Erfinderische Tätigkeit

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 Präsentation transkript:

Erfinderische Tätigkeit Patent- und Lizenzvertragsrecht II Frühjahrssemester 09 Dr. H. Laederach ©

Einleitung Die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen sich ein technischer Lösungsvorschlag im Sinne der Patentgesetze (hier EPUe, CH PatG) als „erfinderisch“ (EPUe) oder „nichtnaheliegend“ (CH) erweist, berührt die wohl zentralste Frage des Patentrechts.

Harmonisierungsaspekt Art. 138 EPUe gibt den nationalen Gerichten die Befugnis, Europäische Patente als nichtig zu erklären. Demzufolge sollte in Europa eine einheitliche Rechtssprechung vorliegen. Das ist (noch) nicht der Fall. Problematisch sind schon die unterschiedlichen Terminologien in den entsprechenden Gesetzestexten.

Gesetzliche Grundlagen Art. 56 EPUe Erfinderische Tätigkeit Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. .

Gesetzliche Grundlagen Zum terminologischen Vergleich: Art. 1 (2) CH-PatG Erfinderische Tätigkeit: Was sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Art. 7) ergibt, ist keine patentfähige Erfindung.

Stand der Technik Grundsätzlich gilt Art. 54 (2) EPUe Art. 56 EPUe Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinn des Artikels 54 Absatz 3, so werden diese bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

Gesetzliche Grundlagen Art. 54 (3) EPUe Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt der europäischen Patentanmeldungen in der ursprünglich eingereichten Fassung, deren Anmeldetag vor dem in Absatz 2 genannten Tag liegt und die erst an oder nach diesem Tag nach Artikel 93 veröffentlicht worden sind.

Gesetzliche Grundlagen Art. 54 (4) EPUe (nur für Anmeldungen bis 13.12.07) Absatz 3 ist nur insoweit anzuwenden, als ein für die spätere europäische Patentanmeldung benannter Vertragsstaat auch für die veröffentlichte frühere Anmeldung benannt worden ist.

Rechtsprechung EPA Urteile der Beschwerdekammer Harmonisierungsbestrebungen in Europa Ermittlungsmethode: Begriff ET im objektiven Sinn zu verstehen (es kommt nicht darauf an, wie schwierig die Erfindung für den Erfinder war, die vermutete Erfindung zu machen.

Rechtsprechung EPA Aufgabe – Lösungs- Ansatz (Problem Solution Approach) Ermittlung des nächstliegenden Standes der Technik Beurteilung der technischen Wirkungen/Er- gebnissen, die die „Erfindung“ gegenüber den nächstliegenden SdT liefert Bestimmung der technischen Aufgabe, deren Lösung diese(s) Wirkung/Ergebnis erzielt.

Rechtsprechung EPA Aufgabe – Lösungs- Ansatz (Problem Solution Approach) 4. Prüfen der Frage, ob die im Patentanspruch aufgeführten beanspruchten technischen Merkmale unter Berücksichtigung des SdT für einen Fachmann naheliegend gewesen wären.

Rechtsprechung EPA Nächstliegender SdT (NSdT): a) Lösung, die möglichst dem gleichen Zweck dient bzw. auf die gleiche Wirkung ausgerichtet ist wie die anspruchsgemässe Erfindung. (1. Wahl) b) Lösung, die die meisten Merkmale der anspruchsgemässen Erfindung enthält (2. Wahl) Kommen mehrere Dokumente als NSdT in Frage, so ist der Aufgabe- Lösungsansatz auf jedes von ihnen einzelnen anzuwenden.

Rechtsprechung EPA Objektivierte Aufgabe: -oft identisch der in der Patentanmeldung/PS formulierten Aufgabe. -Kann aber davon auch markant abweichen (z.B. wenn durch Anspruch nicht gelöst wird oder vom falschen SdT ausgehend oder rückblickend formuliert. Beachte: Diese neue Aufgabe ist nur zur Prüfung der ET verwendbar, nicht jedoch zur Auslegung der Ansprüche bei der Prüfung von Verletzungsfragen. Gemäss Art. 69(1) EPUe dient die (ganze) Beschreibung dazu.

Rechtsprechung EPA Objektivierte Aufgabe: Sie bestimmt bei der Prüfung der ET, ob ein Fachmann ein vorliegendes Dokument berücksichtigt hätte und nach was für Hinweisen er darin gesucht hätte.

Could-would-approach Die Erfindung wird nicht schon deswegen nahegelegt, weil der Fachmann sie hätte finden können (could), sondern erst dann, wenn er sie zur Lösung der gestellten Aufgabe aus der Sicht des Standes der Technik auch tatsächlich gefunden hätte (would). Zentrale Frage: Gab oder gibt es einen Anlass, eine Publikation aus dem SdT zu nutzen?

Bundesgerichtliche Sicht Das Bundesgericht hat zur Abklärung der ET im Sinne von Art. 1 Abs. 2 PatG zwei Leitsätze aufgestellt.

Leitsatz 1 Das Erfinderische i.S. von Art. 56 EPUe beginnt erst jenseits der Zone, die zwischen dem vorbekannten Stand der Technik und dem liegt, was der durchschnittlich gut ausgebildete Fachmann des einschlägigen Gebiets gestützt darauf mit seinem Wissen und seinen Fähigkeiten weiterentwickeln und finden kann.

Leitsatz 2 Entscheidend ist danach, ob ein solcher Fachmann nach all dem, was an Teillösungen und Einzelbeiträgen den Stand der Technik ausmacht, schon mit geringer geistiger Anstrengung auf die Lösung des Streitpatentes kommen kann oder ob es dazu eines zusätzlichen schöpferischen Aufwandes bedarf. Sic! 2003, 603 „AnschlaghalterII“

Der Fachmann Fiktive Person oder Team (bei interdisziplinären Erfindungen), der/das den gesamten Stand der Technik kennt durchschnittlich gut ausgebildet ist (kein „Professor“!)

Anzeichen für ET Technischer Fortschritt Befriedigung eines (lange) bestehenden Bedürfnisses Überwindung von Vorurteilen/grossen Problemen/vergeblichen Bemühungen der Fachwelt Langwierige Forschung Wirtschaftlicher Erfolg/Lizenznahme/Nachmachung oder Nachahmung