4. FSW-ExpertInnen Forum Autonomie und Betreuungsbedarf 17

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Initiative SCHAU HIN! Was Deine Kinder machen.
Advertisements

Fachberater Seelsorge in der Feuerwehr
MENSCHEN ALS MENSCH NAHE SEIN.
1. Wir können es: Der gesellschaftliche Reichtum ist vorhanden
Herzlich Willkommen zu der heutigen Informationsveranstaltung!
Wer ist Herbst-Zeitlos e.V. ?
Die Pflegesituation Wer wird gepflegt? Was bedeutet Pflege?
Wünsche wecken Lebensweltorientierung in der Praxis
Arbeitsplätze nachhaltig gestalten Das Haus der Arbeitsfähigkeit
Gesunder Mensch im gesunden Unternehmen
Was trägt aus Psychiatrie- Erfahrenen Sicht zur Genesung bei.
24. Tagung psychiatrische Ethik: Schuften wir uns krank
Von Daniel André, Robin Stirnberg
Lebensqualität erhalten Wissenswertes zum Thema Alkohol
Das Hamburger Zentrum für Kinder und Jugendliche in Trauer e. V
Mögliche Themen für die Sozialarbeit im Fall Herr und Frau Huber
Die Balance finden mit Triple P
Wort des Lebens Februar 2011.
damit es gute Hilfs-Angebote für behinderte Frauen und Mädchen gibt?
mit Beispielen aus dem Fußballkreis Aachen
Mobile – Entlastungsangebote für pflegende Angehörige
gelebte Mitbestimmung in der Werkstätte
G. Gatterer Geriatriezentrum am Wienerwald
K&M 10 Gesellschaft für psychische und soziale Gesundheit.
Weisheiten und Erkenntnisse nicht für jeden, ...aber für alle anderen.
Jugend- und Drogenberatungsstelle Magdeburg
Pastorale Rahmenkonzeption Kindergarten - Gemeinde erLeben
Intensiv Betreutes Wohnen
Dr. Remi Stork Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V.
Quelle: „Wege aus dem Labyrinth der Demenz“
Perspektive Gemeinwesen? Prof. Dr. Albrecht Rohrmann
Steirische Akademie für Allgemeinmedizin Dr. Klaus Gstirner
Sabine Marschel DRK Kreisverband Naumburg / Nebra e.V.
Die Berufung der Gemeinde Teil 1
Wort des Lebens Feber 2011.
Vorbild – Selbstbild – Autorität
Offener Dialog: Wie geht das?.
Willkommen zum Seminar
1 Auf den nächsten Seiten wird unser Leistungskatalog, der individuelle Lösungen für alle Fragen rund um die Pflege, Betreuung und Unterstützung älterer.
Caritasverband für Stadt und Landkreis
Sexualisierte Gewalt an Mädchen und Frauen – Erfahrungen, Erfolge und Herausforderungen aus einer feministisch-parteilich arbeitenden Beratungsstelle Elisabeth.
ÖFS-Tagung 2014: Familienunternehmen – Unternehmen Familie.
Rede der Bundes-Ministerin
Ich pflege also bin ich… Praxiseinblick in die Situation pflegender Angehöriger DGKP Jürgen Bigler Ich bin daheim! Pflege- und Betreuungsnetzwerk.
Wer wir sind und was wir machen:.
Ein Aktivierungsprojekt der Drogenberatung e.V. Bielefeld
Soziale Arbeit an Schulen im Landkreis Bad Kreuznach
Vollzeitpflege.
Erziehungsvereinbarung
Nicht das Problem, sondern die Lösung: Pflege 50+ Die Stadt Senftenberg lädt alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ambulanten und stationären Pflege.
Familiengesundheitspflege aus Sicht der Caritas – Chancen und Herausforderungen Vortrag anlässlich des Absolvent/innentreffens Familiengesundheitspflege.
„Verlorene Eltern“ - Ein Blick auf die Kinder
„Frauen fragen Frauen“ Präsentation zum Forschungsprojekt
Im Intihaus Friedrichstr Berlin Tel.: / 60 Fax.:
Elternbefragung Krippe.
Altersarmut und ihre Folgen
„Und plötzlich sind sie Teenager…“ Modul 3: Die Rolle der getrennt lebenden Eltern.
Das Fach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde“ stellt sich vor
FAMILIENKOMPETENZ STÄRKEN ZU ERZIEHUNGSVERANTWORTUNG BEFÄHIGEN, ENTWICKLUNG FÖRDERN. ELTERN UND KINDER IM BLICK Elisabeth Schmutz Institut für Sozialpädagogische.
Landeshauptstadt München Sozialreferat Amt für Soziale Sicherung Hilfen im Alter, bei Pflege und Betreuung Dipl. Soz.Gerontologe David Stoll Seite.
Psychosoziale Aspekte in der Palliativmedizin Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin am Klinikum der Ludwig Maximilians Universität München -
Caritas - Familienservice... der Partner für Ihr Unternehmen! Damit im Beruf und zu Hause alles klar geht!
DepressionDepression BurnoutBurnout AngstAngst PatchworkPatchwork AbhängigkeitAbhängigkeit LebenskrisenLebenskrisen StressStress MobbingMobbing TrauerTrauer.
Psychologische und psychotherapeutische Behandlung bei Krebs Birgit Hladschik-Kermer Univ. Ass.,Mag.phil., Dr.rer.nat. Klinische und Gesundheitspsychologin/
1 Zielgerichteter Umbau zur Zukunftssicherung Kirchliche Sozialstation Nördlicher Breisgau e.V.
Folie 1 Kulturelle Vielfalt: eine ethische Reflexion Peter Schaber (Universität Zürich)
Opfer-Notruf Wohin nach Straftaten am Arbeitsplatz?
1 | | MGH | KREML Kulturhaus | Hahnstätten Wo Menschen aller Generationen sich begegnen.
Zur Situation der Älteren Demografische Entwicklung Zunahme der Lebenserwartung Steigender Anteil Älterer an der Gesamtbevölkerung Zunahme der betreuungs-
 Präsentation transkript:

4. FSW-ExpertInnen Forum Autonomie und Betreuungsbedarf 17 4. FSW-ExpertInnen Forum Autonomie und Betreuungsbedarf 17. November 2009 – Albert Schweitzer Haus, Wien Balance zwischen Autonomie und Unterstützung Psychosoziale Beratung von betreuenden und pflegenden Angehörigen Sigrid Boschert, Caritas der ED Wien Mobile Dienste, Psychosoziale Angehörigenberatung

Zum Begriff psychosoziale Beratung „Psychosoziale Beratung bezeichnet ein professionelles … Handeln, das Orientierungshilfe bei der Klärung individueller Probleme bietet, die aus sozialen Anforderungen entstehen und den persönlichen, intimen Bereich der Person betreffen und irritieren“. Vgl. Großmaß, R., in: Nestmann, F. et al. (Hrsg.), Bd. 1, Tübingen, 2004, S. 100. Psychosoziale Beratung ist primär Prozessberatung. Es findet aber auch Fachberatung (Bsp. Demenz) statt und es werden weiterführende Informationen und Auskünfte gegeben über finanzielle Hilfen, div. Dienste, Selbsthilfegruppen, Einrichtungen usw. Hierbei wird trägerübergreifend gearbeitet! Im „Handbuch der Beratung“ findet sich keine Definition für die Beratung, da es die Beratung nicht gibt. Beratung = informell, fachlich, psychologisch, sozial, pädagogisch, psychosozial usw. Professionelle Beratung kann theoretisch unterschieden werden in Prozessberatung und Experten- bzw. Fach-beratung. In der Beratungspraxis = Trennung nur schwer möglich, da - je nach individueller Problemlage - auch in einer psychosozialen Beratung weiterführende Informationen/ Auskünfte gegeben werden. Vgl. Nestmann, F. et al. (Hrsg.), Bd. 1, Tübingen, 2004.

Dimensionen psychosozialer Beratung Familiäre Situation Psychische Situation Soziale / ökonom. Situation Krankheits- Situation Ressourcen: persönlich, familiär, biografisch, sozial, ökonomisch

Psychosoziale Angehörigenberatung der Caritas Wien Bis 2009: 1 Mitarbeiterin (20 Wochenstunden) Seit 2009: Zwei Mitarbeiterinnen: Sozial- u. Lebensberaterin (20 Wochenstunden) Psychologin (30 Wochenstunden)

Psychosoziale Angehörigenberatung der Caritas Wien - kostenlos - Persönliche Beratung je nach Bedarf zuhause, im Büro der Caritas etc. auch Langzeitbegleitung Hausbesuche nur in Wien Jeden Mittwoch 10 – 13 Uhr „Angehörigentelefon“ - auf Wunsch auch anonym – Trauerberatung/-begleitung Gesprächsgruppe für Ange- hörige von Demenzkranken seit Okt. 2006

Das Spezielle der psychosozialen Angehörigenberatung Primär psychisch Gesunde, die außergewöhnlichen Belastungen ausgesetzt sind, die sie aktuell nicht bewältigen können Kann Raum schaffen, um sich der eigenen Pflegesituation bewusst zu werden – ohne Entscheidungsdruck und Entscheidungszwang Das Spannungsfeld „Sorge zu tragen und eigene Bedürfnisse“ zu thematisieren kann entlastend wirken Bei Demenz ist das Wohlbefinden der kranken Person sehr eng mit dem der betreuenden Person verflochten. Hier ist wichtig, die Sorge um den Kranken mit der Sorge um sich selbst zu ver-knüpfen. Das eine ist ohne das andere langfristig nicht möglich

Furcht vor professioneller Bevormundung und Autonomieverlust Motto: Hilfe ja, aber keine Bevormundung, keine Eingriffe von außen! Furcht vor professioneller Bevormundung ist groß, so dass die Berücksichtigung der Autonomie ein wichtiger Faktor für eine gelingende Beratung darstellt Notwendig hierbei ist ein reflektierter Umgang, damit es nicht zur Überforderung der Betroffenen kommt. Je nach Schwere der Krise und Eile des Anliegens muss zwischen den Polen „Hilfe zur Selbsthilfe“ und „Expertentum“ gewählt werden, ohne die Autonomiebedürfnisse aus den Augen zu verlieren

Balanceakte der Angehörigen und der Beraterin … Vorstellung der Fallgeschichte Frau K., die aufzeigt, warum gerade alten EhepartnerInnen wenig Hilfe von außen holen. Frau K., 77 Jahre, pflegt und betreut ihren 82jährigen Ehemann nach mehreren Schlaganfällen sowie Parkinson mit Parkinson- Demenz … Bei dieser Beratung wird deutlich, wie entscheidend es ist, die Angehörige bestimmen zu lassen, WIE sie die Betreuung gestalten will, um begleitend „an ihrer Seite zu stehen“. Gleichzeitig hat die Beraterin zu akzeptieren, dass für Frau K. das Wichtigste ist, eine „gute Ehefrau“ zu sein, die Ehebeziehung so gut es geht zu pflegen und aufrecht zu erhalten und sie zu schützen

Es gibt für Angehörige viel auszubalancieren ähnlich einem Mobilé … BALANCEN zwischen den eigenen psychosozialen und ökonomischen Bedürfnissen wie Erwerbsarbeit, Teilnahme am sozialen Leben, Freizeitinteres-sen, eigene Partnerschaft, Kinder etc. den entsprechendenBedürfnissen der kranken bzw. pflegebedürfti-gen Person

(mit einem kleinen Fallbeispiel zur Verdeutlichung) (Ehe)PartnerInnen v. Demenzkranken vgl. Franke, Luitgard: Demenz in der Ehe, 2006. Bei der PartnerInnenpflege steht im Gegensatz zur Elternpflege die Beziehung immer im Mittelpunkt aller Entscheidungen Im Zentrum steht das Bemühen, die Paarbeziehung zu retten Demenz ist auch als Krise der Ehe verstehen In der Beratung nicht nur die Einzelperson sehen, sondern die Paarbeziehung und –dynamik, Beziehungsfragen immer im Blick haben Ziel ist, die Paar- und die Pflegebeziehung wahrzunehmen und unterscheiden zu lernen. Auch herauszuarbeiten, wo Aspekte der Ehebeziehung noch gelebt werden können und in welchen Bereichen dagegen die Pflegebeziehung im Vordergrund steht (mit einem kleinen Fallbeispiel zur Verdeutlichung)

Die Balance zwischen Autonomie und Unterstützung gilt auch für Beraterinnen Langzeitbegleitungen in der Angehörigenberatung (anhand eines kleinen Fallbeispiels) Bei sehr alten Menschen wird eine Angehörigenberatung oftmals zu einer kontinuierlichen Begleitung der betreffenden Menschen. Die Beraterin wird Ansprechpartnerin für die kleinen und größeren Ent-scheidungen des Alltags. Sie behält eine fürsorglich abwartende Haltung, lässt kleinste Schritte zu, steht zur Verfügung, wenn sie oder er Hilfe benötigt. Dies gibt den alten Menschen Sicherheit und belässt ihnen ihre Würde. So wird eine Beraterin Teil eines oft sehr kleinen sozialen Netzes.

Schlussbetrachtungen Betreuung und Pflege durch Angehörige ist nicht nur eine private Angelegenheit, sondern eine Beziehungsform und Arbeitsleistung, die durch noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit und Aktionen Unterstützung erfahren sollte. Neben direkten Angeboten für Angehörige wäre auch eine systematische Berücksichtigung der Angehörigenperspektive im ganzen Gesundheits- und Sozialsektor in konzeptionellen, organisatorischen und institutionellen Rahmenbedingungen wichtig, wenn wir die Ängste vor Autonomieverlust und Bevormundung innerhalb formeller Systeme ernst nehmen.

Schlussbetrachtungen Um den extremen Überforderungen der pflegenden Angehörigen zu begegnen, sind alle EntscheidungsträgerInnen aus Politik und Gesellschaft aufgerufen, dringend mehr Entlastungs- und Unter-stützungsangebote zu schaffen bzw. zu finanzieren Es benötigt eine Vielfalt flexibler und kostengünstiger alltags-praktischer Unterstützung und Entlastung, wie leistbare stunden-weise Betreuung, auch mal für einen Tag, ein Wochenende, mehr Beratung von der psychosozialen Angehörigenberatung bis hin zur individuellen Pflegeberatung. Auch Angebote für die Vereinbarkeit von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit sind dringend erforderlich

Das Balancieren bleibt zwar, aber die Ab- stürze aus großer Höhe können „niederschwelliger“ verhindert werden …

4. FSW-ExpertInnen Forum Autonomie und Betreuungsbedarf 17 4. FSW-ExpertInnen Forum Autonomie und Betreuungsbedarf 17. November 2009 – Albert Schweitzer Haus, Wien Mag.a (FH) Sigrid Boschert Caritas der Erzdiözese Wien Albrechtskreithgasse 19-21 1160 Wien Tel.: 01/87812-353, mobil: 0664 / 534 25 45 EMail: sigrid.boschert@caritas-wien.at www.caritas-wien.at

Auszug aus der Statistik 2008 psychosoziale Angehörigenberatung 2008 (eine Beraterin, 20 Wochenstd.) wurden 125 Angehörige beraten (105 Frauen, 20 Männer (16 %). 44 % der Beratenen waren unter 60 Jahren, 43 % im Alter zw. 60 und 80 Jahren und 13 % gehörten der Altersgruppe 80 Jahre und mehr an. 65 % aller beratenen Angehörigen waren Töchter (32 %) und (Ehe)PartnerInnen (28 % Frauen und 5 % Männer). Trauer nach dem Tod einer gepflegten Person nimmt mittlerweile ca. 15 % der Beratungen ein.