Exkurs Postwachstumsökonomie

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Bernd Winkelmann, Akademie Solidarsche Ökonomie. Bearbeitungsstand 21
Advertisements

Einführung in die VWL.
... als hätten wir vier Erden ...
Düsseldorf, 20. März 2011.
Zukunftsfähiges Wirtschaften – Wie gelingt der ? Andrea Lindlohr MdL
Missverständnis 1: Geld und Zins können auf Dauer kontinuierlich wachsen Richtig ist, es gibt verschiedene Wachstums-Muster im materiellen Bereich: natürliches.
Exkurs: Schlüsselfrage Menschenbild und Lebensverständnis
Bernd Winkelmann, Akademie Solidarische Ökonomie
Staatsfinanzen und Steuern aktualisiert März 2010
Metropolregionen: Ansatzpunkte für stadt-regionale Nachhaltigkeit
ein historisch neues Phänomen?
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW
1. Wir können es: Der gesellschaftliche Reichtum ist vorhanden
Barbara Wörndl Hochschule Merseburg (FH)
für die Länder des Südens
Leitbild „Nachhaltige Entwicklung“– Anspruch und Wirklichkeiten
® LOG, Bruchköbel 2008 Fabian Dünow
Der Sozialstaat.
Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoß zur gesellschaftlichen Debatte.
Wirtschaft Technologie Umwelt Vorstand Wilfried Kurtzke Konjunktur: Aufschwung ohne breite Grundlage Einkommen, Nachfrage, Arbeitsplätze Kollektive Arbeitszeitverkürzung.
EuropaRAThaus Erklärung Für ein Europa der Bürgerinnen und Bürger „Wir einigen keine Staaten, wir verbinden Menschen“ (Jean Monnet) Anlässlich.
Was ist Europa? Eine Einführung.
Einkommenspolarisierung und Armut in Bremen
Eidgenössisches Departement des Innern EDI Bundesamt für Statistik BFS 2. Demografie Dialog Schweiz Demografische Entwicklung und Siedlungspolitik Die.
Über das langfristige Wachstum der Weltwirtschaft
DISPARITÄTEN Disparität = räumliche Ungleichheit innerhalb einer Volkswirtschaft, „unausgeglichene Raumstruktur“ Ebenen: ökonomisch, sozial, kulturell,
Arbeitsgruppe 3: Die Zukunft der Energie
Wachstumsquiz.
Volksinitiative für eine Grüne
Fair Trade.
China – Wirtschaft.
Die Liga der Bundesländer – Wo steht Bayern?
Bevölkerungsexplosion oder?
Was ist Natur? 1. Definition
Marktgrößen „Marktpotenzial“ = maximale Aufnahmefähigkeit des Marktes für ein bestimmtes Gut oder eine bestimmte DL (maximal mögliche Nachfrage) „Marktvolumen“
Megacitys - Riesenstädte wachsen immer weiter
Warum es Sinn machen könnte, unseren Lebensstil zu ändern
Exkurs: Der Nordamerikanische Auto-Pakt von 1964 und seine Auswirkung auf den intra-industriellen Handel Eine Art „natürliches Experiment“ für das Zustandekommen.
Botschafter vertreten regionale Interessen China Südostasien Nordamerika Energiebedarf weites Land, an Mobilität gewöhnt Energiebedarf Kohlevorräte, stark.
Auf dem Weg zur einer Postwachstumsökonomie
Digitale Aufklärung Warum uns das Internet klüger macht
Landtagswahl Baden-Württemberg 2011
Bernd Winkelmann, Akademie Solidarsche Ökonomie. Bearbeitungsstand 21
Demokratie und Entwicklung: Ghana auf guten Wegen?
Evangelische Internatsschule in Gaienhofen auf der Höri
Europawahlprogrammentwurf Mitentscheiden Europa braucht ein starkes Parlament, kein regieren in Hinterzimmern Europa vor Ort – Subsidiarität respektieren.
© economiesuisse Cancún 2010: Schweizer Wirtschaft zu aktivem Klimaschutz bereit Folien zum dossierpolitik 24, 29. November 2010.
Globalisierung für Arme?
Veranstaltung Ressourcenverbrauch und Wachstum Umweltbundesamt und Lebensministerium, am Umgestaltung des Wirtschaftssystems - Neue Arbeitskonzepte!
Russland.
Talk bei Henkel "Greater Europe" auf dem Sprung in die 3
Die Steuerquote pro Brutto- inlandsprodukt ist um mehr als die Hälfte höher als in Deutschland.
Keine Postwachstumsökonomie ohne Systemwandel
Drei Strategien zur Nachhaltigkeit
Exkurs Postwachstumsökonomie
Mit fast 26 Millionen HIV-Infizierten ist Afrika südlich der Sahara am schlimmsten betroffen. Die durchschnittliche Infektionsrate liegt.
Nordamerika Europa Afrika Südamerika Inneres Äußeres Wirtschaft
Ein Projekt stellt sich vor – Dauer nur 3 Minuten!
Ist heute in aller Munde. Cradle to cradle Das heisst von der Wiege bis zur Wiege, also der vollständige Wertstoffkreislauf wird immer mehr zum Thema.
„Wasserfest als Projektabschluss“ Wochenrückblick vom bis 03
INHALT Über Syngenta Was bedeutet Nachhaltigkeit? Ressourcenknappheit Biodiversität Klimawandel Ernährungssicherheit Fazit.
INHALT Über Syngenta Was bedeutet Nachhaltigkeit? Ressourcenknappheit Biodiversität Klimawandel Ernährungssicherheit Fazit.
Botschafter vertreten regionale Interessen China Südostasien Nordamerika Energiebedarf weites Land, an Mobilität gewöhnt Energiebedarf Kohlevorräte, stark.
Altersarmut und ihre Folgen
Begriffe und Merkmale:
Wachstum von Facebook Mobile Werbung treibt Facebooks Wachstum nach-segmenten/
Presseabend des VCI am 1. März 2016 in Frankfurt/Main Chemiekonjunktur unter der Lupe Chemieproduktion (inkl. Pharma) in Deutschland Nach einem guten ersten.
Konsum: Wachstumsmotor
«Die Grenzen des Wachstums»
 Präsentation transkript:

Exkurs Postwachstumsökonomie Bernd Winkelmann Stand 27.7. 2013 Akademie Solidarische Ökonomie Exkurs Postwachstumsökonomie

Wachstum und Wachstumsfelder Quantitatives Wachstum ist nur möglich, wenn Wachstumsfelder offen sind. Offene Wachstumsfelder Ungesättigte Märkte Bevölkerungswachstum Wirtschaftswachstum Unbegrenzte Ressourcen Neue Aufbauphasen Bei nahezu geschlossenen Wachstumsfelder führt weiteres erzwungenes Wachstum zum Druck nach innen und in Crash-Situationen – oder zur Expansion nach außen. Geschlossene Wachstumsfelder Krise Wirtschaftswachstum, Wachstumsfalle Gesättigte Markte Kein Bevölker- rungswachstum Begrenzte Ressourcen Beendete Aufbauphase 2

1. Denkfehler: Das Bemessen des Wachstums in Prozenten führt zum exponentiellen Wachstum, d.h. zu ständig steigenden Wachstumsgrößen (Stückzahl). Drei Wachstumskurven: a) lineares Wachstum: gleichbleibender Zuwachs (gleiche Wachstumsgröße) b) exponentielles Wachstum: jährl. prozentuelles Wachsen (Wachstumsrate), d.h. Zuwächse gehen ein in Sockelbetrag des Folgejahres (Verdoppelungseffekt) c) natürliches Wachstum: hört bei einem Optimum auf zu wachsen und stabilisiert sich. Beispiel: Wenn heute in Deutschland in einem Jahr 300.000 Autos produziert werden, sind das bei 6% Wachstum in 12 Jahren 600.000 Autos in einem Jahr. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Kenneth E. Boulding, USA: „Jeder, der glaubt, dass exponentielles Wachstum für immer weitergehen kann in einer endlichen Welt, ist entweder ein Verrückter oder ein Ökonom.“ 3

2. Denkfehler Das Bemessen von Wirtschaftswachstum nach dem Bruttoinlandprodukt (BIP): es misst rein quantitativ die wirtschaftlichen Umsätze in Geldwerten. Z.B.: > Aufbau nach Zerstörungen als BIP-Wachstum; > material- und energiesparende Effizienz als rückläufiges Wachstum; > die qualitative Entwicklungen der Gesellschaft wird nicht gemessen. Die „Glücksforschung“ zeigt: BIP und Lebenszufriedenheit laufen nicht zusammen ● Studie 2009: Die größte Lebenszufriedenheit in Ländern mit mittlerem Durchschnittseinkommen: - Costa Rica, Dänemark, Skandinavien, Island; - Deutschland an 30.Stelle, Simbabwe an letzter. ● Ab 20.000 / 50.000 Dollar Jahreseinkommen steigt der Glückspegel kaum noch. ● Seit 1990 fordert UNO die Bemessung der Entwicklung mit ganzheitlichen Indizes (z.B. „Neuer Wohlfahrtsindex“, Human Development Index). ● Bisher hat nur der Himalaja-Staat Bhutan an Stelle des BIP das „Brutto-Sozialglück“ gesetzt: Ökologie, Kultur, Gesundheit, Bildung, Lebensstandart, Gemeinschaft, Zeitnutzung... Grafik aus „Zukunftsfähiges Deutschland“ S. 122

3. Denkfehler · Man könnte mit weiterem BIP-Wachstum die ökonomischen und sozialen Probleme lösen (z.B. Arbeitslosigkeit) · Man könne durch grüne Technologien („Green New Deal“) Umweltverbrauch vom Wachstum entkoppeln. Tatsächlich überwindet dies nicht die ökologische, die soziale, ökonomische Crash-Tendenzen der Wachstumsökonomie. 1. Ökologischer Crashtendenz: „Grüner Technologien“ bringen kurzzeitig neues Wirtschaftswachstum: je Stück geringere Umweltbelastung, aber in der Summe Rebount-Effekt“ (Rückschlageffekt): Zunahme der Menge wiegt den Einspareffekt wieder auf (z.B. Auto, Elektrogeräte u.ä.). 2. Soziale und ökonomische Crashentwicklung: In den hochindustrialisierten Ländern mit annähernd gesättigten Märkten und Überangebot ist weiteres Wachstum nur noch mit weiterer Rationalisierung, Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkung, Arbeitsplatzverlagerung zu erreichen. Das treibt die untere Hälfte in Armut und Präkarisierung, somit in eine wachsende Schere zwischen Überangebot und Unterkonsum = eine sich verstärkende Wachstumsfalle. (Radermacher: „Kannibalisierung“ der Wirtschaft, „Brasilianisierung“ der Gesellschaft) 5

Ökologische Crashentwicklung 2011 bei 1,5 ● Ökologischer Fußabdruck in Deutschland bei dem 3-4 Fachen des verträglichen Maßes ● Ökologischer Fußabdruck in den USA bei dem 10 Fachen ● 2 Grad-Ziel erreichbar, wenn in 10-20 Jahren der CO2-pro-Kopf-Ausstoß in D von 11 t auf 2 t , in den USA von 19 t auf 2t abgesenkt wird. ● Herrmann Scheer, Al Gore: Wissen und Technologie dafür sind vorhanden. Doch bisher weiterer Anstieg CO2 Ausstoß (entgegen dem Kiotoprotokoll).

3 – 6 Erden

Wiedergewinnen einer Gleichgewichtsökonomie Natürliches Wachstum - Vorbild auch für die Wirtschaft? Reifezeit Abnehmendes Wachstum Exponentielle Wachstumsphase Langsame Keimzeit

Funktion einer Gleichgewichtsökonomie Gleichgewichtsökonomie anstelle einer Wachstumsökonomie heißt: • Die Wirtschaft wächst quantitativ nur in bes. Aufbauphasen. • Bei Erreichen eines Sättigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwicklung über: Qualitätsprodukte, Wachsen kultureller, sozialer, geistiger Lebensqualitäten – dabei Schrumpfen des materiellen Verbrauchs. • Dies geschieht in einer ständigen dynamisch sich einpendelnden Sinusbewegung - sowohl für einzelne Güter wie für die gesamtökonomische Entwicklung. Diese Entwicklung bleibt unter des maximal ökologisch-sozial verträglichem Maßes von Faktor 1 (auch ökologischer Fußabdruck) • Damit wird die ökonomische und soziale Crashentwicklung der Wachstumsökonomie überwunden und eine Postwachstumsökonomie wird möglich.

Voraussetzungen einer Postwachstums- und Gleichgewichtsökonomie 1. Überwindung des materialistischen Grundirrtums und kapitalistischer Leitvorstellung. 2. Herausnehmen der wachstumstreibenden Abschöpfungs- und Bereicherungs- mechanismen kapitalistischer Wirtschaftsweise; Installation kooperativer, partizipatorischer, demokratischer Wirtschaftsstrukturen 3. Drastisches Zurückfahren des gegenwärtigen Material- und Energiedurchsatzes (Schrumpfungsökonomie, Regionalisierung der Wirtschaft...) 4. Entwicklung einer modernen regionalen Subsistenzwirtschaft 5. Zusammenwirken von: a) Konsistenzstrategie (ökologische Anpassung), b) Effizienzstrategie (ökologische Technologien), c) Suffizienzstrategie („Mit weniger besser leben“) These: Eine Postwachstumsökonomie kann nur eine postkapitalistische Ökonomie sein.