Diamorphingestützte Behandlung – Die Droge als Selbstmedikation

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Liebe Patientinnen und Patienten!
Advertisements

Dr. med. Thomas Kuhlmann Psychosomatische Klinik Bergisch Gladbach
Seite 1 © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm PD Dr. U. Cuntz.
Dafür tret‘ ich ein dafür tret‘ ich ein.
Die Versorgung bei psychischen Erkrankungen aus Sicht der Ersatzkassen
Die selbstunsichere Persönlichkeit
Schizophrenie und Seelsorge
Mit Medikamenten individuell behandeln Prof. Dr. Johannes Kornhuber
Patientenpfade und Patientensicherheit
109. Deutscher Ärztetag, Magdeburg
Alkoholabhängigkeit und Alkoholmissbrauch nach ICD-10 und DSM-IV
Condrobs-Leitungsveranstaltung
Verrückt? Na und! Prävention und Förderung der seelischen Gesundheit in der Schule für Jugendliche ab 15 Jahren - Schulprojekt im KREIS BERGSTRASSE Das.
Sauerstofftherapie (LTOT) und Nichtinvasive Beatmung (NIV)
Einführung: Seit Oktober 2006 ist Suboxone in Deutschland als Substitutionsmittel bei Opiatabhängigkeit zugelassen. Dieses Medikament mit den Inhaltsstoffen.
HOPE – Standarddokumentation in der Palliativmedizin und Hospizarbeit was kann sie bewirken ? 1999 – 2006 = Patienten.
Stabilisation: Was gehört alles dazu?
Aus dem Blickwinkel niederschwelliger Suchthilfe
Einmal Burnout und retour
Stuktur der DBT-PTSD.
„10 Jahre VIWIH“ Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Versorgung von jüngeren Menschen mit neurologischen Erkrankungen.
Wenn ich in eine Psychiatrie komme. 1. Keine Antworten auf Fragen 2
Dissoziation: Definition
Leitlinien zum Einsatz von Coxiben
Überlegungen zu einer am Versorgungsbedarf orientierten Psychotherapeutenausbildung Prof. Dr. Rainer Richter DGVT Tagung zur Zukunft der Psychotherapieausbildung.
Zur Frage der Kooperation mit der ärztlichen Weiterbildung und die Rolle der Krankenhausärzte in der Ausbildung Psychologischer Psychotherapeuten DGVT.
Substanzabhängigkeit
DMP Brustkrebs aus Sicht der Krankenkassen
Prof. Dr. Gian Domenico Borasio Lehrstuhl für Palliativmedizin
Prof. Dr. med. Baptist Gallwitz
Cluster 2 – Psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt
WECHSELWIRKUNG GYNÄKOLOGISCHER SYMPTOME UND WEIBLICHER SEXUALITÄT
Sucht Nikotin Alkohol Drogen Magersucht Tablettensucht.
Cluster 3 – Psychische Erkrankungen und Pension (inkl. Begutachtungen)
Burnout Dr. Margot Peters FÄ f. Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin.
Ambulante Psychotherapie und weitere psychotherapeutische Ansätze
in der Landesnervenklinik Sigmund Freud
Die Diamorphin gestützte Therapie Schwerstabhängiger seit 2009 – Bilanz und Perspektiven Dr. Christoph von Ascheraden - Mitglied des Vorstandes und Vorsitzender.
Initiative Frauenmedizin in Klinik und Praxis
Psychosen By Kevin und Oliver.
Gesellschaft zur Förderung seelischer Gesundheit
Diabetes mit seinen Co-Morbiditäten Satellitensymposium Berlin-Chemie AG 6. Hamburger Symposium zur Integrierten Versorgung Hamburg, 05. November.
Psychotherapie bei MS P. Calabrese.
Indikativgruppe Cannabis
Notfälle in der Psychiatrie. Suizidalität
Brandenburg : Kurs halten
Suche nach Hilfe.
Wissenschaftliche Evidenz Modul 2. Die wissenschaftliche Evidenz der Wirksamkeit Die meisten Studien beziehen sich auf Methadon, nicht so sehr auf andere.
Eine Unterstützende Therapie
Unser Ziel Wir möchten mit Hilfe dieser Präsentation zeigen, was es für Schäden gibt wenn man Drogen und Alkohol konsumiert!
Studien zur Neurophysiologie der Diamorphinwirkung
Absetzen - aber wie? Fachtagung „Gratwanderung Psychopharmaka“
Dr. med. Joachim Selle Internist Suchtmedizin
Kommunikation mit psychisch kranken Menschen
Borderline –Persönlichkeitsstörung
Opioidkonsum und Substitutionsbehandlung in der EU
Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie
DID – eine Herausforderung für alle Beteiligten
Operative Eingriffe im Gehirn bei schweren Zwangsstörungen:
DGSP-Symposium Berlin, 27. Mai 2015 Dr. Udo Frank
KRISENINTERVENTION IN DER PRÄNATALDIAGNOSTIK Karin Tordy AKH Wien, Univ. Klinik f. Frauenheilkunde Abt. pränatale Diagnostik und Therapie.
X-dream, Beratungsstelle für suchtfragen
Herr Y Flavia Hangartner Sozialarbeiterin FH Zentrum Ambulante Suchtbehandlung des Contact Netz.
Landeshauptstadt München Sozialreferat Amt für Soziale Sicherung Hilfen im Alter, bei Pflege und Betreuung Dipl. Soz.Gerontologe David Stoll Seite.
InPUT Individuelle Platzierung, Unterstützung und Training Das Stuttgarter Job Coach Projekt des Rudolf Sophien-Stifts Dr. Irmgard Plößl und Elke Stein.
 Sprechtherapeut/-innen sind wichtige Ansprechpartner/-innen für HNO-Tumorpatient/-innen und stellen deren psychosoziale Grundversorgung sicher.  HNO-Tumor-Patient/-innen.
2017/2018 Bayern München Leipzig Dortmund Hoffenheim Köln Berlin
Peer Session Fribourg, Dr. med. Marc Vogel, MScPH
 Präsentation transkript:

Diamorphingestützte Behandlung – Die Droge als Selbstmedikation Dr. Thomas Peschel Berlin, 12.Februar 2014

Therapie der Opiatabhängigkeit? Standard: „weg vom Heroin!“ Jetzt: „Behandlung mit Heroin!“ -> Diamorphingestützte Behandlung

Wissenschaftliche Evidenz in den letzten 15 Jahren 6 RCTs mit mehr als 1500 Patienten hochrangig publiziert sechs verschiedenen Länder Perneger et al. 1998, BMJ Van den Brink et al. 2003, BMJ March et al. 2006, J Subst Abuse Treat Haasen et al. 2007, Br J Psychiatry Oviedo Joekes et al. 2009, NEJM Strang et al. 2010, Lancet

Hauptergebnisse drastische Verringerung „Straßenheroin“ drastischer Rückgang Beschaffungskriminalität deutlicher Rückgang Beikonsum somatische und psychische Stabilisierung soziale Verbesserung verbesserte Lebensqualität großer volksökonomischer Vorteil

Hamburg (83) Hannover (60) Berlin () Stuttgart (2014) Köln (55) Bonn (50) Frankfurt (110) Karlsruhe (25) München (25) (Stand Februar 2014)

Erfahrungen Berlin „broken home“ Sozialisation Szenevergangenheit Haftstrafen z.T. 10-20 Jahre keine Tagesstrukturierung außer Beschaffung mangelnde Selbstfürsorge starke Vereinzelung („auf der Szene gibt es keine Freunde“), Persönlichkeitsstörungen somatische Erkrankungen Vermeidung des Kontaktes zu Hilfesystem Entwicklungstrauma, PTSD (Symptome!!)

Funktionalität Diamorphin Beruhigung, Sedierung, Reduktion psychischer Spannung Vermitteln Gefühl von Geborgenheit, Halt, Schutz, Vertrauen Reduktion von Beigebrauch keine Selbstverletzungen mehr mehr Lebensqualität Wirkung wie Medikament auf Traumasymptome Keine Toleranzentwicklung bei kontrollierter Abgabe

Beikonsum

Umgang mit Beikonsum – unsere Erfahrungen Beikonsum von Alkohol, Benzodiazepinen oder Kokain ist die Regel, nicht die Ausnahme. Zu beachten ist, dass der Beikonsum kaum je wahllos geschieht Patienten aufgrund des Beikonsums von einer Behandlung auszuschliessen, wird immer mehr obsolet (vgl. auch Paradigmen-Wechsel bei Suchtpatienten bei Psychotherapie, HCV-Therapie, etc.) Die Opioid-Substitution aufgrund des Beikonsums zu reduzieren, kann einen Teufelskreis mit noch mehr Beikonsum in Gang setzen. Cave: Hauptgefahr bei Kombination rasch anflutender und atemdepressiver Substanzen Substitution der Beikonsum-Substanzen muss evaluiert werden (z.B. langwirksame Benzodiazepine)

Psychiatrisch-psychotherapeutische Perspektive hoher Anteil an psychischer Komorbidität Anteil an Persönlichkeitsstörungen hoch Konsequenzen für multidisziplinäres Team psychiatrische Komorbidität mitbehandeln, dafür ist Setting gut geeignet, hohe Kontaktzeiten, hohe Haltequote Jahrelange Behandlung, Umprägung möglich Supervision

Sozialpsychiatrisches Behandlungskonzept Ambulanzziel: Behandlung und Rehabilitation von schwer Opiatabhängigen somatisch, sozial, seelisch, psychiatrisch/psychotherapeutisch Wiederentwicklung von sozialen Fähigkeiten und Selbstfürsorgestrategien, „auf-sich-acht-geben“ Soziotherapie (niedrigschwellig und freiwillig): Spielegruppe Musikgruppe Tischtennis Lauftreff Psychoedukation Ergotherapie Bezugspflege: Begleitung zu Terminen (Arzt/Arge etc.) Ärzte: u.a. Begleitung zu Gericht, Gutachten, PT (v.a. Gruppen), Teamsupervision

Aufnahmevoraussetzungen (BtMVV) seit mindestens fünf Jahren bestehende schwere Opiatabhängigkeit, verbunden mit schwerwiegenden somatischen und psychischen Störungen bei derzeit überwiegend intravenösem Konsum Nachweis über zwei erfolglos beendete Behandlungen der Opiatabhängigkeit, davon mindestens sechsmonatige Substitutionsbehandlung einschließlich psychosozialer Betreuungsmaßnahmen mindestens 23 Jahre alt

Applikationsformen intravenös intramuskulär (oral)

Gesetzliche Vorgaben drei Räume 12 h durchgehend Öffnungszeit 3 Fachärzte (vor kurzem abgeschwächt) Alkoholtestung vor jeder Vergabe 30 min Nachbeobachtungszeit

Sicherheit keine Distribution aus den Ambulanzen durch die Patienten entdeckt keine schweren Nebenwirkungen oder Komplikationen durch die Behandlung geringe Mortalität (um 1%) weniger Risikoverhalten Notfälle (1:6000 Injektionen)

Was sagen die Patienten? 50 % Substanz 50 % Setting Existentielle Perspektive: Sicherheit - Entängstigung Beziehung - Geborgenheit Individualität – Beachtung, Wertschätzung, Gerechtigkeit stellt hohe Anforderungen an Ambulanz-Team

Behandlungsverlauf

Zukunft und Herausforderungen Diversifizierte Behandlung (DAM-Tabletten, Morphin ret.) Kontrollierte Benzodiazepinvergabe? Berücksichtigung der Altersentwicklung (inkl. der damit verbundenen somatischen Erkrankungen) Forschung: welcher Patient für welche Therapie? Soziotherapeutische Elemente hilfreich Psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung ausbauen (Patienten unter Therapie behandelbar)