Renate Thiersch, Tübingen Gut gelebter Alltag im Kindergarten

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 Präsentation transkript:

Renate Thiersch, Tübingen Gut gelebter Alltag im Kindergarten Vortrag beim Kongress der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau in Gießen am 8. Juli 2015

1. Dimensionen des Alltags im Kindergarten Elemente des kindlichen Tuns, Phänomene des Kinderlebens Stationen des Tageslaufes Aktivitäten der Erwachsenen zur Gestaltung des Lebensraums Kindergarten

1.1. Elemente des kindlichen Tuns, Phänomene des Kinderlebens Dabei geht es z.B. um Spielen, sich betätigen Lernen, sich die Welt aneignen Sich bewegen etwas gestalten beim Malen, Basteln, Singen, Tanzen … Körpererfahrungen, Sexualität Erfahrungen von Freude und Angst, Selbstwirksamkeit und Ohnmacht Konflikte und Aggressionen Ein- und Ausgrenzen, Beteiligung, Partizipation Kinderfreundschaften und Gruppenbeziehungen Beziehungen zu den Erwachsenen.

1.2. Stationen des Tageslaufs Dabei geht es z. B. um ankommen und Abschied nehmen (gebracht werden und abgeholt werden) drinnen spielen, draußen spielen, an Angeboten teilnehmen aufräumen Essen, Mahlzeiten gestalten schlafen und ruhen wickeln bzw. Toilettengang, Händewaschen…

1.3. Aktivitäten der Erwachsenen zur Gestaltung des Lebensraums Kindergarten Dabei geht es z.B. um Beziehungen gestalten Tageslauf (Struktur und Flexibilität) gestalten Räume gestalten Anregungen und Herausforderungen für Einzelne und für Gruppen Umgang mit Regeln Förderung, Unterstützung, Begleitung der Kinder Beziehungsvolle Pflege und unbefangener Umgang mit den körperlichen Bedürfnissen der Kinder. Gesundheitsförderung

1.3. Aktivitäten der Erwachsenen zur Gestaltung des Lebensraums Kindergarten 2 Für die Erwachsenen ergibt sich die Aufgabe, Grundlagen für die Gestaltungsaufgaben zu schaffen: Beobachtung der Kinder Strukturierung des Kindergartenlebens Umgang mit Routinen und Praktiken des Kindergartenlebens Umsetzung von pädagogischem und methodisch-didaktischem Wissen

2. Alltag, Lebenswelt und Bildungsraum Aus den eben entwickelten Überlegungen ergibt sich ein Orientierungsrahmen für die pädagogische Arbeit im Alltag und in der Lebenswelt. Daneben steht gegenwärtig die Orientierung an Aufgaben der Bildungsförderung. Der Kindergarten wird zum Bildungsraum.

2.1. Orientierung an Alltag und Lebenswelt Zum Verständnis der Aufgaben des „gut gelebten Alltags“ ist die sozialpädagogische Alltags- bzw. Lebenswelt-Theorie hilfreich: Alltag: bezogen auf die Gestaltung der persönlichen Lebensumstände, des privaten Lebens, aber auch auf Selbstdeutungen und Handlungsoptionen des Menschen. Lebenswelt: bezogen auf den Alltag, auf die Gestaltung von Raum, Zeit und sozialen Beziehungen, auf die Gestaltung des gesamten Lebens (Hans Thiersch) Lebensweltbezug bedeutet Orientierung des pädagogischen Arbeit an der Lebenswelt der Kinder. Erinnerung an den Situationsansatz: im Prinzip lebensweltorientierte Kindergartenarbeit

2.2. Orientierung an Bildung Bildung meint die Auseinandersetzung des Menschen mit der Welt und die Ausprägung seiner Lebensgestalt in einem lebenslangen Prozess. Die derzeitige Diskussion unterscheidet informelle, non-formalisierte und formale Bildungszugänge. Ein Charakteristikum der Moderne ist, dass der Ausbau von formalen Bildungszugängen zunimmt. Das gilt auch für den Kindergarten.

2.3. Bildungsraum Kindergarten Der Bildungsraum Kindergarten arbeitet nicht selten mit fächer- oder domänenspezifischer Förderung (Sprache, Mathe, Bewegung, Naturwissenschaften). Vorgegebene Curricula finden Eingang in die Kindergartenarbeit. Messung und Überprüfung sind Teil dieser Arbeit. Ein anderes Verständnis von Bildungsarbeit im Kindergarten basiert auf den Annahme von Selbstbildung der Kinder; hier gibt es Anregungen, individuelle Unterstützung im Bezug auf die jeweilige Entwicklung des Kindes. Die Eltern werden einbezogen.

3. Alltagsbildung Eine andere Perspektive: Der Begriff Alltagsbildung (Thomas Rauschenbach) Alltagsbildung und Bildungsungleichheit Konkretisierung einer Kindergartenarbeit mit einem lebensweltlich-alltagsorientierten Bildungsverständnis

3.1. Aspekte von Alltagsbildung Punkte, die für die Bewältigung des Alltags wichtig sind: Mit den eigenen Emotionen umgehen können, Erwartungen und Wünsche ausdrücken, eigene Bedürfnisse ernst nehmen, Zurückstecken können, wenn es gerade nicht anders geht, Prioritäten setzen, Widerständen standhalten Ordnung halten.

3.2. Alltagsbildung und Bildungsungleichheit Es zeigt sich, dass Kinder, die in Bezug auf ihre Bildungskarriere benachteiligt sind, nicht nur in formalen Bildungsprozessen benachteiligt sind, sondern dass sie auch in Bereichen der Alltagsbewältigung benachteiligt sind. Grundlagen der Alltagsbildung werden in der Regel in der Familie gelegt. Bildungseinrichtungen wie der Kindergarten können zur Förderung von Alltagsbildung und damit zur Förderung von Chancengleichheit beitragen.

3.3. Kindergartenarbeit mit einem lebensweltlich-alltagsorientierten Bildungsverständnis Lebenswelt und Alltagserfahrungen der Kinder als Ausgangspunkt der pädagogischen Arbeit. Befriedigung der Neugier und des Forscherinteresses der Kinder in informellen Settings. Anknüpfen an den Situationsansatz, an die Reggio-Pädagogik, an Waldorf-Pädagogik und andere Entwürfe.

4.1. Der belastete Alltag der Erzieherinnen Stress durch die Rahmenbedingungen – Entlohnung, Anerkennung, Befristung und Teilzeitverträge Viele neue Anforderungen angesichts der gegenwärtigen Expansionen in der Kindertagesbetreuung (Zahlenmäßiger Ausbau; Alterserweiterung; neue inhaltlich-didaktische Bereiche; neue Kooperationen mit Eltern, Schule, und Sozialraum; Verwissenschaftlichung). Und doch ist es eigentlich ein schöner Beruf!

4.2. Die zyklische Zeit und die Routinen Jeden Tag, jede Woche, jeden Monat, jedes Jahr wiederholt sich die Arbeit. Die Bewältigung der Arbeit braucht Routinen Beides kann zu Erstarrung und Ermattung führen. Gleichzeitig soll die Erzieherin mit den Kindern gemeinsam die Welt erforschen, sich selbst als Vorbild darbieten.

4.3. Der Alltag der Erzieherinnen ist durch die Institution Kindergarten bestimmt ErzieherInnen arbeiten in einer Institution. Sie sind Teil eines Teams; sie gestalten eigenständig und arbeiten gleichzeitig mit KollegInnen zusammen. Sie delegieren Arbeit und tragen Verantwortung im Kindergarten. Sie arbeiten im Rahmen der Vorgaben des Trägers. Sie kooperieren mit den Eltern, mit den LehrerInnen und im Sozialraum.

5. Wie kann man einen guten Alltag gestalten? Dazu gehört vor allem: Die Kinder in ihrem Alltag wahrnehmen, den Kindergarten als Lebensraum gestalten, in dem sich lebendige Alltagsbildung realisiert, das eigene Bildungsverständnis stark machen und nach außen vertreten, die Arbeit als Arbeit in der Institution wahrnehmen, die gegenwärtige Situation klar analysieren und reflektieren: Zeitstruktur, Raumgestaltung, Bildungsprozesse, Kooperationen, im Team an der Reduktion der Anforderungen arbeiten