Vertiefung Strafrecht 05.01.2018 Dr. Klaus Ellbogen
Der Angestellte A wird vom Geschäftsführer G der X-GmbH wegen Auftragsmangels betriebsbedingt gekündigt. Dem A gelingt es, in seiner letzten Arbeitswoche einen Aktenordner mit für die X-GmbH unersetzlichen Geschäftspapieren (u.a. Originale abgeschlossener Verträge) an sich zu nehmen. Er will diesen der X-GmbH nur dann zurückgeben, wenn diese ihm eine Abfindung in Höhe von 50.000 € zahlt; entsprechend informiert er den G. G übergibt ihm wie „befohlen“ am Bahnhof einen entsprechend gefüllten Plastikbeutel. Als A sich flugs entfernen will, wird er von vier „Zivilbeamten“ der Polizei, die die Geldübergabe die ganze Zeit aus unmittelbarer Nähe beobachtet hatten, festgenommen.
Blazko: „Telefontrick mit Abmahnaktion“JA 2015, 431 [hier: Auszug zu § 253 StGB] Wiss. Mit. Ass. jur. Linda-Sue Blazko, Universität zu Köln* Sachverhalt [Auszug] Teil 1 [nicht zu prüfen – aber nachlesenswert] T hat den A dadurch betrogen, dass er ihm angeboten hat, ihn in ein elektronisches Gewinnspielsystem einzutragen, wodurch A an verschiedenen Gewinnspielen zu einem Entgelt von 50 EUR teilnehmen könne. A zahlt das Geld. Alle Spiele sind aber so konzipiert, dass allein „die Bank“, also T, gewinnt.
Teil 2 T hat seine Anrufaktion mittlerweile auf eine Vielzahl von Personen ausgedehnt. Nachdem die Abbuchungen in den meisten Fällen zunächst reibungslos funktionierten, kommt es nunmehr zu Schwierigkeiten mit den Lastschriften. Um die lukrative Geldquelle nicht versiegen zu lassen, beauftragt T den Rechtsanwalt R, auf die Kunden, unter ihnen der K, Druck auszuüben. T macht R nur ganz vage Vorgaben, insbesondere sollten Gericht, Polizei oder Staatsanwaltschaft keinesfalls eingeschaltet werden. Von den eingehenden Zahlungen soll R als Honorar 40 % behalten. Die Abfassung der genauen Schreiben bleibt R überlassen. R hatte Zweifel, ob die Geschäfte legitim waren, letztlich war ihm dies aber gleichgültig. Er war froh, endlich wieder eine regelmäßige Einnahmequelle zu haben, nachdem es in seiner Einmann-Kanzlei nicht besonders gut lief. R fertigte daher selbstständig ein Mahnschreiben an, das an die Vielzahl von Kunden und auch an K versandt wird. In dem Mahnschreiben tritt R als Rechtsanwalt des T auf und gibt an, eine berechtigte Forderung seines Mandanten geltend zu machen. Er droht K gerichtliche Schritte, die Stellung einer Strafanzeige und die Veröffentlichung der Teilnahme an nicht jugendfreien Gewinnspielen an. So soll auf K Druck ausgeübt werden, um dadurch die Zahlung der unberechtigten Forderungen zu veranlassen. Tatsächlich will R dem Wunsch des T entsprechen und die Justizbehörden unter keinen Umständen mit den Vorgängen befassen. In der Folgezeit gehen insgesamt 55.000 EUR auf dem von R eigens hierfür eingerichteten Konto ein, darunter 100 EUR von K, der in Folge des Mahnschreibens zahlte. Wie hat sich R im Hinblick auf K strafbar gemacht? Es sind nur Tatbestände des StGB zu prüfen.
NZWiSt 2014, 61 Versuchte Nötigung durch „Inkassoanwalt für Masseninkasso”, Gewinnspiel-eintragungsdienste §§ 111i, 260 StPO; § 240 StGB 1. Zur Nötigung durch ein anwaltliches Mahnschreiben. 2. Auch aus einer (versuchten) Nötigung kann der Täter etwas erlangen. 3. Zur Fassung des Urteilstenors bei einer Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO. 4. Werden juristische Laien durch Androhungen, die mit der Autorität eines Organs der Rechtspflege ausgesprochen werden (hier: Drohung mit Strafanzeige in anwaltlichem Mahnschreiben), zur Erfüllung lediglich behaupteter Ansprüche veranlasst, kann Rechtswidrigkeit iSd § 240 Abs. 2 StGB anzunehmen sein; dies gilt auch dann, wenn der Drohende nicht konkret weiß, dass die von ihm eingetriebenen Forderungen zivilrechtlich nicht gerechtfertigt sind. BGH, Beschluss vom 5. 9. 2013 - 1 StR 162/13
A will trotz gut gefüllten Portemonnaies angesichts bevorstehender Ausgaben für Weihnachtsgeschenke seine Tankstellenrechnung „günstiger“ gestalten und geht wie folgt vor: Er fährt mit seinem VW-Golf mit künstlich verdreckten und hierdurch unlesbaren Kennzeichen zu einer Selbstbedienungstankstelle; der nichtsahnende Tankstellenpächter T winkt ihm beim Einfahren fröhlich zu („endlich wieder ein Kunde, der nicht zur Discount-Tankstelle fährt“) und verfolgt den Beginn des Tankvorgangs, eher er kurz in den Zeitungsladen neben der Tankstelle verschwindet. A, der seine Tankfüllung von vornherein nicht bezahlen will, füllt 20 Liter Diesel in den nur noch halbgefüllten (20 l) Tank. Als der A sein Fahrzeug startet, schwant dem gerade zurückkehrenden T Übles: Er stellt sich in die Ausfahrt, um den A am Davonfahren zu hindern und kann sich nur in letzter Sekunde durch eine Sprung zur Seite aus der „Schusslinie“ des mit Vollgas das Tankstellengelände verlassenden A retten. Strafbarkeit des A (nur Eigentums- und Vermögensdelikte)?
§ 947 BGB - Verbindung mit beweglichen Sachen: (1) Werden bewegliche Sachen miteinander dergestalt verbunden, dass sie wesentliche Bestandteile einer einheitlichen Sache werden, so werden die bisherigen Eigentümer Miteigentümer dieser Sache; die Anteile bestimmen sich nach dem Verhältnis des Wertes, den die Sachen zur Zeit der Verbindung haben. (2) Ist eine der Sachen als die Hauptsache anzusehen, so erwirbt ihr Eigentümer das Alleineigentum. § 948 BGB - Vermischung: (1) Werden bewegliche Sachen miteinander untrennbar vermischt oder vermengt, so findet die Vorschrift des § 947 entsprechende Anwendung.
NJW 1984, 501 Sicherung des durch Betrug erlangten Vermögensvorteiles StGB 1975 §§ 263, 253, 255 Wer sich einen durch Betrug erlangten Vermögensvorteil dadurch sichert, daß er aufgrund eines neu gefaßten Entschlusses den Geschädigten mit Gewalt an der Durchsetzung seiner Forderung hindert, macht sich nicht der räuberischen Erpressung, sondern der Nötigung schuldig. BGH, Beschluß vom 10-10-1983 - 4 StR 405/83 (LG Lüneburg)
NStZ 2012, 95 Voraussetzungen einer Sicherungserpressung StGB §§ 263 I, 240 Zur Annahme einer sogenannten Sicherungserpressung, d.h. eines Betruges (§ 263 I StGB) mit anschließender – nach Entdeckung begangener – Nötigung (§ 240 StGB) zum Zwecke der Sicherung des betrügerisch erlangten Vermögensvorteils. (Ls d. Schriftltg.) BGH, Beschluss vom 26. 5. 2011 - 3 StR 318/10 (LG Wuppertal
A hatte seinen Pkw (Marktwert noch ca. 2 A hatte seinen Pkw (Marktwert noch ca. 2.500 €) in die Werkstatt des W gebracht) und eine umfangreiche Reparatur in Auftrag gegeben, die - wie ihm bekannt - voraussichtlich 3000 € kosten wird. Er hat von Anfang an vor, nach erfolgter Reparatur den Werklohn nicht zu bezahlen, sondern den Wagen irgendwie wieder ansichzubringen. Nachdem das Fahrzeug repariert wurde (hieraus resultiert ein Werklohnanspruch des W i.H.v. 3000 €) gelingt es dem A, den abgegebenen Kfz-Schein sowie die Fahrzeugschlüssel einzustecken. A startet das Fahrzeug und will möglichst unauffällig das Werkstattgelände verlassen. Der Lehrling L hatte aber das Vorgehen des A bemerkt und stellt sich dem Fahrzeug in der Ausfahrt entgegen. A beschleunigt lautstark, betätigt Fernlicht sowie Hupe und rast auf L zu. Diesem gelingt es, gerade noch zur Seite zu springen, als A vom Gelände rast. Strafbarkeit des A (ohne § 315b StGB)?
§ 647 BGB – Unternehmerpfandrecht: Der Unternehmer hat für seine Forderungen aus dem Vertrag ein Pfandrecht an den von ihm hergestellten oder ausgebesserten beweglichen Sachen des Bestellers, wenn sie bei der Herstellung oder zum Zwecke der Ausbesserung in seinen Besitz gelangt sind.
A hält den Passanten O fest und nimmt dem sich sträubenden O dessen Handy weg, um es zu behalten.
A veranlasst den Gastwirt W zu Zahlung eines Schutzgeldes“ durch die Drohung, andernfalls dessen Inventar zu zerschlagen.
Der Taxifahrgast A kommt während der Fahrt auf die Idee, selbst einmal am Steuer zu sitzen. Am Fahrtziel angekommen, bittet er den Taxifahrer O, ihn angesichts des eisglatten Gehweges bis zur Haustür zu begleiten. A schlägt T hierbei nieder, setzt sich ans Steuer und macht eine kurze Rundfahrt; anschließend stellt er das Fahrzeug – wie von Anfang an geplant - am Straßenrand ab und teilt der Taxizentrale von einem Münzfernsprecher mit, wo sich das Fahrzeug befindet.
Der durchaus solvente Fahrgast A beschließt am Ende einer Taxifahrt, den Fuhrlohn nicht zu bezahlen. Er schlägt nach dem Anhalten des Taxis dessen Fahrer O nieder und entkommt unerkannt.
Der A hat seinen Pkw - wie schon mehrfach in der Vergangenheit - zu O zur Inspektion gebracht. Bei Abholen seines Pkw beschließt A, die fällige Rechnung in Höhe von 500 € nicht zu begleichen. Er nimmt seinen PkwSchlüssel nebst Kfz-Zulassung vom Schlüsselbrett und startet sein Fahrzeug. Als O ihm auf dem Werkstatthof die Ausfahrt versperren will, blendet A auf und gibt Vollgas. O kann im letzten Moment zur Seite springen und verstaucht sich hierbei seinen Fuß.
Der O schuldet A die Rückzahlung eines Darlehens (500 €) Der O schuldet A die Rückzahlung eines Darlehens (500 €). Da er bei Fälligkeit nicht zahlt, dringt A eines Nachts heimlich in das Einfamilienhaus des O ein, schlägt O bewusstlos und nimmt dessen TV-Satelliten-Empfangsanlage mit, um wie folgt vorzugehen: Er stellt das Gerät wohlverwahrt in seiner Wohnung in einen Abstellraum, ruft den O an und erklärt diesem, er würde sein Gerät erst wiedersehen, wenn er das Darlehen zurückzahlt. Seufzend begleicht O die Summe, um am nächsten Wochenende wieder Dynamo Dresden siegen (oder zumindest spielen) sehen zu können.
Abwandlung: Wie oben, aber: A hatte nicht gewusst, dass O ihm die Summe bereits überwiesen hatte.
NStZ-RR 1998, 235 Keine Zueignungsabsicht bei eigenmächtiger Inpfandnahme StGB §§ 242, 249, 250, 253, 255 1. Nimmt ein Täter eine Sache weg, um sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen, handelt er nicht mit Zueignungsabsicht. 2. Liegt Raub als Sonderfall der Erpressung nicht vor, weil die Sache lediglich als Pfand genommen werden sollte, kommt in der Regel auch Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung nicht in Betracht. (Leitsätze der Redaktion)