Therapeutische Online-Kommunikation Dipl.-Psych. Christiane Eichenberg Institut für Klinische Psychologie & Psychotherapie Universität zu Köln Vortrag präsentiert auf dem 5. Wissenschaftlichen Kongress der Deutschen Ärztlichen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DÄVT) 23.-26. Oktober 2003, Bad Pyrmont
Das Internet: Mächtiges Informations- u. Kommunikations- Medium Größe der weltweiten Internetgemeinde: über ½ Milliarde deutschsprachig: knapp 40 Mio. Personen (D: 32,1 Mio.) Anzahl der täglich verschickten E-Mails: 31 Milliarden Anzahl der WWW-Pages: rund 4,5 Milliarden geschätzter täglicher Zuwachs an WWW-Pages: 7 Millionen Breite Nutzung neuer Technologien: Welche Möglichkeiten der therapeutischen Nutzung existieren? Eichenberg
Das Spektrum des Internet als therapeutisches Medium Eichenberg
Gliederung I Vor- und Nachteile des Internet als therapeutisches Medium Informationsangebote Selbsthilfe Intervention II Psychologische Online-Beratung Angebot und Nachfrage Varianten Beispiele III Besonderheiten des Online-Settings Eichenberg
1. Das Internet als Informationsmedium - Vor- und Nachteile - VORTEILE NACHTEILE Unkomplizierter Zugriff schneller, kostengünstiger sowie Orts u. Zeit unabhängiger Zugang Informationsüberflutung www.google.de „Psychotherapie“: 150.000 Hits Problem: Selektion nützlicher Informationen? Lösung: - Weiterentwicklungen derzeitiger Suchmaschinen - Verbesserung persönlicher Suchstrategien Internet: Anarchische Struktur Qualitätssicherung Freies Publizieren: kein Verlag, keine redaktionelle Kontrolle Patienten Fachleute Problem: Qualitätskontrolle? Eichenberg
2. Das Internet als Kommunikationsmedium: Selbsthilfe - Vor- und Nachteile - VORTEILE NACHTEILE Niedrigschwelligkeit: Anonymität (Pseudonymität) zu jeder Zeit /von jedem Ort erreichbar Asynchrone Kommunikation: Verlust von Spontaneität /unmittel-bares Erfahren von Verbundenheit Krisensituationen Geografische Unabhängigkeit: Schließung von Lücken in Selbsthilfeinfra-struktur Gruppenklima: Destruktiv durch Flaming Teilnehmerfluktuation Autonomie: Kontaktaufnahme/ –führung Abhängigkeit: soziale Isolation Erweiterung der Inanspruchnahme realer Hilfsangebote Reduzierung von Inanspruch-nahme realer Hilfsangebote Steigerung therapeutischer Effekte: Höheres Maß an kollektivem Wissen Minimierung therapeut. Effekte: Entwicklung v. Vertrauen, Wärme, Verbindlichkeit/ Solidarirsierung Schriftliche Kommunikation: Archivierung Eichenberg
3. Das Internet als Kommunikationsmedium: Intervention - Vor- und Nachteile - VORTEILE NACHTEILE Erreichbarkeit bestimmter Zielgruppen Ethische Probleme Anonymität der Kommunikation- situation: Subjektiv unverbindlichere Kontaktaufnahme Erleichterte Kontaktaufnahme bei Schwellen- ängsten Beschleunigte Selbstöffnung/prekäre Themen Fehlende theoretische Fundierung: Theorie der Online-Beratung/-therapie Mangelnde Kenntnis über Wirkmecha-nismen Standardsetzung Spezifische Interventionskonzepte Schriftliche, schnelle und höher frequentierte Konsultation Kontraindikationen Asynchronizität der Kommunikation: keine Terminabsprachen „zone for reflection“ Auswirkungen auf Interventionskraft Archivierung/Editierung möglich Negative Effekte der Archivierung Eichenberg
3. Das Internet als Kommunikationsmedium: Intervention - Ethische Probleme - Nachweis der Professionalität Abhilfe: Qualitätssichernde Maßnahmen Bsp.: Gütesiegel von Fachverbänden (BDP) Vertraulichkeit/Datenschutzverletzungen Abhilfe: Verschlüsselungsverfahren Verbindlichkeit des Kontaktes Abhilfe: Offenhalten anderer Kommunikationskanäle 50€ / 2 Jahre Eichenberg
Psychologische Online-Beratung - Angebot und Nachfrage - USA: Metanoia: [www.metanoia.org/imhs] Qualifizierte Psychotherapeuten, die irgendeine Form der Intervention via Internet anbieten: ca. 300 (2001) Österreich: PsyOnline [www.psyonline.at] Psychotherapeuten, die nach eigenen Angaben E-Mail-Beratung anbieten: ca. 95 (von knapp 6.000 registrierten) (2003) Nachfrage: ca. 25% aller Internetnutzer sind - im Bedarfsfall - an möglichen klinisch-psychologischen Interventionsmaßnahmen via Internet interessiert abhängig vom Grad der Kommerzialisiertheit entsprechender Angebote Eichenberg
Psychologische Online-Beratung - Varianten - Eichenberg
Psychologische Online-Beratung - Beispiele (1/3)- Dipl.-Sozialarbeiter Horst Krüger, Psychotherapeut (HPG) Indikationen/Kontra- indikationen? / Ablauf? Kosten? Datenschutz? Professionalität? Methoden? Theoretisches Fundament? Eichenberg
Psychologische Online-Beratung - Beispiele (2/3)- Praxis Dipl.-Psych. Thomas Hünerfauth, PP Indikationen/Kontra- indikationen? Ablauf? Kosten? Datenschutz? Professionalität? Methoden? Theoretisches Fundament? Eichenberg
Psychologische Online-Beratung - Beispiele (3/3)- www.expertenzentrale.de: Vorstellung Eichenberg
Psychologische Online-Beratung - Beispiele (3/3)- www.expertenzentrale.de: Etablierung nach 6 Monaten Nutzungsraten Durchschnittlich erreichen 10 Anfragen / Tag den Service, daraus entstehen im Schnitt 7 Beratungskontakte Häufigste angefragte Problembereiche: Depressive Störungen, Sucht, Partnerschafts- und sexuelle Probleme Von den Nutzern bevorzugte Kanäle: 1. E-Mail, 2. Text-Chat, 3. Video-Chat Erfolgsfaktoren Betreuung und Akquise der Experten durch einen Metaexperten Qualitätssicherung durch Metaexperten Partnerschaften mit Internet-Portalen: gmx, t-online, lycos u.a. Eichenberg
Besonderheiten des Online-Settings Schriftlicher Austausch: Kanalreduktion Verstärkte Übertragungs- und Gegenübertragungseffekte Herabsetzen von Hemmschwellen Nivellierung der Asymmetrie Rückmeldemöglichkeiten Wegfall nonverbaler Kommunikation Inhaltliche Verständigung Beziehungsebene: Herstellen von Vertrauen und Intimität Asynchrone Kommunikation: Zeitverzögerung Beziehungsebene: Gefühl der Nähe und Anwesenheit Spontaneität als Informationsquelle Technisierung Eichenberg
Kontakt + Literatur Kontakt Literatur Dipl.-Psych. Christiane Eichenberg Institut für Klinische Psychologie & Psychotherapie Universität zu Köln Höninger Weg 115 D-50969 Köln christiane@rz-online.de http://www.christianeeichenberg.de Literatur Ott, R. & Eichenberg, C. (Hrsg.) (2003). Klinische Psychologie und Internet: Potenziale für klinische Praxis, Intervention, Psychotherapie und Forschung. Göttingen: Hogrefe. Eichenberg