Die UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt: Status, Akteure und Erwartungen Mira Burri World Trade Institute, Universität Bern 25. Januar 2011, Universität.

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 Präsentation transkript:

Die UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt: Status, Akteure und Erwartungen Mira Burri World Trade Institute, Universität Bern 25. Januar 2011, Universität Zürich

2 die Eckdaten Das UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen wurde am 20. Oktober 2005 verabschiedet 148 Ja- und nur 2 Nein-Stimmen (die Vereinigten Staaten und Israel); 4 Enthaltungen (Australien, Honduras, Liberia und Nicaragua) seit dem 16. Oktober 2008 ist die Schweiz ein vollwertiger Vertragsstaat der Konvention Gegenwärtig 115 Staaten haben die Konvention ratifiziert.

3 die Rhetorik (i) „For the first time in modern history, the right of states to adopt policies to protect and promote their cultural expressions was affirmed in an international legal instrument.” (Canadian Coalition for Cultural Diversity, The campaign for cultural diversity: Why it matters to you, 2010)

4 die Rhetorik (ii) “In einer Zeit, da die Vielfalt der kulturellen Ausdrucksformen durch eine globalisierte Monokultur bedroht ist, muss mit Nachdruck daran erinnert werden, dass kulturelle Aktivitäten, Güter und Dienstleistungen nicht nur einen kommerziellen Wert haben. Filme, Bücher, Musik, Medien sind Träger von Identität, Werten und Sinn. Das Übereinkommen erlaubt es den Staaten, die Kulturschaffenden, deren Erzeugnisse und die Kulturwirtschaft zu schützen und zu unterstützen.“ ( Kulturelle Vielfalt – mehr als nur ein Slogan, 2009, im Auftrag der Schweizer Koalition für die kulturelle Vielfalt und der Schweizerischen UNESCO-Kommission)

5 die Rhetorik (iii): 4 Nutzen für die Schweiz Die UNESCO-Konvention schützt uns vor aggressiven Forderungen auf Liberalisierung des kulturellen Sektors in internationalen Handelsverträgen Die UNESCO-Konvention garantiert der Schweiz den grösstmöglichen Spielraum für ihre Kulturpolitik Die UNESCO-Konvention bestätigt das Urheberrecht als existentielle Basis für die Arbeit der Autoren Die UNESCO-Konvention bekräftigt die entscheidende Rolle der eigenen Medien, besonders des Service Public von Radio und Fernsehen. ( Schweizer Koalition für kulturelle Vielfalt, Auf dem Weg zum weltweiten Schutz der kulturellen Vielfalt, Faltblatt Frühjahr, 2007)

6 die reale Bedeutung der Konvention völkerrechtlich verbindliches Instrument, aber 1.keine rechtlich bindenden Pflichten 2.substantielle Lücken 3.ambivalente Beziehung zu anderen internationalen Abkommen

7 keine bindenden Pflichten (i) Ausnahmen: Art. 16 (Vorzugsbehandlung für Entwicklungsländer) und Art. 17 ( Internationale Zusammenarbeit in Situationen ernsthafter Gefährdung kultureller Ausdrucksformen) >> Entwicklungshilfe restliche Normen >>Good-Will-Bestrebungen keine Sanktionen kein effizientes Streitschlichtungsverfahren

8 keine bindenden Pflichten (ii) Im Gegensatz, breit definierte Rechte: jede „Regelung, die darauf abzielen, die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu schützen und zu fördern“ (Art. 6 Abs. 2(a)) keinen Unterschied zwischen Massnahmen, die legitim und nicht legitim sind; keinen Proportionalität- oder Notwendigkeitstest „all-inclusive“ Definition von kultureller Vielfalt: „die mannigfaltige Weise, in der die Kulturen von Gruppen und Gesellschaften zum Ausdruck kommen“ (Art. 4 Abs. 1) >> Gefahr von Protektionismus

9 substantielle Lücken alle Rechte gehören den Vertragsstaaten keine einklagbaren Rechte des Einzelnen, z.B. für indigene Völker, Medienorganisationen, Journalisten z.B. Rechte wie Sprache eigener Wahl, Anspruch auf Bildung nicht Teil der Konvention, obwohl sie von der Allgemeinen Erklärung zur kulturellen Vielfalt geschützt sind In Sachen Urheberrecht lediglich eine „Anerkennung der Bedeutung der Rechte des geistigen Eigentums zur Unterstützung derer, die an der kulturellen Kreativität beteiligt sind“ und zwar in der Präambel

10 Beziehung zu anderen int. Abkommen Art. 20: …Ohne dieses Übereinkommen anderen Verträgen unterzuordnen, a) fördern sie daher die wechselseitige Unterstützung zwischen diesem Übereinkommen und anderen Verträgen, deren Vertragsparteien sie sind; b) berücksichtigen die Vertragsparteien bei der Auslegung und Anwendung anderer Verträge, deren Vertragsparteien sie sind, oder bei Eingehen anderer internationaler Verpflichtungen die einschlägigen Bestimmungen dieses Übereinkommens. 2. Dieses Übereinkommen ist nicht so auszulegen, als verändere es die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien aus anderen Verträgen, deren Vertragsparteien sie sind.

11 Beziehung zu anderen int. Abkommen verschiede Auslegungen Hoffnung auf „Handel vs. Kultur“-Kollision WTO-Fall: China–Measures Affecting Trading Rights and Distribution Services for Certain Publications and Audiovisual Entertainment Products (2009) keine Auswirkung der Konvention auf das WTO- Regime Auswirkung auf Verhandlungen und künftige Verträge

12 Fazit die UNESCO-Konvention konnte ihr ursprüngliches Ziel, ein Gegengewicht zu der Welthandelsorganisation zu bilden, die durchsetzbare Pflichten und einen starken Streitbeilegungsmechanismus hat, nicht erreichen Weshalb? die Verdienste der Konvention geringe rechtliche, aber intensive politische Auswirkung

13 Umsetzung der Konvention innenpolitische Dimension: wenig bis nichts aussenpolitische Dimension: bilaterale und regionale Handelsabkommen: kulturelle Zusammenarbeit multilateral: Erhaltung des Status Quo die Schweiz: die Umsetzung der Konvention ist mit keinen gesetzlichen Änderungen und mit keinem finanziellen Aufwand für den Bund und für die Kantone verbunden innovative und effiziente Implementierungsmodelle

14 Food for thought Pfadabhängigkeit in Kulturpolitik die neue digitale Medienumgebung als Chance für Out-of-the-Box-Lösungsansätze differenzierter gegen Liberalisierung und für staatliche Intervention die modernen Gesellschaften in einer globalvernetzen Welt – homogener unter sich und heterogener in sich werden neue Herausforderungen

15 herzlichen dank. kommentar