Sozialstaat stärken Steuerpolitik Juni 2017

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 Präsentation transkript:

Sozialstaat stärken Steuerpolitik www.wipo.verdi.de Juni 2017 ver.di Bundesvorstand Bereich Wirtschaftspolitik – Ralf Krämer

Sozialstaat stärken - Steuerpolitik Ralf Krämer, 06.06.2017, Sozialstaat stärken - Steuerpolitik Fast noch wichtiger als inhaltliche Konzepte sind Kenntnisse und Argumente für die Diskussion, um andere Konzepte und Behauptungen beantworten zu können. Jährliche „Steuerrekorde“ sind ganz normal, ebenso jährliche „Lohnrekorde“. Trotz guter Steuereinnahmen und Überschüssen gibt es weiterhin erhebliche Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte. Einnahmen und Ausgaben müssen in Relation zu Wirt- schaftsleistung bzw. Nationaleinkommen betrachtet werden. Es zeigt sich starker Rückgang und Abbau von öffentlichen Leistun- gen und Personal seit 2000. 2015/16 Mehrausgaben durch Flüchtlinge. Überschüsse durch mehr Beschäftigung und weniger Ar- beitsmarktausgaben und Verzicht auf Steuersenkungen. Unterschiedliche Lage der Länder und v.a. Kommunen. Schuldenbremse zwingt zu Ausgabenbegrenzung und führt gesamtstaatlich zu Überschüssen. Das ist finanzpolitisch insb. wegen niedriger Zinsen und wirtschaftspolitisch wegen Nachfragebeschränkung und Leistungsbilanzüberschüssen irre. Es gibt hohe Finanzbedarfe, es sind in vielen Bereichen Mehrausgaben erforderlich, in der Summe etwa 100 Mrd. Euro jährlich. Deshalb muss ein Kernpunkt sozialer Steuerpolitik sein, gegen Steuergeschenke und für Mehreinnahmen einzutreten. Die Steuerbelastung der Einkommen in Deutschland ist insgesamt nicht zu hoch. Der Spitzensteuersatz darf nicht mit der Ge- samtbelastung (Durchschnittssteuersatz) verwechselt werden: wer mit 56.000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen an den Spitzensteuersatz von 42 Prozent kommt, zahl insgesamt nur 27 Prozent Steuern. Das zu versteuernde Einkommen von Beschäf- tigten ist zudem durch Abzug von Werbungskosten, Vorsorgeaufwand und Sonderausgaben meist knapp 20% niedriger als der Bruttoverdienst. Bei Eltern sind Kindergeld und Ausbildungsfreibeträge gegenzurechnen. Und dann müssen letztlich die öffentli- chen Leistungen und Sozialansprüche müssen gegengerechnet werden. Ein Problem ist die steuerliche Privilegierung der Ehe durch das Splitting, unabhängig von Kindern, die v.a. Paare mit einem hohen und einem niedrigeren Einkommen begünstigt.

5. - 6. Das Steuer- und Abgabensystem in Deutschland ist weit weniger progressiv als oft behauptet und gemeinhin angenommen wird. Behauptungen „Die Einkommensstärksten 10% zahlen weit über 50% der Steuern“ beziehen sich nur auf die Einkommen- steuer, außerdem beziehen diese auch weit über ein Drittel aller Einkommen. Regressive indirekte Steuern gleichen progressive Einkommensteuern fast aus, Sozialbeiträge wirken im oberen Bereich degressiv (v.a. Krankenversicherung), sind aber auch geson-dert zu betrachten (v.a. Rente). Wenn man das alles einbezieht ist die Abgabenbelastung fast proportional. (In der DIW-Studie, die der Grafik zugrundeliegt, sind bei den Sozialbeiträgen auch die Arbeitgeberbeiträge enthalten, deshalb sind die hoch. Bei den Bruttoeinkommen sind diese auch addiert, ebenso empfangene Transferleistungen und Nettomietwert selbstgenutzten Wohnei-gentums, also nicht nur steuerpflichtige Einkommen.) Die Steuerpolitik seit 2000 hat die hohen Einkommen und die Unternehmen kräftig entlastet. Davon profitierten weit überpro- portional Steuerpflichtige mit höheren und hohen Einkommen (auch abhängig Beschäftigte). Indirekte Steuern, insb. die Mehr- wertsteuer (von 16 auf 19 Prozent) wurden erhöht und dadurch überproportional die Belastung von Haushalten mit geringeren Einkommen. Insgesamt wurde im Ergebnis die Besteuerung 1998 bis 2015 deutlich weniger progressiv. - 9. Ein besonderes Problem ist die Verteilung der Vermögen, diese ist noch weitaus ungleicher als die der Einkommen und in Deutschland besonders ungleich. Bis 1996 wurde eine Vermögensteuer erhoben, seitdem nicht mehr, obwohl es möglich wäre und im GG vorsehen. Die Erbschaftsteuer ist durch eine extreme Begünstigung der Erben von Betriebsvermögen gekennzeichnet (inkl. großer Aktienpakete, die gepoolt werden können). Durch entsprechende Gestaltungen und Schenkungen bleiben die Familien der Superreichen weitgehend von der Erbschaftsteuer verschont, über 50 Mrd. Steuerausfälle in den letzten 5 Jahren. Die vom BVerfG erzwungene Reform 2016 hat wenig geändert. Auch für die Vermögensteuer ist zentral Betriebsvermögen einzubeziehen, sonst lohnt sie nicht. Es gibt weiterhin in erheblichem Umfang, wir schätzen etwa 50 Mrd. Euro jährlich, Steuerausfälle durch Steuerflucht und Steuer- betrug und einen unzureichend ausgestatteten und kooperierenden Steuervollzug. CUM-EX und CUM-CUM haben zig Milliarden. Euro Ausfälle gebracht. Dazu kommt die überwiegend legale Steuervermeidung internationaler Konzerne, die Steuerwettbewerb und doppelte Nichtbesteuerung ausnutzen (u.a. Tax-Rulings).

Riesige unversteuerte Vermögen von Konzernen und Superreichen sowie aus Kriminalität und Geldwäsche liegen in Steueroasen/Schattenfinanzplätzen. Auch Deutschland besteuert Kapitalerträge von Ausländern nicht. In der politischen Diskussion werden zunehmend Steuersenkungen gefordert, für alle und angeblich v.a. zugunsten der niedri- geren Einkommen. Tatsächlich profitieren von Senkungen des Einkommensteuertarifs immer am meisten hohe Einkommen, wenn nicht durch höhere Sätze oben gegenfinanziert wird. Die Abschaffung des Solizuschlags wäre verteilungspolitisch besonders nega- tiv. Die Folge wären Einnahmeausfälle von 20, 30 oder mehr Mrd. Euro im Jahr. Einkommensschwächere und Sozialleistungsbe- ziehende haben dagegen wenig oder nichts davon, wären aber von schlechteren öffentlichen und sozialen Leistungen und höhe- ren Gebühren wegen der Einnahmeausfälle am stärksten betroffen. . - 13. Das DGB-Konzept würde dagegen insgesamt zu Mehreinnahmen führen, die für höhere öffentliche Investitionen, Dienst- leistungen und soziale Leistungen auch benötigt werden. Die Einkommensteuer soll insgesamt aufkommensneutral reformiert werden. Höherer Grundfreibetrag führt zu Entlastungen für über 90 Prozent der Steuerpflichtigen. Abschaffung Abgeltungsteuer (Hier kommt drauf an es richtig zu machen, sonst kann das nach hinten losgehen und die Begünstigung von Veräußerungsgewin- nen und Großanlegern wieder verstärken, Stichworte Veräußerungsfristen, Werbungskosten, Verlustverrechnungen, Teileinkünfteverfahren.). Mobilitätsgeld 13 Cent statt Entfernungspauschale 30 Cent bringt Vorteile bei niedrigeren Einkommen, Splittingvorteil abbauen, gleiches Kindergeld statt Freibeträge, Reform der Minijobs. Vermögensteuer und Erbschaftsteuerreform. Gemeindewirtschaftsteuer und Kampf gegen Steuervermeidung und Steuerbetrug. Besserer Steuervollzug. Finanztransaktions- steuer. (Im Einzelnen darstellen. Die Tarifgrafik bezieht sich auf den Singletarif ohne Kinder.) 14. -16. Umfragen zeigen mehrheitliche Zustimmung zu mehr Steuergerechtigkeit, aber die Gegenkräfte sind bisher politisch mächtiger. Die sozialen Kräfte sind gefordert, aufzuklären und aktiv zu werden und Druck zu machen für mehr Steuergerechtigkeit und die Stärkung des Sozialstaat: Reichtum umverteilen – ein gerechtes Land für alle!

Öffentliche Finanzbedarfe in D. Kommunale Infrastruktur und Gebäude: > 20 Mrd. € j. Energet. Sanierung, Ver- und Entsorg.: > 10 Mrd. € j. Energiewende, Netze usw.: > 10 Mrd. € jährl. Verkehrswege und ÖPNV: > 5 Mrd. € jährlich Flächendeckender Breitbandausbau Investitionen Krankenhäuser und Pflege: > 10 Mrd. € j. Personal in Kitas, Schulen, Hochschulen: > 30 Mrd. € j. Sonst. Personal öffentliche und soziale Dienste Öffentliche und soziale Wohnungspolitik Sozialleistungen und Arbeitsmarkt: > 10 Mrd. € j. Gesetzliche Rente stärken u.a. Soziales: > 10 Mrd.€ j. Flüchtlingsintegration: + 5 Mrd. € jährlich Gesamtbedarf: über 100 Mrd. € jährlich, >3% des BIP

Was diskutieren die Parteien zur Bundestagswahl? CDU/CSU: Entlastungen bei der Einkommensteuer bis zu 30 Mrd. Euro, schrittweise Abschaffung des Soli FDP: Abschaffung des Soli (2016: 16,9 Mrd. Euro), Entlastung von 20 Mrd. Euro bei der Einkommensteuer. AfD: Familiensplitting, Stufentarif -> deutliche Steuersenkung SPD: kleine und mittlere Einkommen und Familien entlasten, FTT, Erbschaftsteuer, Steuerbetrug bekämpfen Bündnis 90/Die Grünen: “verfassungsfeste Vermögensteuer”, ggf. Erbschaftsteuerreform (“einfach und gerecht”), Abschaffung des Ehegattensplittings. Die Linke: Millionärsteuer (5%/Jahr), Erbschaftsteuer anheben, FTT, Abschaffung des Ehegattensplittings, starke Erhöhung Grundfreibetrag und Spitzensteuersätze.

DGB Steuerpolitische Eckpunkte 2017 geringere Steuern auf niedrige Einkommen, höhere auf hohe Einkommen und Kapitalerträge , gerechtere Kinderförderung, Mobilitätsgeld Reform des Splitting und der Minijobs +-0 Mrd. € Vermögenssteuer 1% ab über 1 Million €, max. 2% 25 Mrd. € Erbschaftsteuern auch für Unternehmenserben 5 Mrd. € Gemeindewirtschaftsteuer und vollständigere Besteuerung von Unternehmensgewinnen 5 Mrd. € Umfassende Finanztransaktionssteuer 15 Mrd. € besserer Steuervollzug, Steuerbetrug bekämpfen 12 Mrd. € Insgesamt Mehreinnahmen jährlich ca. 60 Mrd. €