Flüchtlingspolitik Linder Ladantyi Podiumsgespräch 7. März 2016 wo steht die Schweiz? Prof. em. Dr. Wolf Linder Universität Bern woli@bluewin.ch www.wolf-linder.ch Flüchtlingspolitik Linder 1
Flüchtlingspolitik Linder Flüchtlinge: Kein Europa- sondern ein Welt-Thema! Flüchtlingspolitik Linder 2
Flüchtlingspolitik Linder Wo die Flüchtlinge leben Flüchtlingspolitik Linder 3
Flüchtlingspolitik Linder Flüchtlinge in der Schweiz Zuwanderung im Asylbereich 1995-2014 Flüchtlingspolitik Linder 4
Flüchtlingspolitik Linder Die Schweiz im europäischen Vergleich Gestern wie heute ein einwanderungs- und asylfreundliches Land Kann aber – bei Betrachtung der Gesamtzahl der Flüchtlinge- nur einen bescheidenen Beitrag leisten Flüchtlingspolitik Linder 5
Flüchtlingspolitik Linder Anmerkungen zur schweizerischen Flüchtlingspolitik Gleichlage mit Europa: Polarisierung, Emotionalisierung; Geringere Aufnahmebereitschaft? Flüchtlingsstatut: einst auf individuell Verfolgte, nicht auf (irreguläre) Einwanderung aus nicht-politischen Gründen zugeschnitten Ungelöste Probleme von Integration und Rückführung Zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik: das tägliche Dilemma Teilhabe am EU-Widerspruch: interne Personenfreizügigkeit als Dogma, aber Abwehr Süd-Nord-Migration in der „Festung Europa“ ?? Ungleichlage mit Europa: Nicht nur die Flüchtlingspolitik, auch die Einwanderungspolitik (Personenfreizügigkeit) ist umstritten Asyl- und Einwanderungspolitik können politisch nur zusammen gelöst werden. Sie brauchen ein gemeinsames Konzept und vertragen keine widersprüchlichen Ziele und Lösungskriterien Flüchtlingspolitik Linder 6
Flüchtlingspolitik Linder Strukturelle Gründe der Süd-Nord Migration Kriege innerhalb eines Landes samt militärischen Intervention von aussen (Syrien, Lybien, Afghanistan etc.), Umweltkatastrophen Produktivitäts- und Einkommensunterschiede Kolonialreich Grossbritannien Ende 19.Jh: 1:5 Unzureichende Institutionen von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft Zwischenfrage: Wie weit verstärkt oder vermindert der hyperglobalisierte Kapitalismus diese Ungleichheiten? Zwei Konsequenzen: Menschen haben ein legitimes Interesse, bessere Lebensbedingungen zu finden „Either poor countries will get richer, or poor people will go to the rich countries“ Flüchtlingspolitik Linder 7
Flüchtlingspolitik Linder Einwanderung und Asyl überdenken I Richtung Migration: Von den ärmeren in die reicheren Länder. Ambivalente Folgen Gastländer: wirtschaftliche Vorteile, aber soziale Konflikte Auswandernde: Ungewisse Vorteile Auswanderungsländer: Remittances, Verlust der Tüchtigen, Brain drain Einweg-Migration nach Norden löst strukturelle Entwicklungs-probleme der Süd-Länder nicht, kein Beitrag zur Verminderung der Ungleichheit Migration findet keine „natürlichen“ Grenzen. Darum: Klassische Einwanderungsländer (CAN, AUS) haben Einwanderungsquoten Die politischen Fallstricke der Asylpolitik Asylpolitik als Sündenbock aller Probleme regulärer Einwanderung (Sozialstaatsleistungen, Arbeitsintegration etc.) Flüchtlingspolitik Linder 8
Flüchtlingspolitik Linder Einwanderung und Asyl überdenken II Sonderbehandlung Kriegsflüchtlinge Politisch Verfolgte und „Wirtschaftsflüchtlinge“ lassen sich letztlich kaum unterscheiden. Zustrom ohne Begrenzung: erschöpft Mehrheitskonsens der Politik und die Integrations-fähigkeit der Gesellschaft Begrenzungen nur für Wirtschaftsflüchtlinge: nicht vertretbar. Vertretbar und sinnvoll: Grenzen der Gesamteinwanderung. Zwei Hauptmöglichkeiten der Begrenzung: Quoten (werden aber durch irreguläre Einwanderung unterlaufen) Eintrittgeld für Teilnahme an den Gemeinschaftsgütern des Gastlandes Wie weit soll und muss die Gleichstellung regulär Eingewanderter und Asylsuchender gehen? Flüchtlingspolitik Linder 9
Flüchtlingspolitik Linder Über die Einwanderungs- und Asylpolitik hinaus Grenzen jeder Einwanderungs- und Asylpolitik: Keine Beruhigung der Einwegmigration Süd-Nord. Keine Verringerung des Nord-Süd-Gefälles. Knacknuss: Überwindung der Tabuzone „Rückführung“. Alternative: Berufliche Aus- und Weiterbildung für eine sinnvolle Rückkehr (= temporärer Aufenthalt gemäss Flüchtlingsgesetz; kann vertraglich vereinbart werden). Rückkehrhilfe vor Ort. Neukonzeption der Entwicklungszusammenarbeit: Konzentration auf Berufslehre/Berufsbildung und KMU Gründungen vor Ort. Flüchtlingspolitik Linder 10
Flüchtlingspolitik Linder Statt Süd-Nord-Migration: Einheimische Markte stärken und schützen zur Entwicklung produktiver Erwerbsarbeit Globalisierung: Benachteiligte Entwicklungsländer lehnen bisherige Freihandelspolitik des kapitalistischen Westens ab. Widerstand gegen weitere (globale) Liberalisierungen, z.B. durch die WTO. Rolle der Schweiz? Ansätze in der WTO, Südländern grösseren Schutz der eigenen Märkte zu gewähren (Landwirtschaft, KMU). Rolle der Schweiz? TTIP: Investitionsschutz für internationale Unternehmen. Klage auf Schadenersatz durch Staaten vor privaten Schiedsgerichten. Revidiert die Schweiz ähnliche bilaterale Verträge mit Süd-Staaten? Wir können die armen Länder nicht reich machen, aber wir könn(t)en dazu beitragen, ihnen nicht zu schaden Flüchtlingspolitik Linder 11