Was sind und wie entstehen synthetische Windstatistiken?

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 Präsentation transkript:

Was sind und wie entstehen synthetische Windstatistiken? Klaus Bigalke

Motivation

Wozu werden Windstatistiken benötigt? Genehmigungsverfahren anlagenbezogene Immissionsprognosen Einschätzung der klimatischen Verhältnisse Luftreinhaltepläne / Verkehrsimmissionen schnelle Einordnung von Nachbarschaftsbeschwerden erste Einschätzung Quell-Rezeptor-Beziehung Geruchsausbreitung Standortfindung u.v.m.

Woher bekommt man Windstatistiken? Messung am Standort? nächste Wetterdienststation? LfU-Messnetz? QPR? teuer und langwierig (1 Jahr) oft weit entfernt repräsentativer Messort? Q ualifiziert? (bitte genau hinsehen!)  Nicht jede nahe liegende Lösung ist auch fachlich angemessen!

Windmessnetz Baden-Württemberg Künzelsau Schwäbisch-Hall Beispielstandorte 1 und 2

Standortbeispiel: Künzelsau 1

Standortbeispiel: Künzelsau 1 städtischer Standort: Windstatistik für mikroskalige Ausbreitungsrechnung? ?

Standortbeispiel: Künzelsau 1 LfU Messstation ca. 700m Luftlinie Problem gelöst ?? ?

Standortbeispiel: Künzelsau 1 Nein! Örtliche Windverhältnisse weichen von LfU-Station ab!

Standortbeispiel: Künzelsau 1  Die Nähe einer Messstation ist kein ausreichendes Kriterium für Übertragbarkeit!

Standortbeispiel: Künzelsau 2 ? Ähnliche Tallage wie die LfU-Station Künzelsau? Ähnliche Windstatistik?

Standortbeispiel: Künzelsau 2  Eine Beurteilung der örtlichen Verhältnisse ist häufig schwierig, eine Übertragung gelegentlich fragwürdig!

Motivation Räumlich hoch auflösende synthetische Windstatistiken sind ein wertvolles Hilfsmittel für Planer. Aber: Um synthetische Windstatistiken richtig zu interpretieren und anzuwenden, sind Informationen darüber hilfreich, wie diese Statistiken berechnet werden. Darum unser heutiges Treffen !!!

Gliederung Was sind synthetische Windstatistiken? Wie entstehen synthetische Windstatistiken? Wie unterscheiden sich gemessene und synthetische Windstatistiken? Welche Windstatistiken sind „besser“ ?

Was sind synthetische Windstatistiken?

Die Negativ-Definition ... Synthetische Windstatistiken: sind NICHT gemessen sind NICHT aus gemessenen Statistiken interpoliert o.ä. enthalten KEINE Informationen aus bodennahen Messungen geben KEINE punktgenauen Auskünfte über das Windklima, insbesondere NICHT ... ... für eine punktgenaue Höhe über Grund ... für einen genauen Ortspunkt in der Fläche

Die Positiv-Definition Duden: „synthetisch“ = zusammengesetzt, künstlich hergestellt Definitionsversuch: Synthetische Windstatistiken werden ohne Messungen vor Ort durch Zusammensetzung von topographischen Informationen, statistischen Informationen und Windfeld-Simulationsrechnungen künstlich hergestellt.

Wie entstehen synthetische Windstatistiken?

Das Simulationsmodell: METRAS PC nicht-hydrostatisches prognostisches 3D Strömungsmodell räumlich (3d) nicht äquidistant verteilte Gitterpunkte Berechnung des von Gelände und Landnutzung (Bebauung, Vegetation) geformten Windes Berechnung thermischer Windsysteme (Kaltluft, Hangaufwinde, Berg-/Talwinde, Land-Seewinde) qualitätsgesichert nach geplanter VDI 3783, Blatt 9

Das Simulationsmodell: METRAS PC geostrophischer Antriebswind atmosphärische Stabilität Topographie geographische Lage Zeit .... MODELL bodennahes Windfeld / thermische Windsysteme

Das Simulationsmodell: METRAS PC prognostisches Modell METRAS PC diagnostisches Modell

Das Simulationsmodell: METRAS PC prognostisches Modell METRAS PC diagnostisches Modell

Das Simulationsmodell: METRAS PC prognostisches Modell METRAS PC

Das Simulationsmodell: METRAS PC  Durch Verwendung des prognostischen Modells METRAS PC werden alle dynamischen und thermodynamischen Geländeeffekte physikalisch angemessen in den synthetischen Windstatistiken erfasst.

Das Berechnungsverfahren Grundidee: Die (bekannten) langjährigen Höhenwindverhältnisse werden über Modellsimulationen mit dem (unbekannten) Bodenwindklima verknüpft.

Das Berechnungsverfahren Antriebswind 1: u, v,  h=2,3% eindeutig Bodenwind 1: Antriebswind 2: u, v,  h=1,7% eindeutig Bodenwind 2:

Das Berechnungsverfahren geostrophischer Antriebswind u, v,  Modell- simulationen % topographisch geprägter (Boden-)Wind

Das Berechnungsverfahren Mit diesen Modellrechnungen werden alle dynamischen Effekte der Topographie auf das Bodenwindklima - wie z.B. Leewirbel, Talkanalisierung – abgebildet.

Das Berechnungsverfahren Zusätzliche Modellrechnungen für windschwache Strahlungswetterlagen simulieren die regional wichtigen thermodynamischen Windsysteme – z.B. Kaltluftabflüsse.

Die Datenbasis: Höhenwinddaten Zeitreihen seit 1979, alle 6 Stunden globales Raster 2,5° x 2,5° Windgeschwindigkeit, Windrichtung, Temperatur, u.a. alle Haupt-Druckniveaus (1000, 925, 850, 700, .... hPa) Analyse verschiedener Eingangsdaten (Bodenmessungen, Radiosonden, Satelliten, ...) mit globalem Vorhersagemodell

Die Datenbasis: Höhenwinddaten 10 Jahre Höhenwinddaten = 14.600 meteorologische Situationen Die können nicht alle prognostisch simuliert werden !!! Clusteranalyse: 14.600 Situationen auf eine handhabbare Anzahl (120 Cluster) meteorologischer Situationen reduzieren, die einzeln simuliert werden können Prinzipielles Verfahren: Alle Datenpunkte zusammenfassen, die im Parameterraum (2 Windkomponenten, Schichtung) benachbart sind

Die Datenbasis: Höhenwinddaten Clusteranalyse: 14.600 Situationen  120 Cluster

Die Datenbasis: Höhenwinddaten Ergebnis der Clusteranalyse: Modellantriebsdaten für 120 Situationen mit den gleichen statistischen Eigenschaften wie die 14.600 Situationen aus 10 Jahren

Die Datenbasis: Topographie Topographische Karte 1:50.000 Modellgitter: Geländehöhe

Die Datenbasis: Topographie Topographische Karte 1:50.000 Modellgitter: Landnutzung

Modellsimulationen: Beispiel Nächtliches Kaltluftsystem 20:00

Modellsimulationen: Beispiel Nächtliches Kaltluftsystem 20:00

Modellsimulationen: Beispiel Nächtliches Kaltluftsystem 22:00

Modellsimulationen: Beispiel Nächtliches Kaltluftsystem 24:00

Modellsimulationen: Beispiel Nächtliches Kaltluftsystem 02:00

Modellsimulationen: Beispiel Nächtliches Kaltluftsystem 04:00

Modellsimulationen: Beispiel Nächtliches Kaltluftsystem 06:00

Modellsimulationen: Beispiele stationärer Simulationsrechnungen Großraum Stuttgart Antriebswind: schwach, ~ Ost Schichtung: sehr stabil

Modellsimulationen: Beispiele stationärer Simulationsrechnungen Großraum Stuttgart Antriebswind: kräftig, ~ West Schichtung: leicht stabil

Modellsimulationen: Beispiele stationärer Simulationsrechnungen Großraum Heilbronn Antriebswind: schwach, ~ Ost Schichtung: sehr stabil

Modellsimulationen: Beispiele stationärer Simulationsrechnungen Großraum Heilbronn Antriebswind: kräftig, ~ West Schichtung: leicht stabil

Modellsimulationen: Beispiele stationärer Simulationsrechnungen Großraum Reutlingen Antriebswind: kräftig, ~Nordnordwest Schichtung: leicht stabil

Modellsimulationen: Beispiele stationärer Simulationsrechnungen Großraum Reutlingen Antriebswind: kräftig, ~Nordnordwest Schichtung: sehr stabil

Das statistische Auswerteverfahren Belegung der Klassenhäufigkeiten aus stationären Modellrechnungen mit den „repräsentativen“ Clustern Korrektur der Klassenhäufigkeiten aus instationären Modellrechnungen mit den Clustern geringer Windgeschwindigkeit Glättung der berechneten Häufigkeitsverteilungen, weil aus >= 130 Modellrechnungen nur theoretisch alle 12x6=72 Klassen der synthetischen Statistiken belegt werden

Das statistische Auswerteverfahren geglättete Klassenzuordnung „Treffer“ Einzelsituation Prinzip der Glättung unbesetzter Häufigkeitsklassen (aus Hänsch, 1997)

Wie unterscheiden sich gemessene und synthetische Windstatistiken?

Raumbezug gemessene Windstatistiken stammen aus Punktmessungen synthetische Windstatistiken stammen aus Modellrechnungen und sind deshalb Volumenmittelwerte über ein „Gitterpunktsvolumen“ von ca. 20x500x500 m3

Gültigkeitshöhe gemessene Windstatistiken gelten innerhalb von Rauigkeitsstrukturen (speziell städtische Messungen!) synthetische Windstatistiken gelten oberhalb einer mittleren Rauigkeit (z.B. über Dachniveau)

Horizontale Repräsentativität Messung variabel: abhängig von der Standortumgebung Modell konstant: Gitterfläche, hier: 500 x 500 m2

Gemessene und synthetische Statistiken

Gemessene und synthetische Statistiken Mit anderen Worten: Synthetische Statistiken repräsentieren die mittleren Windverhältnisse über Untersuchungsgebieten typischer Größe! Sie sind frei von lokalen mikroskaligen Einflüssen!

Windgeschwindigkeit (Jahr) an LfU-Stationen

Windrosen an LfU-Stationen Backnang Leonberg Schwäbisch-Hall

LfU Station Schwäbisch-Hall lokal: NW-SE Ausrichtung (Fluss, Gebäude, Bahn) regional: N-S Ausrichtung (Flusstal)

Welche Windstatistik ist „besser“?

Die „bessere“ Statistik? Die gemessene Statistik ist „wahrer“. Aber: „Wahrer“ nur in Bezug auf exakten Punkt, für den Messzeitraum, ... Die synthetische Statistik ist „repräsentativer“. Denn: Sie „sieht“ die die mittleren Verhältnisse in einem typischen Untersuchungsraum von bekannter (!), konstanter Größe (500x500m2)

Die „bessere“ Statistik? Schlussfolgerung 1: Synthetische Statistiken werden immer dann verwendet, wenn keine anderen Windstatistiken vorliegen oder übertragen werden können.

Die „bessere“ Statistik? Schlussfolgerung 2: Synthetische Statistiken dienen der Kontrolle, ob eine übertragene Windstatistik die charakteristischen Windverhältnisse am Standort trifft. Falls nein: Übertragung kritisch hinterfragen oder synthetische Statistik verwenden!

Die „bessere“ Statistik? Schlussfolgerung 3: Synthetische Statistiken dienen der Kontrolle, ob eine lokal gemessene Windstatistik tatsächlich für die Windverhältnisse in der Umgebung eines Standortes repräsentativ ist.

ENDE