Institut für Ethnomusiktherapie Mag. phil. Gerhard K. Tucek Das Spannungsfeld zwischen spirituellem und wissenschaftlichem Anspruch am Beispiel der Altorientalischen Musiktherapie Institut für Ethnomusiktherapie Mag. phil. Gerhard K. Tucek
Verbindung Mensch - Künste Anthropologische Erkenntnisse Weltweit keine musiklose Kultur Mythen Elest ... Hafiz... Phylogenese Entwicklung des Gehörs (erster und letzter Sinneseindruck)
Wiedererweckung der AM Phase 1: 1976 durch Oruc Güvenc in der Türkei Phase 2: Seit 1984: Projekt transkultureller & -religiöser Beziehungen Zugang zum Thema: Traditionell türkisch & als Sufimeister (Güvenc) Transkulturell, kulturwissenschaftlich & klinisch (Tucek)
Eigener Zugang zur AM Biographische Spuren: Die eigene Vision: Theologie - Psychologie - Träume - Kulturwissenschaften Die eigene Vision: Reintegration der drei anthropologisch grundgelegten menschlichen Bewußtsenskompetenzen (Wachbewußtsein, Schlaf, Trance) in europäisches Bildungs- & Gesundheitssystem mittels der schönen Künste Interkulturelle & -religiöse Friedensarbeit im Sinne der Erkenntnis des Eigenen im Spiegel des Anderen
Eigene Positionen zur AM Kulturwissenschaftler älteste schriftlich dokumentierte Musiktherapie historischer Ausdruck der arabisch - türkischen kulturellen Seele Klinischer Musiktherapeut Was bringt AM Patienten im Westen Wozu fremde Kulturtechnik Welche Tätigkeitsfelder Aufgabe: suchen schlüssiger antworten
Eigene Positionen zur AM Studiengangsleiter: Welches methodische Handwerkszeug brauchen Studierende heute Entwicklung (therapie)kultureller Mehrsprachigkeit Herausforderung: Suche nach schlüssigen Antworten Etablierung von: Ausbildungs & Trainingsprogrammen Klinischer Praxis & Forschung Historischer Forschung Sozialwissenschaftlicher Forschung
Darstellung & Reflexion einzelner Aspekte Aufgabe als Studiengangsleiter: Sorge tragen, daß AM nicht in Verruf kommt als: esoterische Heilslehre islamisches Missionswerk Umgang mit den Wurzeln der AM in der islamischen Mystik: Differenzierung zwischen möglichen Zugängen zur AM (Folie) Differenzierung zwischen therapeutischen Techniken und Haltungen
Historische Aspekte der AM: Zwei Anwendungsebenen Spitäler: Musiktherapie als medizinische Hilfsdisziplin seit 9. Jh in Krankenhäusern Konvente der Mystiker: „Therapie“ auf einer anderen Ebene: Musik als Vorgeschmack auf die Vereinigung mit Gott
Historische Aspekte der AM: Entwicklung unterschiedlicher Methoden Spitäler: Z.B. Riyazed: Stimme, Augen, Geruch, Magen, Tastsinn, Gehör Umsetzung: Liebevolle Gespräch, Poesie, Geschichtenerzähler, Gesang, Architektur, Blumenhaine, Musik, Düfte, Diäten, Gewänder Konvente der Mystiker: Musik, Poesie, Tanz, Fasten, Klausur (Halvet), Ritualgebet, Gottesgedenken (Dhikr), Meditation, Sozialdienst, Lehrgespräche (Sohbet)
Musik in der islamischen Mystik „Die Überwindung des menschlichen Unglücks gelingt nicht durch Wissenschaft, sondern durch die Schönheit der musikalischen Melodie und dem Zauber der Dichtung“ (Rumi) „Die Sprachen von Musik und Dichtung sind universell und bedürfen deshalb keiner Übersetzung; sie sind die Sprachen der Liebe“ (Rumi) Umsetzung als Prinzip der Musikpharmakologie
Makamzuordnungen
Grundidee Im Menschen besteht die Tendenz zu einer Allostase im psychischen und biologischen Apparat
Grundlegende Positionen hinsichtlich Musikwirkung historisch homöopathische Konzeption Idee: Übersteigerung eines vorhandenen Affektzustandes bis zur „Erleichterung“ und „Reinigung“ durch „Katharsis“ (historisch Aristoteles) allopathische Konzeption Idee: Entgegenwirken eines Affektzustandes um ihn aufzuheben, bzw. auszugleichen (historisch: Platon) Musik & Verändertes - Wach - Bewußtsein Musik stellt bei Schamanen einen wesentlichen Faktor im Heilungsprozeß dar. Hinzu kommt Trance
Musikalische Wirktheorien Pharmakologisch - Musikstruktur (rezeptive Musiktherapie) Psychodynamisch - Beziehungsgeschehen (produktive Musiktherapie) Verändertes Wachbewußtsein (VWB)
Wirkerleben von Musik Anthropologisch grundgelegte Ebene Ebene kultureller Prägung Ebene persönlicher Vorerfahrung
Praktisches Beispiel Arbeit in der Klinik mit Patienten nach schwerstem Schädel-Hirn-Trauma, auch filmisch dokumentiert
Sufipsychologie Das Gottesbild „Ich war ein verborgener Schatz und sehnte mich danach erkannt zu werden, deshalb schuf ich die Welt...“ „Tahwid“-Konzept der unteilbaren Einheit der Existenz (vahdet-i-vujud): Grundgedanke : la ilahe illallah: Es gibt keine Existenz außerhalb des göttlichen Seins westliche Perspektive : kybernetische Konzepte. Alles steht mit Allem in Verbindung und ist nur kontextmäßig zu erfassen
Sufipsychologie Das Menschenbild Mensch ist „Zeuge“ Gottes & Kreuzungspunkt zwischen Schöpfer & Schöpfung verbunden mit der Schöpfung - vergänglich verbunden mit dem Schöpfer - unvergänglich Mensch ist das Ziel der Schöpfung Der Mensch dient Gott als Spiegel durch den ER die Schöpfung betrachtet Somit ist er das Auge mit dem Gott die Schöpfung betrachtet (Urvertrag) Das menschliches Potential gilt als prinzipiell unbegrenzt Entwicklung hin zu „überbewußten“ Zuständen - Fana (Entwerden in Gott) & Baqa (Bleiben in Gott)
Sufipsychologie Der Mensch hat vereinigenden Charakter (Häßliche/Schöne, Wohltat/Übel, Gute/Schlechte) Das Potential des Menschen liegt in der Verpflichtung zur Vereinigung der Gegensätze Individuell und im Sinne des gesamten Menschheit Konsequenz: jeder Gedanke und jede Zivilisation hat ihre Berechtigung Aufgabe des Menschen: Erziehung der “nafs” (Triebseele) Metapher: "Polieren des Herzensspiegels“
Sufipsychologie Ridha Nafs - i - Kamila "Zufriedenheit"----------------------------------------------------"Vollkommene Nafs" Tawakkul Nafs - i - Mardiyiyya "Gottvertrauen------------------------------------------------"Erfüllende Nafs" Sabir Nafs - i - Radiyya "Geduld"----------------------------------------------"Erfüllte Nafs" Fakirlik Nafs - i - Mutmainna "Armut"--------------------------------------"Sichere Nafs" Zuhd Nafs - i -Mulhamma "Verzicht"---------------------------"Inspirierte Nafs" -------------------------------------------- Genital --------- Reife, Erwachsen Wara Nafs - i - Lawwama "Abstinenz"----------------"Anklagende Nafs" -------------------------Super Ego ------------ Phallisch ------ Jugend, Pubertät, Latenz, Lokomotor - Phallisch Tauba Nafs - i -Insani "Umkehr"----------"Menschliche Nafs"------------------------------------- Ego -------------------Anal ---------- Muskulär Anal Nafs - i - Haywani "Tierische Nafs"--------------------------------------------------- Id -------------------- Oral ---------- Oral - Sensorisch Nafs - i - Nebati "Pflanzliche Nafs" (nach Shafii, modifiziert von M. Özelsel)
Die Sicht auf Schmerz & Leid Sufipsychologie Die Sicht auf Schmerz & Leid Rumi: „Sufismus ist, Freude im Herzen zu Finden in den Zeiten des Schmerzes“ Schmerz & Leid nicht als Versagen oder Strafe gesehen, sondern als Teil des Lebens integriert „Wenn die Kerze nicht weint, kann die Flamme nicht lachen“ Urvertrag Mensch / Gott: elest... Bin ich nicht euer Herr? Bala... Ja! (bedeutet aber auch Heimsuchung und Kummer) Das Leiden des Menschen ist Beweis seiner Treue gegenüber dem Urvertrag
Sufipsychologie Einbringung eines transzendeten Aspektes bei gleichzeitiger Betonung der Eigenverantwortung Alle Heilmethoden basieren auf dem Gedanken, daß Gesundheit und Krankheit letztendlich vom Schöpfer selbst kommen am Ende steht die notwendige Erkenntnis, daß uns nicht das läutert, was man sich selber sucht, sondern es gilt, das anzunehmen, was einem auf dem Weg begegnet Konsequenz: Perspektivenwechsel
Sufipsychologie Der „Weg“ „Liebe“ Die Liebe zum Schöpfer zeigt sich als Fähigkeit zu bedingungsloser und allumfassender Annahme aller Geschöpfe „Liebe“ ist der Zustand in dem die Realität direkt wahrgenommen wird. In ihm erkennt man was wahr ist, und was tatsächlich zählt. In ihm steht man mit jedem Aspekt des Universums in Verbindung (O. Güvenc)
Historisch beschriebene Effekte: Sufipsychologie Historisch beschriebene Effekte: Auflösung alter Gefühle, Sichtweisen und Annahmen Öffnung intuitiver Wahrnehmung - die Bedingtheiten der materiellen Welt verlieren ihren zwingenden Einfluß
Übersetzungsbeispiel: Gemäß historischer Literatur: „rituelle Reinheit“ des Therapeuten während der Behandlung Fragestellung: Müssen Studierende: zum Islam konvertieren Rituelle Waschung vollführen rituelles Gebet vollziehen Zunächst Frage der therapeutischen Haltung, nicht der Methode Ausbildung lehrt Methoden, läßt Haltungen frei
Übersetzungsbeispiel: Symbolische Positionen im rituellen Gebet aufrechte Position materielle Manifestation Beugen Manifestation der unsichtbaren Welt Niederwerfung Vereinigung mit der Urgrund Gebet auch in klinischem Kontext zunehmend akzeptabel Traditionelle Haltungen werden besprochen, angewendete Methoden reflektiert und den Studierenden in die jeweils eigene Verantwortlichkeit zur Integration überantwortet.
Heutige Umsetzung Stichwort: Lebenskunst Grundparadigma: Leben als Gesamtkunstwerk: Idee der „guten Gestalt“. „Gänzlichung“ menschlichen Seins Entwicklung von Kohärenz Grundparadigma: Patient als Suchenden der eigenen Lebensgestalt wahrnehmen und ansprechen
Heutige Umsetzung Wiederherstellung biologischer und psychischer Rhythmen durch künstlerische Medien (Musik, Tanz, Poesie, Malerei etc.) Beispiel: Erkenntnisse aus der Chronobiologie Graz
Heutige Umsetzung Suche nach Sinn: Nach Innen gewandt: meditative Methoden Nach Außen gewandt: Interaktion; gemeinsames Erleben
Ebenen transkultureller Begegnung Divergente Voraussetzungen & Interessen von Studierenden Ebenen transkultureller Begegnung: Nominale: „Kreuzworträtsel lösen“ Projektive: Projektion von Wunschvorstellungen Kompetente: Wahrhabung des Gemeinsamen & Unterschiedlichen; Akkulturation: Kenntnis emischer / etischer Sichtweisen Authentische: Aufwachsen und Leben in der Kultur
Schwerpunktsetzung Suche nach Konsens in Ausbildungsschwerpunkten Historische türk./ arab. Tradition zwischen 8. - 18. Jhdt Integrativer Ansatz unter Bedachtnahme auf therapiekulturelle Sichtweisen von Patienten und Studenten (z.b. Dhikr bei Herzinfarktpatienten?) Ziel: Ausbildung kompetenter TherapeutInnen Voraussetzung: therapiekulturelle Mehrsprachigkeit
Kontakt: Institut für Ethnomusiktherapie A - 3924 Schloß Rosenau, Niederneustift 66 +43/2822/51248 +43/2822/512448 -4 http://www.ethnomusik.com/ Z. Hdn. Mag. phil.Gerhard K. Tucek