Junge Erwachsene - Die Verlierer der Globalisierung?

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
ATROPHIE Die sogenannte Atrophie zählt zu den Anpassungsreaktionen unseres Organismus. Anpassungsreaktionen beschreiben die Reaktion des Körpers auf Umweltveränderungen,
Advertisements

Der Sozialstaat ist finanzierbar!
Bedeutung beruflicher Weiterbildung für Unternehmen
Ein Vergleich der Geburtenzahlen:
Dgdg Beschäftigungssituation und -perspektiven älterer Arbeitnehmer in Deutschland März 2009 Internationales Arbeitsmarktgespräch Friedrichshafen, 18.
Initiative „Frauen des 21
Pro-Skills-Hintergrundphilosophie
Wandel der Erwerbsstruktur
Wandel privater Lebensformen
Erwerbsverläufe von Jugendlichen im Zeitalter der Globalisierung
Gewerkschaftliche Organisation
„Die Folgen der Globalisierung sind dramatisch“ (Meinung B)
Wege in die Vaterschaft – Ergebnisse der Befragung junger Männer
Gender Mainstreaming- Sprachakrobatik oder die Verwirklichung der Chancengleichheit
Der demografische Wandel in Sachsen-Anhalt und sein Einfluss auf die Gestaltung von Kinder- und Jugendpolitik Vortrag Magdeburg
© Copyright 2006, Institut Unternehmensführung Demografische Herausforderungen für die Unternehmen der Pfalz Analyse.
Familienbild und Frauenrolle
Lebensverläufe und Individualisierung
Aufgabe und Rolle der beruflichen Weiterbildung in Krisenzeiten Bamberg 24. September 2009.
Scheidung Zusammengefasste Scheidungsziffer: Früheres Bundesgebiet
Entwicklung der Bildungschancen von Migrantenkindern in Deutschland
IAB im Internet: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Aktivieren durch Fördern und Fordern Internationale Erfahrungen und Ansätze.
Informationsveranstaltung am in der BBS Papenburg
IT und TK Ausgaben je Einwohner
Initiative 50plus Verbesserung der Beschäftigungschancen und der Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Prekäre Beschäftigung in Europa
Berufliche Kompetenzentwicklung
1 Flexicurity Eine Perspektive für flexible Arbeitsmärkte und soziale Sicherheit?
Mo.Ki Monheim für Kinder Prävention von Armutsfolgen bei Kindern und Familien Annette Berg, Stadt Monheim am Rhein.
Neoliberalismus in der Praxis Aktuelles Politikfeld Sozialpolitik.
Arbeitsmarktreformen
Dr. Hans Dietrich Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
von Michael Büge Staatssekretär für Soziales
Arbeitsmarkt und prekäre Arbeitsverhältnisse
______________________________ Gleichstellungspolitische Impulse des ESF ______________________________ Dörthe Jung ESF Fachtagung Horizonte erweitern.
Schöne neue Karrierewelt von Svenja Hofert
Where Europe does business Lück, JDZB | Seite © GfW NRW 252 a.
Wir üben die Malsätzchen
Warum ist Vereinbarkeit ein Thema?
Chancengerechtigkeit im Bildungssystem
Generationen im Gespräch
Institute for advanced Studies | Stumpergasse 56 | A-1060 Wien | Tel: | | | Geschlechtsspezifische Unterschiede.
Umbau des Sozialstaats in der Krise Impulsreferat
Initiative Jugend und Chancen – Integration Fördern Informationsveranstaltung am 16. Mai 2008.
Dialog der Generationen: Notwendigkeit und Chance (Impulsreferat auf dem Aktionstag des Projektbüros Dialog der Generationen am in Berlin) Prof.
Die Familie in der Bundesverfassung
Case Management und Pensionskasse BVG-Apéro 5. Februar 2007 innovation zweite säule.
Familienpolitik in Deutschland
Das EQUAL-Projekt der AWO „Hilfen für arbeitslose Jugendliche“
Internationales Institut für Empirische Sozialökonomie Ein wichtiger Schritt im Kampf um Gute Arbeit: Prekäre Beschäftigung eindämmen! Ein wichtiger Schritt.
Ein wirtschaftlicher Regionalvergleich der Regionen Oberfranken, Elsass und Cordoba Referent: Tobias Morhardt Forchheim, 05. Oktober 2006.
Zur ökonomischen Situation der Frauen in Österreich Gudrun Biffl
3. Fachtagung im Projekt Pflegebegleiter am 24. November in Bad Honnef Projekt Pflegebegleiter 3. Fachtagung Ein Projekt fasst Fuß KURZVERSION DER PRÄSENTATION.
Wer zahlt den Preis für unsere Kleidung?
Soziale Arbeit an Schulen im Landkreis Bad Kreuznach
Arbeitsmarktreformen
Zur Zukunftsfestigkeit der Europäischen Sozialstaaten
GK/LK Sozialwissenschaften
Armut in unterschiedlichen Lebensphasen: Kinder und junge Erwachsene
Das Recht auf Leben Thema: Kinderarmut The Right to Survive Topic:
2. Continental-Studentenumfrage 24. Februar 2005, TU Darmstadt.
Auswirkungen des demografischen Wandels im Einwanderungsland Deutschland Professor Marcel Thum, technische Universität Dresden und Leiter des ifo-Instituts.
Armut und Prekarisierung
Fachstelle für Gleichstellung – Stadt Zürich, BIBLIOTALK Geschlecht: behindert. Besonderes Merkmal: Frau. Angie Hagmann, Kontaktstelle für Frauen.
Umzüge versus Pendeln Referat 4. Oktober 2010 Dominique Braun.
Otto-Friedrich-Universität Bamberg 1 1 Prof. Dr. Gudrun Cyprian, Otto-Friedrich-Universität Bamberg Von der Risikogruppe zu den Hätschelkindern der Nation?
Soziologie der Familie Klaus Feldmann. Geschichte der Familie 1 bis 17./18. Jh. „Ganzes Haus“, Hausgemeinschaft, agrarische Gesellschaft, Patriarchat.
Wiederholung der wichtigsten Grundbegriffe
 Präsentation transkript:

Junge Erwachsene - Die Verlierer der Globalisierung? Entwicklungen von Berufseinstieg und Familiengründung - Muster und Politikansätze im internationalen Vergleich Dipl. Soz.Dirk Hofäcker Vortrag auf dem Plenumstreffen des “Bündnis für Familien im LK Erlangen-Höchstadt” Forum d. Barherzigen Brüder, Gremsdorf 21. Oktober 2005

Junge Erwachsene - Die Verlierer der Globalisierung? Globalisierung und Familienfreundlichkeit in Erlangen-Höchstadt – Wo liegt der Bezug?

Durchschnittliche Kinderzahl bei Frauen im Alter von 15-49 Jahren Erlangen-Höchstadt Europäische Union Durchschnittliche Kinderzahl bei Frauen im Alter von 15-49 Jahren Land 1960 1980 1995 FIN 2,70 1,95 1,70 FRA 2,73 1,95 1,70 DEU 2,37 1,56 1,25 NL 3,12 1,60 1,53 SPA 2,86 2,20 1,18 USA (2,48) 1,84 2,02 IRL 3,76 3,25 1,83 CZE (2,11) 2,10 1,28

Westl. Industrieländer Erlangen-Höchstadt Westl. Industrieländer Durchschnittsalter bei Geburt des ersten Kindes Land 1980 1990 2000 FIN 25,6 26,5 27,4 FRA 25,0 27,0 28,7 DEU 25,0 26,6 28,0 NL 25,7 27,6 28,6 SPA 25,0 26,8 29,0 USA 25,7 26,3 24,9 IRL 25,5 26,6 28,0 CZE 22,4 22,5 24,9

“Klassische” sozialwissenschaftliche Erklärungen Wandel der Familienformen … geringere Heiratsneigung, Instabilität von Beziehungen Möglichkeiten der Familienplanung Gewandelte Einstellungen zu Kindern … geringerer “Nutzen” (Absicherung im Alter durch staatl. Rente) … Kinder als “Kostenfaktor” … Wohlstandssteigerung schafft attraktive Konsumalternativen Wertewandel … Säkularisierung, Zuwachs „post-moderner“ Werte (Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit, berufliche Karriere) Mangelnde Kinderfreundlichkeit … Verstädterung: Fehlen einer kindgemäßen Umwelt … fehlende Möglichkeiten zur Vereinbarkeit v. Familie u. Beruf

Problem “klassischer” Erklärungsansätze ABER: … in einigen Regionen übersteigt das Angebot an frühkindlicher Kinderbetreuung die tatsächliche Nachfrage (Familienbericht des Instituts für Familienforschung (ifb) Bamberg) … in Deutschland wird ein in der Tat vorhandener Kinderwunsch nicht realisiert Von allen 40 jährigen ohne Kinder... ... hätten 53% gerne 2 oder mehr Kinder ... 13% hätten gerne zumindest ein Kind Diese Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit erscheint paradox - sie ist nicht mit reinen Wertewandeltheorien nicht erklärbar!

Das GLOBALIFE-Projekt Kernfrage Wie wirkt sich der Prozeß der Globalisierung auf Erwerbs- und Lebensverläufe in verschiedenen westlichen Industrieländern aus? Vier Phasen 1. Berufseinstieg und Familiengründung 2. Erwerbsverläufe von Männern 3. Erwerbsverläufe von Frauen 4. Erwerbsausstieg und Frühverrentung Forschungsprojekt an den Universitäten Bamberg und Bielefeld 1999-2005 gefördert von der Volkswagen-Stifung Leitung: Prof. Hans-Peter Blossfeld Soziologie, Wirtschaftsw., Bevölkerungsw. 16 ‘lokale Wissenschaftler’ aus 7 Ländern 45 nationale Experten aus 12 Ländern

Was verstehen wir unter “Globalisierung”? Wirtschaftlicher u. ökonomischer Wandlungsprozeß seit Beginn der 70er Jahre 1) Globalisierung von Märkten 2) Standortwettbewerb zwischen Sozialstaaten 3) Neue Kommunikationstechnologien 4) Instabilität von Märkten

Konsequenzen des Globalisierungsprozesses ALLGEMEIN  unvorhersehbare Marktentwicklungen nehmen zu  rapide Wandlungsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft  immer geringere Vorhersagbarkeit von Entwicklungen UNTERNEHMEN  zunehmender Bedarf an Flexibilität (Deregulierung von Arbeitsbeziehungen, Einführung flexibler wenig bindender Arbeitsformen )  Verschiebung der Machtbeziehungen am Arbeitsplatz INDIVIDUEN  Zunahme an Unsicherheit (langfristig bindende Entscheidungen, Vertrauensbeziehungen)

Die besondere Situation von Jugendlichen / jungen Erwachsenen Jugendlichen / junge Erwachsene... ... fehlt oft eine feste Verankerung am Arbeitsplatz (interne Arbeitsmärkte) ... können weniger auf soziale Netzwerke zurückgreifen ... sie besitzen dadurch nicht die Verhandlungsmacht, stabile und kontinuierliche Arbeitsverhältnisse einzufordern ... ihre Arbeitsverträge können vergleichsweise einfach veränderten Bedingungen angepasst, d.h. verschlechtert werden

Jugendliche / junge Erwachsene: Zunahme von Unsicherheiten beim Berufseinstieg Internationale Beispiele: ... Jugendliche in südeuropäischen Ländern sind von hohen Arbeitslosig-keitsrisiken betroffen bzw. erhalten nur befristete Arbeitsstellen ... In Großbritannien und Ungarn finden sich Jugendliche häufig in befristeter Beschäftigung oder in (Schein-) Selbständigkeit wieder ... Junge Erwachsene in den Niederlanden müssen heute Stellen mit deutlich niedrigeren beruflichem Prestige annehmen als ältere Geburtsjahrgänge ... Einzige Ausnahme: IRLAND  Verbesserung der Situation junger Erwachsener  Allgemein betrifft die Zunahme von Unsicherheiten vor allem junge Erwachsene mit niedrigem Humankapital

Wie reagieren junge Erwachsene auf zunehmende Unsicherheiten in der Arbeitswelt?  Verschiedene Strategien (1) Verbleib im Bildungssystem - Ausbildung als „Zufluchtsort“, Ausbildung als „Alternativrolle“ bei unsicherem Arbeitsmarkt - Hoffnung auf verbesserte Wettbewerbsfähig- keit durch zusätzliches (Fach-) Wissen (2) Kombination von Ausbildung und Erwerbstätigkeit - Finanzierung verlängerter Ausbildung - Erwerb relevantem Wissens, Erleichterung eines späteren Berufseinstiegs - mehr finanzielle Sicherheit

Wie reagieren junge Erwachsene auf zunehmende Unsicherheiten in der Arbeitswelt?  Verschiedene Strategien (3) Zunahme nichtehelicher Lebensformen - höhere Flexibilität - Form des Zusammenlebens mit weniger langfristiger Bindung (rationale Reaktion) - Zusammenlegen von Ressourcen erhöht Sicherheit (4) Geschlechtsspezifische Strategien - „familienorientierte Frauen“: Sicherheit der Familie als ‚Gegenpol‘ zur unsicheren Arbeitswelt - „erwerbsorientierte Frauen“: zunehmende Investitionen in die eigene Karriere, Aufschub familialer Entscheidungen

Wie reagieren junge Erwachsene auf zunehmende Unsicherheiten in der Arbeitswelt? Allgemeines Ergebnis für alle Länder: Die zunehmende Unsicherheit im Arbeitsleben führt bei den meisten jungen Erwachsenen zu einem Aufschub langfristig bindender Entscheidungen Der jungen Generation fällt es zunehmend schwer, sich rasch beruflich zu etablieren und eine dauerhafte Erwerbsperspektive zu erlangen Langfristig bindende Entscheidungen werden daher durch kurzfristigere Zeitplanung ersetzt Entscheidungen für Partnerschaft und Kindergeburt werden aufgeschoben, und teilweise in geringerem Maße realisiert als ursprünglich geplant. Aber: die o.g. Trends finden sich in verschiedenen Ländern in unterschiedlichem Ausmaß  Nationale Institutionen „filtern“ den Globalisierungsprozeß

In der “Globalisierungsfalle” In der “Globalisierungsfalle”? Nationale Reaktionen auf den Globalsiierungsprozeß (I) Südeuropa: „Familienorientierte Staaten“ ? - starke Barrieren innerhalb des Arbeitsmarktes behindern Arbeitsmarkteintritt - extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit, Ausweichen in nicht dauerhafte, prekäre Beschäftigung (befristete Verträge, Schein-Selbständigkeit) - staatliche Unterstützung für junge Menschen ausgesprochen gering (Arbeitslosenversicherung, Wohnungspolitik) - familienpolitische Maßnahmen erst im Aufbau  paradoxes Ergebnis: In sogenannten „familienorientierten Staaten“ sinkt die Geburtenrate aufgrund der zunehmenden Erfahrung von Unsicherheiten drastisch!

In der “Globalisierungsfalle” In der “Globalisierungsfalle”? Nationale Reaktionen auf den Globalsiierungsprozeß (II) Skandinavien: Sicherheit durch den Staat - aktive Arbeitsmarktpolitik fördert Beschäftigung und die Erwerbsintegration junger Erwachsener - eine aktivierende Arbeitslosigkeitpolitik (groß- zügige staatliche Leistungen bei gleichzeitiger Betonung von Weiterbildung) verringert finanzielle Unsicherheiten - großzügige familienpolitische Maßnahmen (finanzielle Unterstützung + kinderbezogene Dienstleistungen)  staatliches Eingreifen stabilisiert Lebens- und Erwerbsverläufe und verringert Unsicherheiten, resultierend in vergleichsweise hohen Kinderzahlen. Bemerkenswert: wenig geschlechtsspezifische Strategien (kein Ausweichen in Haushaltsrolle ODER Erwerbstätigkeit).

In der “Globalisierungsfalle” In der “Globalisierungsfalle”? Nationale Reaktionen auf den Globalsiierungsprozeß (III) Irland: Sicherheit durch Wachstum - ehemals hohes Ausmaß an Arbeitslosigkeit und Armut - Öffnung gegenüber der Weltmarktkonkurrenz, Förderung von Handelsbeziehungen und Investitionsanreize befördern Wachstum (nahezu Vollbeschäftigung in den 90ern) - Ausbau familienpolitischer Unterstützung  Irland als „Gewinner der Globalisierung“: Wachstum befördert die Abnahme von Unsicherheiten, deutlicher Anstieg von Heirats- und Geburtenraten Problem: Ist dieser Sonderweg „kopierbar“?

In der “Globalisierungsfalle” In der “Globalisierungsfalle”? Nationale Reaktionen auf den Globalsiierungsprozeß (IV) USA: Ist nichts sicherer als (planbare) Unsicherheit? - hohes Ausmaß an Flexibilität des Arbeits- marktes - geringe Sicherheit von Beschäftigungs- verhältnissen, wenig Kündigungsschutz - Aber: vergleichsweise günstige Möglichkeiten zum Wiedereinstieg in den / Aufstieg im Arbeitsmarkt  Der amerikanische Fall verweist auf die „subjektive“ Komponente von Unsicherheit: wird die - objektiv vergleichsweise hohe - Unsicherheit tasächlich als solche wahrgenommen oder ist sie „Normalität“?

Mögliche Diskussionspunkte Ausgehend von der Diagnose, daß (die Wahrnehmung von) Unsicherheit eine zentrale Rolle für das Eingehen von Partnerschaften und die Familiengründung spielt: Wie läßt sich Sicherheit für junge Erwachsene vermitteln? 1) Unterstützung von Beschäftigungsstabilität? (skandinavische Staaten / Irland) 2) Unterstützung eine möglichst reibungsfreien Übergangs von der (Aus-)Bildung in das Erwerbsleben? (Deutschland) 3) Unterstützung (dienstleistungstechnisch und materiell) von Familiengründung und deren Vereinbarkeit mit (paralleler?) Erwerbstätigkeit? (skandinavische Staaten?) 4) „Gewöhnung“ an die Zunahme von Unsicherheiten? (USA) Was ist in diesen Zusammenhängen „familienfreundlich“? Was läßt sich auf Landkreisebene realisieren?