Schulabsentismus aus Kinder- und Jugendpsychiatrischer Sicht Dr. Annette Duve 25.09.2013
Epidemiologie // Zahlen variieren von 5 – 60%, abhängig vom Berichtszeitraum, Alter, Schulform (Döpfner 5%, Vergleich von 12 Studien durch Wagner 10 – 60%) Kein wesentlicher Unterschied zwischen Jungen und Mädchen Erhöhtes Risiko bei Klassenwiederholung Gymnasiasten weniger als Hauptschüler Anstieg ab Klasse 5 Höchstwerte 8. & 9. Klasse Schulabsentismus Duve 25.09.13. Seite 2
Unterteilung in 3 Entitäten // Schulangst Schulphobie Schulverweigerung/ Schulschwänzen Schulabsentismus Duve 25.09.2013| Seite 3
Ursachen von Schulabsentismus ( nach Eggers 1994) // Schulangst: Ausweichen aus Leistungs- oder Sozialängsten Psychische oder physische Insuffizienzgefühle Zunächst affektive Erleichterung aber Angst vor Kontaktabbruch oder Liebesentzug durch die Eltern Schulabsentismus Duve 25.09.2013| Seite 4
Ursachen von Schulabsentismus ( nach Eggers 1994 ) // Schulphobie: Verdrängte Angst vor Verlassenwerden von der Mutter wird auf die Schule verschoben Mutter-Kind-Symbiose, Verlassensängste Häufig psychosomatische Beschwerden Konfliktaufschub Schulabsentismus Duve 25.09.2013 Seite 5
Ursachen von Schulabsentismus ( nach Eggers 1994 ) // Schulverweigerung/ Schulschwänzen: Vermeidung von Unlust, Überwechseln in lustbetonte Verhaltensweisen Mangelnde Gewissensbildung, Deprivationssymptome, Bindungsschwäche, Störung des Sozialverhaltens Treffen mit der Clique oder Bande stattdessen Schulabsentismus Duve 25.09.2013| Seite 6
Vorgehen bei häufigen Fehlzeiten // Erkennen! Rückmelden an die Eltern! Ursachenklärung mit Schüler und Eltern Ausschluss einer schulischen Überforderung Kontakt zu Beratungszentren hausärztliche Diagnostik und Behandlung Vorstellung beim Gesundheitsamt Kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik und Behandlung Beratung und/oder Unterstützung durch das Jugendamt Schulabsentismus Duve 25.09.2013| Seite 7
Erstmaßnahmen // Versuch der Reintegration: Klare Absprachen Unterstützung durch Schulsozialarbeit, Schulpsychologen, Förderzentren Enge Kommunikation zwischen Eltern und Schule Möglichkeiten der Unterstützung beim Überwinden der Schwelle z. B. durch Eltern, Mitschüler, Schulsozialarbeiter, Integrationshilfen, Einzelfallhilfen Schulabsentismus Duve 25.09.2013 Seite 8
Behandlungsmöglichkeiten durch Kinder- und Jugendpsychiatrie // Ambulante Behandlung Tagesklinische Behandlung Vollstationäre Behandlung Schulabsentismus Duve 25.09.2013 Seite 9
Ambulante Behandlung // Diagnostik und Beratung Koordination der Maßnahmen mit verschiedenen Helfersystemen Psychotherapeutische Behandlung der ursächlichen Symptomatik Vorbereitung und Einleitung weitergehender Behandlungen Schulabsentismus Duve 25.09.2013 Seite 10
Tagesklinische Behandlung // 20 Plätze mit Kinderstation (6-12/13 Jahre) und Jugendlichenstation (13/14-18 Jahre), Montags bis Freitags 7.30 bis ca.16.30 Kombination von Lernen im Alltag mit spezifischen therapeutischen Maßnahmen, Familientherapie und Beschulung in der Paula-Fürst-Schule Begleitete Reintegration in Stammschule Enge Kooperation mit allen Beteiligten Überleitung in ambulante Nachbehandlung Schulabsentismus Duve 25.09.2013 Seite 11
Therapeutisches Angebot // Milieutherapie Psychodynamisch orientierte Einzel- und Familiengespräche Verhaltens-, Belohnerpläne Ergotherapie, Kunsttherapie Mototherapie, Logopädie Soziotherapeutische Gruppen Themenzentrierte Gruppen Gruppenpsychotherapie Schulabsentismus Duve 25.09.2013| Seite 12
Spezifische Herausforderungen bei Schulabsentismus // Aufgabe von Vermeidungsverhalten Tägliches Überwinden der Schwelle zwischen zu Hause und der Tagesklinik Wiederaufnahme eines regelmäßigen Tagesrhythmus Aufnahme multipler Beziehungsangebote nach häufig langem sozialen Rückzug Narzistische Kränkung in der Konfrontation mit Ängsten und Defiziten Wiedererlernen von Konfliktverarbeitung und offener Kommunikation Schulabsentismus Duve 25.09.2013 Seite 13
Spezifisches Angebot bei Schulabsentismus // individuell gestaltete stufenweise Eingewöhnung Möglichkeiten der Begleitung durch die Eltern Erste Beziehungsaufnahme in Rahmen der Bezugspflege und durch den Behandler (Arzt oder Psychologe) Schrittweise Eingewöhnung in die Patientengruppe Steigerung von Einzel- zu Gruppenangeboten Tägliche Kommunikation mit Patienten und/oder Eltern bei Auftreten von Schwierigkeiten Schulabsentismus Duve 25.09.2013| Seite 14
Chancen der tagesklinischen Behandlung // Enge Verzahnung von tagesklinischer Behandlung mit Alltagswelt der Patienten Exposition unter Alltagsbedingungen Bearbeitung der Familiendynamik anhand von Alltagssituationen Direkter Übertrag der Behandlungserfolge Begleitung und Bearbeitung von Rückschlägen Kooperationsmöglichkeiten vor Ort Begleitung der Wiedereingliederung Überleitungsmöglichkeiten in ambulante Behandlung Nachhaltigkeit der Behandlungserfolge Schulabsentismus Duve 25.09.2013 Seite 15
Voraussetzungen zum Gelingen der tagesklinischen Behandlung // Tägliches Erscheinen oder Kontaktaufnahme Unterstützung und Kooperation der Eltern Motivation von Patienten und Eltern, die Symptomatik zu überwinden und Unterstützung anzunehmen Entwicklung tragfähiger Beziehungen Anstoß einer positiven Gesamtentwicklung Möglichkeit zur Kommunikation und Bearbeitung von Konflikten Grundsätzliche Akzeptanz der Stationsregeln Schulabsentismus Duve 25.09.2013 Seite 16
Grenzen der tagesklinischen Behandlung // Abbruch der Kommunikation Erleben der Helfersysteme als feindselig Schwere der Erkrankung blockiert positiven Verlauf Mangelnde Kooperation/ Eigendynamik der Eltern Scheitern der externen Beschulung Mangelnde Akzeptanz der Rahmenbedingungen Ablehnung ambulanter Unterstützungsmöglichkeiten, z.B. Jugendamt Schulabsentismus Duve 25.09.2013| Seite 17
Vollstationäre Behandlung // Enge Kooperation mit unserer Klinik in Herborn Umfassenderer Rahmen für die Behandlung mit Beurlaubung am Wochenende Trennung muss nicht täglich vollzogen werden Entlastung der Systeme Nach erfolgter Besserung der Symptomatik Möglichkeit der Weiterbehandlung in der Tagesklinik zur weiteren Überleitung in den Alltag und die Stammschule Schulabsentismus Duve 25.09.2013Seite 18
Literaturangabe Eggers C. et al.: Kinder- und Jugendpsychiatrie. Springer 1994 Walter D, Döpfner M: Schulabsentismus bei Kindern und Jugendlichen – Konzept und Behandlungsempfehlungen. Verhaltenstherapie 2009; 19(3): 153–60. Michael Wagner (Hsg.): Schulabsentismus: Soziologische Analysen zum Einfluss von Familie, Schule und Freundeskreis, 2007 Schulabsentismus Duve 25.09.2013 Seite 19
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit // Schulabsentismus Duve 25.09.2013| Seite 20