Die romanischen Sprachen aus soziolinguistischer Perspektive

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Die romanischen Sprachen aus soziolinguistischer Perspektive 22.11.2010

Die Soziolinguistik im wissenschaftsgeschichtlichen Überblick Norbert Dittmar:Grundlagen der Soziolinguistik – Ein Arbeitsbuch mit Aufgaben. Tübingen 1997. Brigitte Schlieben- Lange:Soziolinguistik. Eine Einführung. Stuttgart/Berlin/Köln 31991.

Die Soziolinguistik im wissenschaftsgeschichtlichen Überblick Vorwissenschaftliche Phase - Sprachphilosophie

Vorwissenschaftliche Phase Ludovico Castelvetro (1505-1571) Correzione d’alcune cose del Dialogo delle lingue di Benedetto Varchi (1563/1572) Impliziter Hinweis auf die Existenz einer vulgärlateinischen Sprache.

Vorwissenschaftliche Phase Drei Entwicklungsstufen nach L. Castelvetro Die zunehmende Wichtigkeit der vulgärlateinischen Varietät in Rom. = Sprachkontakt unterschiedlicher sozialer Gruppen Die Dominanz des Vulgärlateinischen während der Gotenherrschaft. = interlingualer Sprachkontakt und Sprachkontakt unterschiedlicher sozialer Gruppen = die Elite war gezwungen, sich an den Sprachgebrauch der bildungsfernen Schichten anzupassen Der Übergang vom korrumpierten Latein zum volgare während der Herrschaft der Langobarden nach mehreren Generationen.

Vorwissenschaftliche Phase Gottfried Wilhelm Leibniz Unvorgreifliche Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache (entst. 1697, publ. 1717)

Vorwissenschaftliche Phase Jean-Jacques Rousseau (1712- 1778) Discours sur l‘inégalité (1755) Kann es vor der Existenz der Sprache so etwas wie eine menschliche Gemeinschaft geben?

Vorwissenschaftliche Phase Sprache und Gesellschaft als Gegenstand philosophischer Reflexion Karl Marx, Deutsche Ideologie (1845) „Die Sprache ist so alt wie das Bewußtsein, - die Sprache ist das praktische, auch für andere Menschen existierende, also auch für mich selbst existierende, wirkliche Bewußtsein, und die Sprache entsteht, wie das Bewußtsein, erst aus dem Befürfnis, der Notdurft des Verkehrs mit anderen Menschen“ (zit. nach Schlieben-Lange 1991, 15)

Vorwissenschaftliche Phase Sprach- philosophie Für die Sprachphilosophie stellt die Gesellschaftlichkeit eine Grundbestimmung der Sprache dar. Sprache ist bestimmt durch ihre Intentionalität durch ihre Gesellschaftlichkeit Durch ihr Auftreten als historische Einzelsprache

Vorwissenschaftliche Phase Sprach- philosophie Anthropologie Bewusstseins- philosophie Gegenseitige Bedingtheit von Sprache Gesellschaft Bewusstsein

Soziolinguistische Problemstellung Allgemeiner Überblick

Soziolinguistische Problemstellungen Die gesellschaftliche Bedingtheit von Sprachen Sprachen kommen nur als historische Einzelsprachen vor Sie sind daher gebunden an eine bestimmte Gesellschaft Schicht Nation Minderheit (…)

Soziolinguistische Problemstellungen Die gesellschaftliche Bedingtheit von Sprachen Die gesellschaftliche Determination betrifft nicht nur die Existenz als historische Einzelsprache, sondern auch die Inhalte der betreffenden Sprache. Für die betreffende Sprache ergeben sich dadurch bestimmte Bezeichnungsnotwendigkeiten.

Soziolinguistische Problemstellungen Die gesellschaftliche Bedingtheit von Sprachen Die Themen, Dinge, Realitäten, welche für die betreffende Gesellschaft wichtig sin, müssen entsprechend differenziert bezeichnet werden: z.B. die Unterscheidung zwischen Blutsverwandtschaft und angeheirateter Verwandtschaft z.B. Ausdifferenziertes System von Höflichkeitspronomina in in stark hierarchisch geprägten Gesellschaften

Soziolinguistische Problemstellungen Die gesellschaftliche Bedingtheit von Sprachen Determination sprachlicher Strukturen durch gesellschaftliche Gegebenheiten Gesellschaftliche Relevanzstrukturen schaffen Bezeichnungsnotwendigkeiten für die betreffende Sprache

Soziolinguistische Problemstellungen Die Sprachbedingtheit der Gesellschaft Umgekehrte Perspektive Sprache schafft Identität Nationen Minderheiten definieren sich über die gemeinsame Sprache Die gemeinsame Sprache trägt zur Identität von Gruppen, Subkulturen etc.bei

Soziolinguistische Problemstellungen Die Sprachbedingtheit der Gesellschaft Auch die Art der Erfassung der Wirklichkeit durch die Gesellschaft ist sprachlich geprägt Gesellschaften erfassen die Wirklichkeit in den Kategorien, welche die Sprache anbietet

Soziolinguistische Problemstellungen Wilhelm v. Humboldt Hypothese einer sprachlich vermittelten Weltansicht

Soziolinguistische Problemstellungen Sprache und Gesellschaft als Handlungssysteme Sprache und Gesellschaft sind keine unveränderlichen Größen Einfluss des Menschen (als Subjekt des Handelns) auf Sprache und Gesellschaft

Soziolinguistische Problemstellungen Dynamik der Handlungssysteme Sozialisation In Handlungen lernt das Kind die Sprache sowie ihre korrekte Anwendung in sozialen Situationen Durch das Leben in sozialen Zusammenhängen lernt es Sprache und mit Hilfe von Sprache zu kommunizieren und zu interagieren

Soziolinguistische Problemstellungen Dynamik der Handlungssysteme Geschichte Veränderungen gesellschaftlicher und sprachlicher Normen können immer nur aus Handlungen der Träger von Sprache und Gesellschaft entstehen

Soziolinguistische Problemstellungen Dynamik der Handlungssysteme Verschiedene Veränderungen Aussterben oder Fortleben einer Institution Modifizierung oder Neueinführung einer Institution ein Wort ein Brauch eine Sprache ein politisches System

Soziolinguistische Problemstellungen Dynamik der Handlungssysteme Weder Gesellschaften noch Sprachen ändern sich selbsttätig, sondern immer nur durch Handlungen der beteiligten Menschen

1 2 Sprachhandlungen Sprachsysteme Nicht-sprachl. Handlungen Andere Systeme (Ökonomische Struktur, Norm und Wertestellungen) 1 2 SL 1 2 1 2 1 = schaffen; verändern 2 = verfestigen

Sprechen – Sprache - Text Der Zusammenhang zwischen Sprache und Gesellschaft ist nicht direkt, sondern basiert über die Vermittlung des Sprechens und der Texte.

Sprechen – Sprache - Text Veränderung sozialer Ordnungen und der Sprache durch: Massenalphabetisierung Neue mediale Verhältnisse (Buchdruck, Internet) Sprechen Sprache Text Kultur Sprachgemeischaft Textgemeinschft

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Im 20. Jahrhundert

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Vereinigte Staaten von Amerika und Kanada

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik 1965-1975 Etablierung der Soziolinguistik als linguistische Teildisziplin Die Soziolinguistik in den USA und Kanada Auseinandersetzung mit der Generativen Transformationsgrammatik (GTG) Chomskys

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Die Soziolinguistik in den USA und Kanada Kritik an der GTG Idealisierung homogener Sprachgemeinschaften Zweideutigkeit des Begriffs der Performanz

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Besondere Bedingungen Bilinguismus durch Einwanderung Beobachtung von Akkulturation Sprachwandel Sprachmischung Besonderes Interesse an Hispanics und Schwarzen In Kanada Anglophonie vs. Frankophonie

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Richtungen der nordamerikanischen Soziolinguistik Bilinguismus-Diglossie-Studien Untersuchungen von Stadtsprachen Ethnography of Communication

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Ferguson (1921- 1998) Charles A. Ferguson, Diglossia (1959) Zwei Formen derselben Sprache sind in ihrer Verwendung spezialisiert High variety Low variety

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Joshua Fishman (*1926) Erweiterung von Fergusons Diglossie-Begriff Nicht nur auf eine Sprache bezogen, sondern auch auf verschiedene Sprachen Unterscheidung zwischen der sozialen Funktionszuweisung (Diglossie) und der individuellen zweisprachigen Kompetenz (Bilinguismus) → Aufweichung des Diglossiebegriffs → Kritik an Fishman (u.a. aus Katalonien)

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Bilinguismus und Diglossie Joshua Fishman Language Loyalty in the United States (1966) Die besondere Situation im klassischen Einwanderungsland USA language shift: Aufgabe der mitgebrachten Sprache nach einigen Generationen Language mantenance: Beibehaltung der mitgebrachten Sprachen

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik W. Lambert (1922 – 2009) In Kanada Wallace Lambert A Social Psychology of Bilingualism (1967) matched guise technique = Feststellung der Korrelation von Gebrauch einer Sprache und politischen, sozialen u. kulturellen Wertvorstellungen (in Kanada)

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Vier Gruppen von Einwohnern Bewohner englischer Herkunft Portugiesische Einwanderer Indianer Neue Siedler unterschied- licher Herkunft Stadtsprachen (Urban Language Studies) William Labov (*1927) The Social Motivation of a Sound Change (1963) Behandlung der Sprachsituation einer Insel (Martha‘s Vineyard/Massachusetts) Wichtig für die Weiterentwicklung der Soziolinguistik

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Fünf verschiedene Sprechsituationen Zwanglose Sprechweise Gewählte Sprechweise Vorlesestil Wortlisten Aussprache von Minimalpaaren Stadtsprachen (Urban Language Studies) William Labov The Social Stratification of English in New York City (1966) Untersuchung von vier Schichten lower class working class lower middle class upper middle class

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik J. Gumperz (*1922) Ethnography of Communication Einbettung sprachlicher Handlungen in Interaktionssituationen Jan-Petter Blom / John Gumperz: Social Meaning in Linguistic Structure: Code Switching in Norway (1972) Koexistenz von lokalen Dialekten und Standardsprachen In welchen Situationen wird welche Sprachform verwendet? situational switching metaphorical switching

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Großbritannien

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Basil Bernstein (1924-2000) Unterscheidung von zwei Formen des Sprachgebrauchs Zunächst: formal – public Später: elaborated code – restricted code Arbeiterklasse: restringierter Code Mittelschicht: Elaborierter Code

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Frankreich

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Frankreich Eigene soziolinguistische Tradition Rezeption der britischen und nordamerikanischen Soziolinguistik mit Verspätung Eigene Entwicklung in Frankreich Zunächst eine Art Textlinguistik, die sich mit politischen Texten befasst

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Frankreich Verknüpfung zwischen Strukturalismus und soziolinguistischen Fragestellungen 1960 Ruth Reichstein (Schülerin von André Martinet) Untersuchung zur phonologischen Erscheinungen in Paris Bestimmte phonologische Oppositionen werden nur im 16. Arrondissement aufrechterhalten

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Frankreich Zentralismus Dominanz des Strukturalismus Linguistik Ethnologie Psychoanalyse Philosophie Verschmelzung von Textlinguistik und Soziolinguistik Marcel Cohen Marxistischer Ansatz Pour une sociologie du langage Histoire d‘une lange, le français In den 70er Jahren beginnt die Auseinandersetzung mit den ethnischen Minderheiten Frankreichs

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Frankreich 1974 hatte Jean-Baptiste Marcellesi zusammen mit Bernard Gardin eine Introduction à la sociolinguistique. La sociolinguistique verfasst – für lange Zeit die einzige französische Einführung.

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Frankreich 1977 – ein Schlüsselmoment für die Soziolinguistik in Frankreich in der Zeitschrift Langages, Nr. 46 (1977) erscheint Jean- Baptiste Marcellesis Artikel „Langage et classes sociales: le marrisme“ Entzündung einer Sprachdebatte

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Frankreich Exkurs Le marrisme Bezugnahme auf den sowjetischen Linguisten Nikolai Jakowlewitsch Marr (1864-1934) Marr erarbeitete eine Neue Lehre von der Sprache (Japhetitologie). Die Hypothese war, dass alle modernen Sprachen dazu tendierten, in eine einzige Sprache - die der kommunistischen Gesellschaft - zu münden. Die Theorie wurde von Partei (KPdSU) und Regierung der Sowjetunion anerkannt (bis 1950).

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Nikolai Jakowlewitsch Marr Neue Lehre von der Sprache In einem vielbeachteten Artikel in der Zeitung Prawda erklärte Stalin am 20. Juni 1950 die Japhetitologie Marrs für unmarxistisch. In der Folge wurde in der sowjetischen Sprachwissenschaft wieder verstärkt Methoden der junggrammatischen Schule angewandt.

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Nikolai Jakowlewitsch Marr Neue Lehre von der Sprache Überbauthese die Sprache ist als Überbauphänomen auf der Basis der Produktion und Produktionsverhältnisse anzusehen. Lehre vom Klassencharakter der Sprache die Sprache ist wie jedes Überbauphänomen klassenbedingt.

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Nikolai Jakowlewitsch Marr Neue Lehre von der Sprache Stadialtypologie die Sprachzustände lösen einander mit dem Wechsel der Gesellschaftsformationen ab. Die Theorie der Sprachfamilien müsse durch eine Theorie der Sprachstadien abgelöst werden. Jede Gesellschaftsstruktur bringt ein ihr entsprechendes Sprachstadium hervor. Auch der Kommunismus werde einen ihm entsprechenden völlig neuen Sprachzustand hervorbringen.

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Nikolai Jakowlewitsch Marr Neue Lehre von der Sprache Theorie vom einheitlichen glottogonischen Prozess Die Entwicklungswege aller Sprachen sind gleich. Sprachkreuzungstheorie Die Kreuzung von Sprachen ist hauptverantwortlich für die Divergenz nah verwandter Dialekte. Sprachen können sich nicht wie im Stammbaummodell voneinander abspalten, sondern nur miteinander kreuzen und dabei neue Sprachen hervorbringen. Dabei kann eine Sprache in einer sozialen Explosion sich bis zur Unkenntlichkeit verwandeln.

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Exkurs Walentin Nikolajewitsch Woloschinow (1895-1936) Marxismus und Sprachphilosophie [russ. Orig. Марксизм и философия языка], Leningrad 11929, 21930 (engl./amerikanisch: 1973, deutsch: 11975 Frankfurt/M, Berlin, Wien) Woloschinow setzte sich kritisch mit dem zeichentheoretischen Kommunikationsmodell von Ferdinand de Saussure auseinander, an dem er eine ahistorische Perspektive bemängelte.

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Italien

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Italien Italien stellt aufgrund seines Reichtums an Dialekten sowie wegen seiner Vielzahl von ethnischen Minderheitensprachen ein ideales sozio- und varietätenlinguistisches Studienobjekt dar.

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Italien Die wissenschaftliche Rezeption der neuen linguistischen Teildisziplin setzte in den späten 60er Jahren ein. Im September 1969 fanden in Rom Giornate internazionali di sociolinguistica statt, deren Ergebnisse ein Jahr darauf publiziert wurden.

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Italien Die ersten italienischen Monographien mit soziolinguistischer Thematik erschienen gegen Mitte der 70er Jahre. 1974 erschienen sowohl Gaetano Berrutos La sociolinguistica als auch Gianna Marcatos La sociolinguistica in Italia.

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Italien Es folgten italienische Fassungen der Werke von Trumper (1979), Marcellesi/Gardin (1979), Hudson (1980) und Dell (1980).

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Italien Seit Mitte der 70er Jahre sind zahlreiche Studien zur sprachlichen Variation in Italien erschienen. Zu nennen wäre in diesem Zusammenhang die Untersuchung von Bazzanella (1980) und Tempesta (1980) zur soziolinguistischen Situation im schulischen Bereich.

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Italien Weitere Arbeiten entstanden zum italiano regionale bestimmter Regionen, z.B. zur regionalen Varietät des Italienischen im Salento (Sobreo / Romanello 1981) und auf Sizilien (Tropea 1976; Leone 1982), zum mailändischen Stadtdialekt (Galli de‘ Pratesi 1984), zur sprachlichen Situation in Sardinien (Sole 1988) oder im Tessin (Petralli 1990).

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Spanien

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Spanien 1965-1975 Schlussphase der Franco-Diktatur Unterdrückung der ethnischen Minderheitensprachen Baskisch, Galicisch, Katalanisch Zunehmender Widerstand gegen die Unterdrückung in Katalonien sowie im Baskenland

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Spanien Antoni M. Badia i Margarit (*1920) La llengua dels Barcelonins (1969) Planung des Projekts 1965 Ausgangslage Die Situation des Katalanischen wurde als kritisch empfunden Die soziolinguistische Untersuchung sollte Klarheit bringen

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Ziele der Untersuchung Die Einstellung der Katalanen zum Katalanischen Beherrschung der Sprache Bindung an die Sprache Der Einfluss der Einwanderer aus dem Süden Spaniens auf das Katalanische Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Spanische Einflussnahme auf die gesellschaftliche Realität

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Fünfteilige Planung Umfrage Ergebnisse und Auswertung Beziehungen von Sprache undgeographischer Herkunft der Sprecher sowie deren soziale Herkunft Assimilation und Übernahme des Katalanischen durch die Einwanderer und deren Kinder Koexistenz von Katalanisch und Kastilisch in individueller und kultureller Hinsicht Zusammenfassende Interpretation

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Die Datenerhebung Aus den Wahlerhebungslisten von 1960 der zwölf Stadtbezirke Barcelonas wurde eine Informantengruppe von 21.772 Bürgern ausgewählt (Zufallsauswahl, ca. jeder 20. Haushalt ) Austeilung eines Fragebogens mit 35 (mehrteiligen) Fragen in katalanischer und kastilischer Fassung (es konnte auf Katalanisch oder Kastilisch geantwortet werden)

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Die Datenerhebung Wahrung der Anonymität Angabe folgender Daten Geburtsort Schulbildung Beruf Zeit und Ort der Erlernung des Katalanischen bzw. des Kastilischen Grad der Beherrschung der Sprachen Sprache von Eltern und Ehegatten Situationen, in denen die Sprachen verwendet werden Beurteilung der katalanischen Kultur

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Die Datenerhebung Zusätzlich wurden 222 Hausbesuche durchgeführt Ziel Kontrolle der Daten Aufschluss über Reaktionen der Informanten (Interesse, Widerstand, Ablehnung, Gleichgültigkeit, Misstrauen)

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Die Datenerhebung Ergebnisse der Hausbesuche Zurückhaltung auf die Fragebögen in den ärmeren Stadtvierteln Offenheit hingegen im Gespräch In den wohlhabenden Vierteln war die Situation genau umgekehrt

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Die Datenerhebung Rücklauf von 3485 Fragebögen (= 16%) Die Betreiligung schwankte je nach Stadtbezierk 61,7% wurde auf Katalanisch beantwortet 38,3% auf Kastilisch Unterschiede zwischen Fragebogen und Hausbesuchen

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Die Ergebnisse 78,9%: Katalanisch als Umgangssprache 19,8%: Kastilisch als Umgangssprache Fragebogenaktion: nur 61,7% Katalanisch! Viele Katalanen hatten seinerzeit Schwierigkeiten mit der kat. Schriftsprache (es gab unter Franco keinen katalanischen Schulunterricht)

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Die Ergebnisse Bei der Generation über 40 war das Katalanische häufiger Umgangssprache als bei den Jüngeren

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Die Ergebnisse Drei Gruppen von Gebieten Traditionelle Bezirke III-VIII Hohe Beteiligung Wenig Zuwanderung Bildungsbürgertum Bezirke II und IX-XI Geringe Beteiligung an der Fragebogenaktion Viele Zuwanderer (teilweise angepasst) Bezirk XI: Kastilisch sprechende Katalanen der Oberschicht

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Die Ergebnisse Bezirke I, V, XII Weniger als 50% sprechen Katalanisch Neubaugebiete ohne Tradition (I, V) oder sanierungsbedürftige Altstadtviertel (XII)

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Die Ergebnisse Von den Informanten sind 78,8% in Katalonien geboren Von den nicht in Katalonien Geborenen sind 37,4% aus dem Süden (23,2% Andalusier)

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Die Ergebnisse Der Sprachgebrauch in der Familie Informanten mit katalanischen Eltern (60,8%) sprechen zu 95,5% das Katalanische als Umgangssprache 13% der Informanten mit gemischten Elternpaaren sprechen zu 84,4% (80,4%) Katalanisch Sogar 38,2% der Informanten mit nichtkatalanischen Eltern sprechen das Katalanische als Umgangssprache 64,4% sprechen mit ihren Kindern Katalanisch

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Die Ergebnisse Der Sprachgebrauch in der Familie Lediglich 50,2% der Kinder sprechen untereinander Katalanisch

Wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung der Soziolinguistik Würdigung Eine Pionierleistung im Bereich der Romanistik Vergleichbar mit den Arbeiten von Labov in den USA Badias Untersuchung ist allerdings eher soziologisch als linguistisch orientiert, denn man erfährt wenig über das Katalanische oder Kastilische Eine gewisse Einseitigkeit

Themen und Probleme der Soziolinguistik im Überblick Probleme des konkreten Zusammenwirkens von Sprache und Gesellschaft in historischen Situation Die Varietäten der historischen Einzelsprache Sprache als Identitäts- und Prestigesymbol Die Kodifizierung von Sprachen Sprachliche Norm als soziale Kontrolle Attitüden (Einstellungen der Sprecher)

Themen und Probleme der Soziolinguistik im Überblick Probleme der Datengewinnung Das Beobachter-Paradoxon