Vorlesung „Europäischer Menschenrechtsschutz“ Einleitung

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Der erste Weltkrieg & danach Der zweite Weltkrieg & danach
Advertisements

EUROPABILDUNG FÜR ALLE
Große Wirtschaftskrise Die deutsche Geschichte im 20. Jh
Deutsche Außenpolitik seit 1990
1 1 Notwendigkeit für Vision und Führungsqualitäten in einer Zeit globaler Krise.
Errungenschaften der Französischen Revolution
Konfliktprävention auf internationaler Ebene
Besonderheiten des 2. Vorschlags
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Versailles 1919 Leipzig 1921 Nürnberg 1945 Tokio 1946 Jerusalem 1961 Fort Benning 1971 Den Haag 1993 Arusha 1994 Rome 1998? Entwicklungsschritte 1863 Lieber.
Unterrichtsinhalte im Fach Geschichte/Oberstufe
des Emsland-Gymnasiums
Braucht Europa einen König?
Zugänglich für alle? Das Ziel einer barrierefreien Gesellschaft
(bitte als Bildschirmpräsentation starten)
Geschichte und Sozialkunde kombiniert
Wie weit reicht Europa – und wer gehört dazu?
Das Konzept der drei Generationen der Menschenrechte
Referentin: Evgenija Birillo Studiengang: IR 9. Semester
TECHNISCHE UNIVERSITÄTEN IN MITTEL(OST)EUROPA Prof. Dr. Sc
Deutschland und die Welt im KALTEN KRIEG
Grundrechte im Rechtsstaat
UN Special Rapporteur on Torture
DAS POLITISCHE DENKEN DER AUFKLÄRUNG:
Die Grundrechte im deutschen Grundgesetz
Warum haben Kinder Rechte?
WAS SIND MENSCHENRECHTE?
Religionsfreiheit Federal Ministry for Foreign Affairs of Austria
Rechtsstaatlichkeit Verfassungsstaat, Gesetzesstaat, Rechtsschutzstaat
Vorlesung Verfassungsrecht I „Grundrechte“ Allgemeiner Teil
Von der „Aussen“- zur Weltinnenpolitik: Souveränität und Direkte Demokratie angesichts der transnationalen Transformation Von Andreas Gross, Politikwissenschafter,
WHY THE RULE OF LAW MATTERS Guillermo O‘Donnell FREEDOM AS THE FOUNDATION David Beetham Michael Bouda
Europäisches und Internationales Strafrecht - Übersicht 1
Somalia, Piraterie und Atalanta
Materialien zur Politischen Bildung von Kindern und Jugendlichen
Geschichte der Demokratie
Menschenrechte als politische Aufgabe
2. Kapitel: Vom Stamm zum Staat in einer globalisierten Umwelt B: Die Entwicklungsstadien der staatlichen Gemeinschaft.
Die Magische Wand: „Menschenrechte“.
Die Ordnung des menschlichen Zusammenlebens Menschen leben in Staaten.
(bitte als Bildschirmpräsentation starten)
Geschichte und Sozialkunde kombiniert
Der Fall der Mauer vor 20 Jahren
Die soziale Marktwirtschaft
Österreichische Geschichte
Von umfassender zu nachhaltiger Sicherheit?
Soziale Bewegungen – damals und heute
Österreich-Ungarn, Deutschland, Bulgarien, Osmanisches-Reich
法學德文名著選讀(一) Lektion 2 Text 1
Herzlich Willkommen zur 4
Völker- und europarechtliche Wirkungen der UN- Behindertenkonvention – am Beispiel des Behindertenbegriffs Univ.-Prof. Dr. Werner Schroeder, LL.M.
Feiertage in der Tschechischen Republik
Rule of Law Rechtsstaat Etat de Droit Was heisst Rule of Law? Rule(s) of Law Rule of Laws Rule(s) of Law(s) Wer untersteht der Rule of Law? Staaten?
Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Sandra KlopschMartin Waltermann.
Überblick Die Beteiligten Datum Ort Beginn Ende
Identität europäisch gedacht ?!?
Französische Revolution
Schwerpunkt I: Internationales Recht/ Politikwissenschaft Juristische Fakultät: Informationsveranstaltung zur Schwerpunktwahl im Studiengang Law in Context.
Gastprofessor Dr. Árpád v. Klimó Katholische Kirche und Katholiken: Österreich im europäischen Kontext (19. und 20. Jahrhundert)
3. Entwicklung a)Übersicht / Perioden b)Systementwicklung c)Wendejahre.
Konfliktforschung I: Kriegsursachen im historischen Kontext
Europäische Union & Vertrag von Lissabon
Die Geschichte der Menschenrechte
 Verfassungsgesetze und Bestimmungen des Bundesrechtes › Gesetze › Einzelne Bestimmungen › Staatsverträge  Beschluss 1920  Unterbrechung
Schweizer Frühling Liberec, den 27. März 2013 Die direktdemokratischen Instrumente und ihre Wirkungsweise in der Schweiz Dr. Corsin Bisaz c2d-center for.
Internationale Menschenrechtskooperation
Ideen der Aufklärung und ihre Auswirkungen
DIE MENSCHENRECHTE 1.
 Präsentation transkript:

Vorlesung „Europäischer Menschenrechtsschutz“ Einleitung Universität Wien Sommersemester 2011 © ao. Univ.Prof. Dr. Hannes Tretter Institut für Staats- und Verwaltungsrecht Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM) gem. mit Ass.Prof. Dr. Barbara Weichselbaum, Anna Müller-Funk, MSc, und Ass.Jur. Jana Messerschmidt

Ideengeschichtliche Wurzeln des Menschenrechtsschutzes Philosophie der Aufklärung „Mensch frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ Kontrolle der politischen Gewalt und Rechte des Individuums  Th. Hobbes (De cive, Leviathan) und J. Locke (Two Treaties of Government) Idee der Demokratie  J.J. Rousseau (Contrat social) Gewaltenteilung und -kontrolle  Ch.-L. Montesquieu (De l‘esprit des lois)

Ursprung der Menschenrechte Amerikanische Unabhängigkeitsbewegung Virginia Bill of Rights 1776 Unabhängigkeitserklärung 1776 Verfassung 1787 Bill of Rights 1789 Französische Revolution Französische Menschenrechtsdeklaration 1789, Aufnahme in die Verfassung 1791 Ursprung der Menschenrechte ? Kontroverse Georg Jellinek (gesetzliche Garantie der Freiheit) – Emil Boutmy (Philosophie der Freiheit)

Bürgerliche Revolution und Liberalismus Bürgerliche Revolutionen des 19. Jh.  Grundrechtskataloge in Verfassungen (zB Belgien, Deutschland, Österreich) Freiheitsrechte gegenüber dem Staat Liberalismus (J.St. Mill  „On Liberty“) „erste Generation“ der Menschenrechte Eigentumsfreiheit Voraussetzung der Entwicklung des bürgerlichen Kapitalismus Eingriffe in Freiheit und Eigentum werden an das Gesetz gebunden

Kapitalismus und soziale Revolution Industrialisierung und Kapitalismus  Ausbeutung und Versklavung, Entstehen des Proletariats, Verelendung Reaktion: Kommunismus (Marx/Engels) Sozialismus (Max Adler) Revolutionen der Jahre 1917-1919 Forderung nach sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechten („zweite Generation“)

Vom 1. zum 2. Weltkrieg Zusammenbruch der Monarchien, Entstehung von Republiken Völkerbundära  Minderheitenschutz in den Friedensverträgen Weltwirtschaftskrise 1929/1930  Instabile Demokratien, soziale Armut Faschismus/Nationalsozialismus legale Machtübernahme, Ausschaltung der Demokratie, Kollektivierung, Ideologisierung Unterdrückung individueller Rechte, totalitärer Unrechtsstaat, Terror, Holocaust Straftribunale von Nürnberg und Tokio  Ahndung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Internationaler und regionaler Menschenrechtsschutz Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948  „Magna Charta“ der Menschenrechte, Deklaration, aber teilweise ius cogens EMRK 1950 und UN-Pakte 1966 Spezialkonventionen UN und Europarat Solidaritätsrechte der Völker („dritte Generation“) Staatenpraxis und „Soft law“ Präventive Mechanismen

Politische Entwicklung nach 1945 Zeit des Kalten Kriegs Menschenrechte als „innere Angelegenheit“ eines Staates Zusammenbruch der kommunistischen Staatenwelt  Politischer Wandel 1989/90 beeinflusst den Menschenrechtsschutz  fällt in die Verantwortung internationaler oder regionaler Organisationen  Menschenrechtsverletzungen gefährden Sicherheit und Stabilität, Einmischungsverbot des Art II/7 UN-Charta nicht anwendbar, daher Kap. VII (Zwangsmaßnahmen) möglich

Der politische Wandel 1989/1990 – ein Paradigmenwechsel Durchbrechung staatlicher Souveränität durch die Menschenrechte Internationale, völkerrechtlich verpflichtende Standards Weltweiter menschenrechtlicher Diskurs (IOs & NGOs, Medien) über Implementierung Supranationale Durchsetzbarkeit auf europäischer Ebene (EMRK & EGMR, EuGH) Sukzessive menschenrechtliche Durchdringung und Ausrichtung des EU-Rechts (zB Art. 6 EUV, EU-Grundrechtecharta)

Die konzentrischen Kreise des europäischen Menschenrechtsschutzes EU  27 Mitgliedstaaten Europarat  47 Mitgliedstaaten: alle EU-Staaten Staaten aus dem GUS-Raum OSZE  56 teilnehmende Staaten: alle Staaten Europas die Nachfolgestaaten der Sowjetunion sowie USA und Kanada

Grundannahmen Unveräußerlichkeit, Universalität, Unteilbarkeit, Interdependenz und Gleichheit der Menschenrechte Interdependenzen von Friede – Sicherheit – Stabilität sowie Demokratie – Rechtsstaat – Menschenrechte Sensible Symbiose von Demokratie, Rechtsstaat, Gewaltenkontrolle und Menschenrechten

Die drei Dimensionen der Menschenrechte Liberale Freiheitsrechte – Abwehrcharakter („erste Dimension“) Soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte Leistungscharakter („zweite Dimension“) Solidaritätsrechte – kollektiver Charakter („dritte Dimension“) Interdependenz der Dimensionen

Gewährleistungsumfang der Menschenrechte „Respect“ – Achtung der Menschenrechte durch den Staat „Protect“ – Schutz der Menschenrechte durch den Staat vor Angriffen Privater „Fulfill“ – Staatliche Maßnahmen zur vollen Garantie und Durchsetzbarkeit der Menschenrechte in Gesetzgebung, Vollziehung, Institutionalisierung, Ausbildung, Aktionspläne etc.