Modell einer neuen Medizinhaftung Von Heinz Barta, Innsbruck

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I. Ziele der Präsentation II. Was ist Mediation? III. Sedes materiae IV. Mediationszeitpunkt V. Beurteilung Marc SchibliNino Hafner2.
 Präsentation transkript:

Modell einer neuen Medizinhaftung Von Heinz Barta, Innsbruck 09.04.2017 09.04.2017 09.04.2017 09.04.2017 09.04.2017 ‚Kamingespräch‘ im Rahmen des Ethiklehrgangs Vorarlberg, Bildungshaus Batschuns, Freitag, 5.12.2014 Modell einer neuen Medizinhaftung Von Heinz Barta, Innsbruck Literatur: H. Barta, Medizinhaftung. Kann das historische Modell der gesetzlichen Unfallversicherung einer modernen Arzthaftung als Vorbild dienen? – Eine historisch-aktuelle Ideenskizze (1995) und weitere Artikel und Vorträge 1 1 1 1 1 1

‚Magisches Dreieck‘ und Behandlungsschaden 09.04.2017 ‚Magisches Dreieck‘ und Behandlungsschaden Gesellschaft: Finanzierbarkeit + Qualitätsförderung + Gerechtigkeit Medizin & Gesellschaft Einzelner & Gesellschaft Vertrauen Vertrauen Medizin: Faire Haftung Vertrauen Patient/in: Faire Entschädi- gungschance Arzt-Patient-Verhältnis Wir kennen das ‚Magische Dreieck‘ aus der Wirtschaftspolitik und deren wichtigste Zielsetzungen: Wirtschaftswachstum + Währungsstabilität + Vollbeschäftigung. Sie gleichzeitig zu erreichen, gilt als unmöglich! Frage: Gilt dasselbe für den Behandlungsschaden? – Oder lassen sich hier die einzelnen Zielsetzungen gemeinsam erreichen? Barta:Medizinrecht 2

Änderung der Arzthaftung? Welche medizinisch-gesellschaftlichen (Hinter)Gründe sprechen für eine Änderung der bestehenden Arzthaftung? Akzelerierte Technisierung und Medikalisierung der modernen Medizin Hochtechnologie: CT, Laparoskopie und -tomie, Endoskopie, Roboterchirurgie, Telemedizin etc Diese technische Entwicklung wird begleitet von immer komplexeren und verflochteneren Organisationsstrukturen und Behandlungsabläufen Kompartmentalisierung der modernen Medizin führt zu einer → Anonymisierung und Entpersönlichung der Arzt-Patient-Beziehung Dennoch: Verschuldenshaftung für Patienten/innen und Ärzte/innen/ KAn im Gegensatz zur Kfz-Haftung für Moped, Motorrad oder Auto → Gefährdungshaftung + unsozialer Zivilprozeß: teuer und riskant! Fazit: Medizinsektor hinkt haftungsrechtlich unzeitgemäß nach! Barta:Medizinrecht 3

Privatrechtliche Gründe des unbefriedigenden Rechtszustandes Verschuldenshaftung: ABGB, dtBGB, SchwOR, frCC → EU? Anspruchsdurchsetzung → Zivilprozeß. Das bedeutet: Lange Verfahrensdauer Hohes Prozess- und Kostenrisiko Sachverständigenproblematik: Dauer, Kosten, Krähentheorie (dtBGH!) – Keine Spezialisierung der Richter/innen! Beweislast: unzumutbare Beweis(last)probleme der Patienten/ innen für Kausalität und Verschulden → OGH-Rspr! Komplizierte Rspr-Positionen Privat-Versicherungslösung verstärkt Nachteile für Patienten/innen, denn → ArzthaftpflichtVers berücksichtigt Patient/innen-Interessen nicht! → Folie 11 PrivatVers sind bekanntermaßen weniger leistungsfähig und un-wirtschaftlicher als gesetzliche Versicherungen + keine Prävention! Barta:Medizinrecht 4

Bismarcks Argumente gegen eine Privatversicherungslösung „Ich nehme hier Gelegenheit, sofort das Thema der Concurrenz der Privatversicherungsgesellschaften zur Sprache zu bringen. Der Herr Abg. Bamberger hat namentlich in diesem Punkte Anklagen gegen die Vorlage erhoben ... ich will hier das Princip aussprechen [...], daß wir Unfälle und Unglücksfälle überhaupt nicht für eine geeignete Operationsbasis zur Gewinnung hoher Zinsen und Dividenden halten, (Bravo! rechts.) daß wir dem Arbeiter die Versicherung gegen diese und andere Uebel so wohlfeil verschaffen wollen, wie es irgend möglich ist, und daß wir es für unsere Pflicht halten, den Preis der Versicherung so weit als möglich herunter zu drücken im Interesse der Arbeiter und der Industrie, der Arbeitgeber ebenso wie der Arbeiter. Nun, glaube ich, gibt es Niemand, der den Preis so wohlfeil stellen kann, wie er durch die Gegenseitigkeit der Versicherung, die jede Verzinsung perhorrescirt, durch den Staat, durch das Reich, gemacht werden kann." Bismarck, am 15. März 1884 im Rahmen der Beratungen des UVG- Entwurfs 1884 (Barta: 1983, 145)

Konsequenzen der gegenwärtigen Rechtslage Das gegenwärtige Haftungssystem berück- sichtigt die persönliche Lage Betroffener nicht! Das wäre hier aber nötig! Viele Ansprüche werden nicht geltend gemacht (physische und psychische Betroffenheit) oder scheitern schon in den Unterinstanzen; Beweismangel! → beschämende Reaktion der Zivilrechtswissenschaft! Dies, obwohl wir aus us-amerikan. Untersuchungen wissen (Harvard Medical Practice Study): 3,7 % aller Kranken im Spital werden durch falsche Behandlung geschädigt, und ca 1 % davon sind Ärztefehler → Ö: AUVA: 2 ‰ (deutlich weniger)! Warum funktioniert das gegenwärtige System noch? → SozVers fängt viele Patientenschäden auf! – Falsche Schadensallokation = Schäden werden nicht durch jene getragen, die sie tragen sollten! → Gerechtigkeit? Barta:Medizinrecht 6

Legistische Anknüpfungspunkte für die neue Haftungslösung Technisierung und Medikalisierung der Medizin Neue (vernetzte) Organisations- formen führen zu neuen Betriebsgefahren + Zeitdruck, Arbeitsdruck Akzelerierter disziplinärer Fortschritt Diese Kriterien sprechen für → Gefährdungshaftung (= Abgehen von der Verschuldenshaftung) Beachte: Die innere Verknüpfung von menschlichen, technischen und organisatorischen Gefahren leitete schon die gesetzliche Deutsche ArbeiterUV 1884 in Richtung moderner innerbetrieblicher Gefährdungshaftung + Prä-vention! Barta:Medizinrecht 7

Parameter eines neuen MedH-Modells (1) Dieses Modell bringt Vorteile für alle Beteiligten, vor allem Patienten/- innen und behandelnde Ärzte/innen und KAn → 75-85 % aller Fälle werden auf diese Weise erledigt! – Das gilt auch für die Mitglieder der Risikogemeinschaft! → Folien 14 ff Mein Modell kennt eine weitgehende – aber nicht völlige – Aufgabe der Verschuldenshaftung → im Regreßbereich bleibt ab grober Fahrlässigkeit die Haftung bestehen: Präventionswirkung gegen Schlamperei! Haftungsablöse für Behandlungsschäden im Rahmen der Direktbe-ziehung zwischen Patient/in und Arzt oder Patient/in und KA (bei leichter Fahrlässigkeit) → verschuldens-unabhängige Entschädigung; dh aber auch → individuelle Haftungsfreistellung im Verhältnis Arzt-Patient! Ebenso wichtig in diesem Modell ist der Wechsel vom streitigen Zivilprozeß in ein faires Verfahren; Vorbild: sozialgerichtliches oder eigenes Verfahren Neue MedH kann enger oder weiter gestaltet werden → Kernmodell mit Ergänzungsmöglichkeiten/ Modifikationen – Möglichkeit des schrittweisen Ausbaus und Anpassung! Barta:Medizinrecht 8

Parameter eines neuen MedH-Modells (2) MedH-Modell trägt Arzt-Patient-Beziehung voll Rechnung → die Patienten/innen und Ärzte/ KAn sind in das Versicherungsmodell einbezogen! → (Direkt)Ansprüche von Patienten/innen gegen Ärzte/ KAn sind ausgeschlossen: Haftungsverlagerung auf die Risikogemeinschaft Bei leichter Fahrlässigkeit → keine persönliche Haftung; bei grober Fahrlässigkeit → Regreßmöglichkeit (durch Risikogemeinschaft) Es handelt sich weder um eine Arzthaftung (im alten Sinne), noch um eine Patientenversicherung (!), sondern um eine soziale Versicherung → Orientierung am Modell der gesetzlichen UV! Schaffen einer Risikogemeinschaft → Grundgedanke: haftungsrechtliches und finanzierungstechnisches Zusammenfassen aller potenziell Haftpflichtigen im Med-Sektor! Ziel: Einheitliche Haftung für den gesamten medizinischen Dienstleistungssektor; daher MedH und nicht ArztH od PatVers Überlegene Präventionsleistung dieses Modells! → Rückkoppelung: s. Folie 14 f Barta:Medizinrecht 9

Parameter eines neuen MedH-Modells (3) Das derzeit geltende Modell der Arzthaftung ist auf Konfrontation zwischen Patient/in und Arzt/ Ärztin oder Krankenanstalt angelegt → Verschuldenshaftung Dazu kommt (im alten Modell) der für die Durchsetzung solcher Ansprüche ungeeignete → Zivilprozeß, der sich noch an der Vernichtung des Gegners orientiert; F. Klein: Prozeß als ultima ratio, weil → soziales Übel! Das neue Modell vermeidet diese Schwachpunkte! Barta:Medizinrecht 10

Konfrontationsmodell der gegenwärtigen Arzthaftung Kaum verbesserbar! Direktklage des Patienten gegen den Arzt Behandlungsschaden 1 Patient Arzt/ KA 2 vertragliche oder deliktische Beziehung Arzt-HaftpflichtVersicherung 3 allfällige Schadenersatzleistung Privatversicherer Barta:Medizinrecht 11

Mediatisierungsmodell der gesetzlichen Unfallversicherung Arbeitsunfall / Behandlungsfehler AN = Patient/in AG = Arzt / KA 1 vertragliche Beziehung 2 Keine Direktklage von AN/Patient gegen AG/Arzt / KA gesetzliche Beziehung sondern Leistungserbringung gesetzliche Beziehung ab grober Fahrlässigkeit Regreß: Legalzession Leistungsanspruch SozVers/ Risikogemeinschaft 3 Ausbaufähig für Behandlungsschäden Mediation oder Vorschalt-Schlichtung Barta:Medizinrecht Sozialgerichtsverfahren 12

Mediatisierungsmodell der gesetzlichen Unfallversicherung Das Modell der MedH sieht (wie die gesetzliche UV) eine Haftungsablöse vom einzelnen Arzt/ KA auf die → Risikogemeinschaft vor In der Direktbeziehung zwischen Patient/in und Arzt/ KA wird nicht mehr gehaftet und der bestehende Anspruch kann auf dieser Ebene auch nicht mehr geltend gemacht werden; er geht vielmehr kraft Legalzession auf die → Risiko-gemeinschaft über Was eine allfällige Haftung des Personals betrifft, gilt (für den Regreßbereich) auch hier das → D(N)HG 1965! Barta:Medizinrecht 13

Risikogemeinschaft: Haftungsträger, Finanzierer und Qualitätsgarant Haftungssysteme haben einem gerechten Schadensausgleich zu dienen; bei der MedH kommt eine soziale Komponente (für alle Beteiligten!) dazu. Dies iS einer fairen Entschädigungschance (ohne unüberwindliche rechtliche und administrative Hürden) und auf der anderen Seite um eine faire Haftung! Das gemeinsame Haftungsrisiko bedingt eine gemein-same Finanzierung (durch die Risikogemeinschaft) und sichert ein gemeinsames Interesse aller Beteiligten! Die vorgeschlagene Haftung der Risikogemeinschaft sorgt für Systemkontrolle und laufende Verbesserung! Jährliche Tagungen, Berichte und Publikationen sorgen für Publizität und Problemoffenheit! (Demokratie) → Daran fehlt es derzeit völlig! Barta:Medizinrecht 14

Risikogemeinschaft: Haftungsträger, Finanzierer und Qualitätsgarant ● Grundgedanke: Fehleranfälligkeit moderner Medizin – daher Risiko- streuung auf alle Beteiligten (Vorbild: gesetzliche UV): Keine Individual-, sondern Gruppenversicherung + Haftungsablöse ● Mitglieder bringen Know how ein! ● Qualitätssicherung wird ins Haftungssys- tem integriert, was Effizienz und Prävention fördert! ● Gemeinsame Finanzierung sichert gemeinsames Interesse! ● Sukzessives Einbinden weiterer Mitglieder möglich angestellte niederge- lassene Ärzte Krankenpflege- personal Pharmabereich Kranken- Anstalten iwS MP-Hersteller Sozversträger Patienten/innen (?) Sicherungen (?) Privatver- Rettungsdienste (Blutspende) Apotheken Therapeut Berufe Barta:Medizinrecht 15

Risikogemeinschaft: Kreis möglicher Mitglieder Der Kreis der Mitglieder der Risikogemeinschaft kann unterschiedlich weit gefaßt werden: Enger Kreis: Niedergelassene Ärzte/innen, Fachärzte/innen, KAn (öffentliche und private/ Sanatorien), Rettungsdienste (Blutkonserven!), Pflege- und Fachpersonal, Hebammen [Alten-, Pflege- und Behindertenheime?] Erweiterter Kreis: Arzneimittelhersteller/ Pharmabe-reich, Medizinproduktehersteller, Apotheken, Psycho- und Physikotherapie, SozVersTräger, Medizinisch-technische Labors + allenfalls Patienten/innen (?) Beachte: Erweiterung des Mitgliederkreises ist für Finanzierung von Bedeutung! Barta:Medizinrecht 16

Risikogemeinschaft: Überlegungen zur Finazierung Die Finanzierung ist das Schlüsselproblem einer neuen MedH! – Legistische Alternativen und Vorsichtmaßnah-men sind angebracht! Modifikationen des (Finanzierungs)Modells: Gefahrenklassen für Mitglieder (Gruppen); zB Einzel- oder Gruppenpraxis Bonus-malus (Beitrags)System Höchstgrenzen beim Schmerzengeld (?) Bagatellschäden könnten draußen bleiben! Wie ist der Begriff zu definieren? – Eurobetrag? (zB 250 oder 350 €) Ausschluß von Sachschäden (?) Aber soziale Modifikationen beim Regreßrecht: Flexibilität! Härteklausel mit (Entschädigungs)Höchstgrenze Meldepflicht für Schadensfälle → Obliegenheitsverletzung gegenüber Versicherer! Modell MedH kennt keine Zweispurigkeit der Haftung! Barta:Medizinrecht 17

MedH: Neues Verfahrensmodell Dem gerichtlichen Verfahren vorgeschaltet ist eine außergerichtliche Streitbeilegung → zB Mediation Alternative Streiterledigung funktioniert erfahrungsgemäß nur vor dem Hintergrund einer intakten ordentlichen Justiz! Bei Scheitern: Nachgeschaltete Möglichkeit einer gerichtlichen Anspruchsdurchsetzung Eine allfällige klagsweise Anspruchdurchsetzung wird dadurch erleichtert, weil im vorgeschalteten Verfahren bereits alles (Beweise etc) aufbereitet wurde! Möglichkeit, die gesetzlich bestehende Patientenvertretung/-anwaltschaft institutionell einzubauen → Unterstützung der Patienten/innen bei der Tatsachenaufbereitung (Beweismittel) + SV-Wahl + Vorbereitung der außergerichtlichen Entscheidungsfindung Anspruch und allfällige Klage richten sich gegen die → Risikogemeinschaft Rasche Erledigung – in einem sozialen Verfahren → ‚bis dat, qui cito dat‘! Barta:Medizinrecht 18

Neues Verfahrensmodell Vorbild: ASGG-Verfahren Behandlungs- schaden 6 Monate 3 Monate Mediation oder Vorschlichtung durch: Vertreter der Risikogemeinschaft + Patientenvertretung Urteil ..…. .….. Klage Antrag Erledigung ? Ja: Ende – Nein: Barta:Medizinrecht 19

Was ist ein Behandlungsschaden? Legistisches Vorbild § 175 ASVG – Arbeitsunfall: „...zeitlicher, örtlicher und ursächlicher Zusammenhang”; Abstecken von Risikosphären: Prüfung von haftungs-begründender und haftungsausfüllender Kausalität Aufbau wie § 879 ABGB: Generalklausel + positive und negative Beispiele → demonstrative Aufzählung Ersetzt werden körperliche + geistige Schäden Wahrscheinlichkeitsmaßstab: Ausdrückliches Abstellen auf einfache (!) Wahrscheinlichkeit + legistische Aussage nötig, da Judikatur schwankend und inkonsequent! Barta:Medizinrecht 20

Kausalitätsspektrum Kausalität muss vom Anspruchswerber wenigstens wahrscheinlich gemacht werden, nicht nur möglich sein! Wahrheit/ Wirklichkeit 0 % 50 % 100 % Möglichkeit Wahrscheinlichkeit Schlichte Wahrscheinlichkeit Höhere Wahrscheinlichkeit Höchste Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit Barta:Medizinrecht 21

Was ist ein Behandlungsschaden? Generalklausel: Behandlungsschäden sind „... Schäden, die im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit einer Leistungserbringung im Medizinbereich stehen.” Zu ersetzen sind insbesondere: 1. Diagnoseschäden 2. Behandlungsschäden ieS 3. Gerätetechnisches Versagen und Transportschäden 4. Hospitalisierungsschäden, einschließlich relevanter statistischer Schäden; zB bei Infektionen, Kropfoperationen oder Pilzbefall (?) Nicht zu ersetzen sind bspw: 1. Typische Begleiterscheinungen bei medizinischen Leistungen wie Wund- oder Geburtsschmerzen; 2. Schäden durch höhere Gewalt 3. Anlage- oder schicksalsbedingte Entwicklungen (?) Härte- oder Billigkeitsklausel → Subfonds für Patientenbeiträge!? Barta:Medizinrecht 22

Umfang künftiger Ersatzleistungen? Grundsätzliche Gleichstellung mit gesetzlichem Leistungskatalog der §§ 1325 - 1327 ABGB → Voller Schadenersatz! → Kein ‚Abspeisen‘ Betroffener iSd Patienten-Entschädigungsfonds-Lösung! Das heißt: Ersatz von Heilungskosten, Verdienstentgang und (!) Schmerzengeld: → Unterschied zur dzt. SozVers! Wenn möglich kein Ausschluß der Sachschäden, keine Höchstgrenzen (Rspr!) und soziale Gestaltung des Regresses Weiterentwicklung des unzureichenden Ansatzes der Integritätsabgeltung des § 213 a ASVG; Ausbau der Schmerzengeldentschädigung Barta:Medizinrecht 23

MedH: Stärken-Schwächen-Analyse (1) Jetzt Künftig Arzthaftung privatrechtliche Lösung Individualhaftung Privatversicherung: → Konfrontationsmodell Verschuldenshaftung → StrafR / Medien ! → Existenzgefährdung Zivilprozeß: → lange Verfahrensdauer: ua. durch Verschuldensfeststellung! → Beweislast für Verletzung der lex artis trägt Kläger; § 1299 ABGB Medizinhaftung öffentlichrechtliche oder gemischte Lösung Kollektiver Schadensausgleich Soziale Versicherung (wie gesetzlUV):→ Mediationsmodell Gefährdungshaftung → mediale und strafrechtliche Entkrampfung + keine Existenzgefährdung Sozialgerichtliches Verfahren: → rasche Erledigung; zwei Instanzen! (idR keine Verschuldensfeststellung) → keine Beweis-, nur Feststellungslas + materielle Wahrheitsfindung Barta:Medizinrecht 24

MedH: Stärken - Schwächen - Analyse (2) Jetzt Künftig → Hohes Kostenrisiko → Sachverständigen-Problematik Falsche Schadensallokation Arzt-Patient-Verhältnis leidet Unbefriedigende Ansätze für eine außergerichtliche Lösung; zB Schiedsstellen der Ärztekammern + PatEntsch-Fonds Volles Schmerzengeld nach bürgerlR Amerikanisierung ? Schmerzen-geld, Defensivmedizin, Kündigung etc → Kein Kostenrisiko → geminderte SV-Problematik – Chancen für Verbesserungen Korrekte Lösung Konsolidierung dieser Vertrauens-beziehung Effiziente außergerichtliche Lösungsmöglichkeiten: Mediation Gegenwärtig: SozVers kein volles Schmerzengeld; künftig schon ! Keine derartigen Gefahren Barta:Medizinrecht 25

Wer profitiert von der gegenwärtigen Rechtslage? Patienten/innen ? Derzeit keine (System)Vorteile – Nachteile: Zivilprozeß + Finanzierung Ärzte und KAn ? ! Vor- und Nachteile im Verfahren, aber relativ geringes Haftungsrisiko Sachverständige ! ‚Krähentheorie‘: dtBGH Richterschaft ? Lange und schwierige Verfahren + SV-Problematik + fehlende Spezialisierung und Zuständigkeit Privatversicherer ? ! Defizit der Arzthaftpflicht-Vers (?); insgesamt aber gutes Geschäft und daher Angst zu verlieren. Daher → Widerstand gegen Änderungen! Sozialversicherung ? erleidet beträchtliche Nachteile durch falsche Schadensallokation Rechtsanwälte !! Vom Zivilprozeß profitieren aus- schließlich sie! Daher Widerstand gegen Systemwechsel Barta:Medizinrecht 26

Homepage von Heinz Barta http://www.uibk.ac.at/zivilrecht/mitarbeiter/barta/ Hier findet sich ein ausgearbeiteter Gesetzesvorschlag …! Falls Sie von meinen Vorschlägen Gebrauch machen, ersuche ich um Zitierung! Barta:Medizinrecht 27