Mit Erich Fromm und Irvin Yalom auf der Suche nach dem Glück

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 Präsentation transkript:

Mit Erich Fromm und Irvin Yalom auf der Suche nach dem Glück Henning Kurz

Ein Film von Sabine Gisiger Die Schweizer Filmemacherin Sabine Gisiger hat 2014 den Tiefenpsychologen porträtiert. Der 83-jährige Psychiater und Bestsellerautor (u.a. "Die Liebe und ihr Henker", "Und Nietzsche weinte" und "Die rote Couch") Irvin D. Yalom ist der wohl bedeutendste Vertreter der existentiellen Psychotherapie. Eine faszinierende Persönlichkeit, die uns nicht nur auf die Suche nach den Tiefen und Untiefen der menschlichen Psyche mitnimmt, sondern auch intime Einblicke in sein eigenes Innenleben gibt. In YALOMS ANLEITUNG ZUM GLÜCKLICHSEIN lässt er uns an seinem reichen Erfahrungsschatz teilhaben und gibt uns Antworten auf Fragen, die uns alle bewegen: Wie lebe ich ein glückliches und erfülltes Leben? Wie führe ich eine harmonische Beziehung? Und wie kann ich alte Verhaltensmuster durchbrechen und mein eigenes Selbst finden? Yaloms Anleitung zum Glücklichsein weckt die Leidenschaft, sich und andere besser zu verstehen und inspiriert den Zuschauer dazu, nie die Neugier auf sich selbst zu verlieren – denn dazu ist es nie zu spät. Der gut 70-minütige Film eignet sich bestens, um in die Thematik einzusteigen.

Yaloms „Heureka-Moment“ als Therapeut, war die Erkenntnis, dass der Therapeut nur helfen kann, wenn er, im therapeutischen Setting, authentisch bleibt und sich selbst öffnet. Ein Therapeut, so Yalom, der seine eigenen dunklen Flecken nicht kennt, wird den Fallstricken der Übertragung nie entgehen.

Therapeutischer Ansatz: Existentielle Psychotherapie „Werde, der Du bist“ (Friedrich Nietzsche) Aufgabe des Therapeuten: Entwicklungshindernisse beseitigen Der Therapeut ist nicht in der Rolle des Gurus, der ein rettendes Rezept verteilt. Er hält sich mit Ratschlägen sehr zurück und hilft dem Klienten, Entwicklungshindernisse zu beseitigen. Inspiriert wurde dieses optimistische Menschenbild Yaloms von Karen Horney, Harry S. Sullivan und Erich Fromm.

Die zentralen Fragen der Existenz - Tod Freiheit Sinn Einsamkeit Die mit dem Menschsein zwangsläufig verbundene existentielle Unsicherheit, Freuds „Unbehagen in der Kultur“, resultiert aus der Tatsache, dass der Mensch mit vier zentralen Fragen seines Dasein konfrontiert ist. Letztlich ist damit auch die Frage nach dem Glück eine Variante dieser Grundfragen oder besser: Die Beantwortung der Grundfragen entscheidet darüber, ob Menschsein glückt. Ontologische Verunsicherung

Philosophische Hilfe Was am beginnenden 20. Jahrhundert Freud und Co. formuliert haben, wurde von Sokrates, Plato, Epikur, Marc Aurel, Spinoza, Schopenhauer, Nietzsche, Camus, Sartre und vielen andern auch artikuliert. Es sind Grundfragen der menschlichen Existenz. Yalom ist sehr von Nietzsche, Schopenhauer, Spinoza, Marc Aurel u.a. Philosophen beeinflusst. Die Grundfragen des Menschen bleiben die gleichen.

Platons Höhlengleichnis: Desillusionierung – Die Wirklichkeit ist in Wirklichkeit nicht sehr wirklich So stellt schon Plato in seinem Höhlengleichnis den therapeutischen Prozess – vom Unbewussten zum Bewussten – dar. Paul Watzlawick und der Konstruktivismus haben im 20. Jahrhundert diese Idee ebenfalls aufgegriffen.

Sokrates: Wahrheit kann man nicht haben Vorurteil !!!!!!!!!!!!!!!!!! Dialog ?????????? Sokrates: Die geistige Verwirrung als konstruktiver Zustand befreit uns aus der Sklaverei der Vorurteile – ein Befreiungsprozess, der ebenfalls dem therapeutischen Prozess ähnelt. Glück ist nicht das Resultat maximaler Täuschung und Illusion, sondern Resultat der Ent-täuschung. Aporie Wahrheit ereignet sich im dialogischen Prozess, sie ist dynamisch, nicht statisch

„Was ist dein Ziel in der Philosophie „Was ist dein Ziel in der Philosophie? Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zu zeigen.“ Ludwig Wittgenstein So einfach ist nach Wittgenstein der Befreiungsprozess – und so schwer. Gewusst wie! Übertragen auf den therapeutischen Prozess: Blockaden beseitigen, Auswege aufzeigen, aus neurotischer Zwanghaftigkeit befreien.

Erich Fromms Glücksbegriff

Erich Fromms Modifikation des Marxschen Entfremdungsbegriffs Von der Arbeit Von der Natur Entfremdung Von anderen Menschen Auch bei Erich Fromm: Das mit dem Menschsein, dem Bewusstwerdungsprozess einhergehende Getrenntsein; die Vertreibung aus dem Paradies. Von sich selbst Erich Fromms Modifikation des Marxschen Entfremdungsbegriffs

Angst Abgetrenntsein, Isolation, Entfremdung Erich Fromm: Die Kunst des Liebens Angst Orgiastische Zustände: Intensiv, ganzheitlich, vorübergehend Schöpferisches Tätigsein: Nicht zwischenmenschlicher Art „Liebe“ Symbiotische Vereinigung: Aktiv (Sadismus) Passiv (Masochismus) Reife Liebe: Bewahrung der Integrität und Individualität

Erich Fromm: Jenseits der Illusionen. Die Bedeutung von Marx und Freud „Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche.“ Karl Marx „Der Mensch kann nicht ewig Kind bleiben, er muss endlich hinaus ins »feindliche Leben«. Man darf das »die Erziehung zur Realität« heißen. Nein, unsere Wissenschaft ist keine Illusion. Eine Illusion aber wäre es zu glauben, dass wir anderswoher bekommen könnten, was sie uns nicht geben kann. Wo Es war, soll Ich werden.“ Sigmund Freud

Existentielle Verunsicherung Verhaltens-sicherheit Mensch Tier Bewusstsein (Verstand, Vernunft, Geist, Seele) Instinkt Der Mensch ist verunsichert, weil er ist. ICH DU INNEN AUSSEN Existentielle Verunsicherung Verhaltens-sicherheit

Wer bin ich. Was ist Glück. Was ist Freiheit Wer bin ich? Was ist Glück? Was ist Freiheit? Was ist der Sinn meines Daseins? Was ist Liebe? Warum passiert mir das? Was wird sein, wenn…?

Grundideen des Existentialismus - Zur Freiheit verurteilt (Sartre) - Leben ist sinnfrei (nicht eo ipso sinnlos oder sinnvoll) - Der Mensch zwischen Sisyphos und Prometheus (Camus)

Der Mythos vom Sisyphos Albert Camus: Der Mythos vom Sisyphos „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen“ Sisyphos ist glücklich, weil er eins wird mit seiner Aufgabe – obgleich sie nie zu einem Abschluss kommt. Auch hier: Bewusstwerdung als Weg zum Glück. Ähnlich auch John Updike: „Wir geben nicht auf – wir fangen wieder von vorn an“ („Hotel New Hampshire“). Die Stunde des Bewusstseins

Freud: Das Unbehagen in der Kultur Natur (ES) Kultur (Über-Ich) Ich Freud: Das Unbehagen in der Kultur bleibt Begleiter des Menschen; das Dilemma ist nicht auflösbar – dto. die (unerfüllbare) Sehnsucht, in einem ozeanischen Gefühl mit allem eins zu werden, zu verschmelzen. Ein Dilemma

Freud: Das Ziel der Psychoanalyse Methode: Spontane Assoziation Methode: Traumdeutung Das ICH soll die Herrschaft wiedererlangen. Der unbewusste Konflikt soll bewusst werden. Heteronomie wird zu Autonomie

Mythos rettendes Rezept Die große Sehnsucht nach dem rettenden Rezept. Anbieter auf dem Markt: Esoterik, Populismus, NLP, „Positive Psychologie“, Fundamentalismus, Konsumismus. Rezept: Komplexitätsreduktion.

Mythos „Positive Psychologie“

Erich Fromm: Die Kunst des Liebens Neurotische Haltung zum eigenen Selbst Selbstlosigkeit Selbstliebe Selbstsucht Minderwertigkeitskomplex „Gotteskomplex“ (Größenwahn) Fromms (anstrengender) Weg: Adäquate Selbsteinschätzung, realistisches Selbstbild statt neurotische Verblendung Adäquate Selbsteinschätzung

Und das Glück? Das Glück kann man nicht finden und deshalb auch nicht haben. Es ist ein Prozess, kein euphorischer Zustand, eine Seinsweise, kein Außer-sich-sein, ein Bei-uns-sein.

Erich Fromm: Haben oder Sein

Unsere Konsum- und Marktwirtschaft beruht auf der Idee, dass man Glück kaufen kann, wie man alles kaufen kann. Und wenn man kein Geld bezahlen muss für etwas, dann kann es einen auch nicht glücklich machen. Dass Glück aber etwas ganz anderes ist, was nur aus der eigenen Anstrengung, aus dem Innern kommt und überhaupt kein Geld kostet, dass Glück das "Billigste" ist, was es auf der Welt gibt, das ist den Menschen noch nicht aufgegangen. Erich Fromm

„Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht innerer Einstellungen“ Erich Fromm

Zeitgeist: Selbstoptimierungswahn, Self-Tracking und „positives Denken“ Persönlichkeitsdoping: „Ich bin super und alles ist positiv“ (positives Wollen, Denken, Fühlen, Handeln) Realistisches Selbstbild: Sowohl-als auch (Akzeptanz aller Aspekte) Adäquate Selbsteinschätzung, Ambiguitätstoleranz, Wertschätzung Realitätsverlust, Idealisierung, Abwertung

Dem Zeitgeist trotzen: Erich Fromms Menschenbild (Kennzeichen des nicht neurotischen, reifen Menschen) Fähigkeit, in liebender Weise auf andere bezogen zu sein Autonomie Selbsterkenntnis Ambivalentes Selbsterleben Ambivalentes Wirklichkeitserleben Realitätssinn Nach Rainer Funk: Die Aktualität Fromms, 2009.

Haltungen. Melancholie als gesellschaftsverändernde, subversive Kraft Skeptizismus Optimismus Idealismus PessimismusFatalismus „Die Melancholie ist eine sanfte Rebellion. Sie bringt unseren Kummer zum Tanzen (…) Was für eine sanfte Rebellion in einer Welt, in der uns das Streben nach Glück geradezu abgenötigt wird. “ (Nora Bossong) Aktivismus/ Moralismus Passivität/ Zynismus

Melancholie als Weg zum Glück Der Melancholiker bewahrt skeptisch-ironische Distanz – auch zu sich selbst (Narzissmusprophylaxe) Er sieht sich und andere in einem größeren Kontext (Relativismus) Er ist bei sich, nicht außer sich (Hysterieprophylaxe) Er ist gefeit vor Fanatismus und Selbstgerechtigkeit Er versucht der Welt keine rettenden Rezepte zu verkaufen (Missionierungsprophylaxe) und ist nicht selbst auf der verzweifelten Suche nach einem Erlösungskonzept Die Melancholie ist die Schwester des Humors – beide schaffen Distanz, befreien aus der „Routine des Bescheidwissens“ (Dieter Wellershoff). „Herr, was für Narren diese Sterblichen doch sind“ (Shakespeare)

Glück deutet darauf hin, dass der Mensch die Lösung des Problems der menschlichen Existenz gefunden hat: die produktive Verwirklichung seiner Möglichkeiten und somit zugleich das Einssein mit der Welt und das Bewahren der Integrität seines Selbst. Indem er seine Energie produktiv gebraucht, steigert er seine Kräfte: Er „brennt, ohne verzehrt zu werden“ (Ex 3,2). Erich Fromm (1947a: Psychoanalyse und Ethik. Bausteine zu einer humanistischen Charakterologie, in: Erich-Fromm-Gesamtausgabe (GA) Band II, S. 120.)