Ernst Jandl Dozentur für Poetik

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 Präsentation transkript:

Ernst Jandl Dozentur für Poetik Ernst Jandl Dozentur für Poetik. Szenen aus dem wirklichen Leben? Avantgarde – Narration – Biographie – Politik (Brigitte Kronauer, Ernst Jandl) 9.3.2011

Ernst-Jandl-Preis für Lyrik Neuberg an der Mürz seit 2001 Exkursion SoSe 2011, 2013, ...

Peter Waterhouse

Peter Waterhouse: Der Honigverkäufer im Palastgarten und das Auditorium Maximum. Salzburg: Jung und Jung 2010 Peter Waterhouse: (Krieg und Welt). Salzburg: Jung und Jung 2006

3 große Linien die versuchte Rekonstruktion, die das Erzähler-Ich an der Biographie seines Vaters vornimmt; die sprachbetrachtenden Überlegungen dieses Erzähler-Ichs, die in diese beiden Linien eingebundenen Kinder des Erzähler-Ichs

„Es gibt keinen Gegenstand, der mit der Sprache vollkommen vergleichbar wäre, welche ein sehr komplexes Wesen ist, und das ist es, was ausmacht, daß alle Vergleiche und alle Bilder, deren wir uns üblicherweise bedienen, regelmäßig dazu führen, daß wir uns eine Vorstellung machen, die in irgendeiner Hinsicht falsch ist.“

„Das ist, zu einem System zu gehören, zu einer Serie von nebeneinandergestellten Größen, die ein System bilden.“

Ernst-Jandl-Dozenten für Poetik SoSe 2010: Alexander Nitzberg Mnemosyne und Mnemotechnik SoSe 2011: Brigitte Kronauer Avantgarde – Narration – Biographie – Politik SoSe 2012: Ferdinand Schmatz Synästhesie

Brigitte Kronauer

Brigitte Kronauer, geboren am 29. 12. 1940 in Essen Brigitte Kronauer, geboren am 29.12.1940 in Essen. Nach dem Studium in Köln und Aachen bis 1971 Lehrerin in Aachen und Göttingen. Lebt seit 1974 als freie Schriftstellerin in Hamburg. Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt. 1997 Heidelberger Poetik-Vorlesung, 1997/98 in Zürich ETH-Poetik-Vorlesung.

Fontane-Preis der Stadt Berlin (1985) Preis des Literaturmagazins des Südwestfunks (1987) Ida-Dehmel-Literaturpreis (1989) Heinrich-Böll-Preis (1989) Berliner Literaturpreis (1994) Joseph-Breitbach-Preis (1998) Hubert-Fichte-Preis (1998) Stadtschreiber-Literaturpreis des ZDF, 3-SAT und der Stadt Mainz (2001) Literaturpreis Ruhrgebiet (2001) Johann-Jacob-Christoph-von-Grimmelshausen-Preis (2003) Mörike-Preis (2003) Literaturpreis der Freien Hansestadt Bremen (2005) Georg-Büchner-Preis (2005)

"Daß ich aber, um persönlich zu bleiben, so schreibe, wie ich es tue, also episch, liegt an meinem Interesse nicht in erster Linie für Laut- und Wortklänge, wie das gewiß für Lyriker zutrifft, sondern primär am Herstellen von Zusammenhängen, einer Neigung zu jenem Ursprung des Erzählens, dem althochdeutschen »irzellen«. Also: »aufzählen, in geordneter Reihenfolge hersagen«: ein Bedürfnis, das Durcheinander der Wirklichkeit in ein Nacheinander notfalls zu zwingen, was übrigens die Lust an Satzmelodien, am Aufspüren des Mol juste, also des Wortes, das im jeweiligen Fall sozusagen hundertprozentig hinhaut, keineswegs ausschließt. Im Gegenteil." (Kronauer, Ist Literatur unvermeidlich. S. 13)

2) "Ein Kunstwerk ist der Todfeind des anderen„ 2.1) Zum Verhältnis von Avantgarde und Tradition - mit und nach Adorno

„Man mußte gleichsam gesättigt sein mit der ganzen Tradition, um sie wirksam negieren, um ihre eigene lebendige Kraft gegen die Erstarrung wenden zu können. Nur wo eine Tradition so überwältigend ist, daß sie die Kräfte des Subjekts bis ins Innerste formt und zugleich ihnen sich entgegensetzt, scheint etwas wie ästhetischer Avantgardismus überhaupt möglich zu sein.“ (Adorno 1997, 7, 59)

„Gleichwohl ist nichts der theoretischen Erkenntnis moderner Kunst so schädlich wie ihre Reduktion auf Ähnlichkeiten mit älterer. Durchs Schema 'Alles schon dagewesen' schlüpft ihr Spezifisches; sie wird auf eben das undialektische, sprunglose Kontinuum geruhiger Entwicklung nivelliert, das sie aufsprengt.“ (Adorno 1997, 7, 36)

„Auch genuin traditionale Momente, bedeutende Kunstwerke der Vergangenheit arten in dem Augenblick, in dem das Bewußtsein sie als Reliquien anbetet, in Bestandstücke einer Ideologie aus, die am Vergangenen sich labt, damit am Gegenwärtigen nichts sich ändere [...].“ (Adorno 1997, 10/1, 312)

„Das kritische Verhältnis zur Tradition als Medium ihrer Bewahrung betrifft keineswegs bloß das Vergangene, sondern ebenso die der Qualität nach gegenwärtige Produktion. Soweit sie authentisch ist, beginnt sie nicht frisch-fröhlich von vorn, übertrumpft nicht eine ersonnene Verfahrungsweise durch die nächste. Vielmehr ist sie bestimmte Negation.“ (Adorno 1997, 10/1, 318)

„Was sich geschichtslos, reiner Anfang dünkt, ist erst recht Beute der Geschichte, bewußtlos und darum verhängnisvoll; [...] Der Schriftsteller, der des scheinhaften Moments an der Tradition sich erwehrt, und der sich selbst in keiner mehr empfindet, ist doch in sie eingespannt, vorab durch die Sprache. Die schriftstellerische [Sprache] ist kein Agglomerat von Spielmarken, sondern die Valeurs eines jeden Worts und einer jeden Wortverbindung empfangen objektiv ihren Ausdruck aus ihrer Geschichte, und in dieser steckt der geschichtliche Prozeß überhaupt.“ (Adorno 1997, 10/1, 314)

„So wenig in der Realität gilt, daß die Negation des Negativen Position sei, im ästhetischen Bereich ist es nicht ohne alle Wahrheit: im subjektiven künstlerischen Produktionsprozeß ist die Kraft zur immanenten Negation nicht ebenso gefesselt wie draußen.“ (Adorno 1997, 7, 60)

„Freilich sind auch die historisch entsprungenen Verbote nicht zu hypostasieren; sonst fordern sie den vor allem bei der Moderne Cocteauschen Typs beliebten Trick heraus, das temporär Verbotene plötzlich wieder aus dem Ärmel hervorzuzaubern, es zu präsentieren, als wäre es frisch, und die Verletzung des modernen Tabus ihrerseits als Moderne zu goutieren; so wird vielfach Modernität in Reaktion umgebogen.“ (Adorno 1997, 7, 61)

2.1.1) Theodor W. Adornos Kategorie des "Neuen"

„Die Argumente gegen die ästhetische cupiditas rerum novarum, die so plausibel auf das Gehaltlose dieser Kategorie sich berufen können, sind zuinnerst pharisäisch. Das Neue ist keine subjektive Kategorie, sondern von der Sache erzwungen [...].“ (Adorno 1997, 7, 40)

„Aufs Neue drängt die Kraft des Alten, das, um sich zu verwirklichen, des Neuen bedarf. Unmittelbare künstlerische Praxis samt ihren Manifestationen macht sich verdächtig, sobald sie eigens darauf sich beruft; in dem Alten, das auch sie bewahre, verleugnet sie meist ihre spezifische Differenz; ästhetische Reflexion jedoch ist nicht gleichgültig gegen die Verschränkung des Alten und des Neuen. Seine Zuflucht hat das Alte allein an der Spitze des Neuen; in Brüchen, nicht durch Kontinuität.“ (Adorno 1997, 7, 40)

„Die Spuren in Material und Verfahrungsweisen, an die jedes qualitativ neue Werk sich heftet, sind Narben, die Stellen, an denen die voraufgegangenen Werke mißlangen. Indem das neue Werk an ihnen laboriert, wendet es sich gegen diejenigen, welche die Spuren hinterließen [...] Der Wahrheitsgehalt der Kunstwerke ist fusioniert mit ihrem kritischen. Darum üben sie Kritik auch aneinander. Das, nicht die historische Kontinuität ihrer Abhängigkeiten, verbindet die Kunstwerke miteinander; 'ein Kunstwerk ist der Todfeind des anderen'; die Einheit der Geschichte von Kunst ist die dialektische Figur bestimmter Negation.“ (Adorno 1997, 7, 59f.)

2.2) Peter Bürger: Theorie der Avantgarde

„Neoavantgardistische Kunst ist autonome Kunst im vollen Sinne des Wortes, und das bedeutet: sie negiert die avantgardistische Intention einer Rückführung der Kunst in die Lebenspraxis. Auch die Bemühungen um eine Aufhebung der Kunst werden zu künstlerischen Veranstaltungen, die unabhängig von den Absichten ihrer Produzenten Werkcharakter annehmen.“ (Peter Bürger: Theorie der Avantgarde. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1974, 80)

2.3) Renate Kühn: mémoire. Überlegungen zum Thema 'Avantgarde' aus literaturwissenschaftlicher Sicht im Rückblick auf ein Vierteljahrhundert. In: perspektive. hefte für zeitgenössische literatur. Graz, Berlin 1999. H. 37/38 [herzfehler], S. 32-39.

„Weil die historischen Avantgarden 'gescheitert' sind, wurden neue Avantgarden – in diesem Fall also die Nachkriegsavantgarden – notwendig. Da auch sie 'gescheitert' sind, ist ein 'Ende der Avantgarde' vorerst nicht in Sicht.“ (Kühn 1999, 38)

2.4) Ende der Avantgarde in Österreich und in den westlichen Gesellschaften insgesamt? Thomas Raab und das Ende der Avantgarde Thomas Raab: Avantgarde-Routine. Berlin: Parodos 2008.