieferte die im 15. Jahrhundert auf der Basis eines Kanons kodifizierte lateinische Sprache Die Anhänger dieses Modells befanden sich zunächst nur außerhalb der Toskana

Die Anhänger des Trecento-Florentinischen Die Questione della lingua Die Anhänger des Trecento-Florentinischen

Die Questione della lingua Die Vertreter des Trecento-Florentinischen Pietro Bembo war zweifelsohne die große Galionsfigur der Befürworter des Trecento-Florentinischen auf der Grundlage eines Musterkanons. Die Questione della lingua Pietro Bembo (Kardinal)

Die Questione della lingua Bereits in seinem Werk Asolani (1505) hatte er seine Sprachtheorie in die Praxis umgesetzt. Bembo war jedoch nicht nur Anhänger des volgare, sondern auch ein Experte für klassische Philologie, der das ciceronianische Latein gegenüber eklektischen Varietäten verteidigte. Die Questione della lingua Pietro Bembo (als junger Mann)

Die Questione della lingua Zwischen 1492 und 1494 erlernte er außerdem die griechische Sprache bei Lascaris in Messina. Sein erstes Werk, De Aetna (1496), verfasste er in lateinischer Sprache, ebenso seinen Traktat De imitatione (1513), der an Giovan Francesco Pico (1469-1533) gerichtet war. Die Questione della lingua Pietro Bembo (Jugendportrait)

Die Questione della lingua Bembos Hauptwerk, die Prose della volgar lingua (1525), verhalfen dem Trecento-Florentinischen schließlich zum Durchbruch Die Questione della lingua Pietro Bembo (Kardinal)

Bembo und das Prinzip der imitatio Modellhafte Autoren LATEIN VOLGARE PROSA Cicero Boccaccio LYRIK Vergil Petrarca

Die Questione della lingua Die Vertreter des Trecento-Florentinischen Am Anfang der historisch ausgerichtetenen Grammatikographie standen Giovanni Francesco Fortunios Regole grammaticali della volgar lingua (1516), die im Zusammenhang mit der Drucklegung von Werken der großen Trecentisten sowie deren kritischer Rezeption entstanden sind. Die Questione della lingua

Fortunio, Regole grammaticali… „… uolendo io dar norme alla Tosca lingua…“

Fortunio, Regole grammaticali… Vorschläge zum Umgang mit der Formenvielfalt Orientierung an der häufigeren Variante bei den Autoren Ein Beleg bei Petrarca wiegt höher als ein Beleg bei Dante: „…io m‘auiso douersi seguire quello che piu frequentemente usano gli auttori nostri, però peccati diremo, come Petrarca, non peccata, come Dante“ Fortunio, Regole grammaticali…

Die Questione della lingua Die Vertreter des Trecento-Florentinischen Im Bereich der Grammatikographie und Lexikographie sei ferner auf die in Venedig erschienenen Tre fontane (...) in tre libri divise, sopra la grammatica, et eloquenza di Dante, Petrarcha, et Boccaccio (1526) des aus Friaul stammenden Niccolò Liburnio verwiesen.

Die Questione della lingua Die Vertreter des Trecento-Florentinischen Noch einige Jahre zuvor hatte Liburnio in seiner Schrift Le vulgari elegantie (1521) neben Dante, Boccaccio und Petrarca auch eine Reihe moderner Autoren vorgeschlagen. Diese eklektische Position hat er wohl nicht zuletzt unter dem Einfluss von Bembos Ideen aufgegeben.

Die Questione della lingua Die Vertreter des Trecento-Florentinischen Ein Autorenwörterbuch mit dem Lexeminventar Boccaccios veröffentlichte der aus Rom stammende Lucilio Minerbi im Jahre 1535 in Venedig unter dem Titel Il Decamerone di M. Giovanni Boccaccio col Vocabulario di M. Lucilio Minerbi.

Die Questione della lingua Die Vertreter des Trecento-Florentinischen Ebenfalls in Venedig publizierte der aus Ferrara stammende Francesco Alunno (eigentlich Francesco Del Bailo) seine Schriften Osservationi sopra il Petrarca (11539, 21550), Ricchezze della lingua volgare sopra il Boccaccio (1543) und Fabrica del mondo (1548). In letzterer werden Dante, Boccaccio und Petrarca als modellhafte Autoren vorgeschlagen.

Die Questione della lingua Die Vertreter des Trecento-Florentinischen In Cento bei Ferrara erschien das Vocabulario, Grammatica, et ortographia de la lingua volgare (...) con isposizioni di molti luoghi di Dante, del Petrarca et del Boccaccio (1543) von Alberto Acarisio. Die Questione della lingua

Die Questione della lingua Die Vertreter des Trecento-Florentinischen Der Sprachtheoretiker Sperone Speroni (1500-88) griff Bembos Ideen im Dialogo delle lingue (ca. 1542) wieder auf. Die Questione della lingua

Die Questione della lingua Die Vertreter des Trecento-Florentinischen Ein weiterer einflussreicher Anhänger dieser Richtung war Leonardo Salviati (1540-89), einer der Mitbegründer der Accademia della Crusca und Initiatoren des Vocabolario degli Accademici della Crusca (11612), das großen Einfluss auf die Standardisierung der italienischen Sprache auf alttoskanischer Grundlage genommen hatte. Mehr hierzu an späterer Stelle…

Die Questione della lingua Die Vertreter des Trecento-Florentinischen Das Erscheinen des Wörterbuches konnte Salviati zwar nicht mehr erleben, doch es zeigt deutlich den Einfluss seiner Sprachprogrammatik, die er bereits Jahre zuvor in den Avvertimenti della lingua sopra ’l „Decamerone“ (1584-86) niedergeschrieben hatte.

Die Questione della lingua Die Vertreter des modernen Florentinischen Im Cinquecento hat es nicht an kritischen Stimmen gegenüber den Auswüchsen einer rückwärtsgewandten Sprachpolitik gefehlt.

Die Questione della lingua Die Vertreter des modernen Florentinischen Zu den Verfechtern einer gesamtitalienischen Standardsprache auf der Grundlage des modernen Florentinischen zählte z.B. Niccolò Machiavelli (1469-1527), der seine Gedanken im Dialogo intorno alla nostra lingua (ca. 1515) niedergelegt hat. Die Schrift wurde allerdings erst im 18. Jahrhundert publiziert. Die Questione della lingua

Die Questione della lingua Die Vertreter des modernen Florentinischen Überhaupt kamen nicht wenige der Gegner des Trecento-Toskanischen aus der Toskana, z.B. Claudio Tolomei, Cesano (entst. 1527-28; gedr. 1555), Giambattista Gelli, Ragionamento sopra le difficoltà del mettere in regola la nostra lingua (1551) Pier Francesco Giambullari, Gello (1546) und Della lingua che si parla e si scrive in Firenze (1551).

Das Trecento-Modell in der Kritik An späterer Stelle führt Machiavelli einen fiktiven Dialog, in dem gezeigt werden soll, dass Dante in seiner Divina Commedia keine höfische Sprache verwendete, sondern lediglich seinen zeitgenössischen Florentiner Heimatdialekt…

Das Trecento-Modell in der Kritik N. Che lingua è quella dell'opera? D. Curiale. N. Che vuol dir curiale? D. Vuol dire una lingua parlata dagli uomini di corte, del papa, del duca i quali, per essere uomini litterati, parlono meglio che non si parla nelle terre particulari d'Italia. N. Tu dirai le bugie. Dimmi un poco: che vuol dire, in quella lingua curiale, morse? D. Vuol dire morì. N. In fiorentino, che vuol dire? D. Vuol dire strignere uno con i denti. N. Quando tu di' ne' tuoi versi: E quando il dente longobardo morse, che vuol dire quel «morse'? D. Punse, offese e assaltò: che è una translazione dedotta da quel mordere che dicono i Fiorentini. N. Adunque parli tu in fiorentino, e non cortigiano. D. Egli è vero in maggior parte; pure, io mi riguardo di non usare certi vocaboli nostri proprii.

Das Trecento-Modell in der Kritik Am Ende seiner Schrift hebt Machiavelli den Einfluss des Florentinischen hervor: Concludesi, pertanto, che non c'è lingua che si possa chiamare o comune d'Italia o curiale, perché tutte quelle che si potessino chiamare così, hanno il fondamento loro dagli scrittori fiorentini e dalla lingua fiorentina; alla quale in ogni defetto, come a vero fonte e fondamento loro, è necessario che ricorrino; e non volendo esser veri pertinaci, hanno a confessar la fiorentina esser questo fondamento e fonte.

Die Questione della lingua Viele der toskanischen BEMBO-Gegner schätzten die Trecentisten zwar und waren stolz auf sie, andererseits wollten sie sich nicht auf deren Sprache von Nichttoskanern festlegen lassen. Die Florentiner Teilnehmer an der Questione della lingua wollten daher einen Kompromiss zwischen archaischem und modernem Florentinischen.

Die Questione della lingua Die Vertreter der höfischen Koine Zu den ersten Repräsentanten gehörte Vincenzo Colli (gest. 1508), genannt Calmeta. Sein Traktat Della volgar lingua ist zwar verschollen, doch sind seine Gedanken indirekt bei Bembo und Castelvetro belegt. Weitere Anhänger der Koine waren Equicola und Colocci.

Die Questione della lingua Die Vertreter der höfischen Koine Der bekannteste Vertreter der lingua cortigiana war Baldassare Castiglione (1478-1529). Seine Ideen zur Sprache hat er auf wenigen Seiten in seinem Werk Il Cortegiano (1528) dargelegt. Die Questione della lingua

Die Questione della lingua Die Vertreter der höfischen Koine Auch Gian Giorgio Trìssino (1478-1550) propagierte in seinem Dialog Il castellano (1529) eine höfische Mischsprache. Er wollte außerdem die Orthographie reformieren und hat Dantes De vulgari eloquentia in ital. Übersetzung in die Diskussion eingebracht Die Questione della lingua

Die lingua cortigiana Ca. 1515 Gian Giorgio Trissino (1478-1550) entdeckt Dantes verschollenen Traktat De vulgari eloquentia und diskutiert darüber mit anderen Gelehrten in den Orti Oricellari zu Florenz.

Die Questione della lingua Die Vertreter der höfischen Koine und andere Gegner des Primats des Florentinischen Trìssino hatte in seiner Epistola intorno alle lettere nuovamente aggiunte (1524) eine Orthographiereform unter Zuhilfenahme griechischer Buchstaben vorgeschlagen, die von verschiedenen Philologen heftig kritisiert wurde, Die Questione della lingua

Reformvorschläge Unterscheidung italienischer Phoneme mithilfe griechischer Buchstaben

Die Questione della lingua Gegner der Reformen Ludovico Martelli (1503-31) Risposta alla epistola del Trissino delle lettere nuovamente aggiunte alla lingua volgare fiorentina (1524), Agnolo Firenzola (1493-1543) im Discacciamento de le nuove lettere inutilmente aggiunte ne la lingua toscana (1524), Claudio Tolomei im Polito, de le lettere nuovamente aggiunte nella volgar lingua (1525) Niccolò Liburnio im Dialogo sopra le lettere del Trissino nuovamente imaginate nelle cose della lingua italiana (1525).

Die Questione della lingua Die Vertreter der höfischen Koine Trissino bediente sich der Autorität Dantes gegen das Sprachmodell Bembos. Im Jahre 1529 publizierte er (zunächst) anonym Dantes De vulgari vulgari eloquentia in italienischer Übersetzung

Trissino, Dante de la volgare eloquenzia

Trissino, Dante de la volgare eloquenzia

Die beginnende Institutionalisierung der Sprachnormierung Die florentiner sprachakademien und diesuche nach der norm

Die Accademia fiorentina Zunächst ein lockerer Zusammenschluss von Dichtern und Literaten 1540: Accademia degli Umidi 1541: Umbenennung in Accademia fiorentina Unter dem Schutz (und politischen Einfluss) von Cosimo de‘ Medici Pflege der Muttersprache als patriotische Pflicht Cosimo de‘ Medici I (Großherzog der Toskana)

Prominente Mitglieder Giovan Battista Gelli Pier Francesco Giambullari

Die Accademia fiorentina Aufgaben und Ziele: Regelung der Orthographie Erarbeitung einer Grammatik Hauptsächliche Betätigung ihrer Mitglieder: Vorlesungen über die großen Trecentisten allein Giovan Battista Gelli hielt z.B. über 100 Vorlesungen über Dante Die Regulierung der Sprache kam nicht voran Es kam ferner zur Etablierung eines komplexen Verwaltungsapparates Die Accademia fiorentina

Die Accademia fiorentina Publizierte Vorlesungen zu den großen Trecentisten 1548 - Il Gello sopra un luogo di Dante, nel XVI canto del Purgatorio della creazione dell’anima rationale 1549 - La prima lettione di Giovanbatista Gelli fatta da lui l’anno 1541, sopra un luogo di Dante nel XXVI capitol del Paradiso 1549 - Il Gello sopra un sonetto di M. Franc. Petrarca 1549 - Il Gello sopra que’due Sonetti del Petrarcha che Lodano il ritratto Della Sua M. Laura 1549 - Il Gello sopra Donna mi viene spesso nella mente di M. F. Petrarca 1551 - Tutte le lettioni di Giovanbatista Gelli, fatte da lui nell'Accademia Fiorentina 1553-1563 - Letture sopra la Commedia di Dante

Die Accademia fiorentina Pier Francesco Giambullari De'l sito, forma, et misure, dello Inferno di Dante (1544) Il Gello (1546) Origine della lingua fiorentina, altrimenti il Gello (1549) De la lingua che si parla e scrive in Firenze (1547) Lezzioni di .M. Pierfrancesco Giambullari lette nella accademia fiorentina (1551) Historia dell'Europa (1566) Die Accademia fiorentina

Pierfrancesco Giambullari (1495-1555) Lebendiger Sprachgebrauch (io) ero (noi) eramo (voi) eri Literarischer Sprachgebrauch (io) era (noi) eravamo (voi) eravate (Dimostratiuo) pendente éro, éra eramo, eravamo eri eri, eravate éra erano Dimostratiuo presente sono siamo, semo sei siete é, e, ê sono, énno

Die Accademia fiorentina Giovan Battista Gelli 1551 - Ragionamento sopra la difficultà di mettere in regole la nostra lingua GRUNDFRAGE: KANN EINE LEBENDIGE VOLKSSPRACHE IN FESTE REGELN GEGOSSEN WERDEN? Die Accademia fiorentina

Einfluss und Grenzen der Sprachregulierung GRAMMATIK, WORTSCHATZ, AUSSPRACHE

Sprachliche Variation = Hindernis der Sprachregulierung? Siena Florenz