In welche gesellschaftliche Situation ist unser Tun eingebettet?

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 Präsentation transkript:

In welche gesellschaftliche Situation ist unser Tun eingebettet? Rossalina Latcheva Institut für Höhere Studien Lehrgang “Integration begleiten” für Mitarbeitende aus dem Migrations- und Integrationsbereich 02.10.2008, Kardinal König Haus, Wien latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie | Institute for Advanced Studies | Stumpergasse 56 | A-1060 Wien | Tel: +43 1 59991-0 | www.ihs.ac.at | www.equi.at |

Theoretische Herausforderungen MigrantInnen, ethno-nationale Gruppen und die Aufnahmegesellschaften werden viel zu oft als homogene Einheiten betrachtet, analysiert, politisiert Integration als ein umstrittenes eindimensionales dichotomes statisches unidirektionales & lineares de-kontextualisiertes nicht auf Prozess über Zeit angelegtes nicht-relationales und nicht-interaktives Konzept latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Was ist Integration? Versuch einer Begriffsklärung Systemintegration - eine allgemeine Definition (Esser 2001, S.1): ...der Zusammenhalt von Teilen in einem systemischen Ganzen...[...] Die Teile müssen ein ‚integraler‘ Bestandteil des Ganzen sein durch den Zusammenhalt der Teile wird das „System“ in seiner Umgebung als System identifizierbar Gegenbegriff: Segmentation – die Teile stehen beziehungslos nebeneinander und werden in der Umgebung nicht als System identifiziert Die Integration eines Systems ist somit definiert über: die wechselseitige Abhängigkeit (Interdependenz) zwischen den Teilen des Systems die Abgrenzung zur jeweiligen Umwelt Bei Integration haben das Verhalten und Zustände der Teile Auswirkungen auf das System insgesamt und auf die es tragenden Teile (im Gegensatz zu Segmentation) latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Was ist Integration? Versuch einer Begriffsklärung Soziale Systeme (Gesellschaften) konstituieren sich über soziale Relationen das sind wechselseitig aufeinander bezogene Orientierungen und Akte, soz. Kontakte, Interaktionen, Kommunikationen, soz. Beziehungen oder Transaktionen aller Art, die zusammenfassend als soziales Handeln bezeichnet werden können Hinter diesen Vorgängen stehen drei Arten grundlegender Strukturierungen: Materielle Interdependenzen: Kontrolle und Austausch von Ressourcen wie z.B. Bildung und Humankapital gegen Arbeitsplätze und Einkommen Gesellschaftlicher Integrationsmechanismus: Markt latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Was ist Integration? Versuch einer Begriffsklärung Institutionelle Regeln: z.B. die Verfassung, die formellen und informellen Normen bzw. Sanktionen, welche die Beziehungen zwischen den „Positionen“ in den soz. Systemen regeln. Die Geltung der institutionellen Regeln hängt von der Legitimität ab, die sie bei den Akteuren haben Gesellschaftlicher Integrationsmechanismus: geplante Organisation bzw. Ausübung von Herrschaft (staatliche Autorität) Kulturelle Orientierungen (individualistisch/kollektivistisch): gemeinsam geteilte gedankliche Modelle über typische Abläufe in typischen Situationen, wie z.B. gewisse gesellschaftliche „Werte“ und „Ideen“, verbunden auch mit emotional erlebten Loyalitäten und Identifikationen, oft verankert in politischen Doktrinen oder religiösen Überzeugungen Gesellschaftlicher Integrationsmechanismus: (Wert-)Orientierungen der Akteure (aber auch kulturelle Fertigkeiten wie z.B. die Sprache) JEDOCH für die Integration moderner, funktional differenzierter, demokratisch verfasster (Industrie-)Gesellschaften auch der „Bürgersinn“= sich für die „Verfassung“ einsetzen, sie im Handeln unterstützen latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Was ist Integration? Versuch einer Begriffsklärung 1. Schlussfolgerung: notwendige Unterscheidung zwischen Systemintegration und Sozialintegration (Lockwood 1964, Esser 2001) Systemintegration: „the orderly or conflictual relationships between the parts“ – bezieht sich auf die Integration einer Gesellschaft als Ganzheit (unabhängig von den speziellen Motiven der individuellen Akteure) Sozialintegration: „the orderly or conflictual relationships between the actors“– bezieht sich auf die Integration der Akteure bzw. der von ihnen gebildeten Gruppen „in“ das System hinein (abhängig von den Motiven, Orientierungen, Absichten und den Beziehungen der Akteure) = Inklusion, Einbezug 2. Schlussfolgerung: Es kann grundsätzlich eine Systemintegration auch ohne Sozialintegration geben latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Der Integrationsbegriff bei Hartmut Esser Esser, H. 2001, S.16

Typen der (Sozial-)Integration von MigrantInnen (nach Berry (1992, S Typen der (Sozial-)Integration von MigrantInnen (nach Berry (1992, S.278): 4 varieties of acculturation) Esser, H. 2001, S.19 latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

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Integration vs. Assimilation (Bauböck 2001) Integration hat zwei Grundbedeutungen, die miteinander verknüpft werden müssen: Aufnahme und Zusammenhalt Es bedeutet: die subjektive Entscheidung sich in Österreich auf lange Sicht niederzulassen und erfordert auch die Beseitigung institutioneller Hürden für den sozialen Aufstieg Integration ist ein Prozess der wechselseitigen Anpassung und Veränderung zwischen einer aufnehmenden und einer aufzunehmenden Gruppe Integration ist zwangsläufig asymmetrisch Integration erfordert nicht nur Zugang der Einwanderer zu den vorhandenen gesellschaftlichen Einrichtungen und Positionen (zu Jobs, Wohnungen, Sozialleistungen, Medien, Bürgerrechten), sondern auch eine Veränderung des Selbstbildes der österreichischen Gesellschaft, sich als Einwanderungsland zu begreifen latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Integration vs. Assimilation (Bauböck 2001) eine einseitige Form der Angleichung - eine Einbahnstrasse: die zu erfüllenden Standards werden ausschließlich von der dominanten aufnehmenden Gruppe vorgegeben (es liegt auch daher in deren Ermessen, die Kriterien hinaufzuschrauben, um die Grenze zu den „Fremden“ aufrecht zu erhalten) Die Forderung nach Assimilation kann in Rassismus umschlagen, wenn von einer Gruppe verlangt wird, dass sie sich völlig angleicht, sogleich aber behauptet wird, dass sie von Natur aus dazu gar nicht in der Lage ist Assimilation sollte nicht als Bedingung für Integration verstanden werden, sondern einerseits als individuelle Option und andererseits als ungesteuerter sozialer Prozess, der über mehrere Generationen verläuft und sich auf Basis von angemessenen Integrationsangeboten entfalten kann (Bauböck 2001, S.15) latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

„Segmentierte Assimilation“ (Portes und Rumbaut 2001) Multidimensionalität des Migrations- und Integrationsprozesses (Untersuchung über die 2.Generation in den USA) Heterogenität der eingewanderten Familien hinsichtlich: individueller Fähigkeiten und Eigenschaften, sozialem Umfeld der Aufnahmegesellschaft, Familienstruktur Laut den Autoren durchläuft die heutige 2. Generation einen Prozess der segmentierten Assimilation - eine rasche Integration in die Masse der amerikanischen Gesellschaft stellt nur einen möglichen Ausgang dar dissonant acculturation: in beiden Generation unterschiedlich; führt oft zu downward assimilation = sozialer Abstieg durch die Angleichung an eine bestehende „underclass“ und/oder Delinquenz consonant acculturation (übereinstimmende Akkulturation): erfolgt in beiden Generationen in etwa in der gleichen Geschwindigkeit (ausreichendes Humankapital der Eltern) selective acculturation: partielle Beibehaltung der Heimatsprache und Normen; bietet die solideste Basis für die Bewahrung elterlicher Autorität und Schutz gegen die Effekte externer Diskriminierungen latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Gesellschaftliche Konstituierung durch Grenzziehungsprozesse Hoffmann-Nowotny (1998,1999) Migration als individuelle Strategie der soz. Besserstellung Integrations- und Assimilationschancen begrenzt durch: Räumliche Segregation (Ghettoisierung und Verslummung von Bezirken durch Wegzug von Einheimischen) Konstituierung der EinwanderInnen als ethnische Gemeinschaften mit „Gemeinsamkeitsglauben“ (reduziert die Eingliederungschancen) In Österreich z.B.: der politisch-öffentliche Diskurs über „traditionsbedingte Gewalt“ oder die „Integrationswilligkeit“ bzw. „Integrationsunwilligkeit“ muslimischer MigrantInnen (Bericht des BM.I 2006: Perspektiven in der Integration muslimischer MitbürgerInnen) latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Das Desintegrationstheorem Wilhelm Heitmeyer und Reimund Anhut Das sogenannte "Bielefelder Desintegrationsansatz" bildet die theoretische Basis für das Syndrom der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit Unter Desintegration werden die nicht eingelösten Leistungen gesellschaftlicher Institutionen und Gemeinschaften verstanden, die in der Gesellschaft zur Sicherung der materiellen Grundlagen, der sozialen Anerkennung und der persönlichen Unversehrtheit dienen Die Grundthese des Theorems lautet, dass mit dem Grad der Desintegrationserfahrungen und -ängste auch das Ausmaß und die Intensität der genannten Konflikte zu- und ihre Regelungsfähigkeit abnimmt. Im Desintegrationsansatz versteht man unter sozialer bzw. gesellschaftlicher Integration von Individuen und Gruppen ein gelungenes Verhältnis von Freiheit und Bindung, in dem drei spezifische Problemstellungen in adäquater Weise gelöst werden: latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Das Desintegrationstheorem Wilhelm Heitmeyer und Reimund Anhut 1. auf sozialstruktureller Ebene muss die Teilhabe an materiellen Gütern (Arbeits-, Wohnungs- und Konsummärkte) gesichert sein. Dies ist die individuell-funktionale Systemintegration. 2. auf der institutionellen Ebene, der Ebene der Vergesellschaftung muss der Ausgleich zwischen konfligierenden Interessen (Fairness, Gerechtigkeit, demokratisch-rechtsstaatliche Verfahren) gesichert sein. Dies ist die kommunikativ-interaktive Sozialintegration. 3. auf der personalen Ebene, der Ebene der Vergemeinschaftung, muss die Herstellung emotionaler, expressiver Beziehungen, Sinnstiftung und Selbstverwirklichung gesichert sein. Dies ist die kulturell-expressive Sozialintegration. latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Das Desintegrationstheorem Wilhelm Heitmeyer und Reimund Anhut Der Desintegrationsansatz thematisiert die Herstellung sozialer Integration auf freiwilliger Basis, die in modernen Gesellschaften üblicherweise über Interessensausgleich, Anerkennung und Konsensbildung erfolgt, bzw. erfolgen kann. Damit unterscheidet sich diese Form der Integration von früheren Formen, die häufig auf unfreiwilligen Mechanismen, Zwang und Konformitätsdruck beruhten. latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Politische Herausforderungen Integration vs. Assimilation Politische Herausforderungen Integration vs. Assimilation? normativ und politisch belastete Begriffe Österreichs Selbstverständnis: kein Einwanderungsland, Einwanderungsland wider Willen, ein unerklärtes Einwanderungsland? Bekenntnis vieler politischer Akteuren und Parteien (zumindest verbal) zur Integration von Einwanderern Regierungspolitik unter dem Motto: „Integration vor Neuzuzug“ Integration wird dabei ausschließlich als eine Leistung der Immigranten verstanden, die sich an österreichische Verhältnisse anzupassen haben Gleichzeitig soll gelungene Anpassung noch keinen Anspruch auf Zugehörigkeit begründen (Einbürgerung): Einbürgerung als das Ende einer gelungenen Integration? latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Herausforderungen: Integrationsberichterstattung Berichterstattung auf Basis eines vielschichtigen, umstrittenen, instrumentalisierten und sich wandelnden Konzepts Integration vs. Assimilation: becoming similar or making similar? Systemintegration - Sozialintegration (Esser, Heckmann, Nauck etc.) Integration into what? Diversifizierung der Migration: neue Formen (Pendeln und Zirkulation, transnationale Migration) Diversifizierung der MigratInnengruppen: alte/neue GastarbeiterInnen, Pendler, saisonale Arbeitskräfte, illegale MigrantInnen, Flüchtlinge, subsidiäre Schutzberechtigte, AsylwerberInnen, Drittstaatsangehörige, EU-BürgerInnen (EU-15, EU-25, EU-4, EU-8 etc.)  Unterschiedliche Erwartungen hinsichtlich Integration (und/oder Assimilation) Der Trend nach einer restriktiven und selektiven Zuwanderungspolitik bringt einen starken Zusammenhang zwischen Immigration, Integration und Einbürgerung hervor  „erfolgreiche Integration“ als Voraussetzung für Immigration (Sprache als Selektionskriterium) latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Konsequenzen für die Integrationsberichterstattung Berichterstattung in einem Feld aufgesplitterter politisch-administrativer Zuständigkeiten im Bezug auf Migration und Integration Heterogene Akteure und Akteursstrukturen auf Gemeinde, Landes- und Bundesebene Dadurch auch fehlende Systematik Inkonsistenz zeitliche Unregelmäßigkeit Reduktion eines komplexen, mehrdimensionalen und generationenübergreifenden Prozesses durch eingeschränkte Datenerfassung Gefahr der erneuten Stigmatisierung bestimmter Gruppen latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Herausforderungen für die Integrationsberichterstattung Neue Entwicklungen: Imperativ zu einer “evidence based policy” - gilt für die EU-Ebene wie auch für nationale, regionale und lokale Kontexte “Integration messbar machen”: Entwicklung von Integrations- und Diversitätsmonitoren Fehlende Datengrundlagen, Indikatoren Stichprobengröße Keine Paneldaten Nichteinbeziehung von qualitativen Zugängen und diskursanalytischen Elementen latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Integrationsbegriff bei politischen Akteuren Stadt Wien: „Mit dem Begriff Integration verbindet die Stadt Wien die Einbindung in und Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen an allen gesellschaftlichen Lebensbereichen. Integrationspolitik soll demnach Chancengleichheit und Gleichberechtigung herstellen, Teilhabe und Teilnahme an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen ermöglichen, gleichberechtigte Zugänge zu gesellschaftlichen Ressourcen sichern und individuelle sowie kollektive Spielräume und Kompetenzen erweitern. Das und die gegenseitige Anerkennung und Förderung der kulturellen Vielfalt erachtet die Stadt Wien als erfolgreichen Integrationsprozess.“ 2000: Bericht „Integrationsindikatoren“ (MA17, ausgeführt von IKF) 2007: Internationale Fachtagung „Integration messbar machen“ 2008: Entwicklung und Umsetzung des Wiener Integrations- und Diversitätsmonitors auf Basis eines vordefinierten Indikatorensets (2009 / 2011 / 2013....) latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Migrant Integration Policy Index Was beabsichtigt der MIPEX? Intention des MIPEX ist es, durch die regelmäßige Erhebung vergleichender und messbarer Daten einen Benchmark-Prozess zu initiieren und damit zur Verbesserung der Integrationsleistungen der Länder in Europa beizutragen Der MIPEX erfasst Daten anhand von 140 Indikatoren in 6 Bereichen, die MigrantInnen auf dem Weg zur Staatsbürgerschaft am stärksten beeinflussen: politische Teilhabe, Anti-Diskriminierung, Zugang zum Arbeitsmarkt Staatsbürgerschaft, Familienzusammenführung und  Bleiberecht latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Migrant Integration Policy Index (Migration Policy Group) Die erhobenen Daten liefern eine messbare Grundlage zum Vergleich der Integrationsbemühungen der Länder in diesen Bereichen. Zudem untersucht der Index, inwieweit jedes Mitgliedsland die europäischen Richtlinien und Standards umsetzt. Präzise, offene und vergleichbare Informationen sollen auf diesem Wege Ministerien und andere Entscheidungsträger unterstützen, neue Möglichkeiten der Integration in Erwägung zu ziehen und den gesellschaftlichen Diskurs zu stimulieren. Da alle Länder an den selben Standards gemessen werden, ist der MIPEX ein Benchmarking-Instrument, das Leistungen miteinander vergleicht und Best Practice Beispiele ausweist. latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

MPI Beispiele latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

EU Kommission: Handbuch zur Integration I &II (MPG) Mit der Zusammenstellung und Darstellung konkreter Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen der Integration von Zuwanderern leistet das Handbuch einen Beitrag zu einem umfassenderen politischen Prozess auf dem Gebiet der Integration in der Europäischen Union (EU), insbesondere zur Entwicklung eines europäischen Rahmens für die Integration latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

(Serbischer Arbeitsmigrant, 49, seit ca. 20 Jahren in Österreich) Integration ist... „Die Menschen sind dann integriert, wenn sie beidsprachig denken, reden und träumen können und wenn sie sich dann, aber… hier auch zu Hause fühlen...“ (Serbischer Arbeitsmigrant, 49, seit ca. 20 Jahren in Österreich) latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Danke für die Aufmerksamkeit! Rossalina Latcheva Institut für Höhere Studien (latcheva@ihs.ac.at; www.equi.at) Stumpergasse 56 A-1060 Wien Tel: ++43 59991 135 Fax: ++43 59991 191 latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Verwendete und weiterführende Literatur Alba, R. und Nee, V. (2003). Remaking the American Mainstream. Cambridge London, Harvard University Press. Bauböck, R. (2001). Wege zur Integration. Was man gegen Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit tun kann. Klangefurt/Celovec, Drava; bm:bwk. Berry, J. W., Poortinga, Y. H., et al. (1992). Cross-cultural psychology. Research and Applications. Cambridge, Cambridge University Press. Esser, H. (2001): Integration und ethnische Schichtung. Arbeitspapiere-Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung. Nr.40 Link: http://www.mzes.unimannheim.de/frame.php?oben=titel_e.html&links=n_publikationen_e.php&inhalt=publications/wp/workpap_e.php Hoffmann-Nowotny, H.-J. (1999). Aspekte der internationalen Migration. Eingliederung und Ausgrenzung. Oltmer, J. Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und interkulturelle Studien. 12: 141-148. Nauck, B. (2004). Familienbeziehungen und Sozialintegration von Migranten. Migration-Integration-Bildung. Grundfragen und Problembereiche. Bade, K. J. und Bommes, M. Osnabrück, Universität Osnabrück. 23: 83-105. Nauck, B. und Kohlmann, A. (1998). Verwandtschaft als soziales Kapital. Verwandtschaft. Wagner, M. und Schütze, Y. Stuttgart, Ferdinand Enke Verlag: 203-233. Nauck, B., Kohlmann, A., et al. (1997). "Familiäre Netzwerke, intergenerative Transmission und Assimilationsprozesse bei türkischen Migrantenfamilien." Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 49|3: 477-499. latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie

Verwendete und weiterführende Literatur Latcheva, R.; Obermann, J. (2006): SiM-Social Integration of Migrants. Between Equal Opportunity and Marginalisation. A Longitudinal Perspective on the Social Integration of Migrants. NODE research program of the Austrian Ministry of Science (BM:BWK) http://www.zsi.at/attach/3Endbericht_SiM.pdf LIMITS Consortium (2006): LIMITS Final Report: Immigrants and Ethnic Minorities in European Cities: Life-Courses and Quality of Life in a World of Limitations. International project financed from the 5th Framework Program of the European Commission. http://www.zsi.at/attach/LIMITS_FinalReport.pdf Latcheva, R.; Edthofer, J.; Goisauf, M.; Obermann, J. (2007): Situationsbericht & Empfehlungskatalog: Zwangsverheiratung und arrangierte Ehen in Österreich mit besonderer Berücksichtigung Wiens. MA 57-Frauenförderung und Koordinierung von Frauenangelegenheiten (Hrsg.), Wien http://www.zsi.at/attach/3SituationsberichtEmpfehlungskatalogZwangsverheiratung_2007.pdf Niessen, J., Huddleston Th., Citron, L. 2007: Migrant Integration Policy Index Link: http://www.integrationindex.eu/multiversions/2712/FileName/MIPEX-2006-2007-final.pdfhttp://www.integrationindex.eu/multiversions/2712/FileName/MIPEX-2006-2007-final.pdf Portes, A. und Rumbaut, R. G. (2001). Legacies. New York-Berkeley-Los Angeles-London, Russell Sage Foundation; University of California Press Reinprecht, C. (2003). Zur Lebenssituation älterer Migrantinnen und Migranten in Österreich. Österreichischer Migrations- und Integrationsbericht. Fassmann, H. und Stacher, I. Klagenfurt/Celovec, Drava Verlag. latcheva@ihs.ac.at | Lehrgang “Integration begleiten” | 02.10.08 |Wien |Kardinal König Akademie