Soziolinguistik Sondersprachen und Varietäten

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
PEER Umfrage Herbst 2008 Jugendliche befragen Jugendliche: Kunst und Kultur in Berlin – was geht mich das an?
Advertisements

Jugendsprache / Feministische Linguistik
Kulturtransfer und Translation Einige Begriffe – Einige Anwendungen
Vorlesung Gesellschaftliche Grundlagen der Kultur
Definition Allgemeines, Historisches
Seminar: Medienwandel und Sprachwandel/Textsortenwandel
Spree SoSe 2007 Titel Lexikographie und Metalexikographie Lexikonproduktion und Lexikontheorie Dank an Franziskus Geeb, der mir seine Unterrichtsmaterialien.
Entwicklung des Gottesbildes aus psychologischer Sicht
Bestimmter, unbestimmter oder kein Artikel?
Einführung in die Welt der Jugendkultur
Kurs: Digital Objects Processing - CMS vs. Digital Library
Eine holländische Familie geht einkaufen
Spezifik des fachbezogenen Sprachunterrichts Anita Emse, Lektorin der Fachhochschule Turiba.
FACHSPRACHE Einführung.
Gendergerecht schreiben
Vorstellungstheorie: Bedeutung als mentale Struktur.
Gender Aspekte PH Feldkirch How to do things with words Stichworte zur feministischen Linguistik.
Wozu Terminologie? Lexalp, WP 10 – Training
Gendergerecht schreiben
Grammatikalische Begriffe im Unterricht
„Kulturbegegnung kennt keine Grenzen“. Alltagskulturen: „Jugend vom Umtausch ausgeschlossen!“ Jugendliche haben zu allen Zeiten neue Ideen und Visionen.
Fachwortschatz. Terminologie.
Terminologie Wortschatz der Fachsprache
Varietäten einer Sprache
MerkenDenkenFühlen Handeln Wissen
Übersetzung und genderspezifische oder genderneutrale Sprache
70er mit 90ER : Unser Jugendzeit
© zze Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung Freiwilligendienste in der Schule Fachtag “Freiwilligendienste im Sport bewegen Schule” Frankfurt,
Seite Fallstricke: Stereotype und schulische Leistungen Aus- und Fortbildungsmodule zur Sprachvariation im urbanen.
ASPEKTE DER SPRACHE UND IHRE VARIATION ( NATÜRLICHE SPRACHE, FACHSPRACHE, JUGENDSPRACHE, METASPRACHE, KUNSTSPRACHE )
VO#1: Lexikologie als sprachwissenschaftliche Disziplin Lexikologie, Matej-Bel-Univeristät in Banská Bystrica, Z. Tuhárska.
Die Bildungs- und Unterrichtssprache lehren im Kontext von Diversität maledive.ecml.at Lernerprofile – deutsch Profil 3.
Vo#1:Semantik als Wissenschaft Semantik I Matej-Bel-Universität in Banská Bystrica Zuzana Tuhárska.
Vo#1 Stil und Stilistik Stilistik, Zuzana Tuhárska, Matej-Bel- Universität in Banská Bystrica.
o relativ junger Begriff o Der Bestandteil des Lebens, der Innen- und Außenpolitik o EXPLIZITE SPRACHENPOLITIK Grundsätze, Regelungen, Gesetze, finanzielle.
Vo#1 Stil und Stilistik Stilistik, Zuzana Tuhárska, Matej-Bel- Universität in Banská Bystrica.
Warum Interkulturelle Kommunikation?
Die Fachsprache im Chemieunterricht
FUNKTIONALE VARIETÄTEN: FUNKTIOLEKTE/FUNKTIONALSTILE Bc. Barbora Mazúchová NJRJ/PT (M) Bc. Barbora Mazúchová NJRJ/PT (M)
Wie beweglich ist Soziale Arbeit? – Perspektivwechsel durch Sport.
Männer vs Frauen Выполнили: Троицкая Алиса Куприна Анастасия.
Was ist Varietätenlinguistik? *eine Teildisziplin der Soziolinguistik *ein wesentlicher Bestandteil soziolinguistischer Forschung *befasst sich mit den.
Sprache und Sprachwissenschaft Doç. Dr. Ender Ateşman.
Openprof.eu Project No LT01-KA Diversity: Vom Stereotyp zur Diskriminierung Begrifflichkeiten und Zusammenhänge.
Konflikte zwischen Generationen
Denis Imširović (Graz)
Identifying the effects of gendered language on economic behavior
Bilingualer Unterricht am Otto-Hahn-Gymnasium
Raumkonzept im Türkischen und im Deutschen – Eine Unterrichtseinheit zur Bildbeschreibung fokussiert auf die Verwendung der Präpositionen in einer siebten.
Die Kategorie der Bestimmtheit/ Unbestimmtheit
Vom Stereotyp zur Diskriminierung
Zungen gezwungen im Becher sind gesungene Zungenbrecher
Deutsche Wörterbücher Part 2
Denis Imširović (Graz)
Problemen der modernen Jugend.
Von Adina, Aline und Kathi
MittelschuldirektorInnen-Konferenz
Wie geht es dir heute?. Wie geht es dir heute?
Wie geht es dir heute?. Wie geht es dir heute?
MEINE Selbsteinschätzung
Vorlesung zur Einführung in die Sprachwissenschaft
Sprachentwicklungsstörungen bei Kindern mit Autismus
Konzepte von Terminologie-Datenbanken
Die heutigen Jugendlichen. Welche Probleme haben sie?
8 Personen pro Tisch, 10 Tische im Raum plus Haupttisch
Auffrischung MD im DaF-Unterricht mit Jugendlichen
5 Generationen auf dem Sofa
Interkulturelle Kunst im Alltag
Der treffende Ausdruck, K. 5 Grammatik, S
 Präsentation transkript:

Soziolinguistik Sondersprachen und Varietäten Jugendsprache / Feministische Linguistik

Definitionen Gesamtsprache – Gesamtheit aller sprachlicher Mittel einer Sprachgemeinschaft. Sprachliche Varietät – Sprachsystem eingebunden in einen Komplex von Sprachsystemen. Fachsprachen – dienen der optimalen bzw. Fachspezifischen Kommunikation unter Fachleuten. Fachterminologie – genormte Fachlexik. Sondersprache – Sprachvarietäten, die dazu dienen, Gruppenmitglieder als solche auszuweisen (“Wir-Gefühl”). Jargon – situationsabhängige Sprachform mit gemeinsprachlicher Grammatik, saloppem Stil, emotionalen Wörtern und Wendungen.

Gesamtsprache und Subsysteme Das „Hypersystem” Gesamtsprache setzt sich aus einer Vielzahl von „Hypersystemen” zusammen, die auch Subsysteme genannt werden. Deutsche Dialekte Rotwelsch Medizinischer Jargon Genderlekte

Fachsprachen Gebunden an Aktivitäten von Fachleuten und bezogen auf fachlich exklusiv benannte Objekte. Spezialwortschatz (Terminologie) – genormt und definiert DIN – Deutsches Institut für Normung e.V. legt z.B. fest, was für den Bauingenieur Läufer (dužnjak, opeka koja je dužnom stranom paralelna sa pravcem pružanja zida) , Klinker (klinker, keramička cigla) oder Verblender (obloga) bedeuten. Mittel einer fachspezifischen Verständigung über ein Fachgebiet unter Fachleuten.

Jugendsprache altersspezifische Varietät Szene- und Gruppensprachen geschlechtsspezifische und regionale Unterschiede vorwiegend mündlich Jugendliche: zwischen 11 und 14 Jahren bis zur Postadoleszenz Geheimsprache, sog. Code-Charakter Vorläufer: Studentensprache, Rotwelsch als ehemalige Gaunersprache (Kneipe ehemals ‚Diebesherberge‘) Rotwelsch: 13. Jh. (Rot = gaunersprachlich ‚Bettler‘ ; welsch = erst ‚romanisch‘ später ‚unverständliche Sprache‘) Wortschatz: Sonderbedeutungen bekannter Wörter (Blech, Schotter, Linsen ‚Geld‘; Polyp ‚Polizist‘) umgedeutete Anleihen aus dem Hebräischen (Torf, Kies, Moos ‚Geld‘, Mischpoke, Schmiere ‚Polizei‘; Kittchen, Knast ‚Gefängnis‘) und dem Romani (Zaster ‚Geld‘)

Jugendsprache Seit den 1970er Jahren als internationales Phänomen, wegen vergleichbarer Aktionsräume (Musik, Freizeit, Sozialkontakte), Medien, Werbung Kennzeichen der Jugendsprache Elemente der Standardsprache werden zu einem subkulturspezifischen Stilmuster zusammengefügt - Bricolage -  Die spielerische Bastelei mit verschiedenen Sprechstilen ) Kurzwörter: Alko, Alki ‚Alkoholiker‘, Alk ‚Alkohol‘, Proll, Prolo ‚Prolet‘ Reihenbildende Ableitungen: Chauvi, Hirni, Groupie, Schlaffi, Schleimi Bedeutungsvariation durch Valenzänderung: auf etwas abfahren ‚etw. toll finden‘, Bedeutungsveränderung/-erweiterung: Penner ‚Landstreicher‘  ‚unangenehmer Mensch‘; geil (Wuchern von Pflanzen; sexuelles Verlangen)  ‚spitze, super‘; ätzend (Eigenschaft von Säuren)  ‚schlecht‘ Bricolage Bricolage [brikɔlaʒ] bedeutet wörtlich aus dem Französischen übersetzt Bastelei oder Heimwerkerei. Im übertragenen Wortsinne kann es auch für "Gebastel" im Sinne von provisorisch stehen und wird so auch in einigen deutschsprachigen Gebieten (die nahe dem französischen Gebiet liegen bzw. zweisprachig sind) verwendet. Bricolage (manchmal auch sampling genannt) bezeichnet in der Jugendkultur die Technik, Gegenstände in einen neuen Kontext zu stellen, der nicht den ursprünglichen Normativen entspricht – Kleidung, Symbole und Embleme künstlich zusammenzustellen. Dabei kann deren ursprüngliche Bedeutung verändert oder sogar aufgehoben werden. Beispiele für Bricolage sind im Punk die Verwendung von Sicherheitsnadeln als Ohrschmuck oder Hakenkreuze zur Provokation, ohne damit nationalsozialistische Gesinnung ausdrücken zu wollen. Auch die massiven Goldketten, mit denen Hip-Hopper ihren sozialen Aufstieg verdeutlichen, sind eine Form von Bricolage. Diese Begriffsverwendung von Bricolage geht auf den Ethnologen Claude Lévi-Strauss zurück, der 1962 sein Konzept des „Wilden Denkens“ („nehmen und verknüpfen, was da ist“) vorstellte und diesen Begriff so in die Sozialwissenschaften einführte. Für ihn ist Bricolage die nicht vordefinierte Reorganisation von unmittelbar zur Verfügung stehenden Zeichen bzw. Ereignissen zu neuen Strukturen. Es gibt auch ein Content-Management-System namens Bricolage, welches in seiner FAQ ebenfalls Bezug auf den Begriff von Claude Lévi-Strauss nimmt. Linguistik [Bearbeiten] Auch in die Linguistik fand der Begriff als Prinzip in der Kommunikation Eingang. So ist er ein Kennzeichen vor allem der Jugendsprachen (!) und bedeutet dort: „Die spielerische Bastelei mit verschiedenen Sprechstilen.“ (Schlobinski, Kohl, Ludewigt 1993). Dabei verknüpfen insbesondere die Jugendlichen, vor allem wenn sie untereinander in einer engeren Beziehung stehen (Peer-group), verschiedene Sprechstile. Dabei greifen sie auf unterschiedliche kulturelle Ressourcen zurück (Filme, Serien, Werbung, Musik, Sport uvm.) und bringen diese verändert in die Kommunikation ein (verfremdete Zitation).

Jugendsprache Bildliche Ausdrucksweisen: Biene, Mieze ‚schöne Frau‘; Flasche ‚ unfähiger Mensch’ Witzige Redensarten: Ich glaub, mein Hamster bohnert ‚ich bin aufs Höchste erstaunt, überrascht, empört, entrüstet‘ Sprachspiele: Du hast keine Chance, also nutze sie Anglizismen: gefrustet sein, Connections haben, Insider Schneller Wandel, enorme Produktivität Kaum adäquat lexikographisch erfassbar. Fragliche Aktualität der Wörterbücher zur Jugendsprache Destandardisierung / Restandardisierung – Wechselwirkung zwischen Standardsprache und Jugendsprache

Anglizismen in den Jugendszenen: Substantive in acht Sachgruppen (aus Anglizismen in den Jugendszenen: Substantive in acht Sachgruppen (aus. Androutsopoulos 1998: 551)

Partikel „ey” Junge Erscheinung Signalcharakter zum Zeichen der Gruppenzugehörigkeit Pragmatische Funktionen: Bekräftigung: gut ey Erhaschen von Aufmerksamkeit: ey da sitz ich Kommentierung: ich muss so lachen, ey, ich konnt nich mehr Rückversicherung: is doch gar nicht so schlecht ey

Feministische Linguistik seit den 1960er Jahren, zunächst im angelsächsischen Sprachraum Deutschland: Luise F. Pusch (Das Deutsche als Männersprache, 1984) und Senta Trömel-Plötz (Frauensprache. Sprache der Veränderung, 1982) Generisches Maskulinum: verallgemeinernde männliche Form eines Wortes, z.B. Lehrer – Lehrerinnen und Lehrer, männliche und weibliche Lehrer. Kritik der FL = es ist nicht klar, ob Frauen mit eingeschlossen sind. Androzentrischer Sprachgebrauch Männliche Pronomina: man, jeder, jedermann (veraltet). Kritik der FL = wie bei generischem Maskulinum; Verbesserungsvorschlag: frau Fräulein – diskriminierend, kein männliches Pendant; heute unüblich als Anrede, Frau auch bei ledigen weiblichen Personen Stereotype Formulierungen, z.B. Beispielsätze in Schulbüchern und Grammatiken (Die Mutter kocht das Essen. Der Vater geht arbeiten.)

Feministische Linguistik Genus (grammatisches Geschlecht) – der Tisch, die Tür, das Rohr Sexus (natürliches Geschlecht) – Stute, Rüde, Ferkel; Hebamme, Hexerich Movierung, Motion – explizite Ableitung weiblicher Personenbezeichnungen von männlichen Bezeichnungen mittels verschiedener Suffixe: am produktivsten –in; entlehnte Suffixe Stewardess, Politesse; umgekehrter Vorgang selten: Hexe  Hexerich, Braut  Bräutigam, Witwe  Witwer, im Tierbereich: Gänserich, Kater LÖSUNGSVORSCHLÄGE: Neutralisation: Keine Geschlechtsspezifikation durch Mittel der Wortbildung *„Sie ist eine gute Student. Ihre Leistungen sind beachtlich und ihre Professor ist sehr zu frieden mit ihr. Früher war sie übrigens Sekretär bei einer Architekt.“ (L.F. Pusch, Das Deutsche als Männersprache) Nicht durchgesetzt haben sich: das Professor (Geschlechtsabstraktion) und der/die Professor (Geschlechtsabstraktion durch Differentialgenus)

Feministische Linguistik Totale Feminisierung  generisches Femininum: die Lehrerinnen – männliche und weibliche Lehrer Beidbenennung oder Doppelnennung: Politikerinnen und Politiker, Bürger und Bürgerinnen Schrägstrich/Binnen -I (jede/-r Bürger/-in bzw. BürgerIn) Neutrale Berufs- und Funktionsbezeichnungen: Studierende „Neue“ Pronomina: frau, mensch (haben sich nicht allgemein durchgesetzt) Vermeidungen von Formulierungen, welche Frauen über Männer definieren („Familie Hans Mayer“, „Frau Bezirksrat“ als Anrede für die Gattin eines Bezirksrates) Frau Professor Müller oder Frau Professorin Müller

Literatur: Bussmann, Hadumod. Lexikon der Sprachwissenschaft mit 14 Tabellen. Stuttgart: Kröner, 2008. (ili neko drugo izdanje) Henne, Helmut. Jugend und ihre Sprache. Walter de Gruyter: Berlin [u.a.] 1986. (ili neko drugo izdanje) Veith, Werner H. Soziolinguistik. Ein Arbeitsbuch. 2. Auflage. Tübingen: Narr, 2005.