Nahrungsnetze der westlichen Ostsee und der südlichen Nordsee

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 Präsentation transkript:

Nahrungsnetze der westlichen Ostsee und der südlichen Nordsee S. Opitz, R. Froese, C. Garilao (GEOMAR, Kiel) KoordinatorInnentreffen, 10. April 2018, BfN, Vilm

Untersuchungsgebiet westliche Ostsee ICES Unterabteilungen 22 und 24, Fläche = 42.228 km2

Zusammenarbeit mit anderen Clustern Andere Cluster stellten folgende Inputs zur statischen Modellierung zur Verfügung: (See-) Vögel - Artenliste, Individuenzahlen, Literatur mit qualitativen und semi - quantitativen Nahrungsangaben für die Avifauna der deutschen Ostseeküste) (Gruppe S. Garthe) Schweinswale – rezente Biomasseangaben, Literatur zu Lebensweise – incl. Ernährung in der Nord- und Ostsee) (Gruppe A. Gilles) Robben - Literatur zur Lebensweise in Nord- und Ostsee (Gruppe A. Gilles) Makrozoobenthos - Biomasseangaben für Makro- und Meiobenthos für die südwestliche Ostsee und südliche Nordsee (M. Zettler).

Nahrungsnetz der westlichen Ostsee Trophische Flüsse zum (grün) und weg vom (braun) Heringsbestand = Import von Nahrung aus angrenzenden Ökosystemen = Immigration aus angrenzenden Ökosystemen Fläche der Boxen und Breite der Flüsse sind proportional zum Summenquadrat der Menge. Trophische Stufe

Nahrungsnetz der westlichen Ostsee Trophische Flüsse zum (grün) und weg vom (braun) Sprottenbestand = Import von Nahrung aus angrenzenden Ökosystemen = Immigration aus angrenzenden Ökosystemen Fläche der Boxen und Breite der Flüsse sind proportional zum Summenquadrat der Menge. Trophische Stufe

Statische Modellierung – Zusammenfassung der Ergebnisse Erstmalig existiert ein Modell, das alle lebenden Komponenten des Ökosystems der westlichen Ostsee zusammenfasst und über ihre Nahrung quantitativ vernetzt. Verbrauch von Fisch durch Fischerei und Ökosystemkomponenten ist höher als deren Jahresproduktion. Vor allem für Hering und Jungdorsch kann der Bedarf nur ausgeglichen werden unter der Annahme von Einwanderung aus - bzw. Deckung des Nahrungsbedarfs der Räuber in - angrenzenden Gebieten. Hering und Sprotte als Low Trophic Level (LTL) Arten nehmen eine Schlüsselstellung ein; Hering hat die höchste Bestandsbiomasse im System und transportiert die größte Menge an Material von niederen trophischen Ebenen (v.a. Zooplankton) zu einer großen Anzahl von Räubern (mehr als Sprotte) auf höheren und höchsten trophischen Ebenen.

Zeitlich-dynamische Modellierung von Fischereiszenarien mit Ecosim Westliche Ostsee Zeitlich-dynamische Modellierung von Fischereiszenarien mit Ecosim Schritt 1: Entwicklung des Basismodells und Anpassung von Modellrechnungen und Zeitserien aus externen Quellen zu Bestandsgröße und Fischereiertrag für den Zeitraum 1994 bis 2016. Schritt 2: Modellgestützte Berechnung der möglichen Auswirkungen von Änderungen des Fischereidrucks auf alle trophischen Gruppen im Ökosystem der westlichen Ostsee. Business as usual Bestandsent-wicklung ab 2017 bis 2050 unter demselben Fischereidruck wie 2016 Fmsy Bestandsent-wicklung, wenn Fischereidruck ab 2017 bis 2050 auf Fmsy (falls verfügbar) reduziert - bzw. erhöht (falls in 2016 niedriger als Fmsy) würde Half Fmsy Bestandsent-wicklung, wenn Fischereidruck ab 2017 bis 2050 auf ½ Fmsy reduziert würde No Fishing Bestandsent-wicklung, wenn ab 2017 bis 2050 nicht mehr gefischt würde EBFMP Ökosystem-basierter Fischerei-Management-Plan für die westliche Ostsee; Befischung Hering und Sprotte mit ½ Fmsy und andere Bestände mit 80 % Fmsy

Westliche Ostsee - dynamisches Basismodell: Entwicklung von Bestandsgröße B und Fischereiertrag (Catch) für ausgewählte Bestände von 1994 bis 2016 Übereinstimmung von Modell-rechnungen (liniert) und Zeitserien aus externen Quellen (punktiert) wie ICES Advice, BITS, literatur-basierte Schätzungen für Schweins-wal B=Biomasse SSB=Laicher-biomasse, Zahlen=Anzahl der Summenquadrate =Maß für die Abweichung zwischen Inputdaten und Modell-berechnungen für o.a. Parameter Jahr

„Business as usual“ Alle Bestandsbiomassen bleiben auf sehr niedrigem Niveau; Schweinswal und Dorsch nehmen weiter ab. „No fishing“ Anders als vorhergesagt „kollabiert das System nicht“ - Bestände verbleiben nach Erreichen auf einem individuell unterschiedlichen Niveau. Vor allem adulter Dorsch aber auch Hering, Schweinswale und Robben (letztere hier nicht abgebildet) wären die „Gewinner“. Hinweis auf „Regime-Shift“ – v. a. der Heringsbestand wird wieder top down, also von seinen Räubern – besonders von Schweinswal und Dorsch - kontrolliert.

Westliche Ostsee – Fischereiszenarien im Vergleich

Vergleich Entnahme Dorsch durch Fischerei und durch Topräuber wie Schweinswale, Robben und Seevögel, die die Fischer gerne als Konkurrenten um die Zielarten Dorsch, Hering und Sprotte bezeichnen.

Dynamische Modellierung – Zusammenfassung der Ergebnisse Bestandsbiomassen von Schweinswal, Dorsch, Hering und Sprotte haben in den letzten 23 Jahren (Verfügbarkeit der Zeitserien) stark abgenommen, die der Plattfische ist dagegen angestiegen (evtl. durch Vereinnahmung frei gewordener ökologischer Nischen). Ein Vergleich verschiedener Fischereiszenarien bis 2050 unter Berücksichtigung von Nahrungsbeziehungen zeigt die Zu- bzw. Abnahme von Bestandsgrößen. Das optimale Szenario für Aufbau und Erhalt für die Mehrzahl der Bestände in der westlichen Ostsee liegt demnach zwischen Fmsy und ½ Fmsy. Dafür wurde ein Szenario „Ecosystem based Fishery Management Plan westliche Ostsee“ modelliert mit ½ Fmsy für Hering und Sprotte und 0,8 Fmsy für andere Fischbestände. Der Schweinswalbestand zeigt den höchsten Anstieg an Biomasse wenn die Fischerei komplett eingestellt würde (Szenario „No Fishing“), den zweithöchsten beim Szenario „1/2 Fmsy “. Der Unterschied der Szenarien für die Seevögel in 2050 ist nicht signifikant, alle Szenarien sind in etwa gleich.

Beurteilung der Szenarien (Slide 11) Business as usual: Fortgesetztes Elend, Verlust der Schweinswale F = Fmsy (gegenwärtige EU Politik): Erholung von Dorsch und Hering, aber keine Erholung der Schweinswale, bleiben unter 20% der natürlichen Bestandsgröße und damit weiterhin zu klein und nachwuchsgefährdet. F = ½ Fmsy: schonende Fischerei mit guten Erträgen, gute Erholung der Schweinswale auf über 50% der natürlichen Bestandsgröße. EBMF: Kompromiss zwischen F = Fmsy und F = ½ Fmsy. Schlüsselarten Hering und Sprotte werden mit ½ Fmsy befischt, alle anderen mit 0,8 Fmsy. Etwas höhere Fänge bei Dorsch und Plattfischen, immer noch gute Erholung beim Schweinswal auf etwa 40 % der natürlichen Bestandsgröße.

Modellgebiet südliche Nordsee mit deutscher AWZ und NATURA 2000 Gebieten

Sandaal Nahrungsnetz der deutschen AWZ in der Nordsee Trophische Flüsse zum (grün) und weg vom (braun) Sandaalbestand = Import von Nahrung aus angrenzenden Ökosystemen 5 Robben Adulter Kabeljau Steinbutt Wale 4 Juveniler Kabeljau Haie/Rochen Seevögel Andere demersale Fische Flunder Pelagische Makrofauna Scholle Adulter Hering Kliesche Andere pelagische Fische 3 Sandaal Juveniler Hering Sprotte Benthische Meiofauna Zooplankton 2 Bakterien/Mikroorganismen Benthische Makrofauna Trophische Stufe Benthische Produzenten Phytoplankton Detritus/DOM Rückwürfe Fläche der Boxen und Breite der Flüsse ist log-proportional zur Menge.

Nahrungsnetzmodell südliche Nordsee – Deutsche AWZ – Zusammenfassung der Ergebnisse Sandaal ist ein zentraler Nahrungsorganismus für viele Räuber, LTL Art, transportiert Energie von unteren (v.a. Zooplankton und Makrozoobenthos) zu höheren trophischen Ebenen Sandaal wird stark befischt zusammen mit anderen LTL Arten wie Hering und Sprotte Effekt: Nahrungsmangel für natürliche Räuber

Anwendungsmöglichkeiten der Modellergebnisse für das BfN GFP GFP schreibt ökosystem-basiertes Fischereimanagement spätestens ab 2020 vor Fischereidruck darf für keine Art den maximal nachhaltigen Wert (Fmsy) überschreiten Welche Kombination von art-spezifischen Fischereidrücken liefert gute Fänge bei geringst-möglicher Schädigung oder Verzerrung des Ökosystems?  vorgestellte Modellierung liefert robuste wissenschaftliche Basis zur Beantwortung MSRL Deskriptor 4 Modell zeigt die Bestandsentwicklung von Zielarten, Schutzgütern und wesentlichen Ökosystemkomponenten ohne Fischerei und mit verschiedenen Fischereiszenarien gegenwärtig geplante Fischerei mit F = Fmsy würde den Bestand der Schweinswale nicht ausreichend aufbauen (nur etwa 16 % der natürlichen Bestandsgröße und daher im Bereich der reduzierten Reproduktionsfähigkeit)  F = Fmsy ist daher mit MSRL D4 nicht vereinbar Scheveningen-Prozess Die Bedeutung der Sandaale für Schutzgüter kann gezeigt werden

Danke Fragen?

Ökosystemmodellierung Nächste Schritte Westliche Ostsee: Fertigstellung Manuskript (bis Ende Mai 2018): „Trophic Imbalances in the Western Baltic Sea Ecosystem“. Inhalt: Modelle zur Beschreibung  trophischer Beziehungen in der südlichen Ostsee. Analyse und Entwicklung von Fischereimanagementszenarien  Überprüfung von Zertifizierungsverfahren, Weiterentwicklung der Kriterien von Zertifizierungsverfahren z.B. in Bezug auf Low Trophic Level Species Räumlich-dynamische Modellierung (bis Ende 2018): Verfeinerte Simulation der Auswirkungen von Fangverboten in Schutzzonen (NATURA 2000 / FFH) auf der Basis der simulierten Bestandsentwicklungen von 2016 bis 2050. Voraussetzung: Verfügbarkeit von Verteilungskarten in digitaler Form für die Schutzgüter Seevögel und Schweinswale) Online-Bereitstellung von trophischen Modellen und Daten der westlichen Ostsee (bis Ende 2018) für andere Clusterteilnehmerinnen und – teilnehmer mit der Möglichkeit zur Aktualisierung von Eingabedaten. Erstellung aktualisierter Modellversionen. Diese können auch von anderen Forschungsprojekten genutzt werden und z.B. eine Grundlage bilden für die Entwicklung des MSRL Deskriptors 4:  Nahrungsnetze. Südliche Nordsee (bis Ende 2018) Aktualisierung der Eingabedaten für das Modell der südlichen Nordsee und Modellierung von Fischereiszenarien analog zum Ostseemodell.