Arzt-Patienten-Beziehung und Arzt-Patienten-Gespräch

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 Präsentation transkript:

Arzt-Patienten-Beziehung und Arzt-Patienten-Gespräch Kai Vogeley vogeley@uni-bonn.de www.meb.uni-bonn.de/psychiatrie/bildgebung Homepage der Arbeitsgruppe Homepage der Abteilung für Medizinische Psychologie, hier sind Lehrmaterialien abgelegt

Arzt-Patienten-Beziehung und Arzt-Patienten-Gespräch Arztrolle und Patientenrolle Arzt-Patienten-Gespräch Funktion des ärztlichen Gesprächs, Fragetypen, Gesprächs-, Interviewformen Gesundheits- und Krankheitsverhalten Krankheitsmodelle, Prävention, Coping, Compliance Zusammenfassung

Arzt-Patienten-Beziehung Asymmetrische Beziehung Soziale Distanz Iatrogene Fixierung Übertragung / Gegenübertragung

Arzt-Patienten-Beziehung Asymmetrie Verbale Asymmetrie Sprachcode Soziale Asymmetrie Bildungsstand, Wohlstand Situative Asymmetrie Raumsituation, Gesprächsführung, Berufskleidung

Arzt-Patienten-Beziehung Iatrogene Fixierung Ärztliche Führung - Arzt/Ärztin führt Gespräch und Untersuchung - Arzt/Ärztin hat Kompetenzvorsprung Patientenautonomie - Patient/in delegiert Verantwortung (Lebensführung bzgl. Risikofaktoren)

Arzt-Patienten-Beziehung Übertragung und Gegenübertragung Unverarbeitete affektive Einstellungen zu Schlüsselfiguren der eigenen Entwicklung werden vom Patienten auf den Arzt übertragen ("projiziert"). Gegenübertragung Evtl. Reaktion des Arztes auf die Übertragung durch den Patienten (z.B. Ablehnung, Beschützung etc.) Übertragung und Gegenübertragung in der Arzt-Patienten- Interaktion müssen erkannt und möglichst kontrolliert werden. Selbsterfahrungs- bzw. Balint-Gruppen können dafür ein Hilfsmittel sein.

Rollenkonzept nach Parsons Arztrolle Rollenkonzept nach Parsons Affektive Neutralität Hilfeleistung für den Patienten unbeeinflußt von Affekten Uneingeschränkte Hilfsbereitschaft alle Patienten gleich behandeln (ungeachtet persönlicher Eigenarten, sozialer Position) Funktionelle Spezifität Gültigkeit der Arztrolle nur während Interaktion mit Kranken Altruismus / uneigennützige Einstellung Notlage des Patienten nicht zu eigenen Gunsten ausnutzen Technische bzw. fachliche Kompetenz

Patientenrolle Rollenverhalten Verantwortlichkeit Gesundheitssystem - Entbindung von üblichen Rollenverpflichtungen (Beruf, Familie) - Aufnahme der Rollenverpflichtungen bei erfolgreicher Behandlung Verantwortlichkeit - Keine Verantwortlichkeit für die Krankheitssituation - Verpflichtung, gesund werden zu wollen Gesundheitssystem - Patient sucht zunächst Rat im Laiensystem - Kontakt mit dem medizinischen Versorgungssystem - Symptome werden adäquat wahrgenommen und beschrieben - Kontakt zu und Kooperation mit medizinisch Fachkundigen

Arzt-Patienten-Gespräch Patientenwünsche

Arzt-Patienten-Gespräch Funktionen Vertrauensbasis zwischen Arzt und Patient Voraussetzung dafür, auch von persönlichen Details zu sprechen bzw. Voraussetzung für emotionalen Beistand. Aufklärung und Entlastung des Patienten Informationen über Ursachen, prognostische Erwartungen und therapeutische Möglichkeiten Errichtung eines Arbeitsbündnisses Patient soll sich als Partner des Arztes fühlen. Dies wirkt sich meist günstig auf den Behandlungserfolg aus. Informationsgewinnung für den Arzt

Arzt-Patienten-Gespräch Fragetechniken Offene Fragen „Wie geht es Ihnen?“ „Was können wir für Sie tun?“ Geschlossene Fragen „Seit wann genau haben Sie die Kopfschmerzen?“ „Traten die Kopfschmerzen plötzlich auf?“ Sondierungsfragen „Haben Sie noch andere Beschwerden, z.B. Bewegungseinschränkungen?“ Suggestivfragen „Geht es Ihnen immer noch nicht besser?“

Arzt-Patienten-Gespräch Formen des Gesprächs Nicht-direktives Gespräch Verwendung offener Fragen Patient kann Art und Inhalt des Gespräches mitbestimmen Direktives Gespräch Detailfragen Arzt bemüht sich um relevante Informationen Suggestive Gesprächsführung Ratschläge, Ermunterung, Überreden, Verharmlosen, Ignorieren

Arzt-Patienten-Gespräch Interview/Befragung Interview mündlich/persönlich Befragung schriftlich/standardisiert Anamneseerhebung und Exploration

Verhaltens- und Selbstbeobachtung Selbstbeurteilung (Introspektion) verbale Mitteilung Beurteilung über Fragebögen Fremdbeurteilung (Verhaltensbeobachtung) teilnehmende Beobachtung nicht teilnehmende Beobachtung

Psychologische Testverfahren Leistungstests Kognitive (Teil-)Leistungen (z.B. Intelligenz, Arbeitsgedächtnis, Konzentration) Persönlichkeitstests Persönlichkeitsfragebögen projektive Tests

Arzt-Patienten-Gespräch Typen ärztlicher Führung Arzt-Patienten-Kooperation - Regelfall bei einwilligungsfähigen Patienten (z.B. Medikamenteneinnahme bei akuter Erkrankung) - arbeitsteilige Partnerschaft bei chronischen Erkrankungen (z.B. Diabetes mellitus) Uneingeschränkte ärztliche Führung - akute Erkrankungen - fehlender Realitätsbezug - eingeschränkte Einwilligungsfähigkeit

Arzt-Patienten-Gespräch Grundregeln Zuhören können Patient und dessen Problem stehen im Mittelpunkt Sicheres Auftreten vermittelt Kompetenz Kooperation mit Ko-Therapeuten (z.B. andere Berufsgruppen, Angehörige)

„Gesundheit“ Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert als vollkommenes physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden.

Krankheitsmodelle Biomedizinisches Modell Psychoanalytisches Modell Krankheit ist Ausdruck bzw. Folge pathologischer Struktur- bzw. Funktionsveränderungen des Organismus Psychoanalytisches Modell Krankheit ist Ausdruck intrapsychischer Konflikte und daraus folgender Abwehrmechanismen Lerntheoretisches Modell Krankheit ist Ausdruck erlernter Verhaltensweisen (Modell-Lernen, operantes Konditionieren) Soziologisches Modell Krankheit ist Ausdruck sozialer Faktoren (z.B. soziale Schicht, Migration, Rollenerwartungen, gesellschaftlicher Benachteiligung)

Gesundheits- und Krankheitsverhalten Prävention (primär, sekundär, tertiär) Prävention ist die Verhütung von Krankheit bzw. die Aufrechterhaltung der Gesundheit. Die primäre Prävention soll das Auftreten der Erkrankung verhindern Die sekundäre Prävention richtet sich gegen Weiter- entwicklung und Chronifizierung einer bestehenden Erkrankung Die tertiäre Prävention hat das Ziel, Folgeschäden chronischer Erkrankungen zu reduzieren (Rehabilition) (Caplan 1964) 

Gesundheits- und Krankheitsverhalten Prävention (universell, selektiv, indikativ) Prävention ist die Verhütung von Krankheit bzw. die Aufrechterhaltung der Gesundheit. Die universale Prävention richtet sich auf alle Personen einer Grundgesamtheit Die selektive Prävention richtet sich auf (noch) nicht erkrankte Personen mit höherem Risikoprofil („Risikopersonen“) einer Grundgesamtheit Die indikative Prävention richtet sich auf Früh- und Vorstadien einer Erkrankung bzw. prodromal Erkrankte einer Grundgesamtheit (Gordon 1983; Mrazek & Haggerty 1994)

Gesundheits- und Krankheitsverhalten Prävention (Health Belief Modell) Die Bereitschaft präventive Maßnahmen einzuhalten, hängt nach dem Health-Belief-Modell von folgenden Faktoren ab: Einschätzung der eigenen Anfälligkeit für eine Krankheit Wahrgenommene Gefährlichkeit der Erkrankung Glauben an Effektivität und Nutzen präventiver Maßnahmen Kosten der präventiven Maßnahmen

Gesundheits- und Krankheitsverhalten Prävention (Health Belief Modell) Die Wahrscheinlichkeit, daß Raucher mit dem Rauchen aufhören, erhöht sich, wenn sie der Überzeugung sind, daß: auch sie durch Rauchen Krebs bekommen können Krebs schwer heilbar ist und häufig tödlich verläuft sie eine Krebsentstehung durch Beenden des Rauchens vermeiden können sie auch als Nichtraucher das Leben meistern können sind.

Gesundheits- und Krankheitsverhalten Coping-Strategien Informationssuche Der Patient konsultiert einen Arzt, um sich über die Behandlungsmöglichkeiten zu informieren direkte Aktionen (Handeln) Der Patient sucht Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe, um sich dort unterstützen zu lassen Aktionshemmung Der Patient zieht sich zurück (z.B. geht nicht mehr zur Arbeit, ißt wenig, geht weniger soziale Kontakte ein etc.) und spricht nicht über seine Krankheit Intrapsychische und kognitive Prozesse Der Patient ignoriert die Gefahr und lebt nach dem Motto: "Ich war schon immer ein Glückskind und die Krankheit wird verschwinden".

Gesundheits- und Krankheitsverhalten Krankheitsgewinn Vorteil oder Begünstigung, die durch Krankheit oder Krankheitsverhaltens erreicht wird Primärer Krankheitsgewinn ist die innere Entlastung durch die Krankheit im Sinne einer neurotischen Scheinlösung für einen bestehenden Konflikt. Sekundärer Krankheitsgewinn beschreibt Vorteile oder Vergünstigungen, die ein Kranker als Folge der Krankheit erhält. Krankheitsgewinn kann als (positiver oder negativer) Verstärker zu einer Wiederholung oder Chronifizierung der Erkrankung beitragen.

Gesundheits- und Krankheitsverhalten Gesundheitsberatung Förderung von Problembewußtsein Förderung von Motivation Förderung der Verhaltensänderung Förderung der Stabilisierung und Rückfallprophylaxe

Compliance Bereitschaft des Patienten, ärztliche Maßnahmen und Empfehlungen einzuhalten Förderlich Psychische Erkrankung Viele Krankheitssymptome Hohe Komplexität des Therapieplans Umfangreiche Verhaltensänderung notwendig Lange Behandlungsdauer Lange Wartezeit vor Arztkontakt Große Zeitspanne zwischen Überweisung und Arzttermin Schädlich Stabilität der Familie Krankheitsbedinge Leistungseinschränkung Überzeugungen des Patienten (health belief model) Individuelle Terminvereinbarung Überwachung des Patienten durch den Arzt möglich Zufriedenheit des Patienten mit medizinischer Betreuung Eingehen auf Erwartungen und Bedürfnisse des Patienten

Placeboeffekt Die Gabe von wirkstofffreien Präparaten führt zu therapeutischen Effekten. Ein Placebo-Präparat ist ein wirkstofffreies Präparat, das das gleiche Aussehen hat wie ein einen Wirkstoff enthaltendes Medikament. Der Placebo-Effekt beruht auf Hetero- und Autosuggestion. Ein Placebo kann auch Nebenwirkungen zeigen. Der Placeboeffekt hängt ab von der Suggestivität des Arztes, der Beeinflussbarkeit des Patienten und von der Art und der Schwere der Störung.

Zusammenfassung I Arzt-Patienten-Beziehung Arztrolle Patientenrolle Asymmetrie (sprachlich, sozial, situativ) Arztrolle Affektive Neutralität, Hilfsbereitschaft, Funktionelle Spezifität, Uneigennützigkeit, Kompetenz Patientenrolle Rollenverhalten, Eigenverantwortlichkeit, Kooperation Arzt-Patienten-Gespräch Funktionen: Beziehung (Vertrauen, Bündnis), Aufklärung, Information Gesprächsführung: „Zuhören“, Kompetenz, Kooperation

Zusammenfassung II Gesundheit Krankheitsmodelle Prävention Compliance Vollkommenes physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden Krankheitsmodelle Biomedizinisches, psychoanalytisches, lerntheoretisches, soziologisches Modell Prävention Verhütung von Krankheit bzw. Aufrechterhaltung der Gesundheit Health-Belief-Modell: eigene Krankheitsanfälligkeit, Gefährlichkeit der Erkrankung, Überzeugung des Nutzens präventiver Maßnahmen, Kosten der präventiven Maßnahmen Compliance Bereitschaft des Patienten, ärztliche Maßnahmen und Empfehlungen einzuhalten