Heldensage und Heldendichtung (5)

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Wir denken an Gott. Priester: Der Herr sei mit euch.
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Heldensage und Heldendichtung (5) Nibelungenlied und Klage Die Fassungen des Texte

Das Ende des Nibelungenlieds und die ‚Klage‘ Deutliche Schlussmarkierung des NL: Mit leide was verendet des küneges hôhgezît, als ie diu liebe leide z‘aller jungeste gît. Ine kann iu niht bescheiden, waz sider dâ geschach, wan ritter unde frouwen weinen man dâ sach, darzuo die edeln knehte ir lieben friunde tôt. hier hât daz liet ein ende: daz ist der Nibelunge nôt. Abschluss der Dichtungen auch in den Ausgaben. Anders die Handschriften, die ein über den Schluss des Nibelungenlieds hinausgehendes „Nibelungenbuch“ bieten: einen Werkverbund von NL + ‚Klage‘ Ein Blick in die Handschriften:

Nibelungenlied, Handschrift C: Beginn des Textes. Karlsruhe, Badische Landesbibliothek

m Nibelungenlied, Handschrift C: Ende des Liedes/Anfang der Klage Karlsruhe, Badische Landesbibliothek

Nibelungenlied, Handschrift A (um 1270). Übergang Lied/Klage München, Cgm 34, S. 94

Nibelungenlied: Hs. A (um 1270): Übergang zur Klage

Nibelungenlied, Hs. D München, Bayer. Staatsbibliothek, Cgm 31, Anf. 14. Jh.

Nibelungenlied, Hs. J (um 1300). Übergang zur Klage. Berlin, Staatsbibliothek, mgf 474, f. 57v

Nibelungenlied, Hs. J (um 1300). Übergang zur Klage. Berlin, Staatsbibliothek, mgf 474, f. 57v

Die Fortsetzung der Handlung in der ‚Klage‘ (Fassung B; Text: LV 15 und 16) 1-70 Prolog 71-586: Rekapitulation der Situation Kriemhilts: ihre Trauer, ihre triuwe, die sie zur Rache getrieben habe. 57-2538: Auffindung der Toten und ihre Beweinung; ihre Taten; Erinnern an Handlungselemente des NL, z.T. mit Details oder Namen, die im Lied nicht vorkommen. 2539-4099: Überbringen der Nachricht vom großen Blutvergießen nach Wien, Bechelaren (Rüedegers Gattin und Tochter), Passau (Bischof Pilgrim), Worms. 4100-4294 Heimkehr Dietrichs von Bern mit seiner vrouwe Herrat und Hildebrant in seine Heimat (Bern = Verona). 4295-4322 Epilog: der Weg vom Erzählen auf das Pergament im Auftrag Bischof Pilgrims durch seinen Schreiber Kuonrat. Interessant: der Prolog der ‚Klage‘ C erwähnt, ein schribaere habe die Geschichte wîlen an ein buoch geschriben / latîne.

Positive Perspektiven: Ausblicke am Schluss des ‚Nibelungenbuchs‘ (LV 105) In Bechelaren wird Rüedegers Tochter (hier genannt: Dietlind) ein fürstlicher Gatte statt des erschlagenen Gernot versprochen. In Passau werden Seelenmessen gelesen und christlicher begründeter Trost gesprochen. In Worms wird ein neuer König eingesetzt, der Sohn Gunthers und Brünhilds; sein Name: Sîfrit. Dietrich, Herrat und Hildebrant kehren heim nach Bern. Fazit: Schluss der Nibelungen-“Geschichte“ ist nicht das Blutvergießen am Hofe Etzels, sondern ein positiver Ausblick unter der Perspektive christlich orientierter Geschichtsdeutung. Sowie a) Das Leben geht weiter. b) mit der Heimkehr Dietrichs ist das Erzählen von Helden an ein Ende gekommen.

Deutungshorizonte für das NL in der ‚Klage‘ (Text: Bumke, LV 15) Klärung offener Fragen: Warum muss Sîfrit sterben? von sîner übermuot (B, 38f.); von ander liute übermuot (C, v. 49). (Hauptsünde der superbia). Warum müssen die Burgunden sterben? Schatzgier (B, v. 192-197) (Hauptsünde der avaritia); übermuot (B, v. 1270ff.); Zorn Gottes (ebd.). Warum veranlasst Kriemhilt das Blutbad? Ihr sei es nur um Hagen gegangen. Wäre sie ein Mann gewesen, sie hätte gleich Rache üben können. Den Antrieb gab ihr die übergroße triuwe zu ihrem erschlagenen Ehemann (B, 154-158 u.ö.; verstärkt in C). Sterben/Tod in christlicher Deutung: Bischof Pilgrims Trostgründe: jeder Mensch muss einmal sterben; das ist Strafe für die Erbsünde (Adam und Eva); der Tod muss akzeptiert werden wie das Leben, er ist eine Notwendigkeit des Daseins.

‚Nibelungenlied‘: der Text, seine Genese und Textgeschichte (Übersicht: Bumke, LV 104) Heldensage: Mündlich tradiertes und in der Kulturgemeinschaft bekanntes Erzählgut. Bearbeitung des NL-Stoffs als Dichtung vor dem NL sind nicht erhalten, wahrscheinlich, s. das Zeugnis des Saxo Grammaticus: carmen de notissima Grimildae erga fratres perfidia (‚ein Lied von der allbekannten Treulosigkeit der Kriemhild gegenüber ihren Brüdern‘). Um 1180/90 (?) Sammlung, Strukturierung, Versuche einer Angleichung der Erzählkomplexe und strophische Formgebung (Kürnberger-Strophe) durch den NL-Dichter. Dieses „Ur-Nibelungenlied“ ist nur noch in den späteren Bearbeitungen der NL-Werkstatt greifbar. Um 1200: Tätigkeit der Passauer Nibelungen-“Werkstatt“ (Bumke, LV 104).

Die drei Fassungen des ‚Nibelungenlieds‘ *A - *B - *C Benennung nach den Haupthandschriften mit den Siglen A (München, Cgm 34); B (St. Gallen, Cod. 857); C (Karlsruhe, Cod. Don. 63). Alle drei Fassungen zeigen starke Übereinstimmung bis in der Wortlaut hinein, die aus der gemeinsamen Vorlage stamme („Ur-Nibelungenlied“, um 1180). Jede der Fassungen zeigt einen unterschiedlichen Strophenbestand. Jede der Fassungen zeigt markante redaktionelle Eigenheiten, am markantesten Fassung *C (Ausgaben: Hennig, LV 9; Schulze, LV 10). Generelle Tendenz in Fassung *C: Entlastung Kriemhilds von Schuld; Konzentration der Schuld am Untergang der Burgunden auf Hagen allein. Das wird erreicht durch partielles Umschreiben des Textes und/oder durch zusätzlich eingefügte Strophen.

Ausgewählte Zusatzstrophen in *C Nach B 1112 eingeschoben C 1124: Es geht um die Aussöhnung Kriemhilds mit Gunther mîn munt im giht der suone, im wirt daz herze nimmer holt. Nach B 1837 eingeschoben C 1882: Ê Kriemhilt dise recken hete dar gesant, si sprach: ‚ob irs also vindet, durch got sô sît gemant, daz ir slahet niemen, wan den einen man, den ungetriuwen Hagenen: die andern sult ir leben lân.“ Nach B 2086 eingeschoben C 2143: Sine het der grôzen slahte also niht gedâht, si het ez in ir ahte vil gerne dar zuo brâht, daz niwan Hagene aleine den lîp dâ hete lân. dô geschuof der übel tiufel deiz über si alle muose ergân.

Mündliches Erzählen in Sage und Heldenlied Um 1180: „Ur-Nibelungenlied mit Klage Passauer Nibelungen-“Werkstatt“ um 1200 Bischof Wolfger von Erla Fassung *C Fassung *A/*B mit Klage mit Klage