Räumliche Orientierung in der menschlichen Wahrnehmung

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Räumliche Orientierung in der menschlichen Wahrnehmung

Übersicht Räumliche Orientierung der menschlichen Wahrnehmung im Zusammenhang mit GIS Was ist eigentlich Navigation - Wodurch wird die Navigation beeinflusst

Bedeutung für GIS (I) Motivation: Beispiel Aktuelle Wegbeschreibungen sind für menschliche Bedürfnisse der Wegfindung nicht ausreichend konzipiert. Was heißt das??? Routen-/Navigationsanweisungen bestehen nur aus Strecken-/Richtungsangaben z.b man beschreibt einen Weg. An der 3. Ampel links. Nav-Systeme kennen die Ampeln nicht. Lösung: Zusätzliche Orientierungspunkte (Landmarks) einfügen Beispiel

Bedeutung für GIS (II) Datenquellen: Potenzielle Landmark-Kandidaten können aus dem ATKIS Basis DLM (Objektartenkatalog) entnommen werden. Daraus Selektion von Objekten, die - die Route kreuzen - oder direkt benachbart zu ihr liegen und für Wiedererkennung der graph. Wegbeschreibung in der Realität dienlich sind. Objekte mit geogr. Namen können mit Textelementen beschriftet werden Beispiel

Bedeutung für GIS (III) Datenquellen: Zusätzlich können Gebäude aus dem ALK hinzugezogen werden. Möglichkeit der Selektion öffentlicher Gebäude, deren Funktion durch Schriftzusatz gegeben ist Beispiel

Wayfinding Erinnerung: Bedeutung für die Navigation Definition: Prozess des Entscheidens und Folgens einer Route zwischen Start und Ziel. Es ist eine gerichtete und motivierte Aktivität Arten des Wayfinding: - von bekanntem zu bekanntem Punkt - von bekanntem zu neuem Punkt - Erforschung

Wayfinding Kriterien zur Routenauswahl: Längster, kürzester Fußweg Wenigste Ampeln, wenigste Stop-Schilder Minimierung der Segmente in einer Route Maximale Ästhetik Schnellste Route Geringste Anstrengung

Cognitive Karte (I) Erinnerung: Bedeutung für die Navigation Definition: Bezeichnet das Wissen über Plätze, Stellen, Orte cognitives Kartieren: Schließt Regeln zum Wissen über räumliche Beziehungen zwischen diesen mit ein. Verwendung: menschliches Reisen

Cognitive Karte (II) Geometrische Komponenten des räumlichen Wissens: Punkte: Landmark als Organisationskonzept, Position des Landmark Linien: Linien als Grenzen (z.b. Gemeindegrenzen), Linien als Routen Flächen: Regionen, Nachbarschaften, Gemeinden Oberflächen: Physikalische Topographie, Neigung, Steigung, Höhe

Landmarks (I) Erinnerung: Bedeutung für die Navigation Definition (abstrakt): Sie sind bezeichnend in der physikalischen Umwelt Sie haben Schlüsselcharakteristiken, die sie in der Umgebung wiedererkennbar und merkbar machen Sie können in 3 Typen klassifiziert werden: visuelle, cognitive und strukturelle Landmarks

Landmarks (II) Landmark-Charakteristiken (Lynch): Einzigartigkeit, scharfer Kontrast zur Umgebung Bedeutung, von vielen Stellen sichtbar, signifikante Stellen weithin sichtbare Orientierungspunkte Landmark-Typen: Visuelle Landmarks Cognitive Landmarks Strukturelle Landmarks

Landmarks (III) Rolle der Landmarks: Es gibt verschiedene Konzepte: Organisationskonzept (Anker-, Referenzpunkte) Navigationskonzept (Werkzeug, Entscheidungspunkte)

Räumliche Exploration Definition: Erkunden räumlicher Darstellungen mit dem Ziel des Erlernens räumlicher Informationen, in der Umgebung selbst Stadientheorie (Piaget) aktives räumliches Lernen (Tu-Effekt) Bauen zum räumlichen Lernen (z.B. bei Blinden)

Objektwahrnehmung Definition Objekterkennung: Wahrnehmung von 3 dimensionalen Gegenständen Wahrnehmungsprozess komplexer Vorgang, läuft unbewusst und ohne Anstrengung ab Erklärungsansätze, wie Elemente wahrgenommen werden: 1. Gestaltungstheoretischer Erklärungsansatz 2. Algorithmischer Erklärungsansatz

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Fragen?

Wovon hängt die Navigation ab Navigation wird beeinflusst von der Umgebung, dem Geschlecht u. Alter, und dem nervlichen Mechanismus Landmarks Räumliche Exploration Objektwahrnehmung/-erkennung

Definition von Navigation Navigation wird definiert als Vorhandensein einer cognitiven Komponente, die auf „wayfinding“ zurückgeführt wird, und einer Motorkomponente (Fortbewegung) „wayfinding“ Cognitive Karten

Verschiedene Navigationssysteme

ATKIS Objektbereich: Siedlung Nr.: 2000 Objektgruppe: Baulich geprägte Fläche Nr.: 2100 Objektart: Heizwerk Nr.: 2133

Route mit Straßennamen, wegkreuzenden u. wegbegleitenden Objekten

Route mit zusätzlichen öffentlichen Gebäuden

Visuelle Landmarks Objekt ist hauptsächilch Landmark wegen seiner visuellen Charakteristik

Cognitive Landmarks Meistens unübliche oder prototypische Charakteristik, wichtiger Inhalt Bedeutung hebt sich hervor, meistens persönlich

Strukturelle Landmarks Wichtigkeit stammt von seiner Rolle oder Stelle in der Struktur des Raumes Sehr zugänglich und haben vielleicht eine prominente Stellung in der Umgebung

Einzigartigkeit, scharfer Kontrast zur Umgebung Macht die Landmark auffällig gegenüber seiner Umgebung

Bedeutung, von vielen Stellen sichtbar, Signifikante Stelle (I)

Bedeutung, von vielen Stellen sichtbar, Signifikante Stelle (II)

Weithin sichtbar Werden meistens benutzt um Skylines zu identifizieren, selten aber zur Navigation zur benutzt („Distanz-Landmarks“) Singapur Siebengebirge

Organisationskonzept (Ankerpunkte) Objekte, die eine höhere Stufe der Abstraktion darstellen, rerpräsentieren einen Anker Einkaufen Home Arbeit Home Arbeit Einkaufen

Organisationskonzept (Referenzpunkte) Ein Objekt dient als räumlicher Referenzpunkt („nahe bei“) Eigenschaften des Referenzpunktes können sein: Vertrautheit, visuelle Dominanz, kulturelle Bedeutung Beispiel: Das Beethoven Denkmal nahe dem Bonner Münster

Navigationswerkzeug Identifizierung Start-, Ziel- und Entscheidungspunkte Unterstützen die Erkenntnis über den Navigationsfortschritt Herstellung von Relationen (Landmark-Ziel, Landmark-Landmark) zur Orientierung Was passiert beim Fehlen von Erkennungszeichen?

Identifizierung von Start-, Ziel- und Entscheidungspunkten Startpunkt: Universität Entscheidungspunkt: Münsterplatz Zielpunkt: Bahnhof

Navigationsfortschritt In der Ebene: z. B. Kilometerzähler man kann daran erkennen, welche Strecke man schon zurückgelegt hat In der Vertikalen: z. B. Fahrstuhlanzeige man kann daran erkennen, in welchem Stockwerk man sich befindet (dient hier auch besonders als Entscheidungspunkt)

Relationen zur Orientierung Landmark-Landmark Relation: durch Kilometerangaben auf Schildern bis zum nächsten Landmark (z.b. Autobahnkreuze) Landmark-Ziel Relation: durch Kilometerangaben auf Schildern bis zum Zielort

Fehlen von Erkennungszeichen Es entsteht Orientierungslosigkeit, zum Beispiel ein Hochhaus mit gleichaussehenden Fluren, Irrgarten Beispiel: Viele Leute lieben es ein Irrgartenrätsel zu lösen, doch möchten nicht selber darin stehen Beispiel

Stadientheorie (Piaget) (I) Sensumotorisches Stadium (0-2 Jahre): Objekte existieren nur, wenn sie der direkten Wahrnehmung zugänglich sind präkonzeptionelles Stadium (2-4 Jahre): (anschauliches Denken) Objekte können klassifiziert, aber ähnliche nicht unterschieden werden, es kann nicht logisch gedacht werden intuitives Stadium (4-7 Jahre): Kind kann teilweise logisch schließen, orientiert sich aber vor allem an Wahrnehmung

Stadientheorie (Piaget) (II) Konkrete Operationen (7-11/12 Jahre): Umgehen mit Klassen,Serien, Zahlen; Wissen, das sich Mengen von Objekten nicht verändern, wenn sich nur ihre Form oder räumliche Anordnung verändert Vorrausetzungen zur Herausbildung von topogr. Vorstellungen: Wahl eines Blickwinkels und gewisser zeichnerischer Konventionen (z.B. Süden unten auf Blatt, Plan kann Gebäude senkrecht von oben darstellen) 2. Koordinatensystem => Gerade, Parallele, Winkel 3. Verkleinerung auf Maßstab => Ähnlichkeit, Proportionen

Tu-Effekt Wenn eine Person den selben Weg auf verschiedene Art zurücklegt, erlangt er unterschiedliches Wissen über den Weg Je selbständiger sie einen Weg bewältigt, desto besser ist die Wahrnehmung Beispiele: Rad-, Autofahrer erfahren mehr als beim Bus fahren Autofahrer lernen mehr Einzelheiten als Beifahrer Pendler kennen mehr Landmarken als „Neuangekommene“

Bauen zum räumlichen Lernen Drahtgittermodelle (Blinde): Dreiecke bilden, bei zwei vorgegebenen Seiten; Winkel, die eingeschlagen werden sollen, werden erlernt und in die reale Welt übertragen Magnetstücke: Eine abgegangene Route wird mit Magnetstücken erstellt, dies verstärkt das Wissen über die Route (Studie von Jacobsen)

Gestaltungstheoretischer Erklärungsansatz Eine Erscheinung in der Wahrnehmung weist als Ganzes andere Qualitäten auf, als dies seine Einzelteile tun würden Wahrnehmung eines Teils eines Reizmusters hängt also auch von der Wirkung, die von seinen anderen Teilen ausgeht, ab => 6 Gestaltungsregeln

Gestaltungsregeln 1. Gesetz der Nähe: Elemente eines Reizelementes, die nicht weit voneinander entfernt sind, werden mit großer Wahrscheinlichkeit als zusammengehörige Teile innerhalb eines Ganzen wahrgenommen

Gestaltungsregeln 2. Gesetz der Ähnlichkeit: Einander ähnlich sehende Elemente werden eher als zusammengehörig angesehen.

Gestaltungsregeln 3. Gesetz der Einfachheit: Reizelemente einer Abbildung werden meist so angeordnet, dass das Ergebnis eine möglichst einfache und einprägsame Reizkonfiguration ergibt Man sieht eher:

Gestaltungsregeln 4. Gesetz der fortgesetzt durchgehenden Linie: Punkte, die in einer geraden oder sanft geschwungenen Linie angeordnet sind, sind als aneinander zugehörig zu erkennen

Gestaltungsregeln 5. Gesetz der Geschlossenheit: Vor allem in geometr. Abbildungen; geschlossene Konturen werden eher als Figur wahrgenommen

Gestaltungsregeln 6. Gesetz des gemeinsamen Schicksals: Elemente einer Reizvorlage, die sich in gleiche Richtung bewegen, werden als eine Einheit erkannt

Algorithmischer Erklärungsansatz Das menschliche Wahrnehmungssystem scheint eine vom Blickwinkel unabhängige Objektpräsentation aus den gegebenen Reizbedingungen abzuleiten => Transformationsvorgang (nach Marr)

Transformationsvorgang 1. Rohskizze: Elementarmerkmale werden identifiziert; Konturen, Kanten, Flächen aufgrund ihrer Helligkeits- und Intensitätsunterschiede erkannt Ungeordnete Elementarmerkmale werden zueinander in Beziehung gesetzt Mit Hilfe der Gestaltungsgesetzte werden Globalstrukturen der Reizvorlage erstellt

Transformationsvorgang 2. 2,5-D-Skizze: Globale Flächen werden bezüglich ihrer räumlichen Tiefe und ihrer Orientierung in der Photographie verarbeitet => Es entstehen orientierte Flächen mit Richtungszuweisung

Transformationsvorgang 3. 3-D-Skizze: Die nun vorhandene Reizstruktur muss gezielt in eine von der Betrachterperspektive unabhängige Objektpräsentation umgewandelt werden Zur endgültigen Identifikation des einzelnen Gegenstandes vergleicht das visuelle System des Menschen die 3-D-Skizze mit den imGedächtnis gespeicherten Objektmodellen Findet eine Übereinstimmung statt, so wird das Objekt als solches erkannt Beispiel