Arbeitszeitverkürzung

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 Präsentation transkript:

Arbeitszeitverkürzung „Kalter Kaffee oder heißes Eisen?“ Jürgen Klippert Bündnis 90/ Die Grünen KV Hagen DGB Stadtverband Hagen

Historische Entwicklung der Arbeitszeit Frühzeit der Industrialisierung Erhöhung der Profite durch Steigerung der Dauer und Intensität der Arbeit Produktivitätssteigerungen werden für Aufbau einer Reservearmee der Arbeitslosen genutzt Forderung nach Verkürzung des Arbeitstags war Kampf um Menschenwürde und Überleben 1844: Erste Forderungen von Harkort (Industriepionier) nach 11-12 Stunden-Tag (vgl. Ulrike Hellert: „Humane Arbeitszeiten) Jahr Wochenarbeitszeit 1825 82 Stunden 1875 72 Stunden 1900 60 Stunden (in 6 Tagen) 1914 55 Stunden (10-Stunden-Tag) 1918 8-Stunden-Tag 1932 42 Stunden 1941 50 Stunden 1950 48 Stunden 1956 Übergang zur 5-Tage-Woche 1965 40 Stunden 1984 38,5 Stunden 1995 35 Stunden (Druck-, Metall- und Elektroindustrie)

Arbeiterbewegung Gewerkschaften Kampf um bessere Arbeitsbedingungen (Arbeitsschutz) Kampf um höhere Löhne (Verteilung des Mehrwerts) Kampf um Festlegung des Normarbeitstags Arbeiterparteien (marxistische Wurzeln) Genossenschaften (Wohnen, Konsum) Arbeitervereine (Bildung, Kultur, Sport)

Gesetze zur Arbeitszeit Deutsche Arbeitszeitordnung (AZO), 1938-1994 Regelmäßig 8-Stunden-Tag Max. 10-Stunden-Tag Pflicht zu Vergütung von Mehrarbeit (und Zuschlägen) Regelungen über Ruhezeiten und Pausen Jugend- und Frauenschutz (z.B. bei der Sonntagsarbeit)

Gesetze zur Arbeitszeit Arbeitszeitgesetz (ArbZG), ab 1994 Beruht auf EU-Richtlinie von 1993 Hauptziele: Gesundheitsschutz, Sicherheit der ArbeitnehmerInnen und Festlegung von Rahmenbedingungen für die Flexibilisierung von Arbeitszeit

Produktivitätssteigerung und Arbeitslosigkeit 1993: Lothar Späth und McKinsey-Manager Henzler: Was würde passieren, schöpfte man das technisch machbare Automationspotenzial in der Bundesrepublik voll aus? Die Antwort: Eine Arbeitslosigkeit von 38 Prozent wäre normal. Seit Mitte der 1970er Jahre herrscht offiziell „Massenarbeitslosigkeit“ in Deutschland (Statistik zeigt erstmals > 1.000.000 Arbeitslose)

Entwicklung Produktivität

Beschäftigungsentwicklung

Arbeitslosigkeit

Tatsächliche Arbeitslosigkeit 2010 3,2 Millionen (Offizielle Arbeitslosenzahl) 1,7 Millionen verdeckte und sich in der stillen Reserve befindliche Arbeitslose kommt 2 Millionen Menschen, mit unfreiwilliger Teilzeitbeschäftigung (die rund 1 Million zusätzlicher Vollzeitstellen entspricht) Beschäftigungslücke insgesamt rund 5,9 Millionen fehlender Arbeitsplätze Zzgl. prekär Selbständige (vgl. Bontrup/ Massarrat, „Manifest zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit“)

Entwicklung Lohnstückkosten

Folgen der Massenarbeitslosigkeit Individuelle Folgen: Bei Beschäftigten: Stress (Anstieg psychischer Erkrankungen), Bereitschaft zu Lohneinbußen aus Angst vor Arbeitslosigkeit Bereitschaft zu Mehrarbeit, um Lohneinbußen auszugleichen Bei Arbeitslosen: Armut Gesellschaftliche und kulturelle Isolation Krankheit Dequalifizierung

Lohnquote

Folgen der Massenarbeitslosigkeit Gesellschaftliche Auswirkungen Zunehmende Spaltung der Gesellschaft insgesamt (wer ist „drin“, wer ist „draußen“) Weiter zunehmende Umverteilung von Unten nach Oben (strukturell schwache Gewerkschaften) Volkswirtschaftliche Auswirkungen Potential von ca. 6 Mio. Menschen liegt brach Wir leben weit unter unseren Verhältnissen (vgl. „Exportweltmeister Deutschland“) Sinkende Massenkaufkraft (zw. 2000 und 2010: -789 Mrd. € auf der Lohnseite!)

Gewerkschaften und Arbeitszeitverkürzung? Traditioneller Fokus der Gewerkschaften auf „Gute Arbeit, gutes Leben, gute Bildung“ BAZI: „Warum wir Arbeitszeitverkürzung brauchen: Zur Beschäftigungssicherung Zum Abbau der Erwerbslosigkeit Zur Erhöhung der Lebensqualität Zum Einfangen ausufernder Arbeitszeiten Zur geschlechtergerechten Verteilung von Arbeit Zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf Für bessere Bildung Für mehr Gesundheit Für mehr gemeinsame Zeit Für ehrenamtliche Tätigkeit“

Gewerkschaften und Arbeitszeitverkürzung? Der Bundeskongress (ver.di) beschließt 2011: 1. Arbeitszeitverkürzung ist ein entscheidendes gewerkschaftliches Instrument gegen Arbeitslosigkeit, für eine Umverteilung von Arbeit, gegen Leistungsverdichtung und für mehr eigenbestimmte Zeit. Arbeitszeitverkürzung ist ein Stück Gesellschaftsveränderung. Sie ist nur durchsetzbar, wenn es gelingt, Arbeitszeitverkürzung zum Thema einer breiten gesellschaftlichen Debatte zu machen und starke zivilgesellschaftliche Bündnisse zu schließen. Deshalb beginnt ver.di eine eigenständige bundesweite Debatte zur Arbeitszeitverkürzung über alle Fachbereiche und Ebenen hinweg.

Gewerkschaften und Arbeitszeitverkürzung? 2. In dieser Debatte sind viele Fragen zu klären. unter anderem ist zu diskutieren: Arbeitszeitverkürzung als Beitrag zur Beschäftigungssicherung und zum Abbau von Arbeitslosigkeit Zusammenhang von Arbeitszeitverkürzung, steigender Produktivität und Grenzen des Wachstums  Arbeitszeitverkürzung bei vollem / teilweisem / ohne Lohnausgleich? (…) Arbeitszeitverkürzung und persönlicher Zeitvorteil: Welche Formen von Arbeitszeitverkürzung knüpfen an das Alltagsbewusstsein der Beschäftigten an und welche Formen verhindern eine zunehmende Leistungsverdichtung (Zusätzliche freie Tage, Tages- oder Wochenarbeitszeitverkürzung, Lebensarbeitszeitverkürzung)?

Gewerkschaften und Arbeitszeitverkürzung? Arbeitszeitverkürzung und Gesellschaftspolitik: Verknüpfung der Debatte mit Zeit für uns selber  für Familienaufgaben für Bildung fürs Gesundbleiben für gesellschaftliches Engagement Müssen kürzere Arbeitszeiten mit einem gesetzlichen Mindestlohn flankiert werden?

Fazit Versäumte Arbeitszeitverkürzungen haben seit Mitte der 1970er Jahre zu einen massiven Machtgefälle zw. Kapital und Arbeit geführt Die Gewerkschaften haben die strategische Bedeutung von AZV lange fatal unterschätzt Ohne Arbeitszeitverkürzung (max. 30-Stunden-Woche innerhalb von 5 Jahren) gibt es keine Chance auf Besserung Die Gewerkschaften sind allein nicht in der Lage, Forderungen nach AZV durchzusetzen

Diskussion! Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Jetzt ist hoffentlich noch ausreichend Zeit z.B. für Fragen, Einwände, Ergänzungen oder auch Korrekturen...