Pflege in Deutschland im Kontext europäischer Pflegesysteme Ergebnisse des EU-Projektes ANCIEN, WP1 Vortrag auf der Sitzung des EU-Ausschusses der GVG am 2.12.2010 in Berlin Dr. Erika Schulz 02.12.2010
Typologie der Pflegeversicherungssysteme in der EU anhand von zwei Ansätzen Ansatz 1: Typologie, die sich aus dem Vergleich der Charakteristiken der Systemvariablen ergibt Schwerpunkt liegt hier auf die Organisation der Pflege sowie auf die finanzielle Ausstattung Es werden 21 Staaten einbezogen Ansatz 2 – Frau Mot (use and financing of care – 14 countries) 02.12.2010 Dr. Erika Schulz
Ansatz 1: Vorgehensweise In einem ersten Schritt werden ordinal skalierte Variablen gebildet, die zusammengefasst jeweils einen Index für die Tiefe der Organisation (Xi) und für die finanzielle Ausstattung (Yi) der Langzeitpflege ergeben. Die Bewertung der Variablen erfolgt aus der Sicht der Pflegebedürftigen, um einen Grad der „Nutzerfreundlichkeit“ zu erhalten. In einem zweiten Schritt wird eine formale Cluster-Analyse durchgeführt, um eine Typologie der Langzeitsysteme zu erhalten. Es werden 6 Variablen für die Organisationstiefe und zwei Variablen für die finanzielle Ausstattung herangezogen, wobei jeweils zwischen ambulanter, stationärer und informeller Pflege unterschieden wird.
Ansatz 1 Organisations-Variablen (I) (1) Zugang zu Leistungen der Langzeitpflege einkommensbhängig? (2) Gibt es einen Anspruch auf Leistungen? Wer hat Anspruch auf Leistungen? (3) Können Geldleistungen bezogen werden? Wenn ja, für welche Leistungen? 02.12.2010 Dr. Erika Schulz
Ansatz 1 Organisations-Variablen (II) (4) Können die Pflegebedürftigen den Anbieter ambulanter Pflegeleistungen oder das Pflegeheim selbst auswählen? (5) Gibt es ein Qualitätssicherungssystem? Ist dieses verpflichtend? (6) Gibt es Formen der integrierten Versorgung? Wie ist die Qualität der Koordination der Pflegeleistungen mit anderen Leistungen zu beurteilen? 02.12.2010 Dr. Erika Schulz
Ansatz 1 Finanzierungs-Variablen (I) (7) Sind Zuzahlungen/Eigenleistungen zu den Leistungen bei der Pflege zu Hause und im Pflegeheim zu zahlen? (8) Wie hoch sind die öffentlichen Ausgaben für die Pflege als % des BSP? 02.12.2010 Dr. Erika Schulz
Ansatz 1 Bewertung Die Bewertung erfolgt aus der Sicht der Pflegebedürftigen. Die Ausprägung, die für die Pflegebedürftigen am besten/günstigsten ist, erhält den höchsten Wert (3 und bei den Ausgaben 5) 02.12.2010 Dr. Erika Schulz
Schlussfolgerung Nach diesem Ansatz 1 steht Deutschland im Vergleich zu den anderen Staaten relativ gut da. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass es insbesondere im Heimbereich zu hohen Zusatzkosten für die Hotelleistungen kommen kann. Die Zahl der Empfänger der „Hilfe zur Pflege“ betrug 2008 397.000, darunter 285.000 in vollstationärer Pflege Die Pflegeversicherung ist auf Personen mit zumindest erheblichem Pflegebedarf ausgerichtet. Geringerer Pflegebedarf ist privat abzusichern (personell und finanziell) Es wird in der Bundesregierung überlegt, die erwarteten demographisch bedingten Finanzierungslücken durch eine verpflichtende „Riester-Versicherung“ abzudecken. Damit dürfte der privat zu tragende Anteil weiter steigen.
Schlussfolgerung Die Einbeziehung weiter/anderer Variablen wie im Ansatz 2 hat für Deutschland eine andere Klassifizierung zur Folge. Allgemein hängt die Klassifizierung von den zugrunde gelegten Definitionen, die für alle EU Länder gleich sind, und der einbezogenen Größen ab. So kann beispielsweise auch in Deutschland der Anteil der informell gewährten Pflege nur schätzungsweise ermittelt werden. Auch die selbst getragenen Pflegeaufwendungen sind nur abzuschätzen.
Ausprägung der einzelnen Variablen in Deutschland Hintergrundinformationen
Variable 1+2 Zugangsbedingungen Leistungen können alle in der Pflegeversicherung versicherten Personen erhalten, unabhängig vom Alter, dem Einkommen oder Vermögen, aber abhängig vom Grad der Pflegebedürftigkeit Seit Juli 2008 beträgt die Wartezeit zwei Jahre (vorher fünf Jahre). Versicherte haben ein Anrecht auf Leistungsgewährung, wenn sie Hilfe im Haushalt und bei der persönlichen Pflege zu einem erheblichen oder höheren Maße für mindestens 6 Monate benötigen (mindestens Hilfe in zwei ADL und zusätzlich in IADL) 02.12.2010 Dr. Erika Schulz
Pflegebedürftige, die keine Leistungen von der Pflegeversicherung erhalten (Pflegestufe 0) Schneeklodt/Leven schätzen die Zahl der Personen, die sich selbst als pflegebedürftig bezeichnen, aber nicht die Voraussetzungen für die Pflegestufe 1 erfüllen (mind. Grundpflege 45 min pro Tag in 2 ADL und insgesamt mind. 90 min) auf 3 Mill. in 2002. Personen, die Hilfe bei mind. 1 ADL benötigen zählen in ANCIEN zu den Pflegebedürftigen 02.12.2010 Dr. Erika Schulz
Variable 3 Geldleistungen vorhanden Variable 3 Geldleistungen vorhanden? Ja, aber nur für selbst beschaffte Pflege 02.12.2010 Dr. Erika Schulz
Insgesamt 2.25 Millionen Leistungsempfänger 02.12.2010 Dr. Erika Schulz
Variable 4: Freie Wahl der Anbieter? Ja 02.12.2010 Dr. Erika Schulz
Variable 4: Qualitätssicherungsmaßnahmen verpflichtend? Ja
Qualitätssicherung Bundesweit einheitliche Qualitätsrichtlinien. Der Medizinische Dienst der Krankenkasse prüft die Qualität in Pflegeheimen und bei ambulanten Pflegediensten jeweils nach einen speziellen einheitlichen Erhebungsbogen für die Qualitätsprüfungen. Ab 2011 soll jede Einrichtung einmal pro Jahr geprüft werden. Die Prüfergebnisse werden gemäß der Transparenzvereinbarungen in einer übersichtlichen Weise veröffentlicht (Schulnoten). Pflegeheime müssen das Prüfergebnis gut sichtbar öffentlich machen (Hauseingang). Bezieher von Pflegegeld müssen abhängig vom Pflegegrad mindestens zweimal jährlich eine Beratung zur Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege durch eine zugelassene Pflegeeinrichtung durchführen lassen. 02.12.2010 Dr. Erika Schulz
02.12.2010 Dr. Erika Schulz
Variable 5: Integrierte Versorgung? Könnte besser sein, erste Ansätze, aber dennoch Probleme beim Übergang vom Krankenhaus zur Pflege, Abgrenzungsprobleme bei der Abrechnung (Leistungen der Pflege- oder der Krankenversicherung) Variable 6: Anteil der privat zu tragenden Pflegekosten
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Leistungsempfänger in Pflegeheimen 02.12.2010 Dr. Erika Schulz
Service bundles of home care services 02.12.2010 Dr. Erika Schulz