Gastprofessor Dr. Árpád v. Klimó Katholische Kirche und Katholiken: Österreich im europäischen Kontext (19. und 20. Jahrhundert)
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext ● Rückblick auf den 2. Mail 2007: ● 4. Kapitel: Vom Ersten Weltkrieg bis 1939 ● Erster Weltkrieg als katholisches Dilemma ● Friedensbotschaften Benedikts XV. - “Kriegstheologie” in kriegführenden Ländern ● 1918: Kein Frieden, sondern Waffenstillstand ● Revolution und Republik 1918/19 ● Österreich: Kirche arrangiert sich mit Republik
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext ● heute: ● Zwischenkriegszeit: Stabilisierung und neue Kulturkämpfe ● Lateranverträge 1929: Ende der “römischen Frage” - Anfang der schwierigen Beziehung zum Faschismus ● Ständestaat Österreich – katholisches Ideal?
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext ● Zwischenkriegszeit: Stabilisierung und neue Kulturkämpfe ● Europäischer Überblick Starker politischer Katholizismus: Belgien, Luxemburg, Schweiz / Österreich, Deutschland: demokratische Tendenzen neben monarchischen antisozialistisch, antibolschewistisch, antirevolutionär (Sowjetrußland, Mexiko als Schreckensvisionen) Katholischer Nationalismus: Polen, Kroatien, Ungarn, Spanien, Portugal, schon seit 1920 autoritär
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext ● Zwischenkriegszeit: Stabilisierung und neue Kulturkämpfe ● Grundfragen/probleme: Verhältnis Katholizismus – Demokratie Haltung zu autoritären oder diktatorischen Regimen Papst Pius XI. ( ): Friedensbemühungen, Konkordate, Katholische Aktion Indifferenz gegenüber Staatsformen, kein Vertrauen in selbständiges Laienengagement (Bsp. Italien) Charles Taylor: Kirche bis 1945 – auch Zwang und Gewalt zur Durchsetzung des Glaubens
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext ● Zwischenkriegszeit: Stabilisierung und neue Kulturkämpfe ● Stabilisierung demokratischer Systeme ● Weimarer Republik: Zentrum und Laienbewegungen übernehmen Verantwortung ● Reichskanzler Erzberger (ermordet 1921), J. Wirth ( ); W. Marx ( , 26-28); Brüning ( ), v. Papen (1932, dann ausgetreten aus Zentrum) ● „klerikale Multifunktionäre“ (Weichlein) verlieren an Einfluss / Berufständische Vertreter stärker (Bauern/Kleinbgtm.) ● Prälat Ludwig Kaas ( ) erst ab 1928 Parteivorsitzender (zuvor im Reichstag, dann: Völkerbund)
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext ● Zwischenkriegszeit: Stabilisierung und neue Kulturkämpfe ● Stabilisierung demokratischer Systeme ● Aktive Teilnahme an Parlamentarismus, aber „fortress mentality“ (Martin Conway, Oxford) im Milieu ● Fortsetzung „Kriegstheologie“: Weltkrieg als Beweis für Bösartigkeit der modernen Welt ● Dagegen: Kirche und Glauben als „Bollwerk“, „Festung“, Klerus/Laien als „Soldaten Christi“
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext ● Zwischenkriegszeit: Stabilisierung und neue Kulturkämpfe Österreich: nur kurzzeitige „Akkomodation“ der Kirche mit Republik (Weinzierl) Ignaz Seipel: Kirche geht es um „Halten von Bastionen“ nach dem Untergang der Monarchie, Gefahr durch Sozialdemokratie Glöckel-Erlaß : Beaufsichtigung der gemeinsamen religiösen Übungen der Schüler durch Lehrer aufgehoben
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext ● Zwischenkriegszeit: Stabilisierung und neue Kulturkämpfe Österreich: Seit Bruch der christlichsozial-sozialdemokratischen Koalition 1920 Radikalisierung der antiklerikalen Agitation Parallel dazu: Katholizismus verstärkt Abwehrkampf- Rhetorik Bischof Gföllner: Gebet gegen „die satanische Blutherrschaft und den Gotteshaß in Rußland“ (1926)
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext ● Zwischenkriegszeit: Stabilisierung und neue Kulturkämpfe Österreich: ● neuer “Kulturkampf“: Warnung Seipels 1922 Streitpunkte: Schule, Zivilehe / „Dispensehe“ (nö. Landeshptm. Sever/SDAP) (= „Konkubinat“ Rudigier/Gföllner), Familie, Abtreibung, moderne Kultur, „rotes Wien“ Problem: Frustration über Koalitionsregierungen (Christlichsoziale und Deutschnationale): in Kultusfragen Blockade Hintergrund: wirtschaftliche, soziale Probleme Österreichs (Hyperinflation, Agrarkrise, verschärfte Klassenkämpfe, Weltwirtschaftskrise) > Radikalisierung Mittelschichten - Arbeiterschaft
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext ● Zwischenkriegszeit: Stabilisierung und neue Kulturkämpfe ● Militarisierung der Jugendbewegungen, Gewalt als Mittel der Politik (Heimwehren, Schutzbund usw.) ● Ab 1928: Katholische Aktion, in Deutschland/Österreich gegen Widerstand durchgesetzt: Klerikalisierung der Laienbewegungen ● Quadragesimo Anno 1931: Sozialpolitik, Korporatismus, „Ständestaat“ (bes. Italien, Portugal, Spanien) ● ab 1933 Entpolitisierung (Klerus aus Politik abgezogen)
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext ● Lateranverträge 1929: Ende der “römischen Frage” - Anfang der schwierigen Beziehung zum Faschismus ● Italien : Kirche ohne Vertrauen in liberales System Partito Popolare Don Luigi Sturzos nicht unterstützt Konkordatspolitik seit 1917: direkte Verbindung Vatikan – Staat Ziel: Rechtssicherheit und Unabhängigkeit der Kirche, direkter Zugriff auf Kirche (CIC)/Laienverbände (Katholische Aktion) Furcht vor Bürgerkrieg/”biennio rosso” (1919/20) “nero” (1921/22)
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext Lateranverträge 1929: Ende der “römischen Frage” - Anfang der schwierigen Beziehung zum Faschismus Verhandlungen seit 1923 (zuvor unter liberaler Ägide): besonders Mussolini interessiert, Gespräch mit Kardinalstaatssekr. Gasparri, Pius XI. zurückhaltend, Kampagne zur „Hebung der Moral“ Ab 1926 zunächst Konflikt (Ballila-Gesetz), dann ernsthafte Verhandlungen, Vorschlag Mussolini, Abschluss 6. Juni 1929 Lateran-Verträge größter Erfolg Mussolinis im In- und Ausland Triumph auch der Kirche
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext ● Lateranverträge 1929: Ende der “römischen Frage” - Anfang der schwierigen Beziehung zum Faschismus ● Lateranverträge von 1929 Kirchenstaat völkerrechtlich anerkannt, finanziell saniert Katholizismus als Staatsreligion, Religionsunterricht wieder eingeführt Entpolitisierung des Katholizismus, Azione Cattolica nur innerhalb der Gemeinden Bischöfe: ernannt mit Einwilligung des Staates, Treueeid auf Staat Kirchliche Ehe der Zivilehe gleichgestellt (zuvor nur Zivilehe)
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext Lateranverträge 1929: Ende der “römischen Frage” - Anfang der schwierigen Beziehung zum Faschismus Folgen: Weiterhin Konflikte zwischen Kirche und Staat, besonders seit Krieg (1936) Konkurrenz um Jugend Gegen „totalitären Anspruch“ des faschistischen Staates Aber auch: autoritäre Tendenzen innerhalb des Katholizismus stärker: Enz. Quadragesimo Anno [nach: Rerum Novarum 1891] – berufsständische Gliederung von Gesellschaft und Politik statt Klassenkampf und Parteienstreit – Estado Novo in Portugal (1933), österreichischer Ständestaat ( )
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext Ständestaat Österreich – katholisches Ideal? Konkordat am Beginn des „Ständestaates“ ● Verhandlungen über Konkordat (Abschluß Juni 1933), ratifiziert nach Ausschaltung Parlament 1933 / Bürgerkrieg 1934 ● Dollfuß: ● Anbindung an Vatikan u. Italien gegen ns. Deutschland (Romreise Karwoche 1933) ● Österreich als „Bollwerk des deutschen Katholizismus” / Verbitterung öst. Protestanten
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext Ständestaat Österreich – katholisches Ideal? “Austrofaschismus“? “Imitationsfaschismus” (Kriechbaumer)? tm
Katholiken: Österreich im europäischen Kontext ● Ständestaat Österreich – katholisches Ideal? ● Zentrale Rolle der Kirche oder Kirche für politische Zwecke mißbraucht? Fehlende Massenbasis der Eliten Gemeinsame Feindschaft gegen Sozialismus, NS Betonung des „christlichen“ Charakters / Verf „Im Namen Gottes“ “Ständestaat”: katholisch-konservative Ideologie Abgrenzung gegenüber “totalitärem Faschismus” / kein Monopol staatlicher Institutionen Kirche: bei Fronleichnamszug dominierend (VF- Veranstaltungen wirkten dagegen künstlich), Katholische Verbände bis 1938 selbständig