Rechtliche und kriminologische Aspekte

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 Präsentation transkript:

Rechtliche und kriminologische Aspekte Stalking Rechtliche und kriminologische Aspekte Lehrveranstaltung am 03.06.2010 Dr. Daniel H. Heinke Staatsanwalt xxxx

Stalking: Definition Verhaltensprozess – Interaktion – Opferreaktion von Stalking ist auszugehen wenn eine Person wiederholt und fortdauernd versucht, mit einer Zielperson gegen deren Willen in Kontakt zu treten bzw. zu kommunizieren, so dass diese durch den aufdringlichen Charakter der dauerhaften Kontakte mit Furcht oder Angstgefühlen reagiert (Mullen u.a., 2000, zit. n. Greuel/Petermann, 2005) Verhaltensprozess – Interaktion – Opferreaktion

Stalking: Dauer und Dynamiken Stalking kann auf einen relativ kurzen Zeitraum beschränkt sein oder sich über Monate oder Jahre erstrecken und plötzlich abbrechen Stalkingverhalten kann in Ausdruck und Frequenz über die Zeit stabil bleiben oder sich über die Zeit quantitativ und/oder qualitativ verändern oder eskalieren (bis hin zu Tötungsdelikten)

Stalking-Handlungen und Verhaltensthemen Telefonanrufe Schriftliche Mitteilungen (SMS, eMails) Zusendung von „Geschenken“ Herumtreiben im Wohn-/Arbeitsumfeld Auflauern Beobachten Ausforschen Überwachung Belästigung von Bezugspersonen Diebstahl persönlicher Gegenstände Wohnungseinbruch Bedrohung (auch Dritter) Verfolgung Konfrontation, Wutausbrüche, Sachbeschädigung Verstoß gegen Kontaktverbote Suizid(drohung) Gewalt gegen Haustiere Freiheitsberaubung, Sexuelle Gewalt physische Gewalt, (versuchte) Tötung Hyperintimität Nähe Verfolgung Eindringen Einschüchterung Kontrolle Gewalt (Greuel/Petermann, 2005)

Stalking: Auftretenshäufigkeit (Epidemiologie) relativ häufiges Phänomen Frauen wesentlich häufiger Opfer Internationale Studien: (Übersicht bei Greuel/Petermann, 2005) 8-17 % aller Frauen und 2-7 % aller Männer werden mindestens ein Mal im Leben Opfer von Stalking Deutschland: 17 % der Frauen und 4 % der Männer (Dreßing u.a., 2005) Opferraten sehr stark von der Definition abhängig!

Stalking: Täter aus allen sozialen Schichten und Altersgruppen ca. 80 % Männer hoher Anteil Alter von 30-40 Jahren überwiegend frühere Beziehung oder Bekanntschaft zwischen Täter und Opfer (Ex-Partner, Freund, Kollege, Nachbar, beruflicher Kontakt) größte Gruppe: Ex-Partner nur in 20 % der Fälle dem Opfer gänzlich fremder Täter oftmals ausgeprägte Realitätsverzerrung und psychisch auffälliges Verhalten, ABER: nur kleine Gruppe mit behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen (Dreßing/Gass, 2005)

Stalking: Opfer aus allen sozialen Schichten und Altersgruppen ca. 80 % Frauen erhöhtes Risiko bei allein lebenden / vom Partner getrennt lebenden Frauen erhöhtes Risiko bei Personen in exponierten Berufen (z.B. Politiker, Schauspieler, Musiker) erhöhtes Risiko bei Personen, die beruflich häufig in engen Kontakt mit anderen Menschen kommen (z.B. Ärzte, Therapeuten, Krankenschwestern, Lehrer, Rechtsanwälte, Professoren) (Dreßing/Gass, 2005)

Stalking: Folgen für Opfer fühlen sich zunächst teilweise „nur“ belästigt zunehmend Gefühle von Macht- und Hilflosigkeit fortdauernde Angst (um das eigene Leben und das Leben der Angehörigen) Tagesroutinen werden erheblich beeinträchtigt Symptome wie bei Opfern (anderer) Gewaltdelikte (bis hin zu post-traumatischen Belastungsreaktionen; z.B. erhöhte Schreckhaftigkeit, Panikattacken, Konzentrationsprobleme, Albträume, psychosomatische Beschwerden wie Schlafstörungen, Herz-Kreislauf- und Magenprobleme, sekundärer Substanzmissbrauch) (Dreßing/Gass, 2005)

Stalking: betroffene Rechtsbereiche Zivilrecht Polizeirecht Strafrecht Ziel: Schutz privater Rechte . Initiative: Opfer muss Antrag bei Gericht stellen Maßnahmen: Zivilrechtliche Schutz-anordnungen, Unterlassungsansprüche Ziel: Gefahrenabwehr; Verhütung von Straftaten Initiative: Polizei . Maßnahmen: Gefahrenabwehrmaß-nahmen nach BremPolG Opferberatung ggf. Schutzmaßnahmen Ziel: Strafverfolgung . Initiative: Polizei Staatsanwaltschaft Maßnahmen: Strafprozessuale Maßnahmen Quelle: LAFP NRW

Stalking: Strafrecht Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildauf-nahmen (§ 201a StGB) und weitere Straftaten durch Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereiches (§§ 201 ff. StGB) Hausfriedensbruch, § 123 StGB Sachbeschädigung, § 303 StGB Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, §§ 185 ff. StGB Verstoß gegen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, § 4 GewSchG Nötigung, § 240 StGB Bedrohung, § 241 StGB Nachstellung, § 238 StGB Körperverletzungsdelikte, §§ 223 StGB Sexuelle Nötigung, §§ 177 ff. StGB (versuchte) Tötungsdelikte, §§ 211, 212 StGB

Stalking: Wirksamkeit des § 238 StGB PKS (Bund) 2008: erfasste Fälle: 29.273 (m: 18.882, w: 4.414) PKS (Bremen) 2009: erfasste Fälle: 299 (m: 253, w: 46) Ist das die Realität? Stuttgarter Zeitung, 17.03.2010: Bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart gingen 2009 435 Ermittlungsverfahren wegen Nachstellung ein. 95 % der Verfahren wurden eingestellt.

Also: bei „Stalking“ nicht verengt nur auf § 238 StGB abstellen – die ganze Breite möglicher Straftaten im Blick behalten! Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildauf-nahmen (§ 201a StGB) und weitere Straftaten durch Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereiches (§§ 201 ff. StGB) Hausfriedensbruch, § 123 StGB Sachbeschädigung, § 303 StGB Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, §§ 185 ff. StGB Verstoß gegen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, § 4 GewSchG Nötigung, § 240 StGB Bedrohung, § 241 StGB Nachstellung, § 238 StGB Körperverletzungsdelikte, §§ 223 StGB Sexuelle Nötigung, §§ 177 ff. StGB (versuchte) Tötungsdelikte, §§ 211, 212 StGB

Stalking: Weiterführende Quellen Literatur (Auswahl): Dreßing, H./Gass, P.; Stalking! – Verfolgung, Bedrohung, Belästigung; Bern u.a. 2005 Dreßing, H./Kühner, C./Gass, P.; Was ist Stalking? – Aktueller Forschungsstand; in: FPR 2006, 176 Fischer, T.; Strafgesetzbuch (Kommentar) [§ 238 Rdnrn. 1-3]; 57. Aufl., München 2010 Greuel, L./Petermann, A.; Gewalt und Stalking; in: Greuel, L./Petermann, A. (Hrsg.); Macht – Fantasie – Gewalt (?), Täterfantasien und Täterverhalten in Fällen von (sexueller) Gewalt; Lengerich u.a. 2005 Greuel, L./Petermann, A.; „Bis dass der Tod uns scheidet…“ – Femizid im Rahmen von Partnerschaftskonflikten; in: Greuel, L./Petermann, A. (Hrsg.); Macht – Nähe – Gewalt (?), (Sexuelle) Gewalt- und Tötungsdelikte im sozialen Nahraum; Lengerich u.a. 2007 Jurtela, S.; Häusliche Gewalt und Stalking; Innsbruck u.a. 2007 Morewitz, S.J.; Stalking and Violence – New Patterns of Trauma and Obsession; New York u.a. 2003 Rusch, S.; Stalking in Deutschland; Göttingen 2005 Weitere Quellen: Stalking-Konzept der Polizei Bremen, abzurufen im Intranet Übersicht über die Stalking-Beauftragten der Polizei Bremen, abzurufen im Intranet Stalking – Phänomenologie, Intervention, Prävention (Handreichung für die polizeiliche Praxis), LAFP NRW (2007), abzurufen im Extrapol