Kleine Kinder in stationären Hilfen – Forschungsergebnisse

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 Präsentation transkript:

Kleine Kinder in stationären Hilfen – Forschungsergebnisse HzE-Jahrestagung Inobhutnahme und Unterbringung: Was brauchen kleine Kinder? am 7. Nov. 2011 in Münster Peter Hansbauer FH Münster

Ausgangssituation in Einrichtungen der Diakonie RWL Allgemeiner Anstieg der Sorgerechtsentzüge und Inobhutnahmen bei unter 6-Jährigen als Folge einer stärkeren Sensibilisierung der Jugendhilfe für Aspekte des Kinderschutzes. Folge: Steigende Unterbringungszahlen bei kleine Kindern in Bereitschaftspflege und stationären Gruppensettings, auch über längere Zeiträume. Fragen: Welche Prozesse liegen hinter den statistisch beobachtbaren Entwicklungen? Wie ist mit dem „Problem“ umzugehen? Welche konzeptionellen Schlüsse sind daraus zu ziehen? Konsequenz: Praxisentwicklungsprojekt mit elf Einrichtungen der Diakonie RWL, um diesen Fragen nachzugehen. ►Wenn die Nachfrage nach Inobhutnahmeplätzen für kleine Kinder schneller steigt, als Bereitschaftspflegeplätze ausgebaut werden können, dann ist die Konsequenz, dass Jugendämter eben auch stationäre Einrichtungen belegen und nun diese Einrichtungen vermehrt mit dem „Problem“ kleine Kinder konfrontiert sind. 2

Vorgehen im Praxisentwicklungsprojekt Erstellung von neun „materialgesättigte“ Fallskizzen, basierend auf vorliegenden Akten und 2-3 Expertengesprächen in der Einrichtung und in Jugendämtern. Auswahl der „Fälle“ über die Einrichtungen nach folgenden Kriterien: Je drei Fälle aus Bereitschaftspflege, altersgemischten Gruppen und Gruppen für unter-6jährige, bei denen der Fallverlauf jeweils mit unterschiedlicher Zufriedenheit (hoch/mittel/niedrig) bewertet wurde. „Fälle“ wurden nach einem vorab entwickelten Raster einheitlich „aufbereitet“ und auf 7 - 10 Seiten dargestellt. Fallskizzen wurden mit Fachkräften auf Workshops diskutiert. Ergebnisse wurden festgehalten und zusammengefasst. Auf der Grundlage der Workshop-Ergebnisse fanden nochmals Gruppendiskussionen statt. Schriftliche Präsentation der Ergebnisse „Kleine Kinder in stationären Hilfen“ in EREV-Schriftenreihe (Veröffentlichungs- termin: März 2012) ► Hinweis: Insgesamt fünf Workshops, besucht von je ca. 10-15 MitarbeiterInnen, überwiegend Teamleitung und mittlere Leitungsebene. Jeweils zwei Gruppen, entlang von vorbereiteten Fragen mit spezifischen Schwerpunkten. ► Aktionsforschung: Ohne klare Trennung von Subjekt und Objekt, aber mit einem Forschungsteil (Fallskizzen) aus dem sich durchaus Ableitungen treffen lassen. 3

Daten zum Fallverlauf 05/2005 Geburt von Janosch 04/2007 Tod des Vaters 04/2008 Aufnahme in Mutter-Kind-Einrichtung (stationär) 12/2008 Übergang in eine ambulante Verselbständigungsgruppe 05/2009 Ende der Maßnahme und Bezug einer eigenen Wohnung 12/2009 Antrag auf Hilfe zur Erziehung. Aufnahme von Janosch in die Diagnosegruppe 04/2010 Antrag des Jugendamts auf Entzug der elterlichen Sorge 05/2010 Wechsel von Janosch in die Kleinkindgruppe eines anderen Trägers

LE JA Einrichtung (Lebensort) LE JA JA LE ... Mediziner Gerichte/ Anwälte JA LE Kita Gutachter Einrichtung (Lebensort) LE Therapeuten JA Verfahrensbeistand 1. Dimension: Welche Akteure sind überhaupt in einen solchen Fall involviert? Die Unterteilung in unmittelbar und mittelbar ist zugegebenermaßen pragmatischer Natur und womöglich könnte man bei diesem oder jenem Akteur auch zu einer anderen Zuordnung kommen. Gleichzeitig erlaubt diese eine erste Sortierung der Umwelt des Kindes nach Relevanzkriterien. Wenn man nun weiter Frage, welche Aspekte für das Gelingen von Hilfeprozessen entscheidend sind, dann ist das einerseits das Handeln der beteiligten Akteure im Umgang mit dem Kind und andererseits der Umgang der am Fall beteiligten Akteure miteinander. Beide Aspekte lassen sich konzeptionell fassen und beschreiben. Aus Zeitgründen will ich mich im Folgenden auf den zweiten Punkt beschränken: Den Umgang der handelnden Akteure miteinander. JA Unmittelbarer Gewährleistungszusammenhang LE Externe Dienste ... Mittelbarer Gewährleistungszusammenhang 5

LE JA Entscheidung Einrichtung (Lebensort) LE JA Perspektive Mediziner Gerichte/ Anwälte JA LE Entscheidung Kita Gutachter Einrichtung (Lebensort) LE Therapeuten JA Verfahrensbeistand Perspektive Information 2. Dimension: Welche inhaltlichen Aspekte sind besonders relevant für das Gelingen von Hilfeprozessen? Unabhängig von den beteiligten Akteuren ist auf der Grafik noch eine zweite Dimension abgebildet, die sich auf Inhalte von Prozessen bezieht: (a) Information, (b) Entscheidung und (c) Perspektive. Diese haben sich im Hilfeverlauf als besonders relevant für eine gelingende Unterbringung kleiner Kinder unter sechs Jahren herausgestellt. Dabei ist die vorgenommene Unterscheidung dieser Prozessaspekte keineswegs ausschließlich zu verstehen. D.h. jede dieser Prozessdimensionen weist Schnittstellen zu sowie Überschneidungen mit den jeweils anderen auf. Im Beispiel: Es versteht sich von selbst, dass sich eine (fachlich) fundiert getroffene Entscheidung auf möglichst viele Informationen stützen sollte, oder dass die Angemessenheit von Entscheidungen im Sinne des Kindeswohls den Dreh- und Angelpunkt einer gelingenden Perspektivklärung im Kontext stationärer Unterbringung darstellt. Bei der Unterscheidung in die benannten Dimensionen handelt es sich eher um ein analytisches Ordnungssystem, das helfen soll spezifische „Baustellen“ zu benennen, Problemlagen zu verstehen und Ansatzpunkte für eine bessere Praxis aufzuzeigen. Gleichwohl gilt es, sich darüber im Klaren zu sein, dass die benannten Dimensionen wechselseitig Einfluss aufeinander haben, sich sogar oftmals gegenseitig bedingen und gleichsam als Einheit betrachtet werden. JA Unmittelbarer Gewährleistungszusammenhang LE Externe Dienste ... Mittelbarer Gewährleistungszusammenhang 6

Dimension: Information ► Die Eltern sind Kooperationspartner – so sind sie zu behandeln. D.h. wertschätzende Kommunikation und klare, sachliche, transparente Information. ► Klare Absprachen und Verantwortungsregelungen zwischen den institutionellen Akteuren darüber, welche Informationen nötig sind, wo diese erhoben und wie sie weitergegeben werden. Ebenso Regelungen über ein Beschwerdemanagement. 7 7

Dimension: Entscheidung ► Übergänge sind Schlüsselereignisse – deswegen müssen sie besondere Beachtung finden und können nicht dem Zufall überlassen bleiben. D.h. sachlich begründete, auf nachvollziehbaren Kriterien beruhende Maßnahmeentscheidungen, in angemessenen Zeiträumen. ► Entscheidungen müssen mit Blick auf das familiäre Gesamtsystem (z.B. Großeltern, Verwandte) getroffen werden, trotzdem stehen die Interessen des Kindes im Mittelpunkt. 8 8

Dimension: Perspektivklärung ► Die Klärung der weiteren Perspektiven nach Inobhutnahme/Entzug der elterlichen Sorge ist primär die Aufgabe des Jugendamtes in Zusammenarbeit mit den Eltern. ► Perspektiven müssen forciert geklärt und der weitere Hilfeverlauf darauf abgestimmt werden. 9 9

Positiv verlaufen Fälle, wenn … … die HP von Beginn bis Ende planvoll, zeitlich angemessen und konsequent gestaltet ist, wobei klare Ziele und Aufträge ausgearbeitet, operationalisiert und verfolgt werden. … die leiblichen Eltern als kompetente Partner am Hilfeprozess beteiligt werden und die Gesamtfamilie im Blick behalten wird … der Prozess für alle Beteiligten und insbesondere auch für das Kind transparent ist. … zwischen allen Fallbeteiligten eine gute, an den kindlichen Bedürfnissen orientierte Kooperation möglich ist. … sie von ausreichend fachlich und sozial kompetenten Fachkräften bearbeitet werden, deren Haltung von Respekt, Verantwortung und Empathie gegenüber allen Beteiligten geprägt ist. 10

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 11