Lärm und Gesundheit Zum Verständnis kombinierter Wirkungen durch den Schienenverkehr Google maps Peter Lercher, Medizinische Universität Innsbruck „Internationaler Bahnlärm-Kongress 2015“ 13. und 14. März in Boppard
In der Umwelt-Medizin spielen Wechselwirkungen eine große Rolle Gefahr groß Rauchen Asbest Passivrauch Luft Lärm low AGENS PERSON sehr empfindlich wenig kaum kaum Luft Umwelt- und Sozial-Kontext Lärm stark UMWELT 2
Emission Schienenfahrzeuge Vibrationen Sekundärer Luftschall Direkter Luftschall Wechselseitige sensorische Stimulation „Crossmodalität“ Unspezifische WIRKUNG Spezifische Ganzer Körper Ohr Niedrige Frequenzen dBC – dBA <125 Hz
Allgemeine Lärmwirkungspfade Indirekter Pfad Verkehrslärmexposition + (Erschütterung) Wahrnehmung und Befinden Hinwendung Einschätzung Lästigkeit Stress Direkter Wirkungspfad Umwelt und Lebensstil Erklärte Varianz ca 75% ca 25% Gesundheitswirkungen
Lärm Spezifische Wege zur Gesundheitsbelastung Schallexposition Maskierung akustischer Information Fordert Aufmerksamkeit Lenkt ab Störung Ärger Hilflosigkeit Angst Psychophysiolog. Aktivierung Kognitive Beeinträchtigung, Belästigung+Schlaflosigkeit, Herz-Kreislauf, Diabetes, Krebs, Medikamenteneinahme Modifiziert nach Miedema 2001
Schwingungen Erschütterungen Sekundärer Luftschall breiten sich aus durch Boden und Bauwerke und werden wahrgenommen als Erschütterungen sind im Körper spürbar lästig sobald spürbar schwingende Decken verstärken sich oft im Haus Sekundärer Luftschall ist hörbar (klappern/rattern) leise oder laut schwingende Decken und Wände nehmen auch ab in oberen Geschossen Modifiziert nach Rutishauser 2001
Verstärkung der Schwingungen im Haus nach Rutishauser 2001
Einfaches mechanisches Modell des menschlichen Körpers mit seinen Resonanzfrequenzen Quelle: Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 12 · 2007 (nach T Poulsen 2003)
Unterschätzt Tieffrequenter Lärm - Impulslärm Lercher et al. 2013 Nachweis für tieffrequenten Lärm (LC-LA) und Impulslärm (LAmax-LA) in Bad Gastein, ca. 80 m von der Schiene entfernt. Links: Gesamtnacht – Rechts: 2h Ausschnitt 9
Wie wirkt das Alles zusammen?
Deutsche Studien: Erschütterungsäquivalente Schallpegel nach Erschütterungsbelastung Schallpegel Schiene [dBA,Leq] Resultierender Gesamtpegel [dBA] bei bestimmten Erschütterungen 10 dBA Quelle: Zeichart 1994 & 1998
Erschütterungspegel (VL10) in dB Schallpegel (Leq(24)) in dBA Japanische Studie mit und ohne Erschütterung Mit Erschütterung Erschütterungspegel (VL10) in dB Ohne Erschütterung Schallpegel (Leq(24)) in dBA Sato et al. 1988 und 1994
Schwedische Studien: Lärm und Erschütterung 70-74 LAmax 75-79 LAmax 80-84 LAmax 85-89 LAmax 90-95 LAmax Anteil der ziemlich / sehr Belästigten Partille (Mit Vibration) Lund (Ohne Vibration) 0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 Öhrström 1997
- - - - (untere), Huskvarna, 48 Züge —— Lund, 143 Züge — — Hässleholm, 85 Züge - - - - (untere), Huskvarna, 48 Züge — · — (obere), Kungsbacka, 59 Züge —— Partille, 160 Züge · · · · Säffle, 20 Züge Mit Vibration Ohne Anteil der ziemlich / sehr Belästigten Öhrström E, Skanberg AB. J.Sound.Vib.,1996,193:39-47. Das Verhältnis der Belästigung durch Lärm zum Leq Niveau bei unterschiedlicher Anzahl von Zügen während 24 Stunden.
Schlußfolgerungen: Schweden In Gebieten mit gleichzeitiger Exposition gegenüber Erschütterung werden Maßnahmen notwendig: ->Entweder Erschütterungsminderung oder ->größere Distanz zwischen Schiene und Wohnungen Die notwendigen Maßnahmen müssen einem Schallpegeläquivalent von 10 dBA entsprechen “In areas with simultaneous exposure to strong vibration action against vibration or a longer distance between houses and railway line is needed corresponding to a 10 dB(A) lower noise level than in areas without vibration” Quelle: Öhrström 1997
Transitstudie Tirol: Schienenlärm in Abhängigkeit von der Erschütterung 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 40 45 50 55 60 65 70 Grad der Belästigung Schallpegel Schiene Ldn, dBA Quelle: Lercher et al 1999 Ohne Erschütterung Mit Erschütterung
ALPNAP-Studie: Schienenlärm und Erschütterung Proportion erheblich Belästigte durch Schienenlärm, wenn zusätzlich belästigt oder nicht belästigt durch Erschütterungen Quelle: ALPNAP-Studie, Heimann et al 2007 --- 95% Vertrauensintervall
Kritische Beziehung Schiene und Schlaf
Gefundene Schwellenwerte für Schlafstörungen durch Lärmbelastungen Experimentelle Studien Untersuchte Wirkungen Indikator Schwellenwert in dBA EEG Erwachen dBAmax innen 35 Veränderung der Schlafstruktur Aufwachen 42 Quelle: WHO Nachtlärmrichtlinie 2008
Abnahme der REM-Schlafdauer und Innenraum-Maximalpegel in der Nacht Maximaler Innenraum-Schallpegel durch Schienenfahrzeuge Die maximalen Schienenpegel an der Fassade: 76 dB(A) (± 6 dBA Der Leq lag bei 49 dBA (± 6 dBA) Quelle: Aasvang et al. 2011
Wahrscheinlichkeit für Schallpegel Schiene, dBA,Ldn Wahrscheinlichkeit für niedrigen Blutdruck 0.2 0.4 0.6 50 60 70 Männer Frauen Lercher et al. In IJERPH 2014
Zusammenfassung und Perspektiven Die kombinierten Einwirkungen müssen bei der Abschätzung integriert berücksichtigt werden Die wechselseitige sensorische Stimulation „crossmodalität“ der Einwirkungen wirkt einer Gewöhnung entgegen Die Nachtbelastung ist die kritische Größe Lärmschutzwände entlang der Schienentrasse allein sind ungeeignet den wahrscheinlichen Gesundheitsgefahren im erweiterten Talbereich des Rheintals zu begegnen dBA - basierte Schallausbreitungsmodelle unterschätzen zuerst die Ausbreitung des Schalls und führen sekundär zu einer Unterschätzung der notwendigen Maßnahmen Nur ein Mix aus kreativen Maßnahmen kann abgestimmt auf die jeweilige Ortslage Abhilfe schaffen