Übersetzung & Fiktion zweiter Teil:

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Übersetzung & Fiktion zweiter Teil: Internationalisierung als Rechtfertigung der Zentrale-Orte-Forschung in der Bundesrepublik Babel-crisis – Critique through translation? ICCG Frankfurt, 17.8 2011 Übersetzung als "Normalisierung" - Radeff / Nicolas / Kegler

? 3.1. Der historische Kontext 1965 Raumordnungsgesetz Georg Kluczka. Zentrale Orte und zentralörtliche Bereiche mittlerer und höherer Stufe in der Bundesrepublik Deutschland. Bonn-Bad Godesberg, 1970. 1965 Raumordnungsgesetz Die Förderung zentraler Orte wird zum kodifizierten Ziel bundesdeutscher Raumplanung Christaller, Walter (1933). Die zentralen Orte in Süddeutschland. Jena: Fischer, 1933. Babel-crisis – Critique through translation? ICCG Frankfurt, 17.8 2011 Übersetzung als "Normalisierung" - Radeff / Nicolas / Kegler

3.2. Genese einer "Legende" Rudolf Klöpper (Handwörterbuch der Raumforschung, 1966): "Obwohl [der Geograph Hans] Bobek bald nach Erscheinen des Christallerschen Werkes auf dieses aufmerksam gemacht hatte, beschäftigte man sich erst in der Nachkriegszeit – zunächst im Rahmen der Geographie, später in der Nationalökonomie – mit der Christallerschen Theorie." Rudolf Klöpper (1966). "Zentrale Orte und ihre Bereiche." In: Akademie für Raumforschung und Landesplanung Hannover (1966/19702). Handwörterbuch der Raumforschung und Raumordnung. 3 Bde. Hannover: Jänecke. Sp. 3851-3862. Hier: Sp. 3852. Günter Henritz (1979): "[Christallers Dissertation] fand in Deutschland zunächst kein großes Echo, wurde dann im angelsächsisch-skandinavischen Raum Sprachraum als ein großer theoretischer Wurf entdeckt und aufgegriffen und ist schließlich Mitte der Fünfziger Jahre auch in der deutschsprachigen Geographie voll zur Wirkung gekommen." Heinritz, Günter (1979). Zentralität und zentrale Orte. Eine Einführung. Stuttgart: Teubner. S. 13. Babel-crisis – Critique through translation? ICCG Frankfurt, 17.8 2011 Übersetzung als "Normalisierung" - Radeff / Nicolas / Kegler

3.3. verfälschte Erinnerung Gründe für die Ausblendung der Vergangenheit Peter Schöller (1972): "[...] Vielmehr hat Walter Christaller selbst seine wissenschaftliche Bestätigung in Deutschland eine Zeitlang erheblich behindert; zunächst durch wissenschaftlich gewiss lautere aber doch die politischen Konsequenzen verkennende Pläne zur Anwendung und Verwirklichung seines Systems zentraler Orte unter totalitären Staatsregimen und später durch mehrere wissenschaftlich recht gewaltsame Versuche zur Verifikation seiner Ergebnisse." Peter Schöller (1972). Zentralitätsforschung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. S. XI. Babel-crisis – Critique through translation? ICCG Frankfurt, 17.8 2011 Übersetzung als "Normalisierung" - Radeff / Nicolas / Kegler

3.3. verfälschte Erinnerung "Legendenbildung" der Akteure Walter Christaller (1968): "Die einen sagten: das ist ja viel zu abstrakt, zu theoretisch, das ist ja Nationalökonomie, das geht uns eigentlich gar nichts an. Die anderen sagten: das ist ja Geographie, mit der brauchen wir als Volkswirtschaftler uns nicht abzugeben. [...] Man lachte über meine Sechsecke [...] Als ich einmal die Zahlenreihe der Hierarchie der zentralen Orte, der Anzahl und der Abstände erläuterte, hörte ich einen der prominenten Geographen murmeln: das ist ja Zahlenmystik. "Der Durchbruch der Anerkennung kam eigentlich in Amerika [...] und in Schweden" Walter Christaller (1968). "Wie ich zur Theorie der zentralen Orte gekommen bin." In: Geographische Zeitschrift 56. 88-111. Hier S. 99. "Die deutsche Geographie hat sich mit der Theorie der zentralen Orte schwer getan. Es war kein sieghafter Durchbruch auf breiter Front, es war ein langer Prozess, der dem Außenseiter Anerkennung schuf." Karlheinz Hottes / Peter Schöller (1968). "Werk und Wirkung Walter Christallers." In: Geographische Zeitschrift 56. 81-87. Hier: S. 87. "Wie es manchmal solchen großen wissenschaftlichen Leistungen ergeht, so wurde auch Walter Christallers Theorie der Zentralen Orte – gemessen an ihrer Bedeutung – zu Anfang wenig beachtet und vielfach nicht verstanden ." Edwin von Böventer (1968). "Walter Christallers zentrale Orte und periphere Gebiete. Rückblick nach 35 Jahren – anlässlich des 75. Geburtstages von Walter Christaller." In: Geographische Zeitschrift 56. 103-111. Hier S. 102. Babel-crisis – Critique through translation? ICCG Frankfurt, 17.8 2011 Übersetzung als "Normalisierung" - Radeff / Nicolas / Kegler

3.4. transatlantischer Konsens Brian J. L. Berry, / Allan Pred (1961). Central Place Studies. A Biblio-graphy of Theory and Applications. Philadelphia, PA: Regional Science Research Institute Bibliography Series. Babel-crisis – Critique through translation? ICCG Frankfurt, 17.8 2011 Übersetzung als "Normalisierung" - Radeff / Nicolas / Kegler

Babel-crisis – Critique through translation. ICCG Frankfurt, 17 Babel-crisis – Critique through translation? ICCG Frankfurt, 17.8 2011 Übersetzung als "Normalisierung" - Radeff / Nicolas / Kegler

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3.4. transatlantischer Konsens "Korrektur" unbequemer Ergebnisse DIE DEUTSCHE VORLAGE "Der erste Blick auf die Karte der zentralen Einkaufsorte läßt erkennen, daß ein geometrisches Ordnungsschema der zentralen Orte entsprechend den Christallerschen Regeln nicht existiert. Entweder also ist das von Christaller seiner Theorie zugrunde gelegte Prinzip an sich nicht richtig oder wenigstens in der angewandten Form mit den Tatsachen in Widerspruch" Ernst Neef (1950). "Das Problem der zentralen Orte." In: Petermanns Geographische Mitteilungen 94 (1950). 6-17. DIE ENGLISCHE ZUSAMMENFASSUNG "A test in Saxony of Christaller's telephone method of measuring central place importance gives very poor results. Another method, using the number of persons employed in retail trade, proves to be an adaequate measure." Brian J.L. Berry / Allan Pred (1965²). Central Place Studies. A Bibliography of Theory and Applications. Philadelphia, PA: Regional Science Research Institute Bibliography Series. Supplement S. 9. Übersetzung? Babel-crisis – Critique through translation? ICCG Frankfurt, 17.8 2011 Übersetzung als "Normalisierung" - Radeff / Nicolas / Kegler

3.4. transatlantischer Konsens Transfer der Rezeptions-"Legende" Hubert Beguin (1992): "His [Christaller's] theory of central places remained largely unknown for several decades. Its significance was not discovered in geography and social sciences until a few years before Christallers death in 1969." Hubert Beguin (1992): "Christaller's central place postulates. A commentary." In: The annals of regional science 26. 209-229. Hier: S. 209. Arild Holt-Jensen (1999): "Although Christaller's thesis was accepted, his work was not appreciated during the 1930s […] In Kuhn's terminology, Christaller's attempt to explain the pattern and hierarchy of central places by a general theoretical model was not acceptable within the reigning paradigm. [...] Eventually Christaller gained a following, notably in North America and Sweden […] Central place theory had its first real application after the Second World War." Arild Holt-Jensen (1988²). Geography. History & Concepts. A Student's Guide. Los Angeles u.a.: Sage. S. 77. Babel-crisis – Critique through translation? ICCG Frankfurt, 17.8 2011 Übersetzung als "Normalisierung" - Radeff / Nicolas / Kegler

3.5. Fazit des zweiten Teils FAZIT: doppelte "Normalisierung" Mit der Internationalisierung und Übersetzung des Zentrale-Orte-Modells vollzieht sich zugleich eine interessengeleitete "Normalisierung" seiner Geschichte. Die Übersetzung des Modells der Zentrale-Orte-Theorie ist begleitet von einem Transfer von (unzutreffendem!) historischen Kontext- oder Orientierungswissen. Die internationale Aufnahme des des Zentrale-Orte-Modells zeigt, wie ein paradigmatischer Text durch ausschnitthafte Übersetzung gegen Kritik immunisiert werden konnte. Bessere und frühere Übersetzungen können helfen, derartige Fehler zu vermeiden. Kritik kann nicht durch Übersetzung, sondern nur durch die kritische Überprüfung fragwürdiger Inhalte erfolgen. Babel-crisis – Critique through translation? ICCG Frankfurt, 17.8 2011 Übersetzung als "Normalisierung" - Radeff / Nicolas / Kegler