Funktion literarischer Namen

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Funktion literarischer Namen

Namen der Figuren sind bewusst-personenorientiert ausgewählt Bsp.: Tonio Kröger Vater: stammt aus dt. Familie mit dem typisch norddeutsch-niederdeutschen Namen Kröger Mutter: Italienerin, heißt Consuelo, Künstlerin, unterscheidet sich von den Damen der Stadt Sohn Tonio Kröger: Tonio: Südländischer, ausländischer Name Kröger: typisch norddeutscher Familienname Zwiespältigkeit zwischen biederer Bürgerlichkeit und anspruchsvollem Künstlertum wird in der Kombination der Namen Tonio und Kröger deutlich  Tonio ist etwas besonderes und unterscheidet sich von seinen Altersgenossen, kann sich nicht im städtisch-bürgerlichem Alltag einfinden

„Welt der literarischen Namen“ kann nur vor dem Hintergrund der zeitlichen, geographischen und sozialen Gegebenheiten der realen Welt existieren und funktionieren Diese namengeographische Verteilung ist seit dem 20. Jahrhundert (fast) aufgehoben  Vornamen aus fremden Sprachen sind in Deutschland Normalität geworden (Beispiel: Jenny)

Diktum „nomen atque omen“ (Ein Name ist auch ein Zeichen) von Titus Maccius Plautus spielt große Rolle bei der Namenwahl für Figuren Im Mittelalter vergab man Namen, welche das Wesen des Namenträgers beeinflussen sollten  Namensuche nach Wortdeutung  Namen eines Vorbildes  Name strahlt Macht aus und bewirke so Einheit von Name und Person  Namenträger sollte in Namen „hineinwachsen“

Heutzutage wirkt die determinierende Macht des Namens immer noch, jedoch ist diese stark zurückgetreten Motive wie Wohlklang, Exklusivität und Exotik beherrschen in unserer Zeit die Wahl des Namens

1. Funktion: Identifikation bzw. Identifizierung Grundfunktion eines jeden Namen Namenträger muss sich mit seinem Eigen-Namen identifizieren Benannte reichert seinen Namen im Laufe seines Lebens mit Eigenschaften an IN DER LITERATUR: Figur erhält Namen vom Autor, welcher ihre Eigenschaften bestimmt Dies steht im Einklang mit der durch die Namengebung ausgedrückten Intention Beschreibung nach Aussehen und Wesen der Figuren ist nicht nötig, es reicht die Kenntnis ihrer Namen

Beispiele: Thomas Mann lässt in seinem Roman „Joseph und seine Brüder“ Potiphar fragen: „Ist nicht der Name die kürzeste Art, sich über eine Person zu verständigen?“ Goethe schreibt in einem Brief: „Wenn ich meinen Namen nenne, nenne ich mich ganz[…]“

2. Funktion: Fiktionalisierung bzw. Illusionierung Betrifft nur literarische Namen „Reale Personen“ werden kreativ-erzählerisch in die Fiktion der Literatur überführt  authentisch-konkrete Namen und deren Träger werden durch die literarische Vereinnahmung fiktionalisiert und rein fiktiven (erfundenen) Namen für Figuren gleichgestellt Illusionierung ist ein Teil der Fiktionalisierung, beide zusammen ergeben eine Einheitsfunktion Illusionierung durch „Einschwärzung“ Namen von bekannten/lebenden Personen werden in die Handlung eingewebt, sodass eine Illusion entsteht, welche der hiesigen Welt ähnelt

3. Funktion: Charakterisierung 3.1 Redende Namen Erfolgt meistens durch redende und sprechende Namen  für den Leser aufgrund ihrer bedeutenden Durchsichtigkeit als Signale erkennbar, wurden deshalb vom Namengeber gewählt Beispiele unter unseren Nachnamen: „Schubert“, geht auf mhd. Schuohwürhtoere (Schuhmacher) zurück Durch verfremdete Lautentwicklung oder Schreibungen im Laufe der Zeit nicht mehr als solche erkennbar In der Dichtung redende Namen seit Antike verwendet In der Tierdichtung: Fuchs trägt den Namen „Reinhard“= Ratschlag, Klugheit, stark

Goethe benutzt in „Faust II“ Namen entsprechend Bildungen, „Raufebold“, oder „Eilebeute“, zentrale Figuren „Meister“, „Mittler“ Redende Namen besonders im poetischen Realismus des 19. Jahrhunderts Thomas Mann, 20.Jahd.: - „Grünlich“ in „Buddenbrooks“  teilweise müssen redende Namen auch erst als solche interpretiert werden Th. Mann: „Der Zauberberg“: Lässt Frau Stöhr „mit störrisch unwissender Miene“ reden 1. Adjektiv „stör(r)“ = steif, widerstrebend, störrisch 2. Substantiv „Stör“= bestimmte Fischart

3.2. klassifizierende Namen Weisen bestimmtes Zeit-/ Lokalkolorit auf Namen, die ihre Träger ethnischen, religiösen, nationalen, sozialen oder ähnlichen Gruppierungen zuordnen Nach literarischen Konventionen gewählt Seit dem 17. Jahrhundert in der Literatur zunehmend wichtiger Beispiel: Tonio Kröger Vor-/Nachnamenkombination weist Zeit- und Lokalkoloriten, sowie ethnisch-nationale und soziale Komponenten auf

3.3 klangsymbolische Namen Charakterisierende Funktion besteht in bestimmten Klangeffekten und Klangkombinationen Beispiel: Figur „Adolar Krola“ aus Fontanes „Frau Jenny Treibel“ Rhythmisierte Abfolge der volltönenden Vokale a-o-a-o-a vermittelt klangsymbolischen Effekt Gegenstück: Figur „Don Horribilikribifax“ bei Andreas Gryphius

4. Funktion: Mythisierung Vorstellung, dass Namen geheimnisvoll-magische Kräfte besitzen Durch die wirkmächtige Entfaltung dieser Kräfte wird die Einheit von Person und Namen bewirkt Für Dichter entscheidend, der passende Name für eine Figur erweist sich als Verwirklichung der mythischen Vorstellung Beispiel: Richard Wagner: „Der Ring der Nibelungen“, Namen der Rheintöchter: Woglinde, Wellgunde, Floßhilde

5. Funktion: Akzentuierung/Anonymisierung Gegensätzlich, aufeinander bezogene Funktionen Akzentuierung: Betonte Hervorhebung eines Namens z.B. durch ästhetisierende Mittel (Klangsymbolik, Namenkomik etc.) Ideologisch-religiöse, gesellschaftliche, psychologische oderetymologische Prägungen  bewusst-auffällige Markierung eines Namens

Anonymisierung: Dient der Verhüllung, Verschweigung eines Namens, zur Namenlosigkeit Besonders im Mittelalter verwendet Berührt sich in gewisser Weise mit Mythisierung Wenn ein Name aus Scheu oder Ehrfurcht nicht genannt, tabuisiert wird um Namensmissbrauch zu vermeiden Beispiel: Jahwe-Name im AT verfremdet, setzt Schranken und birgt Geheimnisse Besondere Form der Anonymisierung entwickelte sich im 18. Jahrhundert in der dt. Literatur Sternchensetzung Name verschwindet ganz Setze sich nicht durch, da sich kein vielfiguriger Roman schreiben lässt, ohne die Figuren zu benennen Es gehört zu den selbstverständlichsten Realitäten, dass Personen Namen tragen

Quelle „Funktionen literarischer Namen“ von Friedhelm Debus